4 - Der Nachteil eines Tarnumhangs

Hastig packte Hermine ihre Sachen zusammen und stopfte sie in den Koffer, während sich Ron seinen Schulumhang über zog. Inzwischen war es draußen dunkel geworden und der rote Zug hatte sein Ziel erreicht. Harry war seit den paar Stunden, die inzwischen vergangen waren, nicht mehr aufgetaucht und sie fing an sich zu fragen, ob er wirklich nur an die Luft gewollt hatte. ,,Wo ist Harry?", erkundigte sie sich deshalb bei Ron, als sie die Abteil-Tür öffnete und in Flur trat. Offensichtlich waren sie die letzten, denn der Flur war leer und durch die Fenster konnte sie nur noch ein paar Schüler erkennen, die sich in die Kutschen setzten. Hagrid war bereits mit den Erstklässlern zum See gegangen, um sie mit dem Boot in das Schloss zu fahren.

Ron schüttelte den Kopf: ,,Nein, wahrscheinlich ist er schon mit den Anderen vorgegangen." Sie schaute sich noch einmal um: ,,Und seine Sachen?" Er zog die Augenbrauen zusammen und schaute ins Abteil: ,,Tatsächlich", meinte er nach ein paar Sekunden, ,,sein Koffer steht noch da. Den hab ich gar nicht bemerkt." Sie würde ja etwas sarkastisches antworten, wenn die Lage nicht so ernst wäre. Denn Harry war verschwunden und sie wusste nicht wohin. ,,Von wegen er ist schon vorgegangen", meinte sie ironisch und verkniff sich einen weiteren Kommentar, ,,ich glaube nicht, dass er so viel Zeit an der Luft verbracht hat. Geh du schon mal vor, ich suche nach ihm. Okay?"

Der Weasley schaute etwas gekränkt drein: ,,Und warum möchtest du nicht, dass ich ihn ebenfalls suche? Immerhin ist er mein bester Freund." Hermine neigte den Kopf, ehe sie die Antwort formulierte: ,,Meinst du nicht, dass es ein wenig auffällig wäre, wenn das gesamte goldene Trio fehlen würde? Außerdem weiß ich nicht, wie lange ich brauche, und wenigstens einer von uns sollte beim Festessen sein, um uns sagen zu können, was Dumbledore in seiner Rede gesagt hat."

,,Es ist sowieso schon auffällig, wenn Harry allein fehlt, und dann auch noch du..." Er machte eine kleine Pause, um seinen Worten Ausdruck zu verleihen. ,,Aber na gut, ich will ja nicht meckern und den Braven spielen, Schulsprecherin." Mit diesen Worten verließ er den Zug, Harrys und seinen eigenen Koffer im Schlepptau. Während sie noch einmal im Abteil nachschaute und dann die Tür schloss hoffte sie inständig, dass sie Ron nicht zu sehr verärgert hatte. Doch er würde auf eventuelle Nachfragen über ihr Verbleiben eine Antwort geben können und Hermine konnte es nicht gebrauchen, wenn Dumbledore sich unnötige Sorgen machte und sogar einen Suchtrupp losschickte. Auch wenn diese Sorgen gar nicht so unbegründet waren, wie sie hoffte.

Mit langsamen Schritten ging sie durch den leeren Gang, den Koffer ließ sie im Gang stehen. Angestrengt lauschte sie, doch alles war mucksmäuschenstill. Nur ihr eigener Atem und ihre langsamen und bedachten Schritte drangen durch die Stille, die den Zug ergriffen hatte. Nicht mehr lange und er würde wieder zurück nach London fahren. Sie musste sich beeilen. Zögerlich warf sie einen Blick zurück, doch sie war allein. Vorsichtig schritt sie weiter, bis sie schließlich zu einem ganz bestimmten Abteil kam: Dem Slytherinabteil. Hermine stellte sich an die Tür und lauschte.

Tatsächlich war eine Stimme zu vernehmen. Eine sehr bekannte Stimme, die sie einem blonden Schönling zuordnete. Er klang äußerst gereizt, aber doch gleichzeitig überlegen. Ein übelkeiterregendes Knacken ertönte, ehe er gehässig und verachtend sagte: ,,Und das war für meinen Vater!" Wenn sie genauer überlegte klang es sinnvoll, wenn Harry sich in das Abteil der Slytherins geschlichen hätte, um Draco zu belauschen. Und das hatte er anscheinend getan und wurde prompt von Draco erwischt. Schritte klangen auf dem Holzboden und als die Tür geöffnet wurde drückte sie sich in ihren Schatten. Der blonde Slytherins ließ sie hinter sich ins Schloss fallen, Hermine hielt den Atem an. Sie wusste nicht, was er mit ihr machen würde, wenn er bemerkte, dass sie wusste, was er mit Harry gemacht hatte. Er war unberechenbar.

Jetzt bereute sie es, ihren Koffer im Gang abgestellt zu haben. Wie erwartet blieb er ein wenig überrascht stehen, als er ihn erblickte und drehte sich dann um. Da die Tür inzwischen zugefallen war hatte sie nichts mehr, wohinter sie sich hätte verstecken können und so stand sie einfach in der Ecke neben der Tür, die Arme um den Körper geschlungen und schaute ihn ausdruckslos und wissend zugleich an. Er erwiderte ihren Blick und hob eine Augenbraue, bevor er sich schnaubend abwandte, seinen Koffer anhob und den Zug verließ. Sicher würde er die Gelegenheit nutzen, um sie bei seinem Hauslehrer, Severus Snape, anzuschwärzen und dafür zu sorgen, dass Gryffindor Punktabzug bekam. Da er sein Liebling war würde er selbst keinen Ärger bekommen. Typisch. Ebenfalls schnaubend öffnete sie die Tür zum Abteil der Slytherins erneut und trat ein.

Das Abteil der Schlangen sah genauso wie die übrigen Abteile aus, nichts unterschied es von den anderen. Die Sitze und Fenster waren genau die gleichen, das Abteil lag bloß ein wenig weiter vorne im Zug. Selbst die Gepäckablage schien genau die gleiche zu sein. Im Abteil war es still, beinahe schon zu still und Hermine konnte ihren eigenen Atem hören. Es bestand kein Zweifel, dass Harry hier war und so fragte sie vorsichtig in die Stille hinein: ,,Harry? Wo bist du?"Gespannt wartete sie und lauschte auf das kleinste Geräusch, doch nichts geschah. Langsam wurde sie sich dem Zeitdruck bewusst, der sie zur Eile antrieb.

Plötzlich ging ihr auf, dass Harry sich nicht ohne den Tarnumhang unbemerkt in das Abteil hätte schleichen können, er war also unsichtbar. Das machte die Suche wesentlich komplizierter. ,,Harry? Wenn du mir irgendein Zeichen geben kannst, dann tue es bitte jetzt", versuchte sie es erneut und wartete gespannt. Doch noch immer rührte sich nichts, kein Zeichen, keine Bewegung, nur ihr Atem und das leise Knarzen des Holzes, als Hermine vorsichtig ein paar Schritte vorwärts wagte.

Doch dann stieß ihr Fuß auf etwas hartes und erschrocken wich sie zurück. Doch kurz darauf ging sie in die Knie und suchte mit ihren Händen den Boden ab, bis sie schließlich auf weichen Stoff trafen. Der Tarnumhang. Eillig zog sie ihn beiseite und erkannte einen am Boden liegenden Harry Potter. Seine Nase war blutig und seine Arme ausgestreckt, seine Augen starrten ausdruckslos an die Decke. Offensichtlich konnte er sich nicht bewegen und so zückte sie ihren Zauberstab, um den Gegenspruch zum Lähmzauber zu murmeln.

Sofort erwachte der Brillenträger aus seiner Starre und richtete sich auf: ,,Hermine", stellte er verwirrt und erleichtert zugleich fest, ,,was machst du denn hier?" Die Angesprochene antwortete: ,,Du warst ganz schön lange weg und dein Koffer stand noch im Abteil. Ron und ich haben uns Sorgen gemacht. Aber das Gleiche könnte ich dich fragen", fügte sie nachträglich hinzu und wartete auf seine Antwort, immer noch am Boden hockend. ,,Ich glaube, dass hat Zeit. Lass uns erst mal nach draußen gehen, der Zug fährt gleich." Er sah sie wissend an und Hermine verstand. Er würde ihr später, vielleicht schon außerhalb des Zuges, erzählen, was zwischen ihm und Draco vorgefallen war und was er hatte belauschen können. Falls sie denn noch aus dem Zug rauskamen.

,,Lass mich erst einmal deine Nase reparieren", meinte sie mit einem bedeutungsvollen Blick auf das - anscheinend gebrochene - Körperteil. Er nickte als Zeichen dafür, dass er ihr vertraute und sie murmelte konzentriert ,,Episkey!" Wieder ertönte ein übles Knacken und Harry zuckte zusammen, doch seine Nase war geheilt. ,,Danke." Er richtete sich auf und wischte sich das Blut ab, sie tat es ihm nach und stand ebenfalls auf, ein wenig stolz darauf, ihm helfen zu können. Mit schnellen Schritten verließen sie das Abteil, als sie weitere Schritte hörten. Harry stoppte und zog seinen Zauberstab aus seiner Jackentasche, Hermine hatte ihren noch in der Hand. ,,Vielleicht der Schaffner?", flüsterte sie ihm halbherzig zu. ,,Der kontrolliert doch nie", kam die Antwort, die der Wahrheit am ehesten entsprach. Der Schaffner des Hogwarts-Express' kontrollierte nicht, er ging höchstens zufällig durch die Gänge, sonst machte er es sich hinter dem Lenkrad bequem. Kaum einer wusste, dass der rote Zug überhaupt einen Schaffner hatte, man bekam ihn nie zu Gesicht.

Die Tür eines Abteils ging auf und zum Vorschein kam eine junge, jugendliche Frau mit hellblonden, lockigen Haaren, die ihr ein wenig über die Brust gingen. In ihrer Hand hielt sie einen Koffer, über die Schulter hatte sie eine Tasche gehängt und sie trug eine ziemlich merkwürdige Brille. ,,Luna", sagte Harry überrascht und ließ den Zauberstab sinken. ,,Harry, Hermine", kam die verträumte Antwort von Luna Lovegood. ,,Was macht ihr denn hier?" Hermine übernahm: ,,Lange Geschichte. Und du?" Sie wusste noch immer nicht, ob sie dieses träumerische Mädchen aus Ravenclaw Leiden konnte, doch letztes Jahr hatte sie sie definitiv mehr abgelehnt. Ihre Beziehung zueinander hatte sich mit der Zeit ein wenig verbessert, auch wenn sie nicht viel Zeit mit der Blonden verbracht hatte. ,,Mir ist der Koffer runter gefallen und ich musste meine Sachen noch einsammeln. Das hat ziemlich lange gedauert." 

,,Und warum hast du nicht deinen Zauberstab benutzt?", fragte Harry, um von der Tatsache abzulenken, dass sie die letzten im Zug waren, zu spät zum Abendessen kommen würden und er eine blutige Nase hatte. Seinen Tarnumhang trug er über dem Arm, in der anderen Hand hielt er noch immer seinen Zauberstab, während Hermine ihren wieder sicher in der Hosentasche ihrer Jeans verstaut hatte. ,,Der ist auch runtergefallen und ich habe ihn nicht gefunden", kam die Antwort und Luna tat so, als wäre es etwas selbstverständliches, seinen Zauberstab zu verlieren. ,,Aha." 

,,Und warum seit ihr noch hier?" 

Wie auf ein Stichwort ertönte ein Pfeifen und die schweren Motoren des Zuges setzten sich in Gang, er rollte langsam an. ,,Kommt!", rief Hermine, packte ihren Koffer und hastete zu einer der Türen. Eilig öffnete sie sie und warf mit aller Kraft ihren Koffer auf den Bahnsteig. Hastig sprang sie hinterher und kam neben dem Gepäckstück auf. Sie drehte sich um und sah, wie Harry Luna half, ihren Koffer aus dem Zug zu schleudern, seinen eigenen hinterher schmiss und dann gleichzeitig mit ihr absprang. Er geriet ins Wanken, konnte sich jedoch noch halten und sah dem Hogwarts-Express hinterher, der in der Schwärze der Nacht verschwand. ,,Das war ganz schön knapp", stellte Luna ausnahmsweise mal sachlich fest und hob ihren Koffer an, um ihn hinter sich her zu ziehen. ,,Hätte ich jetzt nicht vermutet", kommentierte Hermine trocken und erntete einen bösen Blick des Schwarzhaarigen, ehe sie sich an seine Seite gesellte. Da die letzte Kutsche schon längst abgefahren war mussten sie den ganzen Weg bis zum Schultor laufen. 

,,Ich nehme an, ihr wollt mir nicht erzählen, warum ihr so spät noch im Express wart", meinte die Ravenclaw nach einer Zeit, in der sie schweigend nebeneinander her gelaufen waren. ,,Wie kommst du darauf?", erwiderte Harry und versuchte überrascht und empört zu klingen. Was ihm jedoch nicht sehr gut gelang. ,,Hermines Kommentar hat ausgereicht. Und du willst es mir doch auch nicht sagen, nicht wahr?" Der Angesprochene überlegte einen Moment: ,,Ähm, Luna... Nimm mir... uns das bitte nicht übel, aber das ist eine Geschichte, die ich lieber für mich behalten möchte." Sie nickte verständnisvoll: ,,Das kann ich verstehen, kein Problem. Schön, dass du so ehrlich bist mir das zu sagen." Ein kurzer Seitenblick auf ihn sagte Hermine, dass Harry unter dem Kompliment rot geworden war. Sie unterdrückte den Impuls, einen sarkastischen Kommentar von sich zu geben, denn die Worte, die Luna gesprochen hatte, waren nicht zum Einschleimen gedacht, sondern zeigten echtes Verständnis. Und dieses Verständnis bewunderte sie, so wenig sie auch mit dem Rest Lunas anfangen konnte. 

Nach einer Viertelstunde des weiten Schweigens kamen sie endlich am Eingangstor an. Professor Flitwick, der kleine Zauberkunstlehrer, wartete bereits ungeduldig mit einer Liste in der Hand neben den Gittern des großen Tores. Mit ein paar Metern Abstand standen hinter ihm ein paar Pakete, die aufeinander gestapelt waren. Zwei fremde Männer standen stumm neben dem Haufen, ein anderer inspizierte gerade einen schlangenartigen Gehstock. Und da viel Hermine auch der weißblonde Haarschopf, der in der Dunkelheit regelrecht zu leuchten schien. Draco Malfoy stand da und schaute stumm und ungeduldig dem Mann zu. Offenbar war er ebenfalls gelaufen, sonst wäre er schon im Schloss. ,,Was ist'n das für 'ne Krücke?", hörte sie den braunhaarigen Mann fragen, der den schlangenartigen Gehstock noch immer in der Hand hielt. ,,Das ist ein Gehstock, sie Trottel!", bekam er gleich darauf eine verächtliche Antwort. ,,Den ich jetzt gerne wiederhaben würde!", fügte er hinzu und riss ihm den Stock aus der Hand. Der Mann wollte schon protestieren, als hinter Draco plötzlich eine schwarze Gestalt auftauchte, die mit kalter und ausdrucksloser Stimme verkündete: ,,Ich bürge für Mr. Malfoy. Er hat nun die Erlaubnis, um sich zu entfernen, um noch rechtzeitig ins Schloss zu kommen." Snape schüchterte den Mann mit seiner Art offensichtlich ein und so nickte er nur und wandte sich einem anderen Paket zu.

Der Blonde schaute auf - und sah direkt in die Augen Hermines. Nach ein paar Sekunden des Blickkontakts ließ er seine Augen flüchtig über Luna und dann zu Harr gleiten. ,,Siehst gut aus, Potter", schnaubte er verächtlich und wandte sich ab, während Harry ebenfalls schnaubte und sein Blick vor Hass kalt wurde. Snape schaute ihn eine Sekunde ausdruckslos an, bevor er gemeinsam mit Draco den Weg hoch zum Schloss beschritt. ,,Ähm", meldete sich Flitwick zu Wort und räusperte sich, ,,schön, dass sie endlich da sind. Name?", fragte er an Harry gewandt. Der schaute ihn nur entgeistert an: ,,Professor, sie kennen mich seit 5 Jahren!" Doch der Kleinwüchsige blieb hart: ,,Trotzdem, Vorschrift ist Vorschrift! Also, Name?" Harry verdrehte die Augen, antwortete aber: ,,Harry Potter." Flitwick ließ seine Augen die lange Liste in seiner Hand hinunter gleiten, bis er schließlich etwas mit einem Stift abhakte und nickte. ,,Luna Lovegood", sagte die Ravenclaw und der Professor ging die gleiche Prozedur durch. ,,Hermine Granger", meldete sie sich schließlich als letztes an und sah zu, wie der kleine Mann auch ihren Namen abhakte. ,,Gut, alle sind angekommen", rief er den Sicherheitsleuten zu und wandte sich dem großen Tor zu. Mit seinem Zauberstab vollführte er ein paar komplizierte Bewegungen in der Luft und murmelte leise Worte dazu, bis das Tor sich schloss und ein rötlich-orangenes Schimmern von unten nach oben durch das schwarze Metall fuhr. Kurz wurde die Schutzwand sichtbar, die das Schloss vor den dunklen Mächten schützte, doch eine Sekunde später war sie auch schon wieder verschwunden. 

Dieses Jahr waren die Sicherheitsmaßnahmen massiv verschärft worden, so viel war sicher. Das Schloss wurde zusätzlich von Schutzzaubern geschützt, die Pakete und Briefe wurden kontrolliert und die Lehrer prüften anhand einer Liste, ob die Schüler angekommen seien oder nicht. Offensichtlich wurde niemand in das Schloss hereingelassen, der nicht dazu befugt war. Hermine staunte, wie viel Dumbledore und die Lehrer für das Wohl der Schule und die Sicherheit der Schüler taten. Sie wollten wirklich, dass die Schüler sich sicher fühlten und ungestört dem Alltag der Schule nachgehen konnten. Doch all das verstärkte den Eindruck nur noch mehr, dass dunkle Zeiten bevorstanden. Das wusste jeder und es wäre töricht und dumm, das anzuzweifeln. Also tat es auch keiner, es wurde einfach akzeptiert. Und diese Sichtweise fand Hermine verantwortungsvoll und angemessen, denn es nützte nichts, in Panik auszubrechen und in Hysterie zu verfallen, das würde den bevorstehenden Krieg auch nicht aufhalten. 

Wieder schwiegen sie, als sie den Weg entlang schritten, der hoch zum Schloss führte. Flitwick lief vor ihnen und so sagte niemand ein Wort, nur das Geräusch ihrer Schritte, die auf Erde trafen und das Schleifen der Räder ihrer Koffer war in der Stille der Nacht zu hören, die manchmal auch noch vom Ruf einer Eule und dem Rascheln des Windes in den Hecken und den alten Bäumen des Geländes unterbrochen wurde. Tief atmete sie die frische und klare Nachtluft ein, die ihren Verstand klärte. In der Ferne waren die Schemen Hogwarts' zu erkennen, in vielen Fenstern brannte Licht. Der Professor vor ihnen erleuchtete mit seinem Zauberstab den Weg, doch der Mond spendete sein Licht, so dass das Licht des Stabes überflüssig wirkte. Sie drehte den Kopf und erkannte im fahlen Mondlicht die morschen Bäume des verbotenen Walds, der um diese Uhrzeit besonders mystisch und zugleich wunderschön wirkte. Schaudernd erinnerte Hermine sich daran, wie sie letztes Jahr die Kröte Umbridge in genau jenen Wald geführt hatte und wie sie von Zentauren umzingelt wurden. Wie die Zentauren sie verschleppten. Bei diesem Gedanken wurde ihr übel. Jeder, der zumindest ein Buch über diese Gestalten gelesen hatte, wusste, was Zentauren mit menschlichen Frauen anstellten. Und dass Hermine einer anderen Person das angetan hatte, war selbst für sie schwer zu begreifen. Auch wenn sie es nicht gerne und um ihrer selbst Willen getan hatte, hatte sie es tun müssen. Für Harry. 

Sie verbannte diese Gedanken aus ihrem Kopf, es war nicht an der Zeit, in die Vergangenheit zu blicken. Wichtiger war die Gegenwart und die Zukunft, ihnen musste sie ihre Gedanken widmen. Schließlich passierten sie die Eingangstür und kamen in die Eingangshalle. ,,Da sind sie ja endlich!", wurden sie von einer ungeduldigen McGonagall begrüßt. Die Türen zur Großen Halle waren geschlossen, anscheinend hatten sie das Abendessen und Dumbledores Rede verpasst. Gut, dass sie Ron vorgeschickt hatte, er würde ihr am morgigen Tag alles erzählen können. ,,Die Verspätung tut uns leid, Professor", entschuldigte Hermine, die sich plötzlich ihren Pflichten und der Vorbildfunktion als Schulsprecherin bewusst wurde, sie alle drei. Die strenge Frau legte den Kopf schief: ,,Wie sie sehen haben sie das Abendessen verpasst. Ein wenig essen wird ihnen beiden", Sie schaute zu Harry und Luna, ,,in ihre jeweiligen Schlafsäle gebracht und ihnen", Die Lehrerin ließ ihren Blick zwischen Hermine und Draco hin und her gleiten, ,,in ihren Gemeinschaftsraum. Und nun gehen sie bitte zu Bett, Potter, Lovegood, ich habe ihren Hausspezialitäten erlaubt, ihnen einmalig das Passwort zu sagen." Mit einem Nicken entließ sie die beiden Schüler. Hary warf ihr noch einen flüchtigen Blick hinterher, ehe er die Marmortreppe zum Gryffindorturm hinauf stieg und seinen Koffer hinter sich her schleifte.  

,,Ich nehme an, dass der Grund, warum sie zu spät kamen, banal und privat war", sagte die Professorin und schaute beide mit hochgezogenen Brauen an, bis beide nickten. ,,Ich hoffe, dass sie sich ihr Sein als Schulsprecher bewusst sind", fuhr sie fort, ,,Das bedeutet nämlich, dass sie unsere Schule repräsentieren. Und in diesem Punkt muss ich mich voll und ganz auf sie verlassen können. Und dieses Vertrauen gewinnen sie nicht, indem sie gleich am ersten Tag zu spät kommen und die feierliche Einweihung der neuen Schulsprecher verpassen." Sie wirkte ein wenig verärgert, doch Hermine ahnte, dass hinter dieser Strenge auch Müdigkeit steckte. ,,Ich möchte, dass solche Vorfälle nicht mehr vorkommen. Haben sie verstanden? Mister Malfoy?" Dieser nickte. ,,Miss Granger?" Diese nickte ebenfalls: ,,Ja, Professor, das wird in Zukunft nicht mehr vorkommen, versprochen." Für diese Worte erntete sie einen weiteren scharfen Blick: ,,Versprechen sie nichts, was sie nicht auch halten können." Bevor Hermine empört widersprechen konnte fügte sie noch hinzu: ,,Nicht, dass das bei ihnen der Fall wäre, wie ich hoffe." 

Sie wusste, dass das als Rat gemeint war, auf dem richtigen Weg zu bleiben, und doch beleidigte es sie etwas. Hermine ließ sich jedoch nichts anmerken und nickte nur stumm, während Draco sowieso neutral und geistesabwesend wirkte. ,,Kommen sie, ich führe sie nun zu ihrem Turm, in dem sie das Schuljahr verbringen werden." 



Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top