Die Außerwählte

Das zarte Singen der Harpyien, welches eigentlich lieblich und schön klang, löste in meinem Gehirn einen schier unerträglichen Schmerz aus. Es war eine Qual dem drohendem Kontrollverlust entgegen zu wirken.
„Ihr... müsst dagegen ankämpfen!" schrie Selene unter Qualen. Angesträngt sah ich mich um, es musste sich um sechs von ihnen Handeln die uns umkreisten und uns mit diesem Gesang in den Wahnsinn trieben. Terra fiel schreiend auf die Knie, sie konnte dem nicht standhalten.
„Terra nicht!" riefen ihr Leonis und Rune gleichzeitig zu. Doch in dem Moment als sie die Hände von ihren Ohren nahmen und sich nicht mehr auf ihre eigene Verteidigung konzentrierten, fielen auch sie den fliegenden Monstern zum Opfer. Als ich zu ihnen sah, sah ich wie sich ihre Augäpfel Lila verfärbten und wie sie völlig autonom auf die Harpyien zuliefen.
„Nein... wacht auf!" schrie ich, doch sie hörten mich nicht. Ihre Körper wurden von dem Gesang gesteuert und nicht mehr von ihnen. Der Weg den die drei einschlugen war noch unheilvoller als die Situation an sich. Die Harpyien lockten sie direkt auf das Wasser zu.
„Sie werden sie ertränken!" stellte Ahila fest die auch schon auf den Knien hockte. Selbst Kiran schien aufgrund seiner fehlenden Energie nicht stark genug zu sein um noch länger dagegen ankämpfen zu können.
Ich muss etwas tun. Sofort! Aber was?
Ich horchte in mein inneres und versuchte diese grässlichen Stimmen dabei auszublenden.

Ich fand mich erneut bei meinen Magiesignaturen wieder. Die Wasserfälle in meinem Inneren die immerzu gegeneinander ankämpften. Meine Kristallmagie hatte vorerst das Kommando, doch die Magie des Mondzepters versuchte immer wieder sich in den Vordergrund zu kämpfen.
„Verdammte Magiesignaturen... warum könnt ihr nicht einfach zusammen funktionieren" fluchte ich, da mich dieses ständige hin und her nervte. Plötzlich stoppten die Wasserfälle. Als hätte jemand die Zeit angehalten. Auch den Gesang der Harpyien konnte ich nicht mehr hören. Verwirrt sah ich hin und her. Bis hinter mir ein helles Licht erschien. Mit erhobener Hand um meine Augen vor dem hellen Licht zu schützen drehte ich mich um. Ich sah nichts außer dem Licht das zur hälfte aus Mond- und Sonnenlicht bestand.
„Du bist die Außerwählte. Nur du kannst diese Welt retten und Licht und Schatten wieder vereinen" sprach die warme Stimme einer Frau aus dem Licht heraus, kurz bevor dieses so Hell wurde das ich die Augen schließen musste.

Als ich meine Augen wieder öffnete stand ich wieder auf dem Steinigen Untergrund, umzingelt von den Harpyien die meine Freunde mit ihrem Fluch belegt hatten. Es war als würden ihre Stimmen mir nichts mehr anhaben können. Ich spürte wie die Magie des Mondzepters meinen Körper flutete und mich in helles Mondlicht tauchte. Gleichzeitig konnte ich aber auch die Kristallmagie in meinem inneren Spüren.
Kann das sein? Spüre ich das Zepter und meine eigene Magie gleichstark?
Wie eine Stoßwelle schickte ich das Mondlicht auf die fliegenden Mischwesen zu und irritierte sie damit. Sie waren geblendet und hörten auf mit ihrem Gesang auf. Meine Freunde kamen wieder zu sich und sahen wie ich die Magie des Zepters anwandte und gleichzeitig die Harpyien mit Pfeilen aus Kristall vom Himmel holte.

Als alles vorbei war, fiel ich Erschöpft auf die Knie. Meine Freunde kamen nicht sofort zu mir, keiner sagte zunächst was. Sie mussten erstmal begreifen was gerade passiert war.
„Azura... hast du gerade... zwei Magiesignaturen gleichzeitig benutzt?" fragte Kiran zögerlich.
Ich antwortete nicht gleich, sondern ging noch einmal zu meinen Signaturen zurück um sicherzugehen. Und tatsächlich. Da waren keine zwei Wasserfälle mehr, nur noch einer an dem die Magie des Zepters und meine eigene Magie gleichermaßen in die tief stürzte. Ich kam wieder zu mir und stellte mich den anderen gegenüber. Alle sahen mich schockiert an.
„Was habt ihr?" nur Kiran traute sich näher auf mich zu.
„Deine Augen" sagte er nur. Mein Herz schlug sofort schneller.
„Was... was ist mit meinen Augen?" Kiran blieb direkt vor mir stehen und legte seine Hand auf meine Wange um mich genauer anzusehen.
„Da ist ein Silberner Rand in deinen Augen"
„Was?"
„Da, sieh selbst" kam es von Selene und sie schickte ihren Magischen Wasserspiegel zu mir. Unsicher blickte ich hinein. Tatsächlich. Um meiner Azurblauen Iris herum, befand sich nun ein Silberner Ring.
„Erzähl uns was passiert ist" forderte mich Delwin vorsichtig auf. Geschlagen atmete ich aus und erzählte ihnen von dem Licht welches zu mir gesprochen hatte.

Wir setzten uns zusammen unter einen der breiteren Steindornen, damit ich ihnen in ruhe alles erzählen konnte. Danach saßen alle Schweigend da und dachten darüber nach.
„Die Außerwählte" murmelte Delwin dann irgendwann und durchbrach die unangenehme Stille.
„Das muss Titania gewesen sein... wer sonst könnte zwei Magiesignaturen miteinander verbinden" schwärmte Terra vor sich hin. Ich runzelte die Stirn.
„Du glaubst das Titania höchstpersönlich in meinem Kopf aufgetaucht ist?"
„Das klingt eher unwahrscheinlich. Seit dem Beginn des Feenkrieges wurden keine Begegnungen mehr mit Titania verzeichnet" stimmte mir Kiran zu der während meiner Geschichte die ganze Zeit über meine Hand gehalten hatte. Es fühlte sich gut an ihn dicht bei mir zu wissen.
„Es sei denn, ihre Außerwählte taucht plötzlich auf" sagte Selene nachdem sie demonstrativ ihre Augen verdreht hatte.
„Na so plötzlich bin ich jetzt auch nicht aufgetaucht... ich bin schon eine Weile hier. Hat sie so lange gebraucht um sich zu entscheiden ob ich die Richtige bin?" maulte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn dem so war, wäre ich enttäuscht gewesen, da ich mich wohl mehr als nur einmal als würdig erwiesen hatte. Jedenfalls dachte ich das, nach allem was wir durchgemacht hatten. Ahila zuckte mit den Schultern.
„So sind Götter nun mal. Keiner weiß was ihr Plan ist" Das zu hören beruhigte mich nur wenig.
„Ich will euch ja nicht zusätzlich beunruhigen, aber was machen wir jetzt eigentlich?" verwirrt sahen wir zu Rune der während meiner Erzählung nur ungeduldig hin und her gelaufen war. Keiner sagte was.
"Ich weiß ja nicht ob ich der einzige bin dem das aufgefallen ist, aber wir sind auf den Nocturainseln und anstatt das Mondzepter vorher aus Azura zu entfernen, hat es sich jetzt komplett mit ihr verbunden!" schimpfte er los. Ich schluckte, da mir das bisher noch nicht in den Sinn kam.
„Entspann dich, wir finden schon eine Möglichkeit" versuchte Terra ihn zu beruhigen.
„Ach und welche!? Wir sind völlig überstürzt hierhergekommen und das obwohl wir Professor Erion versprochen haben, dass wir ihm zuerst Bescheid geben, wenn wir das Portal gefunden haben!" Rune war außer sich und ich konnte ihm das gar nicht verübeln. Ich war seine einzige Möglichkeit damit er seine Eltern wieder sehen konnte und seine Hoffnung schien immer mehr zu schwinden.
„Also erstmal, wissen wir noch gar nicht wo das Portal ist..."
„... Aber wir wissen das es hier ist und wir haben keine Möglichkeit dem Professor in irgendeiner Weise eine Nachricht zu sehen!" unterbrach Rune den Versuch von Kiran ihm den Standpunkt unserer Lage klar zu machen.
„Rune bitte..." versuchte ich mein Glück, doch auch mich unterbrach er sofort.
„Nein! Du hättest dir keinen beschisseneren Moment dafür aussuchen können!" jetzt wurde auch ich wütend.
„Ich habe mir das nicht ausgesucht! Nichts von alle dem hier!" schrie ich los. Rune merkte das er einen Schritt zu weit gegangen war.
„Wenn das wirklich Titania war. Glaubst du nicht das gerade sie wissen müsste, dass ich das Schattenportal nicht durchqueren kann solange das Zepter in meinem inneren ist!?" jetzt schluckte er. Ich sah in seinen Augen das er soweit nicht gedacht hatte. Ich versuchte durchzuatmen um mich wieder zu beruhigen. Rune wagte es nicht sich weiter über mich aufzuregen.
„Titania war in Mond- und Sonnenlicht getaucht?" fragte Leonis und mir fiel ein das er ja nicht über alles Bescheid wusste.
„Ja in den Überlieferungen ist sie nur in strahlendes Sonnenlicht getaucht" begann Terra ihre Erklärung. In mir löste das wieder eine Wut aus die ich kaum kontrollieren konnte.
„Das ist alles gelogen! König Amos lässt uns nur das Glauben was er uns glauben machen will. Aber Titania besteht aus beiden Seiten, genauso wie sie Licht- und Schattenfeen erschaffen hat. Licht existiert nicht ohne Schatten und anders herum genauso. Seht euch doch mal um! Diese Welt ist völlig aus dem Gleichgewicht geraten und droht immer mehr auseinander zu brechen!" alle sahen mich irritiert an. Ich sah wie sich Ahila zu Terra rüber beugte.
„Sie ist keine fünf Minuten die Außerwählte und schon redet sie wie eine" hörte ich sie murmeln. Terra kicherte und ich hatte das Gefühl das meine Rede bei keinem von ihnen angekommen war. Frustriert verdrehte ich die Augen.
„Vergesst es... suchen wir weiter"

Schweigend lief ich voran und ignorierte die Gespräche die hinter mir stattfanden. Irgendwann konnte ich einen Flachen Hügel zwischen den ganzen spitzen Felsdornen erkennen.
„Seht mal. Führt da ein Weg den Hügel hinauf?" fragte ich und zeigte mit dem Finger darauf. Die Unterhaltungen stoppten und die anderen folgten meinem Blick.
„Ja, sieht ganz so aus. Aber wo kommt der her?" rätselte Kiran.
„Wir sollten es uns mal ansehen" schlug Selene vor. Zusammen gingen wir näher auf en Weg zu der mitten im nichts den Hügel hinauf führte. Ohne weiter darüber nachzudenken begann ich den Aufstieg. Die anderen zögerten bevor sie mir folgten.

Ich hatte mit vielem Gerechnet. Mit eiskaltem Meerwasser das unerbittlich gegen die Felsen peitschte. Mit einer Kilometerlangen Felswüste die bis ins unendliche reichte. Doch es kam ganz anders.
Kaum hatten wir die Spitze erklommen, sahen wir vor uns eine gewaltige Festung die in einen Berg hineingeschlagen wurde. Überall marschierten Kriegerfeen umher oder trieben Sklaven vor sich her die Steine auf ihrem Rücken zur Festung trugen. Mein ganzer Körper verkrampfte sich, als ich Levander unter ihnen erkannte.
„Das sind meine Leute" haute ich panisch.
„Hierher wurden sie also verschleppt" stellte ich dann zähneknirschend fest.
„Mach jetzt keine unüberlegten Aktionen!" fuhr mich Ahila an. Kiran hielt meine Schulter fest.
„Sie hat recht Azura. Das sind zu viele Kriegerfeen" verdeutlichte Kiran die Situation. Alles in mir sträubte sich dagegen einfach nur dabei zuzusehen wie meine Familie zum Steine schleppen verdammt wurde.
„Seht mal da drüben! Ist das Lumia?" kam es plötzlich von Rune. Wir folgten seinem Blick. Lumia lief in einer Weiß-Goldenen Rüstung zusammen mit einer Handvoll Kriegerfeen und einem Gefangen der einen Sack über dem Kopf trug auf die Festung zu.
„Die habe ich ja total vergessen. Was macht die denn hier?" murmelte ich. Terra nutzte meine Ablenkung um ihren Einwand einzubringen.
„Kiran ist noch geschwächt und du musst dich auch noch erholen. Wir sollten vor allem nach unserer Anreise erstmal ein paar Stunden schlafen bevor wir Kopflos eine Festung stürmen" schlug Terra vor. Da ich deutlich sehen konnte wie Erschöpft alle waren, ließ ich mich wiederwillig ein.
Wir versuchten ein einigermaßen windgeschütztes und trockenes Plätzchen zu finden. Dort legten wir uns eng zusammen auf den kalten Steinboden und versuchten wenigstens ein paar Stunden zu schlafen. Ich legte mich neben Kiran, der seinen Arm um mich legte und ganz nah an sich zog als er bemerkte das ich durch die Kälte zu zittern begann. Jetzt bemerkte auch ich die Müdigkeit in meinen Knochen und da ich mich in seinen Armen sehr wohl fühlte, legte ich meinen Kopf auf seine Brust und schlief ein.
Doch dieser Schlaf wurde nicht so erholsam wie geplant...

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