3. Kapitel

Joy öffnete die Augen und starrte verschlafen an die Zimmerdecke. Sie rieb sich die Schläfen und setzte sich auf. Langsam schweifte ihr Blick durch den Raum. Er war leer. In demselben Zustand, wie als sie eingeschlafen war. Nur, dass scheinbar einige Stunden vergangen waren, denn hinter dem immer noch geöffneten Fenster ging die Sonne gerade auf und verkündete einen neuen Morgen. Müde streckte Joy sich und schwang die Beine vom Bett. Sie stolperte zu dem Tisch, auf dem die Medikamente standen, und griff nach dem immer noch halb gefüllten Glas Wasser. Gierig schluckte sie die kühle Flüssigkeit und setzte sich dann auf einen der Holzstühle. Nach und nach schwand ihre Müdigkeit. Joy betrachtete die Holztür neben sich. Die Möglichkeit, sie zu öffnen und einen Blick nach draußen zu werfen, war verlockend.

Sie zögerte und spitzte die Ohren, um auf Geräusche außerhalb des Raumes zu lauschen. Da sie nichts als Stille vernahm, stand sie auf und schlich zu dem Schlüsselloch. Sie presste ein Auge dagegen und versuchte hinauszusehen. Joy erblickte eine Hand. Erschrocken taumelte sie zurück. Der Knauf wurde gedreht und das Schloss quietschte leise. Dann öffnete sich die Tür.

Kadira blieb abrupt in der Türschwelle stehen, als sie Joy direkt vor sich erblickte. "Du bist aufgewacht?"

Das Mädchen trat zurück und setzte sich verlegen an den Bettrand. "Ja. Gerade eben."

"Gut." Kadira lief zu dem Tisch, an dem Joy bis vor kurzem noch gestanden hatte, und öffnete, wie am vorherigen Tag, ein kleines Fläschchen. "Wie geht es dir?", fragte sie beiläufig, während sie ein paar Tropfen Medizin in ein frisches Wasserglas fallen ließ und es Joy reichte. "Hier. Dein Schmerzmittel."

Joy nahm das Glas und schluckte das Wasser. "Mir geht es ... besser. Aber mein Kopf schmerzt immer noch", antwortete sie.

Kadira runzelte die Stirn. "Hat das Schmerzmittel nicht gewirkt?"

"Doch, schon. Meine Glieder schmerzen weniger. Aber mein Kopf tut genauso weh wie vorher."

Die Heilerin kniff die Augen zusammen und murmelte nachdenklich vor sich hin. "Eigenartig ... wirklich eigenartig."

"Was ist eigenartig?", wollte Joy wissen. Unruhe erfasste sie. Die Hilflosigkeit und das Unwissen, was um sie herum passierte, machten sie nervös.

"Nichts..."

"Falsch!" Joys Augen funkelten, Verzweiflung lag darin. "Bitte. Ich bin weder blind noch taub und merke sehr wohl, dass nicht nichts ist."

Kadira wandte sich ab und presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. "Ich darf dir das nicht erzählen. Meine Befehle kommen von weit oben und ich ... ich kann dir nur sagen, dass man nur das Beste für dich will." Sie flüchtete mit entschuldigendem Blick zur Zimmertür. "Marina wird dich bald besuchen kommen, sie wird dir alles erklären, was du wissen möchtest."

Joy knirschte mit den Zähnen. "Also schön. Und wann wird das sein? Ich ersticke in diesem Raum! Bitte, kann ich nicht wenigstens einmal kurz hinaus an die frische Luft?" Kadira wich ihrem Blick aus und klammerte ihre Hand um den Türknauf.

"Das zu entscheiden liegt nicht bei mir. Aber ich werde mit Marina sprechen."

Schon war die alte Heilerin aus dem Raum geschlüpft und hatte die Tür hinter sich geschlossen.

Joy hämmerte frustriert mit den Fäusten auf die Bettkante und sprang auf. Ruhelos ging sie in dem Raum auf und ab. Sie lief zum Fenster, blickte sehnsüchtig auf den vom goldenen Licht der Morgensonne erleuchteten Wald hinab und wandte sich wieder ab.

Ihr Blick huschte unentschlossen zu der Zimmertür. Sollte sie den Raum einfach auf eigene Faust verlassen? Wer wusste, wie lange es dauern würde, bis Marina wieder hier auftauchte?

Missmutig biss Joy sich auf die Lippe. Ihr Blick huschte zu dem großen Wandspiegel. Sie musterte das blasse Gesicht, das ihr aus meerblauen, von dunklen Ringen umrandeten Augen entgegenblickte. Ihre Haare waren zerzaust und schmutzig. Ihre Haut an einigen Stellen wund. Was Joy an ihrem Anblick jedoch am Meisten schockierte, waren die blassen, roten Male, die sich an ihrem Hals befanden. Sie verheilten bereits, waren aber noch gut sichtbar. Vorsichtig berührte Joy die breiten Striemen. Als sie einen leichten Druck darauf ausübte, verzog sie sofort gequält das Gesicht.

Da ertönte von der Tür ein lautes Knarren und der Knauf drehte sich. Joys Blick schnellte sofort erwartungsvoll herum. Ein Fuß schob sich an der Tür vorbei. Joy betrachtete verwundert den zierlichen, schmal geschnittenen Schuh. Das war weder einer von Kadiras klumpigen Pantoffeln, noch Marinas grauer Absatzschuh.

Eine Hand folgte dem Fuß und drückte die Tür auf. Joy musterte die Person, die nun vor ihr stand. Ein junges Mädchen, ungefähr in ihrem Alter. Es besaß ein blasses, kantiges Gesicht, lange, feuerrote Locken und braune Augen. An ihren dünnen Körper schmiegte sich ein bodenlanges, elegantes Kleid aus hellblauem Samt.

Das Mädchen schloss die Tür hinter sich und wandte den Kopf zu Joy um. Ihre Augen blitzten neugierig. "Guten Morgen, Joy. Es freut mich, Euch kennenzulernen. Mein Name ist Tamina. Ich bin eine Freundin von Marina." Ihre Worte waren sorgsam gewählt und die schlanken, blassen Hände sittlich gefaltet.

Joy erwiderte den Blick des Mädchens leicht irritiert. "Tatsächlich?", fragte sie.

Tamina nickte und lächelte zaghaft.

"Dann kannst du mir vielleicht sagen, wann ich endlich dieses Zimmer verlassen darf?", fragte Joy.

Ihre Besucherin schien etwas irritiert von der unförmlichen Anrede, bewahrte aber seine höfliche Maske. "Nun ... Marina sagte mir, solange Ihr es nur in Begleitung tätet, sei Euch gestattet, dieses Zimmer für kurze Zeit zu verlassen und etwas frische Luft zu schnappen. Allerdings darf Euch auf keinen Fall jemand aus dem königlichen Rat zu Gesicht bekommen."

Joy nickte ungeduldig und erleichtert zugleich. Ihre schmerzenden Lungen lechzten geradezu nach frischer Luft. Und ihren steifen Gliedern könnte etwas Bewegung sicher auch nicht schaden. "Du könntest mich doch begleiten, oder?", fragte sie hoffnungsvoll an Tamina gewandt.

Das rothaarige Mädchen nickte. "Sicher. Ich habe dir auch etwas zu Essen mitgebracht." Sie schien sich entschieden zu haben, ebenfalls auf das "du" umzusteigen, und hielt Joy ein kleines Paket entgegen. "Ihr habt doch sicher Hunger?"

Joy bemerkte erst jetzt, wie leer sich ihr Magen anfühlte. Dankbar nahm sie das Päckchen entgegen und biss, ohne zu zögern, in das Brot, das darin eingewickelt war.

"Fladenbrot mit Käse und Schinken", erläuterte Tamina. Durch ihre beinahe undurchdringliche Miene schimmerte Belustigung, als sie beobachtete, wie Joy gierig ihre erste Mahlzeit seit Stunden verschlang. "Wir werden uns durch den Hinterausgang in den Garten schleichen müssen", überlegte sie leise und lächelte Joy angespannt an. "Es wird nicht einfach werden, die ganzen Wachen zu überwinden ohne Auffallen zu erregen."

Joy schluckte den letzten Bissen hinunter und sah das Mädchen vor sich flehend an. "Bitte. Ich fühle mich hier drinnen so eingeengt. Ich muss einfach raus."

Tamina nickte langsam. "Schon gut. Wir bekommen das hin." Ihr Blick schweifte vielsagend an Joy hinab. "Aber zuerst solltest du dir etwas anderes anziehen."

Joy senkte den Blick. Erst jetzt nahm sie wahr, dass sie ein weites, weißes Nachthemd trug. Es war ihr etwas zu groß. Die zu langen Träger mussten auf den Schultern mit einem Knoten verkürzt werden, der rüschenbesetzte Ausschnitt war verrutscht und der lockere Rock schleifte auf dem Boden. Sie verzog fragend das Gesicht. "Was soll ich denn anziehen?"

Tamina zuckte die Schultern. "Marina meinte, die Heilerin hätte dir etwas in den Schrank gehangen."

Joy ging zögernd auf das große Möbelstück zu. Ihre Hand griff nach dem Knauf und zog die Tür auf. Tamina stellte sich neben sie und betrachtete zusammen mit ihr die Kleider, die an den Bügeln hangen. Es waren drei. Allesamt waren sie aus edlem, samtigen Stoff und besaßen bodenlange Röcke. Die Kleidungsstücke ähnelten sehr Taminas Gewand.

Joy verzog das Gesicht. "Das soll ich anziehen?"

Tamina nickte, ihre Augen leuchteten. Als sie Joys Abneigung bemerkte, runzelte sie verwundert die Stirn.

"Was ist los?"

"Ich weiß nicht..." Joy nahm den Stoff zwischen die Finger und rieb ihn prüfend dazwischen. "Es ist warm draußen. Sind diese Kleider nicht viel zu dick?" Ihr fiel ein kleines, braunes Bündel auf, das am Fuß der prächtigen Röcke lag. "Was ist das?" Sie bückte sich und faltete den Stoff auseinander. Ein Hemd, eine Hose und ein Gürtel. Dazu hohe, robuste Stiefel. "Kann ich nicht das anziehen?", fragte sie hoffnungsvoll.

Tamina rümpfte ungläubig die Nase. "Das ist nicht dein Ernst, oder? Entweder du ziehst eines dieser Kleider an, oder du wirst diesen Raum nicht so schnell verlassen können, fürchte ich."

Joy verzog verärgert den Mund. "Warum? Was hast du für ein Problem mit..."

"Damen tragen üblicherweise keine Hosen", unterbrach Tamina sie spitz. "Nun komm schon, stell dich nicht so an. Die Kleider sind doch wunderschön. Ich an deiner Stelle würde das Rote nehmen", lächelnd deutete sie auf ein Teil mit weißer Bluse und weinfarbenem Überkleid. "Aber es ist deine Entscheidung. Beeile dich bitte etwas, ich warte draußen auf dich." Sie wandte sich von dem Schrank ab und schritt zurück zur Tür. Nachdem diese hinter ihr zugefallen war, griff Joy missmutig nach einem dunkelblauen Sommerkleid und wechselte es mit dem Nachthemd aus. Dann blickte sie auf die schmalen Sandalen hinab, die neben den Stiefeln standen. Unentschlossen schnellte ihr Blick zwischen den Schuhen hin und her. Sie hatte keine Lust, ihre Zehen in die zierlichen und sicher unbequemen Damenschühchen zu quetschen. Also griff Joy kurzentschlossen nach den alten Stiefeln, die neben dem braunen Bündel standen, und schlüpfte mit einem trotzigen Lächeln hinein. Als der blaue Stoff ihres Kleides über das Leder fiel, war von den unerwünschten Schuhen nichts mehr zu sehen.

Lächelnd lief Joy zur Tür und zog sie auf. Tamina hielt ihr eine Haarbürste entgegen. "Hier. Du siehst aus wie ein gerupfter Phönix."

Joy nahm die Bürste stumm und versuchte, die Knoten in ihren blonden Haaren zu lösen. Dabei überlegte sie, was Tamina wohl mit dem Spruch gemeint hatte.

Die Rothaarige lächelte amüsiert. "Wann hast du denn das letzte Mal einen Kamm gesehen?"

Joy seufzte und zuckte frustriert die Schultern. "Keine Ahnung. Wie du vielleicht weißt kann ich mich an nichts mehr erinnern."

Taminas Lächeln schwand und sie senkte den Blick. "Soll ich dir helfen?"

Joy überreichte ihr dankbar die Bürste und biss die Zähne zusammen, als Tamina energisch die Borsten durch ihr Haar zog. Nach einer Weile ließ das Mädchen endlich von Joy ab. "Das sollte vorerst reichen."

Joy stieß erleichtert die Luft zwischen den Zähnen aus und rieb sich mit einem schiefen Grinsen die schmerzende Kopfhaut. "Gut. Gehen wir dann jetzt?"

Tamina nickte. "Ja, wir müssen..." Plötzlich erstarrte sie und legte den Finger auf die Lippen. Das laute Klacken von Schritten näherte sich. "Kommt!", raunte Tamina und eilte in die entgegengesetzte Richtung. Joy folgte ihr und bemühte sich, nicht über den Rocksaum ihres Kleides zu fallen.

Sie liefen durch einen breiten Gang. Die Wände waren aus Stein gebaut, daran hingen in einigen Abständen leere Fackelhalter. Sie kamen an einer Tür vorbei, aus der Gelächter drang, an Fenstern, durch die Sonnenlicht schien und an Kreuzungen, durch deren Gänge Soldaten patrouillierten.

Schließlich erreichten die Mädchen einen hohen Steinbogen, der aus dem Palast führte.

Joy schloss die Augen und atmete erleichtert die kühle Luft ein. Der Wind prickelte angenehm auf ihrer Haut und verursachte ihr eine Gänsehaut.

"Komm mit." Tamina führte Joy in einen kleinen Park und bedeutete ihr, sich neben sie auf eine Bank am Wegesrand zu setzen. In einiger Entfernung patrouillierten weiterhin Soldaten.

Joy sah Tamina fragend an. "Die Wachen dürfen mich sehen?"

Dir Rothaarige zuckte die Schultern.

"Sie werden deine Anwesenheit nicht hinterfragen, solange du bei mir bist."

"Was würde passieren, wenn ich nicht bei dir wäre?"

"Sie wären vermutlich misstrauisch, schließlich kennen sie dich nicht. Sie würden dich genau im Auge behalten und deine Identität prüfen. Wenn du dich als Fremde herausstellen würdest - und das würdest du vermutlich - würdest du als Eindringling, als Bedrohung, angesehen und vorerst festgenommen werden." Tamina betrachtete ihre Schuhspitzen, die gerade noch unter dem langen Rock zu erkennen waren.

Joy zupfte unauffällig ihr eigenes Kleid zurecht, um die Stiefel darunter zu verbergen. "Warum würde ich mich als Fremde herausstellen?"

"Weil niemand außer Marina, Heilerin Kadira, der Königin und mir von deiner Anwesenheit weiß. Wenn die Wachen sich bei der falschen Person nach dir erkundigen würden, wäre das ... nicht gerade vorteilhaft für dich." Sie grinste schief.

Joy runzelte die Stirn. "Warum weiß niemand von mir? Und was mache ich überhaupt in diesem Palast?"

"Du bist hier, um von Kadira behandelt zu werden", antwortete Tamina ausweichend. "Wie du sicher schon bemerkt hast, bist du nicht gerade in gesündester Verfassung."

Joy trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf das weiße Holz der Bank. "Das ist keine Antwort. Warum wird so ein großes Geheimnis um meine Anwesenheit gemacht?"

Tamina schwieg und setzte eine undurchdringliche Miene auf.

"Es tut mir leid, Joy", sagte sie. "Doch die Antworten, die du von mir verlangst, kann ich dir nicht geben." Joy biss sich wütend auf die Unterlippe. Verzweiflung und Zorn brodelten in ihr auf, doch sie bemühte sich, ihre Gefühle zu beherrschen. Steif lehnte sie sich zurück und betrachtete zwei Raubvögel, die am Himmel ihre Kreise zogen. Aus dem Augenwinkel erkannte sie, dass Tamina erleichtert in sich zusammen sackte und sich ebenfalls zurücklehnte.

Stille trat zwischen ihnen ein und beide Mädchen beobachteten die Vögel am Himmel. Joy ignorierte die grausamen Kopfschmerzen und durchsuchte ihr leeres Gedächtnis fieberhaft nach einer Erinnerung, die ihr sagen konnte, was das für elegante Geschöpfe waren. Doch sie fand keine.

"Du weißt nicht, was das für Vögel sind, oder?," fragte Tamina plötzlich.

Joy schüttelte knapp den Kopf.

Das rothaarige Mädchen deutete auf das Erste der beiden Tiere. Es sah aus, als würde sein prächtiges Federkleid in Flammen stehen. Rote und orangene Zungen züngelten bei jedem Flügelschlag auf. "Das ist ein Phönix", erklärte sie leise. "Der Phönix ist ein wundervolles, seltenes, magisches Geschöpf, das am Ende seines Lebenszyklus verbrennt, um aus seiner Asche wieder neu zu erstehen." Joy nickte. Ihr Blick schweifte zu dem zweiten Wesen. Es sah dem Phönix zum Verwechseln ähnlich. Doch statt loderndem Feuer bestanden seine Flügel aus funkelndem, blauem Wasser.

"Das ist ein Marix. Der Marix ist eng verwandt mit dem Phönix. Seine Natur gleicht dem des Feuervogels sehr. Nur ist das Element des Marix' nicht das Feuer, sondern das Wasser. Und aus diesem steht er auch immer wieder auf."

Die Vögel stiegen weiter in dem Himmel und entfernten sich langsam in Richtung Wald. Joy blickte ihnen sehnsüchtig nach.

"Wenn diese Vögel so selten sind, ist es dann nicht besonders, sie hier zu sehen?", fragte Joy.

"Man sieht Phönixe und Marixe hier trotz ihrer Seltenheit oft", entgegnete Tamina langsam. "Sie halten sich gerne hier auf, denn..." Sie verstummte.

"Denn?", drängte Joy.

Tamina seufzte und wich ihrem Blick aus. "Lass uns wieder zum Palast zurückkehren." Sie stand auf.

Joy sprang ebenfalls auf und funkelte das rothaarige Mädchen an. "Nicht einmal das kannst du mir verraten?"

Tamina presste die Lippen aufeinander und strich sich mit steifer Geste eine lockige Strähne hinters Ohr. "Joy. Ich verspreche..."

"Ich will eure leeren Versprechen nicht hören!", fauchte Joy. "Ich will Antworten! Erklärungen, warum ich hier bin, wer ich bin, was geschehen ist! Warum mein Schädel brummt als würde ein riesiges Feuer darin wüten, das all meine Erinnerungen aufzehrt!"

Tamina blickte sich nervös um.

"Joy, bitte beruhige dich. Lasst uns erstmal in den Palast zurückkehren, dann kann ich Marina rufen und..." Sie fuhr sich gestresst mit den Fingern durch die Haare. "Bitte."

Joy ballte die Fäuste und warf einem Wachmann, der sich unauffällig genähert hatte, einen gereizten Blick zu. Dieser machte sofort noch einen Schritt näher und sah Tamina fragend an.

"Alles in Ordnung bei Euch, Prinzessin?"

Die Angesprochene nickte schnell. Innerhalb von Sekunden legte sich ein freundliches Lächeln wie eine undurchdringliche Maske auf ihr Gesicht. "Keine Sorge, es ist alles in bester Ordnung."

Der Mann nickte und neigte den Kopf dabei etwas tiefer als nötig, um seinen Respekt auszudrücken.

Joy biss ungläubig die Zähne aufeinander und warf Tamina einen scharfen Blick zu. Diese packte sie am Unterarm und zog sie mit eisernem Griff hinter sich her.

"Hey!", zischte Joy und rieb sich mit schmerzverzerrtem Blick den Arm, als sie genügend Abstand zwischen sich und den Soldaten gebracht hatten. "Was sollte das denn? Und ... warum hat er dich mit dem Titel Prinzessin angesprochen?"

"Königin Riona ist meine Mutter", antwortete Tamina knapp und eilte weiter in Richtung Palasteingang. Plötzlich jedoch blieb sie scharf stehen und starrte erschrocken in den Gang vor sich. Joy folgte ihrem Blick. Ein Mann stand vor ihnen. Er war groß und hatte breite, muskulöse Schultern, auf denen ein kantiger Kopf ruhte. Seine rötlichen Haare waren kurz geschnitten, seine braunen Augen schmal, die Nase gerade. Über die rechte Seite seines Gesichtes zog sich eine lange, grausame Narbe, die seinen Mundwinkel nach unten zog und ihm so einen grimmigen Ausdruck verlieh. Der Mann zog die breite Stirn in Falten und betrachtete ungläubig die beiden vor sich stehenden Mädchen.

"Tamina", zischte er. Wut verzerrte seine Miene, als seine Augen Joy durchbohrten. Tamina zuckte zusammen und warf Joy einen nervösen Blick zu.

"Wer", die Stimme des Mannes grollte wie ein herannahendes Gewitter. "Wer, verflucht nochmal, ist das?"

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Wie gefällt euch dieses Kapitel? Was haltet ihr von der Geheimnistuerei und dem fremden Mann, der zum Schluss aufgetaucht ist? Warum ist er wohl so wütend? Schreibt eure Meinungen und Theorien gerne in die Kommentare! :D


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