Kapitel 34
Marik
Mein Körper fühlte sich mit einem Mal so viel schwerer an und die Stimmen wieder so viel näher und lauter.
Blinzelnd öffnete ich meine Augen. Meine Sicht war verschwommen, sodass ich alle Umrisse nur sehr unscharf sah. "Mik", hauchte Kostas ungläubig. Benommen und schwerfällig richtete ich meinen Oberkörper auf, versuchte die Situation zu verarbeiten. Mein Freund warf sich um meinen Hals und schluchzte mehrmals erleichtert. Meine Sicht wurde wieder klarer und auch meine Kraft kehrte langsam wieder zurück. Ich lehnte mich gegen Kostas und schlang meine Arme um seinen aufgrund des Weinens bebenden Körper.
"Ich bin hier", flüsterte ich mit kratziger Stimme in sein Ohr, wodurch er sich etwas beruhigte.
"Du bist hier", wiederholte er atemlos - hielt es noch immer für unmöglich.
Schwach lächelnd hauchte ich einen Kuss auf seine Wange.
Unsicher blickte ich mich um. Wir waren in der Höhle. Dort, wo bis vor wenigen Minuten noch der dunkle Magier stand, prangte nun ein verkohlter, tiefschwarzer Fleck am Boden.
Die Gesichter unserer Gruppe zeigten allesamt gemischte Gefühle - Freude, Trauer, Wut.
Und dann fiel mein Blick auf sie.
Hannah lag unmittelbar neben mir in den Armen ihres Vaters, der ihr unaufhörlich über das Haar strich. Magnus kniete neben den beiden und hielt ihre Hand.
Mein Herz zog sich zusammen.
Vorsichtig löste ich mich von Kostas und ließ mich gegenüber des Königs nieder. "Ich... es -", stammelte ich, unfähig, die passenden Worte zu finden, jedoch unterbrach mich Amaury mit einem Kopfschütteln. "Entschuldige dich nicht. Hannah hat aus freien Stücken entschieden, dir dieses zweite Leben zu ermöglichen."
Stumm sah ich in ihr Gesicht. Sie musste sich in der letzter Zeit viele Gedanken gemacht haben - auch über ihren Tod. Schließlich war sie von der Thronfolge zurückgetreten und hatte dies nie bereut - dies erschien mir also auch gut überlegt zu sein.
Hannah war kein Mensch, der bei wichtigen Entscheidungen impulsiv und launenhaft reagierte. Sie wägte das Für und Aber ruhig und besonnen ab und fand ihre Antwort nach langen Überlegungen.
"Du hast Recht", erwiderte ich leise.
Das einzige, was ich nun tun konnte, war, die Königstochter in Ehren zu halten und meine neue Aufgabe gewissenhaft erfüllen: Regieren.
Eigentlich war ich nicht gläubig, jedoch gefiel mir der Gedanke, dass Menschen nach ihrem irdischen Tod im Himmel weiterleben - mit ihren Liebsten, die bereits vorgegangen waren - und über die Angehörige wachten, die noch auf der Erde wandelten.
Es beruhigte mich, dass Hannah uns jetzt zusehen könnte.
Der König erhob sich mit seiner Tochter auf dem Arm. "Als zukünftige Könige solltet ihr nun voranschreiten - als Symbole, die die Dunkelheit verdrängt haben und nun den Frieden und die Hoffnung zurückbringen, um eine neue Ära einzuleiten."
Kostas und ich verbeugten uns wortlos und blickten in die Gesichter unserer Gruppenmitglieder. Sie alle zeigten Entschlossenheit und Zuversicht, gepaart mit der Trauer über Hannahs Tod.
"Was auch immer uns dort oben erwartet, ich bin sehr froh, dass ich das mit dir gemeinsam durchstehe", sprach ich an Kostas gerichtet, als ich nach seiner Hand griff, und wandte mich daraufhin zurück an die Gruppe. "Und dies ist Hannahs Verdienst. Ich werde dafür sorgen, dass sich jeder im Königreich noch jahrhundertelang an ihre Geschichte erinnern wird."
Tief durchatmend begannen wir, die Höhle emporzusteigen. Diesmal gingen wir vollständig den Haupttunnel entlang.
Als sich die Oberfläche näherte, hörten wir bereits die ersten Jubelrufe: "Sie haben es geschafft!"
Wir traten unter die Wächter und die Freudenschreie brachen aus. Sie fielen sich gegenseitig in die Arme und wurden von der Welle der Erleichterung überrollt.
Als sie jedoch Hannah auf dem Arm des Königs bemerkten, wich ihnen sämtliche Farbe aus dem Gesicht und sie verstummten augenblicklich.
"Es lief leider nicht vollständig wie geplant. Bei dem Versuch, mich zu schützen, wurde Marik vom dunklen Magier getötet. Hannah holte ihn unter Einsatz ihres eigenen Lebens zu uns zurück." Kostas' Worte klangen gefasst und auch wenn er es nicht ausgesprochen hatte, so zeichnete sich dennoch ihre Wirkung auf den Gesichtern der Wächter ab.
Sie wurde als die Heldin, die sie war, angesehen.
Mögest du in Frieden ruhen, Hannah.
Die Wächter sanken einer nach dem anderen in tiefer Demut auf die Knie. "Lang lebe die Prinzessin! Lang leben unsere Könige! Lang lebe Valaria!", ertönte es einstimmig.
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