Kapitel 14 - ein neues Zuhause

Mit Faszination betrachtete ich meine Umgebung und blickte gespannt auf den Berg. Würde ich dort eine Höhle finden? Ich blickte nachdenklich auf die Koffer auf dem Boden. Mein neues Zuhause auf dem Waldboden zu errichten erschien mir zu gefährlich. Tiere würden das Essen riechen und fressen. Was, wenn ich eine Höhe fände? Ziemlich rational, dachte ich süffisant. So viel zu 'Frauen seien emotionsgeleitet und könnten nicht logisch denken'. Aber dann wurde ich wieder nüchtern. Die Situation war nicht ideal und so sehr ich meine letzte Interaktion als ersten Sieg seit langem sah.

Die letzten Wochen hatte ich mich durchgehend wie als schwach gesehen, verloren in meinen negativen Gefühlen. Dann kamen diese beängstigenden Veränderungen und für einen kurzen Moment fühlte ich mich endlich stark, frei von der Unterdrückung durch Stärkere. Das Konsumieren von Blut hatte mich angeekelt, verängstigt. Und das tat es immer noch. Doch in diesem Moment sah ich auch die Vorteile meiner Verwandlung. Ich war übernatürlich schnell und stark, heilte Wunden besser als je zuvor. Und anscheinend war ich nun etwas anders, abnormales. Menschen konnten meines Wissens nach nicht das tun, was ich nun konnte.

was. Jetzt musste ich schauen, wo ich unterkommen könnte. Ein Ort, der mich vor dem Wetter schützen würde. Ich fokussierte meinen Blick genauer auf den Berg und bemerkte fasziniert, dass meine Sicht besser wurde. Wie praktisch, dachte ich.

Doch der Aufstieg war zu steil. Nachdenklich wendeten sich meine Augen auf den Fuß des Berges und dort sah ich etwas. Schnell hob ich meine Koffer an und rannte blitzschnell dorthin. Mit einem Blick nach oben bestätigte sich mein Verdacht. Dort, auf einem Felsen befand sich eine kleine Öffnung im Gestein. Freudig lächelnd sprang ich auf der Stelle und bemerkte erstaunt, wie hoch ich kam. Könnte ich etwa den Felsen hochspringen? Ich hatte überlegt die Koffer hochzuwerfen und danach zu den Fels zu erklimmen. Doch so könnte ich in kürzester Zeit die Öffnung erreichen.

Ich schloss meine Augen und atmete tief durch, bevor ich sie voller Entschlossenheit wieder öffnete und so hoch sprang wie möglich. Ich flog durch die Luft, der Wind durch meine Haare wehend. Zunehmend stieg ich höher, bis ich über dem Felsen war. Ein erschrockener Schrei entkam mir, als ich schnell an Höhe verlor und der Steinboden immer näher kam. Das hatte ich nicht durchdacht. Fluchend lies ich die Koffer links und rechts von mir fallen und landete kurz danach schmerzhaft in der Hocke.

Durch die Wucht des Aufpralls fiel ich nach vorne und rollte bis ich an die Wand gepresst zum liegen kam. "Aua" flüsterte ich und begann zu lachen. Das war das belebendste gewesen, was ich je getan hatte. Mein Körper schmerzte zwar überall, aber dieses Gefühl für eine kurze Zeit in der Luft zu fliegen... Unglaublich. Ich fühlte mich wie einer der Vögel am Himmel und endlich verstand ich das Sprichwort 'frei wie ein Vogel'. Die Welt für eine kurze Zeit kleiner werden zu sehen, den Wind zu spüren, war großartig gewesen.

Meine Landung bedarf allerdings weiterer Übung, bemerkte ich weiter lachend. Grinsend guckte ich mich nach meinen Koffern um und fand sie neben mir wieder. Einer war aufgesprungen und der Inhalt war über den Fels verstreut. Schnell hob ich die Sachen auf und schloss das Gepäckstück wieder. Dann legte ich sie an die Steinwand und schaute gespannt in die Öffnung. Wie erhofft war es eine kleine Höhle. Konzentriert schaltete ich meine Sinne ein und horchte nach Herzschlägen. Nichts war zu hören und ich atmete erleichtert auf. Das würde mein neues Zuhause sein, dachte ich beschwingt und trat schnell ein.

Im Gegensatz zu der draußen weiter hoch am Himmel stehenden Sonne, war hier keine Lichtquelle zu finden. Und trotzdem konnten meine Augen alles erkennen, als würde das Tageslicht reinscheinen. Fasziniert fügte ich die Nachtsicht meiner mentalen Liste an neuen Fähigkeiten hinzu.

Ich hätte ein Notizbuch mitnehmen sollen, bemerkte ich frustriert. Seufzend betrachtete ich die Höhle genauer. Die Wände waren nicht sonderlich hoch, die Decke in der Nähe meines Kopfes. Ich war rund 1,65 groß. Du dem großen Enttäuschen meiner Mutter lag meine Körpergröße über dem Durchschnitt. Ein weiterer Aspekt, welcher mich für mögliche Ehemänner unattraktiv gemacht hatte. Meine eigene Mutter war 1,57 groß und trotzdem hatte ich mich neben ihr stets klein gefühlt.

Dann dachte ich an meinen Vater und riss meine Augen auf. "Nein" flüsterte ich entrüstet. Wie hatte ich vergessen können, was er mir kurz vor meiner Hochzeit gesagt hatte? Schuldgefühle brachen in mir aus und Tränen stiegen mir in die Augen. Würde er wegen mir ins Gefängnis gehen müssen? Jetzt hatte Wilfried keinen Grund mehr, die angeblichen illegalen Aktivitäten Vaters versteckt zu halten. Würde er zu den Autoritäten gehen? So wie ich ihn einschätzte, würde er mein Verschwinden und die Geschehnisse kurz davor so verdrehen, dass es meine Familie zusätzlich inkriminiert würde. Meine Schulten sackten nach unten. Das war alles meine Schuld. Doch als ich kurzerhand aus der Höhle rausging, fest entschlossen zurückzukehren, stoppte ich.

Meine Rückkehr würde nichts verbessern, bemerkte ich frustriert. Willfried wusste von meiner Stärke, das würde nicht unangesprochen bleiben. Er würde mich wahrscheinlich töten, sollte er mich nochmals erblicken. Der Gedanke stahl mir für einen Moment den Atem. Konnte ich überhaupt sterben? An welchem Punkt würden selbst meine neu entdeckten Heilungsfähigkeiten nicht mehr genügen?

Das waren Fragen für einen anderen Zeitpunkt entschloss ich kurzerhand und widmete mich erneut meinen vorherigen Überlegungen. Über meine Mortalität könnte ich später philosophieren. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum und blickte leer auf den Wald unter mir. Würde Willfried davon erzählen, wie ich ihn mit übernatürlicher Stärke überwältigt hatte?

Ein trockenes Lachen entkam mir bei dem Gedanken. Er war ein Meister darin seine sadistische Ader hinter einer freundlichen Persona zu verstecken. Sein Verhalten war stets überlegt. Was passiert war würde diese Position infrage stellen. Nicht viele würden selbst dem renommierten Willfried Eckerhard glauben, dass eine schwache zierliche Frau wie ich ihn übermannt hatte. Das würde er nicht riskieren, vor allem nicht, da er durch den Fall eine Kopfverletzung erlitten hatte.

So sicher ich mir war, dass er trotz dessen Leute für die Jagd nach mir mobilisieren würde, erleichterte mich der Gedanke. Im Anblick der bereits sehr brisanten Situation war das ein kleiner Lichtblick. Vielleicht hatte mein Vater auch bereits Fortschritte bei seiner Investigation gemacht, dachte ich hoffnungsvoll. Er war selber ein sehr respektierter Unternehmer und seine anderen Geschäftspartner würden sicherlich für ihn aussagen. Mutter hatte durch ihre Vergangenheit ebenfalls Kontakt zu einflussreichen Personen, welche sie um Unterstützung bitten würde. Auch wenn ich mir schmerzlich sicher war, dass sie Vater nicht liebte, kannte ich sie. Einen weiteren sozialen Abstieg würde sie nicht akzeptieren.

Traurig lächelnd schaute ich in den Himmel. Sie würden das überstehen. Alles andere könnte ich nicht denken, ansonsten würden mich die Schuldgefühle zerstören. Während Willfried es teilweise geschafft hatte, konnte und wollte ich nichts weiteres zulassen. Ich musste jetzt stark sein und mich zuerst um mich und meine Kontrollprobleme kümmern. Davor war ich niemanden von Nutzen und so sehr mich der Gedanke schmerzte, so wahr war er. Seufzend betrat ich erneut die Höhle und nahm dieses Mal meine Koffer mit. Nun würde es meine erste Aufgabe sein, diesen Ort zu meinem Zuhause zu machen. Danach würde es weitergehen.

"Ein Schritt nach dem anderen" flüsterte ich in die leere Höhle und begann damit, den Ort einzurichten.

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