Die Wildnis

Die Unsicherheit war bei jedem von uns zu spüren und alle versuchen nicht zu auffällig zu mir zu sehen.
„Wir sollten uns tiefer im Tal verstecken. Die Kriegerfeen kommen sicher wieder" brach Selene das unangenehme Schweigen. Alle nickten und wir liefen los. Unterwegs erzählte ich den anderen wie es dazu kam, dass ich einen halben Wald abgeholzt hatte.
„Das erklärt jedenfalls deinen Miserablen Zustand" stellte Delwin unüberlegt fest und das merkte er erst nachdem Terra ihn in die Seite boxte. Danach liefen wir einige Zeit schweigend durch den zerstörten Wald und es fühlte sich an als würde hier etwas leben, was über den Zustand des Waldes nicht Glücklich war. Keiner sprach es aus, doch jeder von uns hoffte das es sich hier nicht um eine wütende Dryade handelte.

Irgendwann blieben wir am Rand eines Felsvorsprungs stehen und sahen von dort aus tiefer ins Tal hinunter. Es war ein unfassbar schöner Anblick. Das Tal bestand aus vielen unterschiedlich hohen Ebenen und vielen Felsformationen. Man sah kleine und große Waldabschnitte und dazwischen große Flächen aus saftigen Wiesen. Durch das Tal zog sich ein Breiter Fluss der je nach Ebene einen kleinen oder großen Wasserfall bildete und ganz weit in der Ferne sahen wir Berge die so hoch waren das sie mit Schnee bedeckt waren.
„Dort sollten wir sicherer sein als hier oben" sagte Ahila die die Umgebung genau musterte.
„Meinst du, du schaffst es zu fliegen?" fragte Kiran, sein besorgter Blick haftete an mir und ich konnte dem nicht standhalten. Die anderen ließen ihre Schmetterlingsflügel bereits erscheinen und waren bereit loszufliegen. Ich ging ein paar Schritte zurück, da meine Flügel viel mehr Platz brauchten als ihre. Durch meinen geschwächten Zustand dauerte es ein wenig länger bevor meine Engelsflügel erschienen. Mit dem Gefühl als währen meine Flügel viel schwerer als sonst, lief ich unsicher auf den Rand des Felsvorsprungs zu.
„Wir sollten unter dem Blätterdach fliegen damit man uns nicht sieht. Schaffst du das?" fragte nun Ahila.
„Keine Sorge. Ich hatte Flugtraining bei Professor Levent" erklärte ich und Ahila lachte auf.
„Alles klar. Du kannst wahrscheinlich besser Fliegen als wir. Ihr Training ist echt hart und nur für Fortgeschrittene und Profis"
„Wem sagst du das" antwortete ich und ließ mich mit einem Schritt ins leere in die Tiefe fallen.

Mit hoher Geschwindigkeit flogen wir durch den Wald. Zwischen dichten Büche und Ästen hindurch. Auch wenn ich noch geschwächt war schaffte ich es mit den anderen mitzuhalten und meine Flügel dicht an meinen Körper zu legen um durch dichtes Geäst hindurch zu fliegen.

Am Rand des ersten Waldes blieben wir stehen. Rune war in seiner Wolfsgestallt hinter uns her gerannt. Wie er und Delwin es so schnell von dem Felsvorsprung hinunter geschafft hatten blieb uns ein Rätsel, doch auch der Vampir tauchte kurz nach Rune bei uns auf. Ich musste erstmal zu Atem kommen während die anderen überprüften ob der Flug über offenes Gelände sicher war.
„Ist alles in Ordnung?" fragte Terra die sich neben mich stellte. Ich stützte mich an einem Baum ab und Atmete schwer.
„Es... geht schon... ich hoffe wir finden bald eine Sichere Stelle" keuchte ich und schmeckte dabei Blut in meinem Mund. Ich schluckte es runter damit Terra davon nichts mitbekam.
„Wir versuchen hinter die Große Felsebene zu kommen. Die von der der riesige Wasserfall kommt. Wenn wir es dorthin schaffen, sollten wir erstmal sicher sein" erklärte sie und legte dabei ihre Hand auf meinen Rücken. Die anderen kamen nun auch zu uns.
„Die Luft ist rein. Kannst du noch?" fragte Kiran und wieder kam eine schnippische Bemerkung von Delwin.
„Siehst du nicht, dass sie kaum Luft bekommt!? Außerdem sind ich und Rune gerade erst angekommen. Gebt uns einen Moment!"
„Ist nicht mein Problem, wenn ihr Vampire nicht mit uns Mithalten könnt. Rune hat bestimmt kein Problem damit mit uns hinterher zu kommen" maulte Kiran ihn an und ich spürte wie die beiden wieder kurz davor waren sich an die Gurgel zu gehen. Rune zuckte skeptisch mit den Schultern, doch das sah Kiran nicht, er war zu sehr damit beschäftigt Delwin mit seinem Blick zu Provozieren.
„Um Himmelswillen! Schluss jetzt mit dem ewigen Gezanke!" fuhr ich sie an und richtete mich wieder auf.
„Können wir dann weiter? Wir haben nicht ewig Zeit" lenkte ich dann ab und machte mich bereit weiter zu fliegen. Die beiden sahen sich ein letztes Mal wütend an bevor wir uns endlich weiter auf den Weg machten.

Schnell bewegten wir uns über die freie Grasfläche. Zunächst sahen wir nichts und niemanden, bis wie aus dem nichts eine Herde Qilin links und rechts neben uns auftauchten. Sie galoppierten neben uns über die Wiese ohne dabei auch nur einen Grashalm umzuknicken oder gar zu berühren. Sie sahen uns mit ihren Pechschwarzen Augen an und die Blauen Drachenschuppen auf ihrem Körper leuchteten im Sonnenlicht. Sie alle hatten Hirschgeweihe aus Elfenbein auf ihrer Stirn von denen einige mehr und andere weniger Abzweigungen und Äste hatte. Ich hatte ihr Kapitel im Buch der Mystischen Wesen nur überflogen, doch ich wusste das das hier die wenigen friedvollen Fabelwesen waren und das man sie eigentlich nur selten zu Gesicht bekam. Es war ein beeindruckendes Gefühl in Mitten dieser einmaligen Wesen zu fliegen. Sie begleiteten uns bis zum Rand des nächsten Waldes, dann drehten sie ab und verschwanden genauso schnell wie sie gekommen waren.
„Wow, das war unglaublich!" rief ich euphorisch nachdem meine Füße endlich wieder den Boden berührten. Ich war völlig überwältigt während die anderen eher nachdenklich aussahen.
„Was habt ihr?"
„Im Ernst? Du bist fast ausschließlich mit dem Leitfaden der Mystischen Wesen zu Gange und weißt nicht was es bedeutet, wenn ein oder mehrere Qilin auftauchen!?" fuhr mich Ahila an. Ich zuckte nur mit den Schultern.
„Ich habe mal überflogen... ich habe mich mehr auf die Gefährlichen Fabelwesen konzentriert" gab ich zu. Ahila verdrehte die Augen.
„Unglaublich! Ein Qilin ist mehr als ein Verwandter des Einhorns. Es ist ein Vorbote. Und zwar dafür das ein neuer Weiser Herrscher kommen wird... oder reichen Kindersegen. Hoffentlich ersteres" erklärte sie dann mürrisch.
„Aber... das ist doch gut oder nicht? Ich meine jeder ist besser als König Amos" warf Selene nun ihre Meinung zu dem ganzen ein.
„Natürlich ist das gut! Ich bin nur sauer das Azura das nicht wusste obwohl sie immerzu das Buch liest indem das drinsteht" fauchte Ahila nun Selene an.
„Es tut mir leid Ahila... sobald ich es wieder in die Hände bekomme wird das das erste Kapitel sein das ich lesen werde" entschuldigte ich mich mit erhobenen Händen und bevor noch jemand sich über dieses Thema aufregen konnte, tauchte Delwin bei uns auf. Keuchend hob er einen Finger hoch, er konnte aber nicht gleich antworten.
„Ok... das wars! Ich brauche ein Reittier... sonst hängt ihr mich bald noch ab" Terra lachte und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
„Vielleicht kannst du dir ja ein Einhorn zähmen. Qilins haben wir schon gesehen, dann sind ihre nahen Verwandten sicher nicht weit" Delwin richtete sich beleidigt auf und klopfte sich den Staub von seiner Kleidung.
„Sehr witzig Terra! Wie sieht das denn aus? Ein Vampir auf einem Einhorn. Da fliege ich euch lieber auf einem Simurgh hinterher" auch ich musste bei der Vorstellung Delwin auf einem Einhorn sitzen zu sehen ein kichern unterdrücken.
„Wo willst du denn jetzt ein Reittier herbekommen?" fragte ich um nicht weiter an das Bild in meinem Kopf denken zu müssen.
„Mir wird schon was einfallen. Jetzt hört auf zu kichern! Wir sollten einen Unterschlupf suchen" maulte er.
„Delwin hat recht. Da braut sich ein Gewitter zusammen" bestätigte Ahila und damit war Schluss mit lustig und wir machten uns auf die Suche.

Der Wind frischte auf während wir tiefer ins Tal vordrangen und nachdem wir den nächsten dichten Wald durchquert hatten, standen wir vor einer Felsformation die uns den Atem verschlug. Hinter der höchsten Felsebene verbarg sich ein riesiger gehörnter Drachenkopf aus Stein aus dessen Aufgerissenen Maul ein Wasserfall in die tiefe stürzte.
„Wow" konnten einige von uns nur sagen. Kurz darauf war mein Fokus auf zwei Große Felsen gerichtet die neben dem See in die höhe ragten.
„Die Felsen sollten uns vor dem Wind schützen"
„Aber nicht vor dem Regen" kommentierte Delwin gleich Skeptisch.
„Das bekommen wir schon hin. Ich schlage vor ich und Terra kümmern uns um den Unterschlupf und ihr überprüft die Umgebung" da kaum einer scharf darauf war einen Unterschlupf zu bauen, waren alle einverstanden. Alle außer Delwin.
„Vergiss es! Ich lasse dich nicht alleine durch die Wälder streifen" mürrisch verschränkte er die Arme. Kurz dachte ich nach und sah dabei wie Kiran hinter ihm die Augen verdrehte.
„Na gut. Du kannst bei uns bleiben. Wenn du und Kiran in einer Gruppe seit bekommt ihr ohne hin nichts auf die reihe und wir könnten jemanden mit Muskelkraft gebrauchen" beide sahen mich perplex an, sagten aber nichts weiter dazu.

Ein paar Stunden sammelten wir Stämme und Geäst um daraus etwas zu bauen. Terra und Delwin bestanden darauf die Schweren Sachen zu tragen, da ich noch zu schwach dafür war. Als alles an dem Platz aufgestapelt war, stand ich noch kurz da und überlegte.
„Terra. Kannst du in der Mitte der Felsen vier Bäume wachsen lassen die Parallel zu einander stehen?" fragte ich nachdenklich.
„Ja natürlich"
„Aber sie dürfen nicht höher als die Felsen sein"
„Das bekomme ich hin" sagte sie und stellte sich neben mich. Um ihre Hände herum erschien eine Hellgrüne Aura die sie dann an die Stelle schickte wo die Bäume wachsen sollten. Kurze Zeit später standen die Bäume und ich konnte mithilfe von Delwin anfangen das Gerüst für den Unterschlupf zu bauen.
„Woher hast du gelernt so zu bauen?" fragte er. Meinen etwas genervten Blick bemerkte er zunächst nicht.
„Ich habe 16 Jahre lang auf einer Müllhalde gelebt. Schon vergessen?" an seinem darauffolgenden Blick erkannte ich das er begriffen hatte in was für ein Fettnäpfchen er gerade getreten war. Schweigend bauten wir das Gerüst fertig.
„So Terra, das Gerüst ist fertig. Kannst du es mit deinen Efeuranken verdichten?"
„Aber sicher doch" kurz darauf standen wir vor einem Unterschlupf das uns vor Wind und Regen schützte.

Wir versuchten gerade ein Lagerfeuer zu machen als die anderen wieder zurückkamen.
„Das ist ja unglaublich. Wie habt ihr das so schnell geschafft?" fragte Rune.
„Mithilfe einer Naturfee und einem Straßenkind" knirschte ich während ich weiter versuchte ein Feuer mit zwei Stöcken zu entfachen. Kiran kniete sich vor mich.
„Du kannst ein ganzes Lager bauen aber kein Feuer entzünden?" mürrisch blickte ich in sein belustigtes Gesicht.
„Genau für solche Sachen haben wir ja zum Glück eine Feuerfee dabei" konterte ich dann. Kiran lachte auf, schnippte mit den Fingern und entzündete das Lagerfeuer als wäre es das einfachste der Welt für ihn. Beeindruckt von seinen Fähigkeiten starrte ich das Feuer an, an dem ich endlich meine kalten Finger aufwärmen konnte. Dann ging ich zu meiner Tasche und sah nach was Professor Erion für mich eingepackt hatte. Es waren Kleidung, ein paar Kleinigkeiten zum Essen, Getränke, Hygieneartikel und das Buch der Mystischen Wesen. Kaum sah ich es, holte ich es heraus und schlug es auf. Ein kleiner zusammengefalteter Zettel fiel aus den Seiten und glitt zu Boden. Als ich es aufhob und auseinanderfaltete, erkannte ich das es eine Nachricht vom Professor an uns war...

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