12.
Regen prasselte gleichmäßig auf das Glasdach der Bushaltestelle. Alice hatte ihren Arm um Lenny gelegt und blickte ihr besorgt ins Gesicht. "Wie geht es dir?" fragte sie leise.
Lenny holte tief Luft. "Wieder gut." murmelte sie. "Ich weiß auch nicht was passiert ist. Als die Bibliothek angefangen hat zu brennen hatte ich wieder diese Schmerzen. Aber diesmal haben sie sich anders angefühlt. So als würde es in meinem Inneren brennen." erschöpft legte sie ihren Kopf an Alice' Schulter. Ihre Freundin legte den Arm um sie.
"Was wirst du jetzt machen?" fragte sie. Diesmal hatte ihre Stimme einen ernsten Unterton. Lenny schloss die Augen. "Ich weiß es nicht. Es fühlt sich alles so kalt an. Dieser Mann... Eras, hat versucht mich zu töten. Es hört sich vielleicht komisch an, aber es ist mir egal."
Alice drückte ihre Schulter. "Ja, ich verstehe es irgendwie. Als er mir das Messer an die Kehle gehalten hat, habe ich mich auch so gleichgültig gefühlt. Ich hätte eh nichts daran ändern können."
Sofort fühlte Lenny sich schlecht. Alice hatte in echter Lebensgefahr geschwebt, während sie durch ihr Herz geschützt worden war.
"Es tut mir leid." sagte sie leise. "Ich habe gar nicht auf deine Gefühle, und wie du darauf reagierst geachtet." zu ihrer Überraschung lachte Alice bitter auf.
"Dieser Typ hat versucht dich zu töten, nicht mich. Er hat mich nur bedroht."
"Er hat dich nur bedroht?" wiederholte Lenny ungläubig. "Nur? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er dich ohne zu zögern getötet hätte. Und dieses Messer sah scharf aus." wütend schob sie Alice' Arm von ihrer Schulter.
Alice wollte zu einer Erwiderung ansetzen, als plötzlich ein lautes "Shhhhh!" ertönte. Ein älterer Mann saß auf der Bank neben ihnen und blickte sie genervt an.
"Sucht euch bitte einen anderen Ort zum streiten." fuhr er schon sanfter fort. "Ihr seid wirklich zu laut." Alice nickte und zog Lenny hoch. "Sorry!" rief sie über die Schulter.
Lenny fuhr sich durch die nassen Haare. "Vielleicht sollte ich einfach Boneseeker fragen. Sie weiß bestimmt was wir in dieser Situation tun sollen."
"Zur Polizei gehen?" schlug Alice vor. "Ich glaube nämlich das das im Moment am meisten helfen würde. Zumindest ich habe jetzt ziemlich Angst davor alleine zu sein."
"Ich weiß es nicht." flüsterte Lenny. "Und ich glaube das ist das Problem. Ich weiß nichts mehr. Dieses 'Herz' ist magisch und bis vor drei Tagen habe nicht einmal an so einen Scheiß geglaubt. Ich fühle mich so Hilflos. Jeder scheint plötzlich mehr über mich zu wissen als ich selbst." frustriert trat sie gegen eine Straßenlaterne.
Alice nahm Lennys Hand und drückte sie. "Du musst nach Hause und brauchst einen heißen Tee. Danach können wir immer noch überlegen was wir machen." widerstandslos ließ Lenny sich von ihrer Freundin führen. Als sie schließlich vor ihrer Haustür standen und sie umständlich die Schlüssel aus ihrer Hosentasche zog bemerkte sie erste Veränderungen in ihrem Hörvermögen.
Sie konnte deutlich hören wie ihre Schwester im oberen Stockwerk duschte und Melody etwas am Computer tippte. Ein leichtes Gefühl der Angst begann in ihr aufzusteigen.
"Hey Alice." sagte sie und stieß die Tür auf." Kannst du meiner Mutter bescheid sagen dass wir da sind? Ich gehe kurz hoch." Alice nickte. Lenny konnte ihren verwunderten Blick im Nacken spüren als sie die Treppe hochhastete. Kaum war sie in ihrem Zimmer angekommen warf sie sich auf ihr Bett und rollte sich zusammen. Mit beiden Händen bedeckte sie ihre Ohren und schloss die Augen.
Diesmal war der Übergang ins Herz gewollt, und deshalb nicht so abrupt. Langsam schälten sich graue Formen aus der Dunkelheit. Das dunkle Gras wehte im nicht fühlbaren Wind. Der Geruch von Rauch stieg in den sternenlosen Himmel. Lenny stand vor der komplett niedergebrannten Ruine der Bibliothek.
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