Kapitel 2 (von @Guardian015)

Am Morgen des 5. Tages, wachte Jacky in dem Nest aus Kissen und Decken auf, welches ihm John in seinem Zimmer eingerichtet hatte. Sein Fell war nun nicht mehr so dreckig und zerzaust und es glänzte im Licht der Sonnenstrahlen. 

Gähnend streckte sich Jacky und tapste dann zu Johns Bett hinüber. Der Junge schlief noch und Jacky startete einen Überraschungsangriff. Er machte sich zu Sprung bereit, stieß sich ab und landete mit seinem ganzen Gewicht auf Johns Bauch. 

Kerzengrade schoss dieser in die Höhe. Mit einem schmerzerfüllten Stöhnen, schubste er Jacky vom Bett. Empört maunzte er, doch John sah ihn nur mit einem strafenden Blick an. Daraufhin sprang Jacky wieder zu seinem Freund aufs Bett und rieb seinen Kopf an Johns Bauch. 

„Ich kann dir einfach nicht böse sein", meinte John und strich dem Kater liebevoll über das Fell. Jacky schnurrte leise und schmiegte sich noch mehr an ihn. „Komm, lass uns Frühstücken." Er stand auf, zog sich an und ging wenig später mit Jacky die Treppe hinunter in die Küche. 

Dort wartete schon seine Mutter. Zur Begrüßung gab sie John einen Kuss auf die Stirn. „Und hast du gut geschlafen?" „Mmmmhh", brummte John, während er in Jackys Napf eine Dose Katzenfutter ausleerte, um sich dann selber ein Schälchen aus dem Schrank zu holen und mit Müsli zu füllen. 

Nachdem er fertig gefrühstückt hatte, machte er sich auf den Weg zur Schule. Auch seine Mutter verließ das Haus, um einkaufen zu fahren. Kurz überlegte Jacky, ob er ihm folgen sollte, doch dann entschied er sich dagegen und sonnte sich stattdessen lieber im Garten. Der Schnee schmolz mittlerweile schon an einigen Stellen. Die Vögel zwitscherten, die Sonne schien und er war satt und zufrieden. So wohl hatte er sich schon seit langem nicht mehr gefühlt. Bilder von früher schossen ihm in den Kopf.

Erinnerungen von seinem Leben auf der Straße, doch irgendwas fehlte, nur was? Er überlegte. Seine aller Erste Erinnerung war, die einer dunklen Gasse. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er dort in einem Pappkarton aufgewacht war. Eine Zeitung hatte seinen Körper bedeckt und ihn so ein wenig vor der beißenden Kälte geschützt, doch... was davor war, wusste er nicht. Er hatte schon immer das Gefühl gehabt, dass etwas fehlte, vor allem dann, wenn er seine Umgebung beobachtet hatte. 

Immer wieder waren ihm große Zweibeiner, zusammen mit kleinen Zweibeinern aufgefallen. Vogeleltern, die ihren Eltern Essen brachten. Einmal, als er durch ein kleines Wohnviertel gestreift war, waren ihm eine Hündin mit ihrem Welpen aufgefallen, während sie vergnügt durch einen großen Garten tollten. Er hatte sie eine Weile lang beobachtet, doch irgendwann war der kleine Welpe auf ihn aufmerksam geworden, und hatte sich schwanzwedelnd dem Zaun genähert, doch als er nur noch einen Meter von Jacky entfernt gewesen war, hatte ihn auch die Mutter des Kleinen bemerkt, und war knurrend auf ihn zu gelaufen. 

Jacky hatte sich aus dem Staub gemacht, doch wenn er jetzt darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass jedes Wesen Eltern hatte. Ob es nun Zweibeiner, Vögel, Hunde oder sonst irgendein anderes Tier war, jeder hatte Eltern, nur er nicht... Selbst wenn er einmal Eltern gehabt haben mochte, erinnerte er sich nicht an sie. Vielleicht hatte er auch keine, aber- jeder hatte Eltern, dann musste er doch auch welche haben, oder etwa nicht? 

Als er ganz allein in dieser Gasse aufgewacht war, hatte er zuerst Angst verspürt, doch nach ein paar Tagen auf der Straße war sie einer Leere gewichen, die ihm anfangs einen Schauder über der Rücken gejagt hatte, doch mittlerweile hatte er sich an ihre Anwesenheit gewöhnt und sie war zu einem Teil von ihm geworden. Nur John war besonders. Er hatte es geschafft, ihm ein Stück seiner Leere zu nehmen, etwas das niemand anderes vor ihm geschafft hatte. 

Das Leben auf der Straße war hart und besonders die erste Zeit war sehr schwierig gewesen. Er hatte nichts über das Leben auf der Straße gewusst, über die Gefahren, die dort auf ihn lauerten, weshalb er einige Male nur knapp dem Tod entkommen war. Auch nachdem er schon einige Zeit auf der Straße lebte, war es sehr mühsam gewesen zu überleben, darum erinnerte er sich auch nur ungern daran zurück. Doch John hatte ihm etwas von der Lebensfreude zurückgegeben, von der er schon geglaubt hatte, sie hätte nie existiert. Und schließlich war er hier gelandet. 

Ein raues Krächzen riss ihn plötzlich aus seinen Gedanken. Als er aufblickte, sah er auf dem Gartenzaun eine Elster sitzen. Ihr Gefieder schimmerte in der Sonne. Jacky war zwar immer noch satt, aber das Jagdfieber hatte ihn gepackt. 

Langsam richtete er sich auf. Die Elster schaute ihn aus stechenden Augen an, jedoch flog sie nicht weg. Jacky duckte sich und kroch dann langsam auf den Vogel zu, der jeden seiner Schritte genau zu beobachten schien. Kurz vor dem Zaun, stoppte Jacky. Er machte sich zum Sprung bereit, dann stieß er sich ab. 

Er verfehlte den Vogel um ein paar Zentimeter und landete mit ausgefahrenen Krallen, auf dem Zaun. Hey, pass doch auf, schrie eine Mädchenstimme in seinem Kopf. Erschrocken zuckte Jacky zusammen. Fast wäre er vom Zaun gefallen. Wer war das, fragte er.

Hast du etwa Tomaten auf den Augen? Hier oben. Als Jacky den Kopf hob, sah er die Elster über sich kreisen. Warst du das?

Na wer denn sonst?, fragte sie beleidigt.

Geh sofort aus meinem Kopf raus. Hast du verstanden?, meinte Jacky und fauchte die Elster an, die immer noch über ihm flatterte. Nun klang sie vergnügt. Glaubst du ernsthaft, ich bin in deinem Kopf? Sind alle Katzen so dämlich?

Ich bin nicht dämlich, gab er scharf zurück. Er stieß sich vom Zaun ab und verfehlte sie wieder nur ganz knapp.

Willst du mich etwa umbringen? Hör sofort damit auf, kreischte sie.

Dann geh du aus meinem Kopf raus, gab Jacky zurück, wobei er seinen Schwanz peitschen ließ.

Ich hab doch schon gesagt, dass ich nicht in deinem Kopf bin.

Und warum höre ich dich dann in meinem Kopf?

Weil du ein Gestaltswandler bist und die von Kopf zu Kopf reden können.

Jacky hatte eine Idee, wie er den Vogel aus der Luft holen konnte. Er drehte sich um und ging in Richtung Haus. Wie er vermutet hatte, kam ihm die Elster hinterher geflogen, wobei sie etwas tiefer flog. Hey, wo willst du hin?, rief die Elster. 

In diesem Moment, drehte er sich auf seinen Hinterbeinen herum, stieß sich ab und traf im Flug, mit seinen Pfoten die Elster, wobei er die Krallen eingefahren hatte. Wie ein nasser Sack, viel sie zu Boden. Jacky drückte sie in den Schnee, sodass sie nicht fliehen konnte. 

Also du nerviges Federvieh, wer ist hier dämlich? Er sah die Angst in den Augen des Vogels und hätte eine Katze grinsen können, dann hätte er es jetzt getan. Wehe du tust mir etwas, dann... dann... Wütend funkelte sie ihn an.

Was dann? Du bist gerade nicht in der Position, mir zu drohen. Jacky bleckte die Zähne. Wieder zeichnete sich in den Augen der Elster Angst ab.

Und jetzt raus mit der Sprache, wieso höre ich deine Stimme in meinem Kopf? 

Wenn du mir vorhin zugehört hättest, wüsstest du es jetzt. In der Stimme des Vogels schwang Trotz mit und langsam wurde Jacky ungeduldig. Die Elster schrie in seinem Kopf auf, als er ihr ein paar Federn ausrupfte. Rede endlich!

Ja, ja schon gut. Reg dich ab. Also, du bist ein Gestaltswandler und...

Was bin ich?

Ein Gestaltswandler, du weißt schon, jemand der sich in etwas anderes verwandeln kann. Langsam wurde der Vogel ungeduldig.

Ich weiß auch was ein Gestaltswandler ist, aber ist das wahr?

Würde ich dich etwa anlügen?, gab die Elster schnippisch zurück.

Jacky ging nicht weiter darauf ein. Heißt das, ich kann mich in ein belibige Tier verwandeln?

Nicht in ein Tier, in einen Mensch.

Das glaube ich dir nicht, meinte Jacky.

Ich beweise es dir, aber dafür musst du von mir runter gehen. Jacky schaute sie misstrauisch an. 

Ich werde schon nicht ab hauen, versprochen, meinte sie.

Na gut, aber wehe wenn doch, dann... Er trat von ihr runter.

Hast du ein Handtuch oder so was?

Warum denn das?, wollte Jacky wissen.

Hallo, denkst du etwa ich würde mich nackt vor dir zeigen?, fragte sie empört.

Du bist doch jetzt auch nackt, antwortete er.

Wenn Blicke töten könnten, wäre Jacky sofort tot umgefallen. Schließlich lief er aber doch los, um mit einem großen Handtuch wiederzukommen.

Ok, und jetzt dreh dich um. Widerstrebend gehorchte er. Kurz darauf hörte er es rascheln. Als er diesmal die Mädchenstimme hörte, befand sie sich nicht mehr in seinem Kopf. „Jetzt kannst du dich umdrehen."

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