Kapitel 38 - Angriff

Lexus Helaru

"Also, worüber wolltest du mit mir sprechen?" fragte Ambroz grinsend, während wir uns in der Nähe von Viktorias Zelt auf einen umgefallenen Baumstamm setzten. Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete ich den Prinzen. "Du warst nicht ehrlich. Warum bist du wirklich in Hallar?". Er seufzte frustriert und nickte ergeben. "Ich dachte mir schon, dass du mir die Geschichte nicht glauben würdest." murmelte er augenverdrehend und grinste frech.

"Es stimmt, dass meine Eltern eine Ehe mit Filarette organisieren wollen und ich daher weg wollte. Doch es gibt einen anderen, offiziellen Grund. Die Präsenz der Schattenwandler und anderer dunkler Kreaturen nimmt stetig zu und wir wissen nicht warum. Immer mehr Berichte über Angriffe werden in ganz Gniea gemeldet. Mein Vater hat mir erlaubt, der Sache auf den Grund zu gehen. Als zukünftiger Herrscher meinte er, ich müsse meinen Ruf aufbauen und so" erklärte er genervt und ich blickte nachdenklich in den dunklen Wald. Wenn das stimmte, mussten wir umso vorsichtiger sein. Ich ging zu meinem Rucksack und holte Pfeil und Bogen heraus, um sie neben mich zu legen.

Ambroz beobachtete mich amüsiert und schüttelte leise lachend den Kopf. "Immer vorbereitet Lexus". Ich warf ihm einen genervten Blick zu und er hob abwertend seine Hände. "Wie auch immer. Wir sind nach Hallar geschwommen, um dort mit zu investigieren. Die Präsenz der Schattenwandler ist hier wohl am höchsten. Wir bauten unser Lager am Wasser auf und planten, dort die Nacht zu verbringen. Ich sah einen Schatten zwischen den Bäumen und lief hin, um nachzuschauen. Das war im Nachhinein keine schlaue Entscheidung gewesen" er lachte trocken und fasste sich abwesend an den geheilten Arm.

"Es war eine Falle. Als ich zu dem Schatten kam, wurde ich von einer Gruppe von Schattenwandlern angegriffen. Meine Garde kam mir schnell zur Hilfe, doch eine Kreatur schaffte es, mich zu verletzten. Dann haben wir uns auf den Weg zum Kapital Hallars gemacht, um einen Heiler zu finden" fuhr er fort und grinste falsch. "Den Rest kennst du"

Grübelnd betrachtete ich die Umgebung. Wir waren von Schatten umgeben und es war fast unmöglich, sie als Schattenwandler zu identifizieren. "Weißt du, wann die vermehrten Sichtungen in Hallar begannen?" fragte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen und blickte besorgt zu Viktorias Zelt. Konnte es sein, dass die beiden Themen zusammenhingen? Ambroz Augen durchbohrten mich förmlich mit Fragen, bevor er meinem Blick folgte. "Du denkst, dass es etwas mit der kleinen Vela zutun hat?" überlegte er und legte nachdenklich den Kopf schief. Ich nickte abwesend und mein Blick schnellte konzentriert durch den Wald.

"Die Sichtungen steigen erst seit kurzem Lexus. Wie lange ist sie bereits in dieser Welt?". Ich überlegte kurz und atmete erschrocken ein. Etwas mehr als eine Woche, mehr Zeit hatte sie hier nicht verbracht. Und in den wenigen Tagen hatte sich so viel für sie verändert. Seufzend schüttelte ich meinen Kopf, es war unglaublich viel passiert. "Eine Woche" murmelte ich und er zog überrascht seine Augenbrauen hoch. Mit einem interessierten Blick schaute er auf das Zelt und schüttelte ungläubig den Kopf.

"Sie ist erst eine Woche in dieser Welt?" seine Worte waren geflüstert und ich sah in seinen Augen kurz die Gefühle aufblitzen, die ich selber fühlte.

Es war unglaublich unfair ihr gegenüber, ihr in so kurzer Zeit so viel zuzumuten. Und trotzdem kämpfte sie weiter und gab nicht auf. "Also, wann wurde der Anstieg an Schattenwandleraktivitäten das erste mal gemeldet?" fragte ich nachdenklich. "Vor rund einer Woche" erwiderte er grübelnd und sein Blick schoss misstrauisch durch den Wald. "Es könnte ein Zufall sein" rationalisierte er und ich nickte grimmig. Wir wussten beide, dass Zufälle selten wirklich welche waren. Und die Tatsache, dass die Schicksalsgöttinnen mir eine Vision geschickt hatten?

"Weißt du, wie die Schattenwandler entstanden sind?" fragte ich und er schüttelte frustriert den Kopf. "Der Großteil der Herrscher hat die Kreaturen als Krankheit betitelt. Manche glauben, es sei eine Bestrafung der Göttinnen. Das einzige, was wir wissen, ist, dass Verletzungen zu einer Verwandlung führen können."

Er seufzte und blickte mich besorgt an. "Ich glaube nicht, dass die Entstehung so simpel ist. Erinnerst du dich an die Geschichte Gnieas? Vor dem letzten Krieg tauchten ebenfalls Kreaturen wie aus dem Nichts auf und destabilisierten unsere Welt" "Du denkst also, jemand hat sie kreiert? Wofür? Der letzte Krieg endete durch die sechs vom Schicksal bestimmten Wesen. Sie brachten Frieden in die Welt und herrschten für hunderte von Jahren" erwiderte ich und er nickte. "Ja und wie viele der sechs leben heute noch?"

Nachdenklich überlegte ich und riss erschrocken meine Augen auf. "Deine Mutter war eine der sechs Wesen, so wie auch die Königin der Fela. Sie sind beide tot. Helá leben nicht so lange, weshalb auch der König mittlerweile tot ist, jetzt wird Hallar von dem Ältestenrat regiert." überlegte ich und er blickte traurig in die Ferne. "Ja, meine Mutter war eine der Sechs und sie wurde ermordet. Der Tod der Fela Königin bleibt ein Mysterium. Der Helá König ist tot, ebenso der Lyca König. Er wurde tot im Wald gefunden, gemeinsam mit seiner Garde. Auch da ist unbekannt, was passiert ist. Die Darú Königin starb bei einer Revolution, als das Schloss gestürmt wurde." fuhr er fort und ich nickte nachdenklich.

"Ich habe ehrlich gesagt nie genauer darüber nachgedacht, dass die Tode zusammenhängen könnten. Sie wirkten alle unabhängig voneinander, passierten zu unterschiedlichen Zeiten" bemerkte ich beschämt und er schüttelte grinsend den Kopf. "Natürlich würdest du wieder dir die Schuld dafür geben Lexus. Niemand sah den Zusammenhang, es gab bisher keine Anzeichen dafür. Wir könnten auch falsch liegen und gerade wirre Verschwörungstheorien spinnen" beruhigte er und ich seufzte ergeben. "Was ist mit dem Vela König. Ich weiß nichts über seinen Tod".

Ambroz nickte nachdenklich und sein Gesicht erhellte sich. "Weil er noch lebt. Ungefähr um die Zeit, als die Fela Königin starb, verzog er sich permanent in sein Schloss zurück und erhöhte die Sicherheit immens. Er lässt niemanden herein, nicht mal mein Vater bekam eine Audienz"

"Also ist er der einzige, der von den Sechs noch lebt. Hatten der König und die Fela Königin eine enge Beziehung zueinander?" fragte ich nachdenklich. "Soweit ich weiß arbeiteten sie eng zusammen, um die Beziehung zwischen den Vela und Fela zu verbessern. Sie starb als letzte der Fünf, vor 120 Jahren. Es wäre verständlich, wenn der König sich danach zurückgezogen hat. Vielleicht hat er ein Muster in den Toden erkannt, welches vom Rest der Welt übersehen wurde. Wir müssen irgendwie mit ihm reden"

"Wie stellst du dir das vor?" erkundigte ich mich und er zog eine amüsierte Augenbraue hoch bei meinem sarkastischen Ton. "Wir müssen einfach kreativ werden" sagte er und grinste. Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzten, als ich einen Schrei hörte. "Viktoria" flüsterte ich besorgt und sprang auf. Ambroz tat es mir gleich und mit erhobenen Waffen betraten wir das Zelt. Sie war alleine, bemerkte ich erleichtert und packte mein Messer zurück in die Halterung. "Sie scheint einen Alptraum zu haben" bemerkte Ambroz mit schief gelegenen Kopf und ich beobachtete die Tränen, die ihr Gesicht runterflossen.

Sie schrie erneut auf und flüsterte immer wieder "Nein", während sie sich wild bewegte. "Kannst du sie beruhigen?" fragte ich besorgt und er nickte mit zusammengezogenen Augenbrauen. Sein Mund öffnete sich und er begann leise eine Melodie zu singen. Erleichtert beobachtete ich, wie sie stetig ruhiger wurde und schließlich die Anspannung aus ihrem Körper verschwand.

Ich beobachtete überrascht, wie Ambroz auf sie zulief und die aufgetretene Decke über sie legte. Er blickte in ihr Gesicht und ihre Tränen flogen langsam nach oben, bis sie sich in der Luft auflösten. "Sie wird jetzt in Ruhe schlafen können" seufzte er und verlass mit mir leise das Zelt. Auf meinen interessierten Blick hin verdrehte er genervt die Augen. "Schau mich nicht so an. Du hättest dasselbe getan" murmelte er und ich lächelte amüsiert. Gerade als ich zu einem weiteren Spruch ansetzten wollte, bemerkte ich eine Bewegung in den Schatten.

Schnell verwendete ich meine Luftkräfte, um Pfeil und Bogen zu mir zu bringen und spannte einen Pfeil. "Schattenwandler" flüsterte ich und Ambroz zog grimmig nickend sein Schwert. "Viktoria wird nicht aufwachen. Die Melodie wird sie für ein paar Stunden weiterschlafen lassen. Sie ist schutzlos" murmelte er und wir nickten uns zu. Ambroz blickte zu seiner Garde und schrie "Schattenwandler", woraufhin sie schnell zu uns stoßen.

"Wo und wie viele?" fragte Salarus und beobachtete den dunklen Wald wachsam. Ambroz zeigte zu der Stelle und er nickte ernst. "Wir müssen uns auf die Lichtung begeben. Dort können wir den Schutz des Mondlichts nutzen. Hier sind zu viele Schatten" sagte er und ich schüttelte entschieden den Kopf. "Viktoria ist in dem Zelt und sie schläft. Wir können sie nicht ungeschützt lassen"

"Unsere Priorität ist die Sicherheit des Kronprinzen zu gewährleisten. Und du bist Heiler, wir brauchen dich vielleicht nach den Angriff. Wir müssen uns bewegen" erwiderte er und ich seufzte. "Wenn ihr mir Deckung gebt, kann ich sie mit meinen Luftkräften auf die Lichtung bringen". "Tut was er sagt" befahl Ambroz und nickte mir zu. Dann öffnete er das Zelt und ich befestigte schnell Pfeil und Bogen an meinen Rücken. Meine Hände erhoben sich und konzentriert stellte ich mir vor, wie ihr Körper sich langsam erhob und zu mir flog. Erleichtert seufzte ich, als es funktionierte. Meine Luftkräfte waren zwar stärker als die der Helá, doch ich hatte sie nie wirklich verwendet. Das würde ich ändern, dachte ich bestimmt.

Gemeinsam bewegten wir uns auf die Lichtung, während die Garde uns und Ambroz umrundete. "All das für eine schmutzige Vela" murmelte ein Soldat wütend und betrachtete Viktoria mit Hass in den Augen. Ich blickte warnend zu ihm. Es war derselbe, welcher sie zuvor abwertend behandelt hatte. "Noch ein Wort Soldat und die Krallen der Schattenwandler sind deine kleinste Sorge" zischte Ambroz und ich nickte dankbar. Wir waren erst ein paar Schritte gekommen, als Schattenwandler von allen Seiten auftauchten.

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