15.

Lenny presste einen kalten Eisbeutel auf ihr geschwollenes Auge. Melody saß besorgt neben ihr und drückte ihre Hand. "Das ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert ist, oder?" fragte sie sanft. Lenny nickte und ihre Mutter seufzte. "Ich werde mit deinem Lehrer reden." sagte sie entschlossen. 

Lenny schüttelte entsetzt den Kopf. "Lass es einfach gut sein, Mum." sagte sie. "Ich muss gleich los zu Alice. Wir können später weiter reden." Sie konnte sich ihrer Mutter in diesem Fall einfach nicht anvertrauen. Doch das schützte sie nicht davor, ihren traurigen Blick im Rücken zu spüren, als sie das Zimmer verließ. 

Obwohl es ganz in der Nähe des Waldes eine Bushaltestelle gab, zerrte Lenny ihr altes Fahrrad aus der Garage und fuhr selbst zum Treffpunkt. Sie trat so fest in die Pedale, dass sie sich sicher war, dass das klapprige Rad auseinanderfallen würde. Sie war wütend über ihre eigene Dummheit, und darüber dass sie sich zwar gegen einen gefährlichen Messertypen, aber anscheinend nicht gegen Mitschüler, die einen nach der Schule abfingen, wehren konnte. Wenigstens war Elena nicht dabei gewesen. Sie hoffte, dass sie zumindest einsah wie sehr sie Lenny mit ihrem Verhalten verletzt hatte. 

Als Lenny am Waldrand ihr Fahrrad an einen Baum schloss, wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Kurze Zeit später kam Alice auf sie zugerannt. "Ich habe extra einen Bus später genommen, damit wir zusammen fahren können." beschwerte sie sich. "Und du fährst mit dem Fahrrad. Ich fühle mich zutiefst verletzt." Plötzlich riss sie die Augen auf." Was zur Hölle ist mit deinem Gesicht passiert?" fragte sie entsetzt. "Neo." antwortete Lenny knapp. Alice seufzte. "Du hast mich echt erschreckt. Ich dachte schon, Messerman ist zurückgekommen. " 

"Genau das wollte ich bezwecken." grinste Lenny. Alice drückte ihr ihren Rucksack in die Hand. "Nicht witzig. Dafür musst du jetzt den hier tragen." Nach einer kurzen Rangelei gab sich Lenny geschlagen und trug ihre und Alice' Taschen den schmalen Waldweg entlang. 

"Okay, ich habe mir einen Trainingsplan überlegt." begann Alice. "Zuerst müssen wir herausfinden, was die Glut alles kann, und wie du die auslösen kannst. Was hast du dabei gefühlt? Kann man sie auch zu nicht zerstörerischen Zwecken einsetzten?" beim letzten Satz strich sich Lenny nervös die Haare aus dem Gesicht. 

Als sie an einer kleinen Lichtung ankamen, warf Lenny die beiden Taschen an den Rand und zog ihre Jacke aus. Darunter trug sie kurze Sportklamotten. Alice nickte anerkennend. "Gut vorbereitet, wie ich sehe." sagte sie. Lenny lächelte schüchtern. Eigentlich hasste sie es, kurze Klamotten zu tragen, und zog Leggins Shorts vor. 

"Okay!" Alice drehte sich einmal komplett im Kreis und ließ ihre blonden Haare in der Luft umherwirbeln. "Beginnen wir mit Konzentrationsübungen." Lenny starrte sie wütend an. "Wozu habe ich mir dann die Sportklamotten angezogen?" fragte sie gereizt. "Du brauchst sie später sicher noch." beschwichtige Alice sie. "Und jetzt ab ins Herz." 

Lenny setzte sich auf den Boden und schloss die Augen. Grauer Nebel erschien vor ihrem inneren Auge. Doch statt zu warten, dass er sie ganz umschloss, öffnete Lenny die Augen schon,nachdem er etwas dichter geworden war. 

Die Welt schimmerte in einem unheimlichen Rotton. Dort, wo die Luft sein sollte, befand sich ein feines, dreidimensionales Netz aus roten Linien. Lenny streckte die Hand aus. Bewegung kam in das Netz und es begann sich zu verziehen und neu zu formen. Einer der Bäume neben Lenny wurde von einer roten Linie getroffen. Ein für ihre Ohren viel zu lautes Knacken ertönte, und eine tiefe Kerbe wurde in den Stamm geschlagen. Langsam begann sich der Baum zur Seite zu neigen und krachte auf die Lichtung. 

Alice schrie auf und riss Lenny damit aus ihrer Konzentration. "Das war unglaublich!" rief ihre Freundin. "Du hast deine Hand bewegt, ein roter Blitz hat diesen Baum getroffen und er ist einfach umgekippt. Wie hast du es gemacht und warum ausgerechnet dieser Baum?"

Lenny stand auf. Sie erklärte Lenny kurz, was sie gesehen hatte. "Versuch es gleich noch einmal." riet ihr Alice. "Und versuch diesmal zu Zielen! Du hättest alles treffen können, auch mich."



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