Kapitel 26 - Lexus
„Deine Mutter ist Fela?" fragte ich überrascht und er nickte. Doch auch wenn er weiter lächelte, schien es jetzt ein wenig gezwungen. Verwirrt beobachtete ich den zuvor so ruhigen Helá. War meine Frage unangemessen gewesen? Ich setzte zu einer Entschuldigung an, doch er kam mir zuvor. „Deine Frage war vollkommen berechtigt Viktoria. Es ist nur, dass nicht jeder Befürworter von Mischwesen ist." „Das tut mir leid" erwiderte ich leise und er lächelte mich weiter beruhigend an. „Wenn du genau in meine Augen schaust, kannst du die lilanen Flecken darin sehen." Nachdenklich legte ich den Kopf schief und fokussierte mich auf seine Augen. Mit Faszination sah ich, wie kleine lilafarbene Punkte in seinen Augen auftauchten. "Warum habe ich sie vorher nicht gesehen?" flüsterte ich abwesend.
Jetzt, dass ich sie erkannt hatte, waren sie klar zu sehen. „Eine Illusion" erklärte er und fuhr bei meinem überraschenden Blick leise lachend fort. "Was weißt du über die Fähigkeiten der Mela?" "Nicht viel. Ich weiß nur, dass sie Wasserkräfte besitzen" erwiderte ich grübelnd.
"Na dann sollten wir das ändern. Mela haben nämlich noch andere Gaben. Zum einen können sie unter Wasser atmen. Im Grunde teilen sie sich in zwei Arten auf. Zum einen die Gestaltenwandler, welche den Lyka sehr ähnlich sind. Sie können sich in ein Meerestier verwandeln und verfügen über die Sinne ihrer Krafttiere. Dann gibt es Sirenen. Sie verwandeln sich nur zum Teil und bilden eine Schwanzflosse aus. Hypnotischer Gesang ist eine häufig vererbte Gabe der Sirenen. Eine weitere, seltene ist die Kraft der Illusion. Ich habe einen Freund, welcher darin sehr begabt ist. Er kann kleine Illusionen wie das Verstecken meiner lilanen Flecken dauerhaft wirksam machen."
Fasziniert starrte ich weiterhin in seine Augen, bis mir etwas klar wurde. Wie konnte ich seine wahre Augenfarbe sehen? Schnell verbalisierte ich meine Frage und mit einem anerkennenden Nicken sprach er weiter. „Eine Illusion ist nicht unüberwindbar. Wenn sich die andere Person darüber im Klaren ist, dass das magisch angepasste Bild nicht echt ist, wirkt sie nicht mehr. Zumindest ist das bei simplen Illusionen wie dieser so."
Seine ruhigen Augen blickten weiterhin in meine, als mir etwas klar wurde. Ich hatte noch nie so lange Blickkontakt mit jemandem gehalten. Doch es fühlte sich normal an bei Lexus. Wir sprachen noch lange über die verschiedensten Themen. Er fragte mich über meine Welt aus und ich berichtete ihm über die unterschiedlichen Länder und Kontinente, unsere Geschichten und vieles mehr. Er hörte mir die ganze Zeit interessiert zu und stellte sogar noch Nachfragen.
Es war unglaublich, endlich angehört zu werden. Er verdrehte nicht seine Augen, unterbrach mich nicht und beantwortete meine Fragen ohne Kommentare über meine Unwissenheit. Elaria war ebenfalls geduldig gewesen, doch das von einem Mann zu erfahren... Es war für mich das erste Mal. Vater war immer unterstützend gewesen und hatte mir vieles beigebracht, doch auch er neigte dazu, mich nicht aussprechen zu lassen. Mit der Zeit hatte ich mich damit abgefunden, dass niemand mich je zu Ende reden ließ. Doch jetzt fühlte es sich unglaublich gut an, aussprechen zu dürfen. Während ich zu Beginn noch unsicher war, fanden wir uns zum Ende zusammen lachen.
Mit den Stunden hatte ich mich wohl genug in seiner Präsenz gefühlt, ihn doch zu mir auf die Bank einzuladen. Ich war an das linke Ende gerutscht und rücksichtsvoll nahm er am anderen Ende Platz. Er hatte keine Fragen gestellt, sich nicht an meinem Verhalten gestört und ohne zu Zögern mein unausgesprochenes Verlangen nach Abstand respektiert.
Als wir zusammen den Sonnenuntergang betrachteten fielen mir wieder Zirelles Worte ein. 'Wir testen dein Blut. Die Helá entwickelten damals einen Trank, welcher die Kräfte der Wesen aufzeigen.' Könnte mir Lexus vielleicht dabei helfen? Er war Helá mit potenter Magie.
Zögerlich blickte ich nach rechts zu ihm. Seinen Blick auf den Himmel gerichtet beobachtete gebannt die aufgehende Sonne. "Lexus?" fragte ich zögerlich und seine Augen schossen fragend zu mir. Er schien meine Rückhaltung zu merken und lächelte mich beruhigend an, mich leise ermutigend fortzufahren. "Weißt du von einem Trank, welcher mir meine Fähigkeiten zeigen kann?" Nachdenklich blickte er nach vorne, bevor sich sein Gesicht erhellte. "Ich weiß wo wir es herausfinden können"
So fanden wir uns wieder im Schloss wieder, während er mich gezielt durch zahlreiche Flure führte. Nach unzähligen Abbiegungen blieb er vor einer großen Doppeltür stehen und schenkte mir ein letztes Lächeln, bevor er sie mit einer Handbewegung öffnete. Mit großen Augen blickte ich auf die riesige Bücherei vor mir. Unzählige Bücherregale ragten in die Höhe, alle gefüllt mit zahlreichen Büchern. "Es gibt hinten mehrere Regale mit Büchern über Tränke" kommentierte er und lief zielgerichtet durch die Bücherei.
Ich folgte ihm, weiterhin fasziniert von der Menge an Wissen, welches hier gelagert wurde. Als wir das Ende erreichten schoss sein Blick suchend über die Bücher, bis er an einem hängenblieb. Lächelnd nahm er es und wies zu einer Sitzecke links von uns. Wir nahmen auf den gemütlichen Sesseln Platz und Lexus blätterte direkt durch die Seiten, bis er mit zusammengekniffenen Augenbrauen stoppte. "Das kann nicht sein", flüsterte er verwirrt, bevor sein Blick zu mir schoss und er ungläubig den Kopf schüttelte.
"Was ist los Lexus?" fragte ich besorgt. "Die Seite ist nicht da" flüsterte er und Verwirrung machte sich in mir breit. Vielleicht hatte er das falsche Buch genommen? Es befanden sich schließlich hunderte in der Bücherei. Doch als ich meine Gedanken verbalisierte, bohrten sich seine Augen mit einer neuen Intensität in meine. "Viktoria ich habe unendliche Stunden in dieser Bücherei verbracht, alle möglichen Bücher über die Trankherstellung gelesen. Ich habe ein exzellentes Gedächtnis und dieses Buch ist das einzige, welches diesen speziellen Trank erwähnt." Damit seufzte ich frustriert. "Was bedeutet das also? Inwiefern fehlt die Seite?".
Damit händigte er mir das Buch und mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte ich auf die aufgeschlagene Seite. Erst sah ich nichts außergewöhnliches, doch beim genaueren Hinsehen erblickte ich es. Erschrocken flog mein Blick zu ihm und er nickte niedergeschlagen. "Die Seite wurde raugerissen." "Ja, und zwar äußert vorsichtig. Doch ich verstehe nicht, wie das passieren konnte. Diese Bücher sind magisch geschützt. Ein Feuer würde sie nicht beschädigen" "Wann hast du das Buch das letzte Mal gelesen?". Meine Kopf lief auf Hochtouren.Zum einen sah ich die die Möglichkeit, er hätte sich über das Buch geirrt. Vielleicht war der Trank in einem anderen beschrieben?
Doch mit einem Blick auf den Titel des alten Buchs fing ich an meiner Theorie zu zweifeln. Tränke der Nachkriegszeit. Von dem was Zirelle mir erzählt hatte, würden der Trank zur Erkennung meiner Kräfte in dieser Zeit kreiert worden sein.
"Vor ein paar Tagen" flüsterte er und meine Augen schossen zu ihm. "Also erinnerst du dich daran, was du dort gelesen hast?" Ein frustriertes Seufzen entkam ihm. "Die Zusammensetzung des Tranks ist simpel. Doch der benötigte Spruch dazu ist es nicht. Ohne den kann ich den Trank nicht herstellen, die Worte müssen exakt wiederholt werden."
Er hatte das Buch erst vor kurzer Zeit gelesen. War es ein Zufall, dass in der kurzen Zeit genau diese Seite herausgerissen wurde? Kurz nachdem Zirelle mir gesagt hatte, ich könne auf diese Weise mehr über meine Kräfte erfahren. "Zirelle" zischte ich und Lexus verwirrten Blick ignorierend erhob ich mich wütend und rannte aus der Bibliothek. Wo war ihr Zimmer? Suchend drehte ich mich im Kreis, doch die Flure sahen alle gleich aus. Kurze Zeit später stand Lexus leicht außer Atem neben mir."Du bist schnell" kommentierte er und ich schüttelte frustriert den Kopf. "Weißt du, wo Zirelles Zimmer ist?" fragte ich stattdessen. "Die Vela?" auf mein Nicken hin blickte er sich nachdenklich im Flur um. "Leider nicht. Ich habe sie nie kennengelernt. Was hat Zirelle mit dem Thema zutun?"
Seufzend schaute ich an die Decke, das wäre auch zu einfach gewesen. Mit geschlossenen Augen überlegte ich fieberhaft, wie ich sie finden könnte. Vielleicht könnte ich meinen Geruchssinn verwenden? Konzentriert gingen meine Gedanken zurück an meinen Besuch bei Zirelle. Sie hatte leicht nach Blumen gerochen. Vielleicht eine Art Parfum? Angestrengt kniff ich meine Augen zusammen und fokussierte mich auf den Duft. Es war ein verzweifelter Versuch, doch mit Erstaunen merkte ich, wie mir der Geruch in die Nase stieg. Determiniert öffneten sich meine Augen und ich sprintete los. Unendliche Flure später blieb ich vor einer Tür stehen und schaute mich nachdenklich um.
War ich am richtigen Ort angelangt, oder war dieser Duft nicht so einzigartig wie erhofft und ich befand mich vor einer komplett falschen Tür? Frustriert konzentrierte ich mich auf Geräusche innerhalb des Raums, doch keine Herzschläge waren zu hören. Schuldgefühle machten sich in mir breit, ich hatte Lexus alleine vor der Bibliothek stehen lassen. Er hatte mir versucht zu helfen und ich war losgerannt, ohne ihm zu sagen, wohin. Ohne ihm zu danken. Mit einem Seufzen schlug ich wütend gegen die Tür, das war eine dumme Idee gewesen.
Doch dann geschah etwas. Mit großen Augen beobachtete ich, wie die Tür aufschlug und mir der bekannte Salon entgegenblickte.
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