Eine andere Welt
Ich versuchte mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen und da die anderen vorwiegend damit beschäftigt waren, sich die prachtvolle und belebte Stadt anzusehen, bemerkten sie nicht das ich neben ihnen innerlich in Panik ausbrach. Zusammen liefen wir auf das hohe aus Lehm gebaute Gebäude zu, welches ein Stück zwischen den Drachenrippen hinaustrat. Über der Prunkvoll verzierten Holztür stand in verschnörkelter Schrift:
Willkommen im Drachenhotel
Leonis öffnete die Tür und wir traten in einen mit Drachen geschmückten Eingangsbereich. An einem Tresen vor uns hieß und eine Sonnenfee willkommen. Es lag wahrscheinlich an meinen Erfahrungen mit Sonnenfeen, aber dass sie uns freundlich anlächelte und zu sich winkte, kam mir mehr als nur suspekt vor.
„Herzlich Willkommen, ich habe euch bereits erwartet" begrüßte sie uns. Nervös sah ich mich nach einer Falle um während meine innere Anspannung immer weiter anstieg. Mein Blick blieb an einer großen Holztafel hängen, auf der verschiedene Zahlen und Elemente standen.
„Was ist das?" fragte ich bevor die anderen die Begrüßung erwidern konnten. Die Sonnenfee drehte sich um und lächelte uns dann an.
„Passend zum Jahrhundertfest wollen wir wissen wie viele Elemente wir in den letzten hundert Jahren in unserem Hotel beherbergt haben. Sobald ihr eure Zimmer betretet, wird sich das Zimmer eurem Element anpassen und uns wird euer Element dann hier angezeigt. Mein Herz machte einen Satz. Bisher schien noch niemanden aufgefallen zu sein, dass ich eine Schattenfee war, doch sobald ich dieses Zimmer betrat, würden es alle wissen.
„Die Schlüssel habt ihr ja schon. Jeder von euch hat ein eigenes Zimmer und sie befinden sich alle im 3. Stock. Ich wünsche euch einen angenehmen Aufenthalt"
„Vielen Dank" bedankte sich Delwin und zusammen gingen wir die Treppe nach oben, welche direkt hinter dem Tresen nach oben führte.
Während wir die Treppen nach oben gingen, griff Kiran nach meiner Schulter. Ich zuckte zusammen, da ich gerade in Gedanken war.
„Du bist so still. Ist alles in Ordnung?" fragte er dann besorgt.
„Was?... Ja... nein... ich weiß nicht" stammelte ich los.
„Es ist noch niemandem aufgefallen, dass ich eine Schattenfee bin. Was ist, wenn das Hotel gestürmt wird, sobald unten an der Tafel Kristall angezeigt wird?" sprach ich dann etwas deutlicher weiter.
„Ich verstehe... aber ich bin mir sicher, dass die Feen hier offener sind als auf Hyperion" versuchte Kiran mich zu beruhigen, doch er hatte damit wenig Erfolg.
„Außerdem sind die Feen hier zu sehr damit beschäftigt Selene anzustarren. Eine Wasserfee auf zwei Beinen zu sehen, erregt wohl mehr Aufmerksamkeit als eine Schattenfee" fügte Ahila leicht belustigt hinzu.
„Naja... wenigstens weiß ich jetzt wie du dich fühlst, wenn du von allen Seiten angestarrt wirst Azura" Kommentierte Selene die Aussage von Ahlia. Ihr schien das ganze genauso unangenehm zu sein wie mir.
Im dritten Stock gingen alle gleich müde auf ihre Zimmer, während ich noch ängstlich vor meiner Zimmertür stand. Ich war es so sehr gewohnt für das was ich war verachtet und gejagt zu werden, dass es für mich keine andere Möglichkeit gab als auch hier nicht willkommen zu sein. Bevor ich nach der Zimmertür griff, stapfte Rune hinter mir genervt die letzten Stufen hinauf.
„Weißt du nicht wie man Türen benutzt?" fragte er und zwang sich ein lächeln auf. Um seinen Hals hatte er nun einen Schal, so dass man sein Halsband nicht mehr sehen konnte.
„Nein... ich habe nur Angst was passiert, wenn alle erfahren das ich eine Schattenfee bin" gab ich zu.
„Du solltest aufhören immer das schlechteste in allem zu sehen"
„Du weißt selbst das das nicht einfach ist" flüsterte ich und sah zu Boden.
„Darum sage ich es ja" konterte er, dann wollte auch er in sein Zimmer verschwinden.
„Rune" er blieb noch mal stehen, ohne sich zu mir umzudrehen.
„Du musst das Halsband vor uns nicht verstecken. Niemand verurteilt dich für deine Entscheidung" ich sah wie sich sein Kopf leicht in meine Richtung bewegte, doch er lief ohne eine weitere Reaktion zu zeigen weiter. Nun stand ich wieder alleine vor meiner Tür und dachte darüber nach was Rune sagte.
Er hat recht. Ich kann nicht ewig Angst davor haben, dass andere erfahren was ich bin.
Nach einem tiefen Atemzug griff ich nach der Tür, schloss sie auf und betrat das Zimmer.
Es war ein leerer Raum mit Balkon und einem kleinen Badezimmer. Nicht mal Möbel standen im Raum. Bevor ich mich genauer umsehen konnte, wurde der Raum in eine Magische Aura gehüllt, welche sich mit mir verband. Alles um mich herum leuchtete auf und der Raum verwandelte sich in eine gemütlich eingerichtete Kristallhöhle. Sprachlos fuhr ich mit meiner Hand an den Azurblauen Kristallwand entlang. Alles fühlte sich echt an und es fühlte sich an, als währe ich in einem Berg und nicht in einem Hotel. Erschöpft und müde vergaß ich meine Sorgen für einen Moment und ließ mich in das Kristallbett fallen, dessen Matratze so gemütlich war, dass ich sofort einschlief.
Ein lautes Klopfen an der Tür riss mich aus dem Schlaf.
Ist es soweit? Werde ich jetzt aus dem Hotel und von der Insel vertrieben?
Tausende Szenarien huschten binnen Sekunden durch meinen verstand. Erst als es ein weiteres Mal an der Tür Klopfte, zuckte ich zusammen und stand auf. Meine Hände zitterten und mein Herz raste als ich vorsichtig die Tür öffnete. Davor stand die Sonnenfee von der Rezeption. In ihrer Hand hielt sie einen langen Stoffbeutel den sie kaum halten konnte.
„Hier ist ihr Kleid... für das Fest... ihr habt ein sehr schweres Element... das muss ich schon sagen" keuchte sie. Verwirrt nahm ich ihr das Kleid ab.
„Es stört euch nicht das ich eine Schattenfee bin?"
„Wieso sollte es das? Wir haben hier noch nie eine gesehen und wir glaubten auch nicht jemals einer zu begegnen. Das ist eine Sensation. Warum solltet ihr Angst haben?" fragte sie nun verwirrt.
„Auf dieser Insel ist alles so anders... Feen beugen sich nicht ihrem Charakter, werden nicht in ihre Elemente aufgeteilt und es ist egal wen man liebt... hier ist es so wie es so, wie es überall sein sollte" gab ich bedrückt zu. Die Sonnenfee sah mich traurig an.
„Mir war nicht klar wie schlimm es außerhalb von Dragona aussieht"
„Wie denn auch? Da wo ich sonst aufgetaucht bin, wurde ich nur gejagt und ausgeschlossen. Darum glaubte ich, dass es hier genauso sein wird" gab ich ehrlich zu und ein offenes Gespräch mit einer Sonnenfee zu führen kam mir noch immer seltsam vor.
„Keine Sorge, hier wird jeder so akzeptiert wie er ist. Natürlich haben wir auch unsere Probleme, aber hier wird keiner aufgrund seines Elements diskriminiert"
„Das ist schön zu hören"
„Also dann auf ins Kleid und ab auf das Jahrhundertfest" sagte sie fröhlich und endlich konnte ich mich entspannen und mich auf das Fest freuen.
Unsicher warum die Sonnenfee das Kleid für schwer hielt, trug ich den Stoffbeutel zum Bett rüber und öffnete den Reisverschluss. Was sich darin befand raubte mir den Atem. Darin befand sich ein wunderschönes Schwarzes Kleid, welches einen schönen Farbverlauf von Schwarz zu Azurblau hatte. Das Oberteil bestand aus zarter schwarzer Spitze. An den Oberarmen hatte das Kleid Federärmel. Das Kleid war A-Linien Förmig und die Blaufärbung wurde zum Boden hin immer stärker. Auch sonst war das Kleid mit zahlreichen schwarzen und Azurblauen Blättern und schwarzer Spitze verziert. Ich war sprachlos, noch nie hatte ich ein so wunderschönes Kleid in der Hand und ich konnte es kaum erwarten es anzuziehen. Schnell verschwand ich im Bad um zu Duschen und mir das Kleid anzuziehen. Es passte wie angegossen und ich drehte mich darin so dass der feine Seidenstoff um mich herumtanzte. Als es erneut an der Tür klopfte, blieb ich ruckartig stehen. Dieses Mal stand Selene vor der Tür. Auch sie trug ihr Kleid und sie hatte ihre Haare zu einer sehr kompliziert aussehenden Flechtfrisur geflochten.
„Wow, du trägst dein Kleid ja schon. Ich dachte schon ich müsste dich dazu zwingen das anzuziehen" scherzte sie bevor sie mein Zimmer betrat.
„Manchmal frage ich mich was du eigentlich von mir denkst"
„Nur das beste Azura" lachte Selene. Auch ich lachte ehe ich mir ihr Kleid genauer ansah. Ihr Kleid war wie meins A-Linien Förmig und reichte bis zum Boden. Das Kleid war gleichermaßen Weiß wie Meerblau und es hatte so viele Ketten, Blüten und Muster als Verzierungen, dass man sie kaum zählen konnte.
„Du siehst fantastisch aus Selene" schwärmte ich.
„Danke. Du auch, aber an deinen Haaren müssen wir noch was machen"
„Ich habe leider nie gelernt wie man Haare flechtet... ich bin immer ganz neidisch, wenn ich sehe wie ihr jeden Tag eure Haare flechtet" schmollte ich bevor ich mich frustriert auf einen Stuhl fallen ließ.
„Das ist nun wirklich kein unlösbares Problem. Ich kann dir die Haare machen, wenn du willst"
„Wirklich!?" strahlte ich sie an. Selene lachte auf und sah dies als zusage meinerseits. So sehr ich mich darüber gefreut hatte, dass Selene meine Haare machte, bedachte ich nicht wie sehr das ganze wehtat.
Einige Proteste und wehklagen später kam auch Ahila dazu.
„Ich dachte schon das hier jemand abgestochen wird"
„Sehr witzig!" fauchte ich sie an.
„Selber schuld, wenn du Selene deine Haare machen lässt. Jeder weiß wie grob sie ist" mir gefiel es nicht, das Ahila so viel Spaß an der ganzen Sache hatte.
„Ich bin vielleicht etwas grober als ihr beide, aber dafür kann ich garantieren, dass die Frisur alles überstehen wird" konterte Selene bevor sie meine Haare wieder straffzog. Ich versuchte mich von den Schmerzen abzulenken indem ich mir das zartblaue Kleid von Ahila genauer ansah. Ihr Oberteil war mit zahlreichen Hellblauen und Rosé Farbenen Blüten verziert und es ging anders als die Kleider von mir und Selene nicht ganz so breit von der Hüfte abwärts auseinander. Besonders auffällig war der kurze Hellblaue Umhang, der direkt an ihren Ärmeln aufschloss. Alle Kleider waren einfach atemberaubend schön und es war einfach toll sich auch mal auf etwas zu freuen und nicht immer voller Angst und Schrecken um sein eigenes Leben zu bangen.
Ich war froh als Selene damit fertig war meine Haare und meine Kopfhaut zu quälen. Ahila schmierte mir noch Make-Up ins Gesicht und ich war endlich bereit für das Fest. Nervös gingen wir raus auf den Gang und sahen uns um.
„Wo sind die Jungs?" fragte ich. In dem Moment kam die Sonnenfee, ebenfalls in einem prachtvollen Orangen Ballkleid zu uns.
„Die Männlichen Gäste mussten schon vor gehen. Es ist brauch das die Weiblichen Feen als letztes beim Fest auftauchen. Folgt mir" wir tauschten unsichere Blicke, folgten ihr dann aber.
„Wie es wohl Terra geht" überlegte Ahila laut.
„Leonis ist sicher schon auf dem Fest. Wenn wir ihn sehen fragen wir wie es ihr geht" beruhigte sie Selene. Wir liefen raus auf den Stadtplatz zu und je näher wir kamen, umso lauter wurde es. Überall waren bunte Lichter, lachende Feen und verschiedene Künstler die mit ihrer Elementarmagie die kuriosesten Kunststücke vollziehen konnten. Außer Sichtweite der Männlichen Feen, die schon ausgiebig tranken und aßen blieben wir stehen. Die meisten der Weiblichen Feen richtete ihre Haare und ihre Kleider, während ich mich nicht mal wagte meine Frisur auch nur anzufassen. Erst als bunte Polarlichter am Himmel erschienen, liefen die Frauen auf das Fest zu. Alle Männer verstummten und betrachteten die wunderschönen Kleider und die Frauen welche sie trugen. Wir waren von diesen Bräuchen zu verwirrt und beobachteten das ganze erst einmal aus sicherer Entfernung. Als wir Kiran, Rune und Delwin entdeckten, fasten wir den nötigen Mut und liefen ebenfalls auf das Fest zu. und mit jedem Schritt stieg die sorge in mir an, dass irgendwas Schlimmes passieren könnte...
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