Eiskalt
Mein Herz scheint stehen zu bleiben. Meine große Liebe hält mir geradewegs die Pistole ins Gesicht. Mit jedem Wort könnte es vorbei sein. Und ich kann nichts dagegen machen.
Und dennoch drückt er nicht ab. Sein Finger ruht weiterhin. Doch was wenn er die Kontrolle verliert? Ein Messer kann man schwer abwehren. Eine Pistolenkugel nicht.
„Was willst du tun?", frage ich mit zittriger Stimme. Mit jedem Wort schwindet mein Selbstvertrauen, bis es nur noch einem Hauchen gleicht. „Was ich mit dir machen werde? Das überlege ich die ganze Zeit. Gianna, ich habe vor, die Mafia zu sabotieren. Da sollte es eine Kleinigkeit sein, dir eine Kugel in den Schädel zu rammen", erwidert er. Die Emotionslosigkeit lässt meine Adern mit jeder Sekunde mehr gefrieren. „Du willst mich also wirklich töten?", entgegne ich. Es fühlt sich an, als würde ich bewusstlos werden. Die Schwerkraft zieht nun plötzlich viel schwerer an mir und meine Knie gehorchen mir nicht mehr. „An sich schon."
Alles um mich herum gefriert. Urplötzlich wird mir eiskalt und ich beginne zu zittern. Mein Atem geht schneller und ich kann nicht einmal mehr einen Finger rühren. In meiner Brust pulsiert mein Herz schmerzvoll und Tränen steigen mir unaufhaltsam in die Augen. Ich muss mehrfach blinzeln um wieder klar sehen zu können. Meine komplette Welt scheint zu versinken. Und das alles wegen ihm.
„Nur kann ich meine Gefühle nicht verleugnen. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, und Ja, vielleicht ist es egoistisch, aber dich zu töten, würde ich niemals schaffen", unterbricht er die gefrorene Zeit. Ich wage kaum zu atmen, doch endlich lässt er dich Waffe sinken. Sein Arm gleitet wie gelähmt zu seinem Körper, jedoch reicht es nicht, um mich zu entspannen. Es tut unfassbar weh, wie er mit meinem Leben mit so einfachen Worten spielt.
Langsam bewegt er sich auf mich zu. Jeder Schritt steckt selbst bei ihm voller Anspannung. Doch ich versuche es zum dritten Mal. Ich laufe nach Hinten.
„Bleib stehen, Gianna", faucht er mich an. Sofort halte ich an, mein Herz pocht.
Nun kommt er schneller auf mich zu, bis er nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt ist. Sein Körper ist komplett angespannt. Jeder seiner Muskel ist bereit, um zu agieren. Und in seiner Hand liegt immer noch die wahrscheinlich geladene Pistole.
Voller Erschöpfung lässt er sein Gesicht in meinem Haar versinken. Sein Atem geht schwer und erschöpft. Mein Blick fällt auf seinen Hals. Die Wunde ist hoffentlich nicht zu tief. Bis eben war ich mir noch sicher gewesen, aber mittlerweile bereitet es mir Sorgen. Ich hatte ihn nicht sofort töten können, doch was wenn es trotzdem zu tief war?
Ich zügle mich gerade noch rechtzeitig, ihn von mir zu drücken. Wenn ich jetzt falsch handle geht es wieder mit ihm durch und ich schwebe wieder in Lebensgefahr.
Meine Hand gleitet langsam zu seinem Arm. Die Berührung lässt ihn kurz zucken und anspannen, doch sofort lockert er sich wieder. Vorsichtig fahre ich mit meiner Hand seinen Arm hinunter. Langsam und bedacht gleitet meine Hand zu seiner. Endlich liegt sie auf seinem Handgelenk.
Zur Zeit hält er die Pistole recht locker. Meine Chance. Mit einem Trick meines Bruders entwaffne ich Iván und tauche unter seinem Arm durch, sodass ich sofort hinter ihm stehe. Iván wirkt überrollt, doch sofort dreht er sich geschickt zu mir und entwaffnet mich ebenfalls. Zusätzlich drückt er mich gegen seine Brust und drückt mir mit dem Arm die Luft ab. Und mit der anderen Hand hält er mir die Waffe an die Schläfe.
„BRING ES HINTER DICH!", schreie ich aggressiv, „TÖTE MICH!" „Ich kann nicht", knirscht er zurück. „Mach es endlich! Dann hab ich die Probleme mit der Mafia nicht mehr! Na los! Es würde dir doch angeblich auch helfen", kreische ich. Meine Knie zittern und mein Atem geht schwer. Mit jedem Atemzug versuche ich, so viel Luft wie möglich in meine Lungen zu pumpen. Doch es tut weh. Und dieses ständige Nervenspielchen macht mich krank. Ich kann das nicht mehr.
„Drück ab!", befehle ich ihm aggressiv, „Du Spinner, drück endlich ab!" „Ich werde dich ganz sicher nicht töten!", faucht er mir entgegen. Panik steigt in ihm auf. „Gianna, lass gut sein!" „Töte mich!", Ich merke wie meine Kraft schwindet und Tränen steigen mir in die Augen. „Nein!", knurrt Iván. „Bitte", hauche ich ihm mittlerweile nur noch entgegen.
Nur mit Mühe halte ich meine Augen noch offen. Meine Beine wollen nach geben, doch wenn ich das tue ersticke ich. Auch wenn es mittlerweile schon vergleichbar ist.
Anscheinend bekommt Iván das mit, denn er lässt etwas lockerer. Automatisch sauge ich meine Lungen mit Luft voll. Er gibt mir etwas Zeit, um einzuatmen. Auch er scheint sich etwas zu entspannen. Man könnte fast die Pistole vergessen. Leider nur fast.
„Entweder du drückst jetzt ab, oder lässt mich los. Aber die Psychospielchen halte ich nicht mehr aus", meine ich gereizt und zugleich erschöpft. Tatsächlich lässt er von mir ab. Sein Arm verschwindet von meinem Hals und die Waffe verschwindet außer Reichweite. Sofort schaffe ich Platz zwischen seinem Rücken und mir.
Ich sehe die Luft beinahe, die in meine Lungen strömt. Erschöpft stütze ich mich auf meinen Knien ab. In meinem Nacken brennt Iváns spürbarer Blick. Egal.
„Töte mich einfach. Ich flehe dich an! Mein Los im Leben ist nicht das beste. Bitte nimm mir die Entscheidung ab!", flehe ich ihn an. Doch er macht keine Anstalten, meiner Bitte nachzugehen.
Dieses ganze Psychospielchen hatte mich ausgelaugt. Ich kann das nicht mehr. Es wäre so einfach, wenn er wirklich schießen würde. Doch das wird er ganz sicher niemals tun.
„Gianna, beruhige dich!", meint er sanft, doch seine Worte prallen bei mir ab. Stattdessen laufe ich sanft auf ihn zu. Sofort wird er unruhig.
Ich blicke ihm direkt in die blauen Augen. Unsicher sieht er mich an, doch das ist unwichtig. Mit einem geschickten Schlag passe ich einen Moment der Unachtsamkeit an und lasse ihn nach hinten taumeln. Im selben Moment schnappe ich mir die Pistole und schaffe Abstand zwischen ihm.
Seine Augen weiten sich, als er wieder klar denken kann. Vorsichtig versucht er auf mich zu zukommen, doch sofort richte ich die Waffe auf ihn. Reflexartig bleibt er stehen.
„Nimm die Waffe weg!", kreischt er panisch. „Keine Sorge. Dein Leben wird hier nicht enden", erwidere ich kurz.
Mein Blick schweift auf die Waffe. Das Zittern ist nicht zu übersehen. Wie in Trance bewege ich das Geschoss in meine Richtung. Tränen laufen über meine Wange, doch ich kann nicht stoppen.
Ich spüre den Gegenstand an meiner Schläfe. Meine Augen sind glasig und ich spüre die Feuchtigkeit auf meinen Wangen. Auch mein Herz schlägt unerträglich schnell. Die Kälte setzt erneut ein. Meine Knie sind weich und jeder Atemzug ist ätzend.
„GIANNA, SPINNST DU?!?! WAFFE WEG!", schreit Iván panisch. Auch seine Augen scheinen glasig. In seinem Ausdruck steht nicht als nackte Angst und Verzweiflung.
Er rennt auf mich zu. So verzweifelt habe ich ihn noch nie gesehen. Ich schließe meine Augen. Ein letztes Mal stelle ich mir vor, wie es wäre ihn zu küssen. Seine Lippen auf meinen zu spüren.
Mit diesem Gedanken drücke ich ab.
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