Kapitel 25 - Gedankenspiele
„Genug Fragen Viktoria" ihre Augen brannten sich förmlich vor Intensität in die meinen und plötzlich bewegte ich mich nach hinten. Erschrocken blickte ich zu ihr versuchte, stehen zu bleiben, doch es funktionierte nicht. Mein Körper schien wie von einer unbekannten Macht kontrolliert und bevor ich mich versah, stand ich vor ihrem Zimmer. Wieder mit diesem mysteriösen Grinsen im Gesicht bewegte sie sich langsam zur Tür und lehnte sich an den Türrahmen. Mein Körper stand stocksteif im Flur, mein Blick panisch um mich herum schnellend, bevor er wieder zu ihr wanderte. Blutmagie.
Das Wort kreiste in meinem Kopf, während sie mich mit einem kalkulierenden Blick musterte und erneut zum Sprechen ansetzte. „Unterschätze niemals deinen Gegenüber Viktoria. Wie du gemerkt hast, kann das schnell tödlich enden." Schwer schluckend nickte ich stumm, der einzige nicht immobilisierte Teil meines Körpers mein Kopf. „Deine Gedanken mögen sicher sein, doch vergiss mein Worte nicht." Damit dreht sie sich um und mein Körper sackte zusammen. Mit einem letzten Blick auf mich hielt sie mit einer Hand an der geöffneten Tür fest.
„Lass dein Blut testen." Damit fiel die Tür ins Schloss und mein schockierter Blick blieb einige Zeit daran hängen, bis ich langsam meinen Kopf schüttelte und mich auf den Rückweg machte. Die Flure waren menschenleer, nein wesenleer und bevor ich mich versah, saß ich wieder in den Gärten auf der gleichen Bank, auf welcher ich zuvor mit Elaria gesessen hatte. Der Himmel war dunkel, tausende von Sternen darin leuchtend. Hatte ich so lange mit Zirelle gesprochen? Die Zeit war in ihrem Zimmer so schwierig abzuschätzen gewesen, da ihr Fenster durch schwere Vorhänge blockiert gewesen war.
Erschrocken richtete ich mich auf, als ich zurück an das Ende meines Besuchs dachte. Was hatte ich getan? Von der Wut geleitet hatte ich für einen Moment alle meine Ängste vergessen und einfach gehandelt. In dem Moment hatte mich nicht einmal Zirelles Hand um meinen Hals zurück in die bekannte, blinde Panik gestürzt. Während ein unschuldiges Wort von Elaria gereicht hatte, war ich im Angesicht eines möglichen Todes erstaunlich ruhig geblieben.
Nachdenklich kreiste mein Blick um die dunkle Landschaft und mit einem Seufzen wurde mir eines klar. Zirelle hatte mich ausgespielt. Sie hatte absichtlich ihren Blick auf die Schatulle geworfen. Ihre Reaktion war bewusst langsam gewesen. Doch warum hatte sie mich dann mit einer Hand an meinem Hals an die Wand gedrückt? Und noch viel wichtiger, warum war sie nicht wirklich wütend gewesen? Dann gingen meine Gedanken auf meine Beobachtungen zurück und Verwirrung machte sich in mir breit.
Seit wann war ich so aufmerksam, dass mir ihre Mikroexpressionen nicht entgangen waren? Was war in mich geraten, dass ich sie willentlich herausfordernd angeschaut hatte? Noch nie war es mir zuvor in den Sinn gekommen, meiner Wut Raum zu geben. Seit dem ich jung war, hatte Mutter mich darauf getrimmt, starke negative Gefühle zu unterdrücken. Selten hatte ich ihr widersprochen. Nicht, dass sie mich überhaupt hatte aussprechen lassen. Selbst bei einer so wichtigen Konversation wie vor so vielen Wochen, als sie mir von meiner baldigen Hochzeit erzählte.
Meine Meinung war nicht von Bedeutung gewesen. Ich hatte selbst einer lebensverändernden Entscheidung stumm zugestimmt, anstatt ihr standzuhalten. Es waren unzählige Fragen über Zilette und ihre Handlungen in meinem Kopf, ihre Motive gefährlich unbekannt. Ich wusste nichtmal, ob ich Tatsächlich das Blut eines Einhorns getrunken hatte. War ihre Erleichterung daher gekommen? Tief durchatmend richtete ich meinen Blick zurück in den Himmel.
Egal welche Auswirkungen mein Handeln haben würden, dieses Mal würde ich nicht stumm nickend alles über mich ergehen lassen. Ich schwor mir, ab jetzt zurückzukämpfen. Für einen Moment war meine Angst von der Wut übermannt worden und ich hatte gehandelt, wie noch nie zuvor. Ich würde herausfinden, welches Spiel Zilette spielte und bis dahin würde ich alles daran setzen, stärker zu werden. Sie hatte meine Gedanken gelesen, Elaria so manipuliert den Raum zu verlassen.
Mein Atem stockte, als ich mich an etwas anderes erinnerte. Elaria besaß Schildkräfte, wie hatte Zirelle ihre Gedanken kontrollieren können? Seufzend umarmte ich meine Knie und legte meinen Kopf darauf. Diese neue Welt war so viel verwirrender, als meine alte. Mein Leben würde nie wieder dasselbe sein. Ich hatte noch nie große Entscheidungen treffen müssen, alles wurde für mich entschieden. Doch in den letzten Wochen hatte sich das geändert und nach meiner Konversation mit Zilette war mir eines klar, ich musste mein Leben in die Hand nehmen und über meine Ängste wachsen.
„Hallo?" eine ruhige Stimme riss mich aus meinen Gedanken und erschrocken blickte ich auf. Vor mir stand ein Mann, mit strahlen weißen Augen wie Elaria. War er auch Helá? Auf meine fehlende Antwort hin lächelte er beruhigend. „Darf ich mich setzten?" Misstrauisch beobachtete ich den jungen Mann. Er sah wie so ziemlich alle, die ich bisher gesehen hatte, unglaublich gut aus. Seine sonnengebräunte Haut kontrastierte mit seinen hellen Augen und lies sie noch mehr hervorstechen.
Leicht gewellte Haare fielen ihm in kurzen Strähnen über die Stirn. Sie waren pechschwarz und glänzten leicht im Mondlicht. Seine markanten Wangenknochen, gerade Nase und leicht gefüllten, immer noch zu einem Lächeln verformten Lächeln, liesen sein Gesicht fast engelsgleich wirken. Erschrocken blickte ich auf den Boden und zog meine Augenbrauen ungläubig zusammen. Hatte ich wirklich einen fremden Mann schamlos betrachtet? Meine Wangen röteten sich vor Scham und ein leises Lachen ertönte, welches mir bis in die Knochen ging.
„Darf ich?" ertappt zu ihm aufblickend sah ich, wie seine langen Finger auf den Platz neben mir zeigten. Unwohlsein breitete sich in mir aus. Würde er auch versuchen, mich zu berühren? Ein Schauder lief mir über den Rücken bei dem Gedanken. Männer waren gefährlich. Ich hatte selber oft genug miterlebt, wie sie sich nahmen, was sie wollten. Er nickte freundlich und nahm stattdessen mit etwas Abstand vor mir auf dem Boden Platz. „Es war nicht meine Intention, Unwohlsein bei dir auszulösen. Bitte entschuldige meine vorherige Frage."
Damit beobachtete ich mit großen Augen, wie sein Blick sich auf den Sternenhimmel legte. Weiterhin nicht überzeugt von seinen harmlosen Intentionen setzte ich mich auf und beobachtete ihn wachsam. Er strahlte eine innere Ruhe aus, seine hellen Augen fasziniert auf den Himmel gerichtet. „Wer bist du?" fragte ich schnell und räusperte mich verlegen. Sein Blick glitt langsam zu mir und mit einem strahlenden Lächeln antwortete er. „Mein Name ist Lexus. Und deiner?" Seine Stimme war unglaublich beruhigend, passend zu seinem Auftreten. Zögernd musterte ich ihn für einen Moment weiter, bevor ich leise antwortete. „Viktoria".
Seine Augen schienen bei meiner Antwort noch mehr zu strahlen, wenn das überhaupt möglich war. „Die Weltenwanderin" bemerkte er fasziniert und mit einem steifen Nicken bestätigte ich seine Feststellung. Meine angespannte Haltung musternd sprach er freundlich weiter. „Was gefällt dir an Gniea bisher am besten? Es muss ein Schock gewesen sein, in einer Welt voller Magie zu landen". Geduldig wartete er auf meine Antwort, während ich fieberhaft überlegte.
Es war schwierig, mich auf etwas anderes zu konzentrieren, wenn meine Gedanken sich weiterhin um meine vergangenen Erfahrungen mit Männern drehten. Doch er strahlte keine Aggression aus, sondern eine unglaubliche Ruhe. Ich versuchte mich zu entspannen. Gerade hatte ich noch festgelegt, ich würde mein angsterfülltes Leben hinter mir lassen. Und wenige Minuten später war ich zurück am Anfang. Tief durchatmend lenkte ich meine Gedanken auf seine Frage.
Was gefiel mir an dieser neuen Welt am besten? Hier war ich frei und musste keine Angst davor haben, für meine neuen Fähigkeiten verfolgt zu werden. Hier war meine Abnormität normal. Ich hatte endlich herausgefunden, was ich war. In seine ruhigen Augen blickend antwortete ich zögernd. „Ich habe endlich erfahren, was ich bin."
Lexus nickte nachdenklich und richtete seinen Blick erneut in den Sternenhimmel. „Das muss schwierig gewesen sein. In einer Welt ohne Magie Vela zu sein. Nicht zu wissen, warum du anders bist". Stumm nickte ich. Es war so viel schlimmer gewesen, doch das musste er nicht wissen.
„Und du? Was bist du?" fragte ich schnell, bereit für einen Themawechsel.
Lexus legte lächeln den Kopf schief und seine Augen trafen erneut meine. „Ich dachte das wäre offensichtlich" begann er langsam und fuhr auf meinen verwirrten Blick hin schnell fort. „Ich bin Helá, wie meine weißen Augen zeigen. So wie du mit deinen roten Augen Vela bist". Interessiert setzte ich an mich nach vorne zu lehnen, doch stoppte. Er war immer noch ein Fremder, potenziell gefährlich. Trotzdem mehr darüber erfahren wollend, fragte ich weiter nach. „Also zeigt die Augenfarbe eines Wesens welcher Spezies sie angehören?" Lächelnd nickte er. „Genau. So wie Helá weiße Augen und Vela rote haben, ist es auch bei den anderen Spezies so. Lyka haben grüne, Mela blaue und Fela lilane Augen"
Fasziniert lehnte ich mich nach hinten und überlegte. Elaria war Helá, so wie Lexus und ihre Augenfarbe weiß. Zirelle hatte rote Augen, so wie auch ich. Doch wie konnte es sein, dass eine ganze Spezies die gleiche Augenfarbe hatte? In meiner Welt hing es von der Familie ab, von ihrer Herkunft. Während ich die blauen Augen Vaters geerbt hatte, waren meine blonden Haare von Mutters Seite gekommen.
„Wie kann es sein, dass eine gesamte Spezies dieselbe Augenfarbe hat?" verbalisierte ich also meine Gedanken und er nickte nachdenklich.
„Ich nehme an das ist in deiner Welt anders. Hast du bereits von unserer Entstehungsgeschichte gehört?" Auf mein Nicken hin fuhr er fort. „Die Götter teilten ihre Kräfte mit uns, welche in ihren Augen reflektiert waren. Die Augen sind das Fenster zur Seele und unserer Magie. Daher habe ich weiße und du rote Augen. Sie reflektieren unsere Gaben. Doch es gibt Unterschiede..." begann er und betrachtete meine Augen grübelnd.
„Wie du weißt verschwanden die Götter, womit unsere Kräfte schwächer wurden. Über die Generationen hin wurde der Spalt zwischen Familien mit mehr und weniger potenter Magie innerhalb der Spezies zunehmend größer. Und da unsere Augen unsere Magie reflektieren, veränderten auch die Farben der Iris sich zunehmend. Je strahlender die Augen, desto stärker die Fähigkeiten des Wesens."
Daher musterte er mich also so konzentriert. „Und was sagen meine Augen dir?" fragte ich interessiert, woraufhin er langsam lächelte. „Sie leuchten hell Viktoria" „So wie deine?" Lachend schüttelte er den Kopf. „Du lernst schnell. In der Tat habe ich vergleichsweise starke Kräfte." antwortete er erheitert lächelnd und ich schnaubte. War ich erneut zu einer Unterhaltungsquelle geworden?
„Also welche Gaben hast du?" fragte ich tief durch atmend. Nachdenklich musterte er mich nun. „Heilung und Luftkräfte". Das klang nicht besonders, von dem was Elaria mir erzählt hatte. Forschend blickte ich in seine Augen und er seufzte. „Ich habe stärkere Luftkräfte, als die Helá, da meine Mutter Fela ist"
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