1.

Lenny saß an ihrem Zimmerfenster und blickte auf die große Einfahrt vor dem Haus herab. Adrett gepflegte Blumenbeete wechselten sich mit säuberlich geschnittenen Büschen ab. Die Zeit verging so langsam. Sie wartete seit bestimmt drei Stunden. Ein Blick auf den Wecker zeigte jedoch, dass es gerade einmal zehn Minuten gewesen waren. Als Melody, ihre Mutter, ihr erzählt hatte, dass ihre Schulfreundin Elena zu Besuch kommen würde, hatte sie sich sofort neben das Fenster gesetzt. 

Elena und Lenny waren in der siebten Klasse beste Freundinnen gewesen. Bis sie abrupt umgezogen war. Anscheinend hatten ihre Eltern nach zwei Jahren doch  beschlossen wieder zurückzukommen. Das Glücksgefühl das daraufhin in ihr aufgestiegen war, hatte sich bis jetzt kein bisschen gelegt. Sie dachte an die vielen verrückten Dinge, die sie gemacht hatten und plötzlich kamen ihr Zweifel. Sie hatte sich in diesen zwei Jahren verändert. Was wenn Elena sie nicht mehr akzeptierte?

Regen begann gegen das Fenster zu trommeln und färbte den Schotter in der Einfahrt grau. Lennys Sicht aus dem Fenster wurde verschwommen und milchig. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Es war kindisch, hier zu sitzen und auf eine Freundin zu warten. Sie stand gerade auf, als ich das Knirschen von Reifen auf Steinen hörte. Schnell riss sie das Fenster auf. 

Der Regen schlug Lenny entgegen und die Feuchtigkeit sorgte dafür, dass sich die Spitzen ihrer kurzen, braunen Haare kräuselten. Eine schwarze Limousine fuhr vor. Aus einem der Seitenfenster winkte ein großes Mädchen in ihre Richtung. Sie trug einen grauen Sonnenhut, unter dem ihre Haare wild hervorflatterten. Ihr weißer Pulli war schon längst vom heftigen Regen durchnässt. Grinsend winkte Lenny zurück. 

Ein bescheuertes Dauerlächeln klebte auf ihrem Gesicht, als sie die Treppe runterhastete. Melody hatte schon zwei Regenschirme hervorgeholt und hielt sie ihr und ihrer Schwester Layla hin. "Begrüßt eure Freundin!" Lenny schnappte mir sofort einen der Schirme und stürmte nach draußen. "Sie ist nicht meine Freundin." murmelte Layla, folgte ihr aber dennoch. 

Inzwischen waren Elena und ihre Familie ausgestiegen. Bevor Lenny ihre Freundin begrüßen konnte, umarmte sie Elenas Mutter, Rebecca. Sie war immer noch mindestens einen Kopf größer als Lenny, und da sie einen Regenschirm in der Hand hielt, wurde aus der Umarmung ein unbeholfenes gegeneinanderstoßen. Endlich trat sie zur Seite. Geduld war noch nie eine von Lennys Stärken gewesen. Sie übergab Rebecca den Schirm und rannte auf Elena zu. 

Ein verschmitztes Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Sie war gewachsen und ungefähr zwanzig Zentimeter größer als Lenny. Etwas zögernd streckte sie die Arme aus. Erst jetzt bemerkte Lenny das Rosentattoo an ihrem Hals. Nach einer ausführlichen Begrüßung, die auch Elenas Vater Brian und ihren Bruder Leo nicht mit ausschloss, sperrte Melody Besucher und Familienangehörige gleichermaßen, mit Kaffee und Kuchen in das Wohnzimmer. Lennys Vater war gerade leider nicht hier, er würde später dazustoßen. 

"Also, wie war es in Tokio?" fragte Melody begeistert. Rebecca und sie begannen sofort über die verschiedenen Kulturen zu plaudern. "Und? Wie war es?" versuchte Lenny Elena auszuquetschen. "Ich kann jetzt ein bisschen japanisch." erzählte sie. "Und mit Essstäbchen essen. Auf der Schule auf die ich gegangen bin, war ich eine der besten Schülerinnen." interessiert hörte Lenny ihr zu. Obwohl der Umstand, dass sie Lenny nie nach ihrer Zeit hier fragte, ihre Stimmung trübte. 

Irgendwann während Melodys dritter Tasse Kaffee, schaffte Lenny es sich mit Elena in ihr Zimmer zu verziehen. Elena blieb der Mund offen stehen, als sie in der Tür stehen blieb. "Du hast umdekoriert." stellte sie fest. Lenny lächelte etwas unsicher. Nervös rückte sie ihre rote Brille zurecht, ein Tick den sie sich während der vielen Referate in der Schule angeeignet hatte. 

Lenny hatte tatsächlich vieles verändert. Die schwarzen Wände waren einem olivgrün gewichen. Überall hingen Bilder von ihr und ihrer Freundin Alice. Auch ein paar Bilder von Elena waren dabei, aber deutlich weniger. Auf dem Fensterbrett standen Pflanzen. Der Schreibtisch und das Bett waren nun weiß. Ein großes Bücherregal nahm die hintere Wand des Zimmers ein. 

"Es ist schön." war Elenas einziger Kommentar. "Danke." ein unbehagliches Schweigen setzte ein. "Also... was wollen wir machen?" fragte Lenny schließlich.  Elena zuckte mit den Schultern. "Was machst du denn in letzter Zeit gerne?" Lenny hatte das Gefühl, dass Elena sie für ihre Entwicklung von der Draufgängerin zu Leseratte verurteilte. Und aus irgendeinem Grund wollte sie nicht zugeben, dass sie ihre Freizeit an Alice gekuschelt auf dem Sofa verbrachte, während sie gemeinsam in einem Buch lasen. 

"Naja, dies und das. Ich habe mit Parcourtraining angefangen." das war nur die halbe Wahrheit. Lenny hatte nach zwei Tagen schon wieder aufgehört. Doch das musste sie Elena ja nicht erzählen. "Und ich habe mitbekommen, dass die Villa neben dem Schloss leersteht." Lenny tat so, als würde sie es nur nebenbei Erwähnen, doch Elenas Augen begannen sofort zu glänzen. 

"Bist du dir sicher? Du weißt ja, wir bleiben über Nacht. Vielleicht..." ein Lächeln breitete sich auf Lennys Gesicht aus. Doch warum fühlte es sich nur so falsch an? 




Wie findet ihr Elena bis jetzt? 

Updates kommen jeden Dienstag. 


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