Kapitel 29 - unklare Intentionen

Die letzte Nacht hatte ich, wenn auch nur kurz, schlafen können. Angesichts der Tatsache, dass heute wohl ein neues Abenteuer für mich beginnen würde, wollte ich ausgeschlafen sein. Nun war es Morgen und ich suchte das ganze Zimmer nach einer Tasche ab. Währenddessen gingen meine Gedanken zu den vergangenen Tagen zurück. Hätte ich vielleicht einfach selber herausfinden sollen, welche Kräfte ich unter Umständen besäße? Es war schließlich genauso gut möglich, dass ich eine Vela mit beschaulichen Gaben war.

Doch warum würden die Schicksalsgöttinnen Lexus eine Vision senden? Es waren weiterhin so viele Fragen offen. Wie konnte ich ein Teil dieser Welt sein, wenn ich aus einer anderen kam? Was hatte Zirelles Verhalten zu bedeuten und was hatte ich in ihrem Salon so impulsiv getrunken? Ihre Intentionen waren so mysteriös wie die Vela selbst und es störte mich. Sie hatte gesagt, ein simpler Trank würde für die Bestimmung meiner Kräfte reichen. Doch die Seite war herausgerissen worden und Zirelle verschwunden. Hatte sie etwas damit zutun gehabt? Doch warum hatte sie mir dann überhaupt davon erzählt? Vielleicht hatte sie auch da mit mir gespielt, dachte ich betrübt. Und dann die Gedankenmanipulation.

Wie konnte Elaria kontrolliert werden, wenn sie doch Schildkräfte besaß? Und dann hatte Elaria noch so seltsam auf meine Fragen reagiert. Die ruhige und freundliche Art, die ich bei ihr kennengelernt hatte, kontrastierte stark zu ihrem Auftreten bei meinem letzten Besuch. Wollte sie nicht, dass ich diesen Trank nahm? Ihre Beteuerung, nichts davon zu wissen, fühlte sich falsch an. Wovor hatte sie Angst?

Und dann war da noch Lexus, ein ebenso freundlicher und hilfsbereiter Helá. Konnte ich ihm vertrauen, oder verfolgte er auch mysteriöse Absichten? Diese ganze Situation war mir suspekt und ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte. Sollte ich zurück in meine Welt gehen und all diese Mysterien zurücklassen? Wie würde das überhaupt aussehen? Traurig schüttelte ich meinen Kopf. In meiner Welt würde mein Leben nicht einfacher werden, lediglich auf eine andere Art kompliziert.

Immerhin konnte ich hier frei sein und meine neuen Fähigkeiten ohne Angst vor Verfolgung ausleben. Hier band mich keine Ehe, mein Leben lag in meiner eigenen Hand. Und endlich interessant, dachte ich mit einem Lächeln. Jahrelang hatte ich in Büchern über fantastische Abenteuer gelesen. Mir vorgestellt, ich wäre ein Teil davon. Jetzt hatte ich mein eigenes Mysterium zu lösen, ein echtes Abenteuer.

Es klopfte an der Tür und eine kleine Frau mit weißen Augen trat ein, sich mit großen Augen in dem Raum umsehend. Ihr Blick landete auf mir und ein überraschter Ausdruck kam über ihr Gesicht, bevor sie rot wurde und sich leise entschuldigte. Lächelnd wies ich sie einzutreten und sie tat es aufgeregt. Schnell händigte sie mir das Glas und wollte verschwinden, doch ich stoppte die Helá mit einem Räuspern. Ihre großen Augen trafen wieder meine und ich versuchte möglichst freundlich zu schauen. "Guten Morgen. Wie heißt du?" begann ich und sie antwortete schnell. "Ich bin Ileria, und du Viktoria. Die Weltenwanderin. Es freut mich, dich kennenlernen zu dürfen"

Ihre Stimmlage war hoch, während sie mich aufgeregt anstarrte. Anscheinend hatte sich die Nachricht schnell rumgesprochen, oder Elaria hatte sie darüber informiert. "Vielen Dank, Ileria", erwiderte ich, ihre Worte ignorierend und hielt das Glas demonstrativ hoch. Sie nickte grinsend und verschwand wieder.

Meine neue Welt war in so vielerlei Hinsicht anders, dachte ich kopfschüttelnd und fuhr mit meiner Suche nach einer Tasche fort. Nichts, bemerkte ich frustriert und seufzte. Vielleicht könnte ich Elaria nach einem Rucksack fragen? Doch ihr von meinen Intentionen zu erzählen schien angesichts der vergangenen Ereignisse leichtsinnig. Vielleicht könnte ich ihr sagen, dass ich plante, einen kleinen Ausflug zu machen?

Oder, ich nahm die Oase als Ausrede. Schließlich war der Weg relativ weit und ein Rucksack würde die Transportation meiner Kleidung vereinfachen. Lächelnd nickend verließ ich den Raum und folgte dem Weg zu ihrem Büro. Vor der Tür angelangt hörte ich zwei Herzschläge. Hatte sie gerade einen Termin? Aufhorchend strengten sich meine Ohren an und Elarias Stimme drang zu mir durch.

"....nicht. Wir müssen vorsichtig sein. Du kennst deine Aufgabe Lyrani. Das ist alles". Wer war das, mit dem sie sprach? Eine männliche Stimme ertönte und ich riss erschrocken meine Augen auf. "Denkst du wirklich, dass die Weltenwanderin eine Gefahr darstellt? Sie weiß fast nichts über diese Welt und.." "Lyrani, sie ist eine freundliche junge Frau, doch auch unbekannt. Bisher ist sie ahnungslos, doch mit der Zeit wird sich das ändern. Du weißt selber, wie das Schicksal ist. Und jetzt geh, behalte sie im Auge". Damit hörte ich Schritte auf die Tür kommen und rannte schnell zurück zu meinem Zimmer.

Tief durchatmend an die Tür lehnend schüttelte ich meinen Kopf. Sie war nicht zu trauen. Die erste Person, die ich kennengelernt hatte. Elaria hatte mich geheilt, mir über diese Welt erzählt. Sie hatte mich... Oh Gott, dachte ich erschrocken. Sie wusste über meine Vergangenheit Bescheid, ich hatte ihr naiv von meiner dunkelsten Zeit erzählt. Würde mir das nun zum Verhängnis werden? Dieser Lyrani, hatte ich etwa gestern seine Augen in der Dunkelheit gespürt? Ein Klopfen ertönte und hastig wich ich von der Tür weg. Wer war das? Hatte Elaria mich gesehen?

Tief einatmend schluckte ich die aufkommende Panik runter und horchte. Ein Herzschlag, dann roch ich die Person. Es war Lexus. Hastig setzte ich an die Tür zu öffnen, doch hielt zitternd inne. Was, wenn er Teil dieser kleinen Verschwörung war? Mit einem Kopfschütteln verwarf ich den Gedanken. Bisher hatte er in keinster Weise indiziert, dass er es war. Doch Elaria und Zirelle hatten mich beide gespielt, war meiner Intuition überhaupt zu trauen?

Außerdem hatte der von mir überhörte Teil der Konversation nicht allzu viel verraten. Vielleicht war sie einfach besorgt, da ich eine Unbekannte war. Aus einer anderen Welt erschienen, mit Vela Blut in mir. Ihre Sorge wäre sicherlich verständlich, wenn auch verletzend. Seufzend schüttelte ich den Kopf. Paranoia würde mir jetzt nicht weiterhelfen. Zögernd öffnete ich die Tür und da stand er. Wieder mit einem Lächeln bewaffnet und etwas in seiner Hand haltend. "Ich dachte, du kannst vielleicht einen Rucksack gebrauchen". "Danke". Meine Stimme war leise, mein Kopf weiterhin voller Gedanken und seine Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen. "Ist alles in Ordnung?". Schwach lächelnd nickte ich. "Ja, wir sehen uns heute Abend bei Sonnenuntergang. Vielen Dank Lexus".

Damit schloss ich die Tür und packte seufzend meine Kleidung ein. Immerhin, das Problem war gelöst. Doch dann kam mir ein weiterer Gedanke, was war mit Blut? Wie würde ich mich auf der Reise ernähren und einen weiteren Kontrollverlust vermeiden? Ich hoffte inständig, Lexus würde sich darum kümmern. Doch falls nicht, würde ich wohl kreativ werden müssen. Vielleicht könnte ich es wie in meiner Welt machen und von den Tieren des Waldes trinken? Leise fluchend fixierte ich die Tür, das hätte ich ihn gerade fragen können. Jetzt würde es bis heute Abend warten müssen.

Vielleicht könnte ich bis dahin einen letzten Besuch in die Oase machen. In meiner Zeit im Wald hatte ich gelernt, warme Bäder waren dort nicht zu finden. Also lief ich die Flure entlang und folgte dem Geräusch des Wassers, um die Quellen zu finden. Bald schon lief ich die bekannte Treppe herunter und landete in der großen Halle. Einen freien privaten Badebereich gefunden, schloss ich den Raum und ließ das warme Wasser für einen Moment meine Sorgen wegwaschen.

Eine Zeit später befand ich mich sauber in meinem Zimmer und packte die kleinen Fläschen in den Rucksack. Ein paar Körper- und Haarmixturen würden sicher hilfreich auf der Reise werden. Mit einem Blick durch das große Fenster neben dem Bett sah ich, dass die Sonne bereits weiter unten stand. Die Sonne würde bald untergehen, es war Zeit.

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