Kapitel 31 - Kreaturen Gnieas
Wir saßen die Nacht lang auf der Lichtung, während Lexus mir mehr über die Kreaturen des Waldes erzählte. Anscheinend waren die Tiere hier weitaus gefährlicher, als in meiner Welt. Das war mir jetzt mehr denn je klar.
Es existieren Banshees. Sie waren in Mooren aufzufinden und erschienen in vielen Formen. Ihr Schrei löste immobilisierende Angst aus, welche zum Tod führen konnte. Die einzige Verteidigung gegen sie war Feuer. Das schien ein allgemeines Mittel in dieser Welt zu sein. Basilisken waren ebenso gefährlich. Sie konnten ihre Größe verändern und sich so unerkannt an ihre Opfer anschleichen. Ihr Biss war tödlich und manche konnten sogar mit ihrem Blick Wesen zu Stein verwandeln. Nur starke magische Kräfte konnten davor schützen. Um sie zu töten, mussten entweder das Herz oder der Kopf entfernt werden.
Ghule waren Kreaturen, welche aus ihren Opfern ein Mahl machten. Sie hatten sehr gute Sicht, doch waren durch ihren Gestank nach Verwesung häufig von weitem zu erkennen. Vor allem an alten Friedhöfen und fand man sie auf, wo sie die Toten verspeisten. Es war eine schreckliche Vorstellung. Vor allem, da Ghule für eine Zeit die Gestalt ihres letzten Opfers annehmen konnten. In was für eine Welt war ich gekommen?
Dunkle Sirenen wurden zu diesen, wenn sie der Dunkelheit in ihnen nachgaben. Mela konnten also zu Kreaturen werden, welche ihre Opfer mit einem hypnotisierenden Gesang in ihr Gewässer lockten und dort umbrachten. Sie waren vor allem in stillen Gewässern zu finden, in welchen sie zuerst die Tiere darin töteten.
Ich wusste nicht, wie ich in dieser Welt überleben würde. Feuer war keine meiner Fähigkeiten, das war den Darú und manchen Fela vorbehalten. Lexus versicherte mir, dass Silber sie ebenfalls zur Strecke bringen konnte und auch, dass der Großteil der Kreaturen Gnieas nicht bösartig war.
Doch meine Gedanken kreisten dennoch um all die schrecklichen Weisen, auf welche ich auf dieser Reise sterben könnte. "Viktoria" sprach Lexus und ich blickte erschrocken zu ihm auf. Nachdem er mir das alles erzählt hatte, war mein Blick erst panisch um unsere Umgebung geschossen, bevor er sich unfokussiert nach vorne richtete. Überrascht und schaute ich auf seine ausgestreckte Hand und stand schnell alleine auf. Berührungen waren für mich schwierig. Und gerade jetzt, in einer unbekannten Umgebung mit einem größtenteils unbekannten Begleiter, konnte ich es nicht riskieren, eine Panikattacke zu bekommen.
"Erinnerst du dich daran, was ich dir zuvor gesagt hatte?" fragte er mit einem schwachen Lächeln und blickte mich erwartungsvoll an. Meine Augen schossen erschrocken zu seiner Hand, welche nun ein Messer hielt. Was hatte er damit vor? Angst machte sich kurz in mir breit, bevor ich seinen besorgten Blick wahrnahm. "Ich würde dich niemals verletzen. Mein Plan ist es dir beizubringen, wie du mit einem Messer kämpfen kannst" sprach er beruhigend und steckte langsam das Messer zurück in die Halterung an seinem Oberschenkel. Mit großen Augen blickte ich ihn an und blinzelte mehrfach, bevor seine Worte registriert waren.
"Du willst mir beibringen, wie ich mich verteidigen kann?" meine Stimme klang unsicher, ungläubig. Das wäre in meiner alten Welt niemals denkbar gewesen. Doch auch wenn ein Teil von mir nervös über das für mich so seltsame Angebot war, schrie ein anderer Teil in Freude. Vielleicht könnte ich mich dann endlich sicherer fühlen. Zuvor hatten mir meine neuen Fähigkeiten das Gefühl gegeben, doch hier in Gniea machten sie mich zu nichts besonderem. Es war normal. Also nickte ich schnell und er schenkte mir eines seiner typischen beruhigenden Lächeln. "Sehr gut. Hier"
Damit händigte er mir ein Messer und ich nahm es zögernd an. "Ich nehme an du hast noch nie gekämpft? Ist es in deiner Welt nicht üblich, dass jeder dazu ausgebildet wird?" erkundigte er sich lächelnd und ich schüttelte ungläubig den Kopf. "In meiner Welt..." fing ich an und zögerte kurz. Wie viel sollte ich ihm erzählen? Seufzend fuhr ich fort. "In meiner Welt kämpfen Frauen nicht. Wir werden als das schwächere Geschlecht angesehen" meine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser und ich schaute beschämt weg. Sein ungläubiger Blick überraschte mich und er räusperte sich kurz.
"Viktoria. Ich hoffe du weißt, dass das Schwachsinn ist. Frauen sind nicht schwächer als Männer" fing er leise an und ich blickte erstaunt zu ihm auf. Mit einem schwachen Lächeln fuhr er fort. "Egal wie es in deiner alten Welt war, hier kannst du kämpfen lernen. Du kannst alles machen, was du willst Viktoria. Also, möchtest du lernen, dich zu verteidigen?"
Mit leicht geöffnetem Mund nickte ich und stellte mich schnell gerade hin. Ich hatte mir vorgenommen zu kämpfen, nie wieder schwach zu sein. Also würde ich auch alles geben, um stärker zu werden. Mit einem Nicken hob ich das Messer an und er schüttelte schmunzelnd seinen Kopf. "Fangen wir mit der richtigen Haltung an" kommentierte er und ging langsam auf mich zu. Ich stellte mich mental darauf ein, dass seine Hand mich berühren würde, doch er blieb neben mir stehen und demonstrierte mir die richtige Haltung.
Erleichtert sackten meine Schultern zusammen und ich fokussierte mich wieder auf ihn. Er positionierte den linken Fuß vor dem Rechten, Knie leicht gebeugt. In der rechten Hand hielt er das Messer, den Griff fest mit seiner Faust umschlossen. Sein Daumen legte sich darüber, die Waffe nach vorne gerichtet.
Tief durchatmend versuchte ich die Haltung nachzuahmen. Er nickte kurz und wippte leicht mit seinen Beinen. "Kämpfe mit Messern, beziehungsweise spitzen Waffen jeder Art, sind gefährlich. Egal, ob du einer Kreatur oder jemandem mit einer Waffe gegenüberstehst. Es gibt ein paar Sachen, welche universell gelten. Du musst deinen Kopf, Oberkörper und die Arterien in deiner Beingegend schützen. Zwar ist deine Heilung sehr gut, doch mit dem Adrenalin in deinem Körper würdest du schwere Wunden gegebenenfalls nicht direkt erkennen.Um Angriffen also ausweichen zu können, ist es wichtig, flink zu sein. Beweg dich, immer mit der Vorderseite zum Gegner."
Erklärte er und ich ahmte ihn nach. Es fühlte sich fast wie Tanzen an, bemerkte ich fasziniert. "Vela sind die schnellsten Wesen Gnieas. Das ist deine größte Stärke im Kampf, so lange deine Kräfte nicht erkannt sind. Wenn du möchtest können wir danach an deinen Reflexen arbeiten. Im Kampf könnten sie lebensrettend sein." kommentierte er und sein Blick verdüsterte sich leicht. "Wenn ich dich nicht aufgehalten hätte, wärst du den Schattenwandlern entkommen."
Überrascht blickte ich zu ihm und schüttelte vehement meinen Kopf. "Lexus, selbst wenn ich weiter gerannt wäre. Meine Unwissenheit über diese Welt hätte wahrscheinlich trotzdem in meinem Tod geendet. Es kann nicht mein Ziel sein, vor allem gefährlichen im Leben wegzulaufen." seufzend fuhr ich fort "Außerdem bist du selber ziemlich schnell" lächelnd blickte ihm in die Augen. "Du hast mir das Leben gerettet, mir bereits unglaublich viel geholfen. Und jetzt begleitest du mich sogar auf eine gefährliche Reise, um mich zu unterstützen."
Lexus legte nachdenklich seinen Kopf schief und lächelte. "Du bist stärker als du denkst, Viktoria. Und du hast recht, vor allem im Leben wegzurennen wird auf Dauer nicht funktionieren. Außerdem..." seufzend blickte er in den Wald und dann wieder zu mir, seine hellen Augen im Mondlicht funkelnd. "Außerdem helfe ich dir sehr gerne. Wer kann schon so einem Abenteuer widerstehen?"
Damit wurde er wieder ernst. "Deine Haltung ist gut. In einem Waffenkampf ist es wichtig, die Körperhaltung möglichst flexibel zu gestalten. Die Position der Beine ermöglicht es dir, im Kampf einen Tritt auszuführen, oder deinen Arm für einen Schlag zu verwenden. Halte die Klinge immer von deinem Körper entfernt, deine Sicherheit ist deine erste Priorität."
Mit einem Nicken führte ich die langsamen Bewegungen aus, welche Lexus mir demonstrierte und er fuhr fort. "Schattenwandler beispielsweise besitzen keine gute Sicht. Sie spüren, wenn sich ein potenzielles Opfer in ihrer Nähe durch Schatten bewegt. Ihre Waffe sind ihre scharfen Krallen und Zähne."
Erschrocken hielt ich inne. Ein Schauder lief mir den Rücken herunter. Ich hatte unglaubliches Glück gehabt, nicht verletzt worden zu sein. Tief durchatmend fuhr ich mit den Bewegungen fort.
Schwäche war keine Option.
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