Kapitel 30 - Schattenwandler

Suchend blickte ich mich im Garten um. Wie zuvor mit Lexus besprochen, hatte ich auf der Bank Platz genommen und wartete dort nervös auf ihn. Die Sonne war dabei unterzugehen, der Himmel in bunten Farben dekoriert. Es war ein wunderschönes Farbenspiel. Doch ich war zu nervös, um es richtig zu wertschätzen. Zweifel machten sich in mir breit. Was, wenn er nicht kommen würde? Hatte er mich sitzen lassen?

Mit einem Seufzen senkte sich mein Blick, die Sorgen zunehmend meinen Kopf füllend. Doch dann hörte ich Schritte. Schnelle, die zielgerichtet auf mich zukamen. Überrascht blickte ich auf und meine Augen wurden groß, als ich Lexus mit einem großen Rucksack bemannt auf mich zu sprinten sah. Ich wollte ihn gerade lächelnd begrüßen, als sein Blick meinen traf und er flüsterte "Renn". Erschrocken stand ich auf und blickte konzentrierter durch die Dunkelheit. Er wurde verfolgt, bemerkte ich schockiert.

Warum? Ich hatte keine Zeit meine Beobachtung weiterzuführen, denn dann kam Lexus bei mir an und zog mich mit. Orientierungslos versuchte ich mich der neuen Geschwindigkeit anzupassen und bald schon sprinteten wir gemeinsam durch den anliegenden Wald. Während ich meine Geschwindigkeit drosselte, um ihn nicht abzuhängen, rannte er so schnell er konnte. Und es war schnell, bemerkte ich erstaunt.

Hinter uns konnte ich unsere Verfolger hören. Sie sprinteten hinter uns her, doch ich merkte wie unsere Distanz zu ihnen stetig stieg. Lexus atmete schwer, Schweiß lief ihm über sein gerötetes Gesicht. Er könnte nicht lange in dieser Geschwindigkeit weiterlaufen, dachte ich nachdenklich. Konzentriert musterte ich den Helá. Wie schwer war er wohl? Könnte ich ihn vielleicht hochheben und mit ihm im Gepäck weiterrennen?

Das Sprinten war anstrengend, doch ich war noch lange nicht am Limit angelangt. Anders als Lexus. Angestrengt konzentrierte ich mich auf die Herzschläge unserer Verfolger und bemerkte erleichtert, dass sie wohl aufgegeben hatten. Sie befanden sich ein Paar Kilometer entfernt und schienen sich nicht weiterzubewegen.

Tief durchatmend verlangsamte ich mein Tempo und blieb schließlich stehen. Wir befanden uns tief im Wald, die hohen Bäume nur wenig Mondlicht durchlassend. Ich hörte wie Lexus nach Luft schnappend vor mir zum Stehen kam und traf seine aufgerissenen Augen. "Was tust du Viktoria? Wir müssen weiterlaufen?" Kopfschüttelnd blickte ich nach hinten und seufzte erleichtert, als sich die Distanz zu unseren Verfolgern nicht geändert hatte. "Sie verfolgen uns nicht mehr. Ihre Herzschläge sind kilometerweit weg und nähern sich nicht." Auf seinen erleichterten Ausatmer hin musterte ich ihn mit zusammengekniffenen Augenbrauen. "Sobald sich deine Atmung wieder reguliert hat, würde ich gerne wissen, warum wir überhaupt verfolgt wurden"

Er nickte bedrückt und nach ein paar tiefen Atemzügen verlangsamte sich sein schneller Herzschlag langsam. "Es ist kompliziert" begann er leise, während er sich erschöpft durchs Gesicht fuhr. Meine Augen blieben erwartungsvoll auf seinen, das war keine Erklärung. Seufzend kniff er seine Augen zusammen und murmelte leise vor sich hin, bevor sein Blick erneut meinen traf. "Ich habe Blut für dich geholt, oder es zumindest versucht. Dann sah mich jemand und fragte, wofür es war. Normalerweise ist um diese Uhrzeit niemand dort, ich hatte nicht mit Fragen gerechnet"

Frustriert fuhr er sich durch die Haare. "Ich antwortete nur, dass ich es für eine Freundin bräuchte. Doch er ließ nicht nach und fragte immer weiter. Ich packte ein Paar Flaschen ein und rannte los. Den Rest kennst du". Seufzend blickten mir seine sonst so ruhigen Augen in meine. Das war... interessant. Es fühlte sich an, als ob er mir nicht alles erzählt hatte. Doch der Teil schien ehrlich zu sein, also nickte ich zögernd.

Auf unserer Reise würde ich genug Zeit haben, um mehr über ihn herauszufinden. "Kannst du laufen? Wir sollten weitere Distanz zu ihnen aufbauen". Er nickte schnell und so liefen wir gemeinsam durch den dunklen Wald. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich Lexus, welcher sich immer wieder forschend umblickte. Bei jedem Geräusch wurde sein Körper angespannter und ich bemerkte überrascht, dass er mehrere Waffen an seinem Körper trug. Messer in unterschiedlichen Größen waren an seiner Kleidung angebracht, während ein Bogen aus seinen Rucksack festgemacht war.

"Also was für Tiere leben hier und was macht sie gefährlich?" fragte ich interessiert. Meine Hoffnung war es gewesen, ihn durch eine Konversation aus seiner Anspannung zu bringen. Doch er blickte sich weiterhin konzentriert um, während er mir flüsternd antwortete. "Die Tiere in diesem Wald sind nicht wie die aus deiner Welt. Sie sind magisch, genau wie wir und verfügen teils über eigene Kräfte. Die gefährlichsten sind nokturnal. Sie haben extrem gute Augen und manche können sogar mit den Schatten verschmelzen." Nachdenklich blickte er kurz zu mir, bevor seine Augen wieder den Wald beobachteten.

"Vielleicht kannst du deine Sinne ausweiten. Deine sind weitaus besser als meine" Schwer schluckend nickte ich und fokussierte mich auf die Geräusche um mich herum. Ich hörte erst nichts, doch dann sahen meine Augen etwas in Mitten der Schatten. Meine Hand schoss zu Lexus und ich stoppte ihn, mein Blick fest auf den Punkt gerichtet. "Ich sehe etwas zwischen den Schatten" flüsterte ich und er blickte alarmiert dorthin. Seine Hand bewegte sich zu seinem Bogen und er zog ihn leise aus dem Rucksack. "Hörst du einen Herzschlag?" "Ja" hauchte ich mit einer Mischung aus Überraschung und Angst.

"Wieso habe ich ihn vorher nicht gehört?" "Erinnerst du dich an die Illusionskräfte der Mela?" auf mein zögerliches Nicken fuhr er leise fort. "Diese Kreatur ist ein Schattenwandler. Sie verstecken sich tagsüber in dunklen Ecken und jagen nachts. Sie können sich mit den Schatten verschmelzen und damit eine Art Illusion erschaffen. Es ist für Ungeübte fast unmöglich, sie wahrzunehmen." Seine Augen schossen kurz zu mir und er lächelte mich beruhigend an. Tief durchatmend nickte ich. "Also, was machen wir jetzt?"

"Die beste Verteidigung gegen Schattenwandler ist Feuer. Sie sind sehr lichtempfindlich und Hitze verletzt sie." Mit einem ungläubigen Blick betrachtete ich den Schatten. "Wir haben beide kein Feuer Lexus" zischte ich leise. Was sollten wir jetzt tun? Die Kreatur betrachtete uns interessiert, doch bisher hatte sie nicht angegriffen. "Und warum greift es nicht an?"

"Schattenwandler jagen in Gruppen. Er ist wahrscheinlich ein Späher" Schockiert schossen meine Augen zu ihm. "Was tun wir jetzt Lexus? Auf seine Freunde zu warten kann nicht unser Plan sein". Er lächelte mich leicht an und spannte seinen Bogen. "Späher sind schnell, doch weniger intelligent. Sie sind triebgesteuert und dieser Schattenwandler ist hochfokussiert auf uns. Eine Sache schadet ihnen außer Feuer, Silber." Damit schoss sein Pfeil blitzschnell auf den Schatten zu, während Lexus mir ein Messer in die Hand drückte und den Bogen erneut spannte.

Der Schattenwandler schrie schrill auf, meine empfindlichen Ohren verletzend. Meine Hände schossen instinktiv auf, um sie zu bedecken, doch ist stoppte. Das würde mich verletzlich machen. Mit zusammengekniffenen Zähnen stellte ich mich breitbeinig auf und hielt das Messer vor mir. Lexus Blick schoss zu mir und kurz konnte wurde sein Blick amüsiert, bevor er wieder ernst wurde. "Wenn wir die Nacht überstanden haben, zeige ich dir, wie man ein Messer richtig benutzt" kommentierte er mit einem leichten Lächeln. Meine Augen schossen zwischen die Bäume und wieder zu dem Schatten. Wo war er? "Lexus" zischte ich ängstlich, mein Herz mit Adrenalin vollgepumpt, wild klopfend. "Wo ist es hin?"

Er blickte sich suchend um, bevor er leise fluchend meine Hand nahm und losrannte. "Es hat überlebt und holt wahrscheinlich Verstärkung. Wir müssen weiter." Damit rannten wir schnell durch den dunklen Wald, unsere Blicke konzentriert auf die Umgebung gerichtet. Ich wusste jetzt zumindest, wie ich einen Schattenwandler erblicken könnte. Hoffentlich würde mir das erneut gelingen. Wir rannten, die Bäume schnell an uns vorbeiziehend. "Können wir die Kreaturen abhängen?" fragte ich panisch. "Wir müssen nur weit genug kommen, um eine Lichtung zu erreichen. Kannst du eine erkennen? Im Mondlicht sind wir sicher, solange wir uns von Schatten weghalten"

Fokussiert blickte ich in die Ferne und mit einem erleichterten Seufzen nickte ich. "Etwa einen halben Kilometer entfernt". Meine Augen blickten zurück und panisch bemerkte ich, wie die Schatten näher zu kommen schienen. "Sie verfolgen uns" sagte ich ängstlich und Lexus fluchte leise. "Wir müssen weiterrennen. Der Späher ist sicher nicht mehr alleine und ohne Feuer oder Licht haben wir keine Chance gegen eine Gruppe von Schattenwandlern"

Wir sprinteten durch den Wald und ich seufzte. Die Lichtung war fast erreicht, das Mondlicht strahlte zwischen den Bäumen hell und wies uns den Weg. Dann spürte ich einen Druck auf mir und fiel mit einem erschrockenen Schrei hin. Lexus rief meinen Namen und wenig später war der Druck von mir weg. Ich drehte mich langsam um und sah mit großen Augen, wie er mit einem Messer über mir stand. Von ihm tropfte eine schwarze Flüssigkeit runter. Mein Blick glitt zu einer schwarzen Masse neben mir und mit einem erschrockenen Aufschrei erhob ich mich zitternd und bewegte mich weg. Schatten umkreisten eine bewegungslose Figur am Boden.

Hatte Lexus etwa diesen Schattenwandler getötet? Meine Augen schossen zu ihm, doch sein Fokus war auf unsere Umgebung gerichtet. "Wir müssen weiter". Damit zog er mich nach vorne und wir rannten die letzten Meter auf die Lichtung. Schwer atmend blieb er stehen, während ich mich ungläubig umguckte. Wir waren auf einer kleinen Rasenfläche, von Bäumen umrandet. Der Mond strahlte hell auf uns und badete uns in seinem silbernen Licht. Um uns herum warfen die Bäume Schatten auf die Lichtung, doch ein kleiner Bereich war glücklicherweise frei davon. Lexus konzentrierter Blick schoss zu mir "Geht es dir gut?" seine Stimme klang besorgt, während er mich von oben bis unten begutachtete. "Ja" flüsterte ich und setzte mich erschöpft auf den Rasen.

Das war beängstigend gewesen.

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