Gestrandet

Voller Angst starrten wir auf diese Spitzen Felsen die wie riesige Stacheln aus dem Meer ragten. Die tosenden Wellen prallten gegen die Felsen und gegen die Insel, der Wind war so stark, dass wir nicht an Ort und Stelle stehen bleiben konnten ohne uns an der Reling festzukrallen.
„Wie sollen wir da durchkommen?" fragte Terra ängstlich, als Selene zu uns nach oben kam.
„Die Hippokampe sind extrem Nervös... sie wollen nicht weiter" erklärte sie.
„Das kann ich verstehen... aber wir müssen auf diese Insel kommen" stellte ich verzweifelt fest.
„Und wenn wir einfach rüber fliegen?" fragte Terra dann, aber die wütenden Blicke von Rune und Delwin ließen sie augenblicklich verstummen.
„Der Wind ist viel zu stark auch ohne, dass wir die beiden mit dort rüber tragen müssen. Hat dir der Ritt durch den Sturm etwa noch nicht gereicht?" kam es nun von Ahila. Terra traute sich nicht mehr weiter zu sprechen. Ich versuchte eine Lösung zu finden, bevor das ganze hier wieder in einem Streit endete, doch mir fiel einfach nichts ein.
„Selene, kommst du da nun durch oder nicht?" fragte ich dann nur. Sie überlegte und musterte die Felsen.
„Wenn ich ganz vorsichtig an den Felsen vorbei Manövriere, könnte es funktionieren. Aber ich kann es nicht garantieren"
„Dann müssen wir es versuchen" sagte ich ernst. Wir hatten keine andere Möglichkeit um auf die Insel zu gelangen. Selene schluckte schwer, nickte dann aber und sprang zurück ins Wasser. Die Anspannung stieg, als sich das Schiff wieder in Bewegung setzte und Kurs auf die Felsen nahm.

Selene schaffte es sehr knapp an den anderen Felsen vorbei zu fahren. Eine der Felsspitzen ging so knapp über das Schiff hinweg, das wir und davor ducken mussten.
„Das war knapp" sagte ich erschrocken.
„Ich kann gar nicht hinsehen" wimmerte Terra. Sie kauerte neben mir, mit den Knien nah an den Körper gezogen auf dem Boden. Sie hatte Angst, sehr große Angst sogar und man musste kein Experte sein um das zu sehen. Kurz tauschte ich einen Blick mit Rune, der auch neben Terra saß. Er legte einen Arm um sie um sie zu beruhigen, dann nickte er mir zu, damit ich mir keine sorgen mehr um sie machen musste.
Dann, ein plötzlicher Ruck des Schiffes, es schleuderte mich ein Stück nach vorne und holte mich in die Realität zurück. Ich rutschte über den glatten Holzboden und konnte mich nirgendwo festhalten. Als ich in meiner Panik versuchte irgendwas zu greifen zu bekommen, griff jemand nach meiner Hand.
„Ich habe dich" ich blickte auf und sah Kiran der sich an einem Seil festhielt um mir zu helfen. Meine Erleichterung darüber nicht mehr unkontrolliert über den Boden zu rutschen, vermischte sich mit meinen Schuldgefühlen die ich seinetwegen schon seit längerem hatte. Er zog mich auf die Beine zurück und wollte mit mir zur Reling zurückgehen, doch bevor wir dort ankommen konnten, durchbohrte einer der Felsspitzen das Schiff. Der Felsen durchbohrte erst die äußere Wand und trat dann direkt vor uns aus dem Boden wieder aus. Wir wurden zurückgeschleudert während das Schiff in der Mitte immer weiter durchbrach. Ich und Kiran waren die einzigen die auf der hinteren Seite des Schiffes waren. Kiran legte seine Arme schützend um mich, damit ich anders als er nicht mit dem Rücken gegen die Sitzbänke prallte. Ich hörte noch seinen unterdrückten Schmerzensschrei und ein lautes knacken bevor das Schiff weiter brach. Ich hoffte nur das es das Holz und nicht sein Rücken war das so geknackt hatte.
„Wir müssen vom Schiff runter!" schrie ich, aber Kiran schien wirklich starke Schmerzen zu haben. Schnell befreite ich mich aus seinem Griff und versuchte nun ihn zurück auf die Beine zu ziehen. Mit aller Kraft versuchte ich ihn zu der schon sehr schiefstehenden Reling zu zerren. Die anderen konnte ich von hier aus nicht mehr sehen. Ich sah nur das, das Schiff jederzeit untergehen könnte und die zahlreichen spitzen Felsen welche immer näher auf uns zu kamen. In meinem Kopf spielten sich nur noch Horrorszenen ab.
Entweder wir bleiben auf dem Schiff, gehen unter und sterben oder wir springen ins Wasser, treffen auf die Felsen und sterben.
Da fliegen in Kirans Zustand gerade keine alternative war, blieb uns nur das Risiko zu springen. Ich packte Kirans Arm und brachte ihn dazu mich anzusehen.
„Wir müssen springen" kurz sah er zu den Felsen, er zögerte bevor er nickte.
„Wir schaffen das... vertraust du mir?" fragte ich unsicher.
„Ich habe dir immer vertraut" war seine Antwort, seine Stimme klang durch seine Schmerzen etwas verzerrt. In meinem inneren fühlte es sich an, als würden sich meine Organe zu einem durch Schuldgefühle zusammengebundenen Ball verknoten. Ich konnte nichts mehr sagen, ich nickte nur und sprang mit ihm zusammen in das Eiskalte Wasser.

Kaum waren wir im Wasser, brach das Schiff hinter uns endgültig auseinander und ging unter. Während ich verzweifelt versuchte mich trotz der starken Wellen über Wasser zu halten, hoffte ich die ganze Zeit, dass meine Freunde es auch rechtzeitig vom Schiff geschafft hatten. Kiran hatte noch größere Schwierigkeiten sich über dem Wasser zu halten. Immer wieder ging sein Kopf unter Wasser, zudem schien er immer schwächer zu werden.
„Halte durch Kiran!" rief ich ihm zu, aber er schien mich nicht zu hören, auch wenn ich direkt neben ihm war. Das Ufer war noch weit von mir entfernt und es wirkte nicht so, als hätte Kiran genug Kraft um so lange durchzuhalten. Doch was hätte ich tun können? Kristall kann nicht schwimmen und ich war jetzt nicht gerade in der Situation um über weitere Möglichkeiten nachdenken zu können. Einer der Felsen war nicht mehr weit von uns entfernt. Schnell paddelte ich dorthin um mich daran festzuhalten. Die Wellen drückten mich immer und immer wieder gegen den Felsen, dabei behielt ich Kiran im Auge, der nicht voran zu kommen schien. Ich sah keine andere Möglichkeit um ihn vor dem Ertrinken zu bewahren. Ich streckte meine Hand nach ihm aus und erschuf eine Kapsel aus Kristall um ihn herum. Mit aller kraft versuchte ich sie über dem Wasser zu halten. Da man Elementarmagie und Energetische Magie nicht gleichzeitig verwenden konnte, musste ich die Verbindung zu ihm kurz abbrechen. Die Kapsel stürzte in die Fluten und drohte unter zu gehen.
„Nein! Ich werde jetzt nicht versagen!" schrie ich mir selbst Mut zu und wandte die Energetische Magie auf die Kapsel an. Die Kapsel schoss aus dem Wasser und flog in Richtung Ufer, wo sie in tausend Teile zerbrach. Kiran landete sicher im Sand, wo er regungslos liegen blieb. Erleichterung und Sorge zugleich machten sich in mir breit. Doch lange konnte ich nicht darüber nachdenken, denn ich war noch nicht in Sicherheit. Der Wind riss mich auf dem Felsen hin und her, als würde er jede Sekund die Richtung ändern. Das Salzwasser klatschte mir ins Gesicht und nahm mir die Sicht auf meine Umgebung. Wie durch einen Nebelschleier sah ich den nächst näheren Felsen vor mir. Mir blieb nichts anderes übrig. Entweder ich stürzte mich wieder in die Wellen, was mit meinen Steifgefrorenen Muskeln wohl keine gute Idee war, oder ich riskierte es von Felsen zu Felsen bis zum Ufer zu fliegen. Die Entscheidung stand fest. Ich stemmte mich auf, ließ meine Flügel erscheinen und flog los zum nächsten Felsen den ich erreichen konnte. Wieder wurde ich hin und her gerissen und verfehlte beinahe den Felsen. In letzter Sekunde drehte der Wind und presste mich so stark gegen das Gestein, das meine Rüstung beschädigt wurde. Das Wiederholte ich noch zweimal bis meine Rüstung an mehreren Stellen beschädigt war, ich dafür aber dem Ufer im Lebendigen Zustand immer näherkam. Kiran schien sich seit seiner Landung kein bisschen bewegt zu haben und ich machte mir Große sorgen um ihn. Mit letzter Kraft versuchte ich die letzten Meter zum Strand zu fliegen, doch ich wurde vom Wind erfasst und gegen die Meterhohe Felswand geschleudert die direkt an den Strand angrenzte. Augenblicklich verlor auch ich das Bewusstsein und landete im Sand.

Als ich meine Augen wieder langsam öffnete, spürte ich wie Heilmagie an mir angewandt wurde. Es fühlte sich an als würde Terra mich heilen.
„Sie wacht auf" hörte ich die besorgte Stimme von Kiran direkt an meinem Kopf. Offenbar lag mein Kopf auf seinem Oberschenkel.
„Das ist gut" ich zuckte zusammen, da mir diese männliche Stimme nicht bekannt vorkam. Die Sonne blendete als ich versuchte meine Augen vollständig zu öffnen. Durch meine Nase bekam ich schwer Luft und als ich nach ihr griff, spürte ich die Schmerzen und erinnerte mich daran das ich mit dem Gesicht voran gegen die Felswand geschleudert wurde.
„Ich kümmere mich um deine Nase sobald ich mit der Wunde an deinem Bein fertig bin" hörte ich erneut diese Fremde Stimme.
„Wer ist da?" fragte ich schwach und verwirrt.
„Eine Naturfee aus Dragona. Er hat uns gefunden" erklärte Kiran und auch wenn er erleichtert darüber war, hörte ich eine gewisse Unsicherheit in seiner Stimme.
„Ich bin Leonis. Ich gehe seit Jahren jeden Morgen hier spazieren, aber angespülte bewusstlose Feen habe ich bisher noch nie gefunden" stellte er sich vor. Nachdem er mein Bein und meine demolierte Nase geheilt hatte standen wir auf und stellten uns nochmals vor. Nervös sah ich mich um.
„Wo sind die anderen?"
„Es gibt noch mehr?" allein, dass er diese Frage stellte, sagte mir bereits, dass er nicht wusste wo der Rest unserer Gruppe war. Als ich zu den wenigen Teilen die von Selenes Schiff noch übrig waren rüber sah, breitete sich in mir die Angst aus, dass sie es vielleicht nicht rechtzeitig geschafft hatte. Ohne auf die anderen beiden zu achten lief ich los und schrie die Namen der anderen, so lange bis meine Kehle brannte. Niemand antwortete und ein Kloß kroch meinen Hals hinauf. Kiran und Leonis liefen mir nach.
„Wir werden sie schon finden Azura" versuchte Kiran mich zu beruhigen.
„Und was, wenn nicht!? Was wenn sie es nicht geschafft haben!? Wir hätten es fast nicht geschafft. Sie könnten Tod sein!" schrie ich hysterisch und mit Tränen in den Augen herum. Kiran war mit der Situation Maslos überfordert.
„Seht mal da drüben" unterbrach mich Leonis und zeigte mit seinem Finger in eine bestimmte Richtung. Verwirrt folgte ich seinem Blick und sah eine Meerblaue Schwanzflosse aus dem Wasser ragen.
„Selene" hauchte ich panisch und rannte dicht gefolgt von Kiran und Leonis zu ihr. Mit vereinten Kräften zogen wir sie aus dem Wasser um sie dann auf den Rücken zu drehen. Außer ein paar Schrammen schien sie keine Verletzungen zu haben. Schnell kramte ich nach ihrer Kette die sie mir anvertraut hatte.
„Hoffentlich habe ich sie nicht verloren" zum Glück fand ich die Kette wieder und legte sie ihr an. Kurz darauf verwandelte sich ihre Flosse wieder in Beine. Leonis stand Fassungslos neben uns und an seinem Blick erkannte ich mich selbst wieder. Es war ein komisches Gefühl das ich nun die war für die das ganze hier gerade das normalste der Welt war.
„Was ist das für eine Magie?" fragte Leonis erstaunt.
„Ähm... das wissen wir selbst nicht so genau. Wir haben diese Ketten von einer sehr mächtigen Fee erhalten. Gängige Magie ist es glaube ich nicht" erklärte ich es ihm, was auch ein komisches Gefühl für mich war.
Habe ich gerade jemandem Magie erklärt? Ich?
Das alles war aber nicht mehr wichtig, als sich Selene Stirnreibend aufrichtete.
„Was ist passiert?" reflexartig wichen ich und Kiran zurück. Keiner von uns wollte ihr erklären müssen, dass ihr Schiff zerstört wurde.
„Mein Schiff!" sie sprang auf uns sah zum Meer hinaus. Zugegeben war ich schon etwas erleichtert, dass es ihr selbst wieder eingefallen war. Als Selene dann anfing wild und wütend herumzufluchen, wurden wir hinter ihr ganz still und klein. Selbst Leonis der uns gar nicht kannte schien schuldbewusst woanders hinzusehen.
„So eine verdammt Scheiße! Mein Schiff ist kaputt! Habt ihr überhaupt die leiseste Ahnung was das bedeutet!" schimpfte sie uns nun direkt. Wir konnten nichts sagen, nur nervös den Kopf schütteln.
„Das heißt, dass wir auf dieser Gottverlassenen Insel festsitzen!" erst als sie das sagte wurden wir uns unserer Situation bewusst, sagen konnten trotzdem nichts dazu.
„Gottverlassen würde ich unsere Insel jetzt nicht bezeichnen" schmollte Leonis hinter uns. Selene sah wütend zu dem Fremden und wir sahen nur wie ihr Gesicht vor Wut Rot anlief. Doch bevor die ganze Sache komplett eskalierte, rannte Rune mit einem blauen Auge auf uns zu... 

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