Kapitel 1 (von @Wuestenflamme)
Jacky tippelte leise hinter einer Amsel mit dickem Federkleid durch eine Gasse, er hatte seit Tagen nichts mehr gefressen, und nun knurrte sein Magen wie verrückt. Der schwarze Vogel plusterte sein Federkleid auf, bevor er sich gemütlich umschaute – unbewusst der Gefahr, die ihm drohte.
Plötzlich hörte der schwarze Kater Kindergeschrei, das auch dem Vogel nicht verborgen blieb. So musste Jacky verärgert zusehen, wie sein Mittagessen davon flatterte.
Die Kinderrufe wurden lauter, vermutlich waren sie gerade am Eingang der Gasse, in der Jacky sich befand. Einer grölte besonders laut: „Na du kleiner Hosenscheißer, was hast du denn so schönes in deiner Brotdose?"
Jetzt konnte Jacky die Meute sehen, es waren etwa neun Kinder zwischen acht und 13 Jahren. Scheinbar hatten sie alle großen Respekt vor dem Rumbrüller, der gerade einen viel kleineren, schmächtigen Jungen mit schwarzen Haaren an seiner Unterhose durch die Luft schwenkte.
Der kleine Junge schrie um Hilfe, aber durch den Schnee der kalten Jahreszeit hörte ihn niemand. Der Große riss ihm den Schulranzen vom Rücken und kramte darin herum. „Mach hinne, Lenny!", rief einer der Umstehenden, der offenbar etwas zum Essen haben wollte.
Mit tränen feuchten Augen blickte der kleine Junge in die Menge an Kindern, die ihn umringten, doch keiner hatte genug Mumm, ihm zu helfen.
Jacky war empört. Dann musste er eben einspringen. Außerdem war er sowieso sauer auf diese Kinder, denn er war schon ausgemergelt genug gewesen, bevor diese Trottel sein Mittagessen verjagt hatten! Also ging er in Kampfposition und zog den Rücken zu einem Buckel hoch.
Mit ausgefahrenen Krallen sprang er los und auf die Kinder zu, dessen offensichtlicher Anführer Lenny noch immer den kleinen Jungen strangulierte.
Jacky verpasste ihm einen Pfotenhieb einen gewaltigen Kratzer, der Lenny schreiend zurückspringen ließ. „AAAUUUH, du elender Flohsack!", brüllte er, als er den schwarzen Kater mit dem dreckigen Fell und den grünen Augen bemerkte.
Allerdings hatte der ach-so-mutige Bursche plötzlich doch nicht mehr so viele dumme Sprüche auf Lager. Von daher sagte er: „Kommt Leute! Wir lassen ihm John als Frühstück!", - dabei war es Mittag – und machte, dass er fortkam. Die anderen folgten ihm schleppend und ließen den kleinen, weinenden John einfach zurück.
Das ein oder andere Kind drehte sich noch mal kurz um, aber keines kam zurück. Jacky fauchte der Gruppe noch hinterher und ließ seine Tatze zischend durch die Luft sausen, bevor er sich zu John umdrehte und ihm tröstend die Tränen ableckte.
John lächelte und strich Jacky sachte über den Rücken, dann fragte er: „Möchtest du nicht zu mir kommen?" Da wurde Jacky hellhörig. Normalerweise warfen die Menschen immer irgendetwas hinter ihm her und schrien die gesamte Nachbarschaft zusammen, wenn er auftauchte.
Aber dieser Junge war nett. Also nickte Jacky. John lachte ein schüchternes, leises Kinderlachen.
Dann stand er auf und ging in Richtung einer Wohnsiedlung, zu einem hübschen, gelben Haus und klingelte. Dann schien ihm etwas einzufallen, und er holte die Brotdose aus einer Seitentasche des Rucksacks. Jacky staunte, John war wirklich nicht dumm!
Der dämliche Lenny hätte niemals in einem so kleinen Seitenfach nachgesehen. Eher wäre er von einer Banane vergiftet worden, als die Intelligenz zusammenzukratzen, die der kleine John aufwies.
Plötzlich ging die Tür auf, und eine mollige Frau öffnete. Sie hatte ein gutmütiges Gesicht mit warmen, braunen Augen, die Jacky jetzt erwartungsvoll musterten.
„Wer ist denn das?", fragte sie verwundert und deutete auf den schwarzen Kater. „Er hat mich gerettet!", rief John mit leuchtenden Augen und streckte der Frau seine Brotdose entgegen. „Hier, Mama!"
Johns Mutter begann zu lachen. „Komm mal her, Kleiner, ich habe noch etwas Katzenfutter da! Eigentlich war es für die Nachbarskatze gedacht, aber die muss es ja nicht wissen..." Jacky leckte sich über die Lippen, als er „Futter" hörte. Zutraulich folgte er der Frau, John kam direkt hinterher.
Wenig später lag er wie der Kaiser von China in Kissen eingebettet und mit einem riesigen Futternapf vor der Nase neben John auf der Couch und ließ sich von ihm verwöhnen. John hatte ihm erzählt, dass die Familie sowieso nach einem Haustier gesucht hatte. Also würde Jacky höchstwahrscheinlich bei ihnen bleiben können. Und wenn John auf dem Pausenhof oder auf dem Nachhauseweg wieder jemand überfallen sollte, war Jacky immer die Katze für alle Fälle.
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