16 - Versteckspielchen
Tief hatte sie sich in die weichen Polster des roten Sessels im Gemeinschaftsraum des Schulsprecher-Turms sinken lassen. Eine Kerze erhellte den Raum und das Buch, welches provisorisch aufgeschlagen auf ihrem Schoß lag. Hermine hatte beschlossen, Draco nicht zur Rede zu stellen. Sie hatte schon zu viel von ihrem Wissen preisgegeben, sie konnte nicht noch mehr riskieren. Immerhin hatte er versucht, Dumbledore zu töten, auch wenn dieser Versuch eher halbherzig gewesen war. Doch er hatte es versucht. Und nun kannte sie wenigstens einen Teil seines Geheimnisses.
Das Problem war jedoch, dass Snape nun auch weiter war. Er konnte mit Draco nun bessere Strategien ausarbeiten und besser planen, damit niemand irgendetwas von ihrem Treiben mitbekommen würde. Und das alles vor Dumbledores Nase. Es war riskant und Dumbledore ein mächtiger, weiser Zauberer, der gewiss die richtigen Schlüsse aus dem Vorfall mit Katie und dem Amulett ziehen würde. Jedoch bedeutete das nicht, dass er nächste Versuch, der sicherlich bald folgen würde, auch schiefging. Was wiederum Snape in Frage stellte. Seine Loyalität war nie ganz geklärt, Harry glaubte fest, dass er auf Voldemorts Seite stand, während Dumbledore jenem seine engsten Geheimnisse anvertraute. Snape war ein Doppelspion, den man nicht durchschauen konnte. Sie konnte nicht wissen, auf welcher Seite er denn nun wirklich stand und das machte ihn so gefährlich.
Es war nicht leicht, nicht zu wissen, auf wessen Seite er stand. Es machte ihn gefährlicher. Alles, was er aus Hogwarts erfuhr, alles, was hier passierte, berichtete er höchstwahrscheinlich dem dunklen Lord. Jedoch tat er das gleiche auch andersherum und versorgte Dumbledore mit Informationen. Natürlich wusste sie nicht, ob das, was sie sich gerade gedacht hatte, die Wahrheit war oder nicht, und ihre wilden Spekulationen musste sie unbedingt für sich behalten, doch immerhin hatte sie einen Beweis. Harry hatte berichtet, dass Snape am Ende ihres vierten Schuljahres, unmittelbar nach der dritten Runde des trimagischen Turniers, seinen Ärmel hochgezogen hatte und das dunkle Mal auf seiner blassen Haut zum Vorschein gekommen war.Außerdem hatte Dumbledore Harry gegenüber offen zugegeben, dass Snape so etwas wie ein Doppelagent war.
Sie lehnte sich zurück und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Auf Dauer war es anstrengend, die ganze Zeit von Leuten umgeben zu sein, die nicht mit offenen Karten spielten. Denen man nicht trauen konnte, bei denen man nicht wusste, wo man stand. Die einen an einem Seil hochziehen würden, nur, um dann kurz vor der rettenden Kante, das Seil mit einem Messer durch zuschneiden. Das war so belastend. Vor allem, da sie mit niemandem reden konnte. Ron hatte sie versprochen, keine weiteren Forschungen mehr anzustellen. Harry würde sich nur noch mehr in seine Theorien und Phantasien hineinsteigern. Und jemand anderen hatte sie nicht. Auf einmal wurde ihr klar, wie wenig Freunde sie eigentlich im Schloss hatte.
Plötzlich ging die Tür zu Dracos Zimmer auf. Sie stütze den Kopf auf ihrer Hand ab, schloss die Augen und tat so, als wäre sie über ihrer Lektüre eingeschlafen, was bei der späten Uhrzeit auch kein Wunder gewesen wäre. Schritte erklangen auf dem hölzernen Boden und eine Tür fiel ins Schloss. Sie wartete noch ein paar Minuten, bis sie ihre Augen öffnete. Hermine befand sich allein im Raum und sie war sich sicher, dass Draco zur Nachtwache aufgebrochen war. Sie hatte freie Bahn.
Hastig stand sie auf und begab sich zur Tür, die in sein Zimmer führte. Sie durfte keine Zeit verlieren, schließlich wusste sie nicht, wie lange er wegbleiben würde. Die Tür konnte sie problemlos öffnen, er hatte sie zum Glück nicht abgeschlossen. Eillig begab sie sich in sein Zimmer und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Dracos Zimmer sah genauso aus wie ihres, nur konnte sie im Mondlicht grüne und silberne Farben erkennen, statt rot-goldene. Die Einrichtung war genau die selbe wie bei ihr, doch wirkte das Mobiliar im hereinscheinenden Mondlicht noch ein wenig dunkler. Die Augen der Schlangen an der Wand funkelten sie böse an, an wollten sie ihr sagen, dass sie hier nichts verloren hatte. Sie fühlte sich unwohl dabei, einfach sein Zimmer zu betreten, doch sie ignorierte das ungute Gefühl, das in ihr aufstieg. Sie musste sich zusammenreißen.
Da sie es nicht wagte, das Licht anzuknipsen, erleuchtete sie den Raum mit dem silbrigen Licht ihres Zauberstabs und begann, sein Zimmer zu durchsuchen. Unter dem Bett fand sie nichts, im Bücherregal befanden sich auch nur Schulbücher und ein paar andere Bücher, die von berühmten Zauberern und Hexen verfasst wurden. Sie schüttelte alle Bücher nacheinander, doch sie fand nichts Verdächtiges. Sie wühlte in seiner Kommode, doch selbst da ließ sich nichts finden. Schließlich widmete sie sich seinem Kleiderschrank, dessen dunkles Holz im Mondschein mystisch und geheimnisvoll wirkte. Sofern ein Schrank so wirken konnte.
Sie arbeitete sich durch seine Sachen, suchte in Taschen, tastete die Stoffe ab. Das gleiche machte sie bei den Schuhen. Endlich fand sie in einem der vielen Paare einen kleinen Zettel, der schon ein wenig vergilbt wirkte. Sie hielt ihren Zauberstab näher an ihn heran und laß.
Raum, der alles versteckt. Dreimal auf-und abgehen, 7. Stock, Barnabas der Bekloppte, Wandteppich
Schlagartig wurde Hermine alles klar. Der Raum der Wünsche. Der Zettel mit ,,RdW", drauf. Warum war sie nicht schon früher darauf gekommen? Am liebsten hätte sie sich selbst eine Ohrfeige gegeben, doch das hätte sie nicht weitergebracht. Im letzten Schuljahr hatten sie sich dort hin zurück gezogen und die Treffen von ,,Dumbledores Armee", kurz ,,DA" abgehalten, eine Geheimorganisation, die Harry, Ron und sie gegründet hatten, um gegen Umbridge zu protestieren und sich selbst auf den bevorstehenden Krieg vorzubereiten. Draco nutzte diesen Raum auch. Er hatte ihn bei einer Verfolgungsjagd kennengelernt und nutzte ihn nun für seine Zwecke. Wie hatte sie so dumm sein können?
Hastig versteckte sie den Zettel wieder in dem Schuh, ordnete Dracos Kleider, schloss den Kleiderschrank und sorgte dafür, dass alles im Zimmer wieder so aussah, als wäre sie nie hier drin gewesen. Dann verließ sie eilig Dracos Zimmer.
oOoOoOo
In der folgenden Woche war Hermine so mit der Schule beschäftigt, dass sie keine Zeit hatte, noch mehr Nachforschungen anzustellen. Draco bekam sie kaum zu Gesicht, ebenfalls wie Ron und Harry, die Tag und Nacht für das anstehende Quidditchspiel gegen Slytherin trainierten, egal, welches Wetter draußen herrschte. Bei Slughorns Abendessen hatte sie von ihren Eltern, die als Zahnärzte arbeiteten, erzählen müssen und sich somit spottende und belustigte Blicke eingebracht, doch das war ihr herzlich egal. Sie hatte gelernt, damit zurecht zu kommen. Fünf Jahre Draco Malfoy gingen nicht spurlos an ihr vorbei und so hatte sie sich ein dickes Fell zugelegt, was die Bemerkungen über ihre Muggeleltern anging. Ginny, die ebenfalls zum Abendessen eingeladen gewesen war, hatte sich verspätet. Der Blick, mit dem Harry sie bedacht hatte, und dass er aufgestanden war, als sie hereingekommen war, sprach Bände.
Sie saß mit Harry und Ron beim Frühstück in der großen Halle. Es war der Morgen des Quidditchspiels und Ron wippte ungeduldig hin-und her. ,,Ron, könntest du bitte damit aufhören?", fragte sie genervt. ,,Das ist mein erstes Quidditchspiel, wie kannst du da von mir verlangen, ruhig zu bleiben?", gab er ungläubig zurück. ,,Harry, wenn das hier vorbei ist, steig ich aus der Sache aus." Harry verkniff sich nur mühsam ein Lachen. ,,Was? Nein, vergiss es! Ron, du schaffst das. Das ist nur das Lampenfieber, weiter nichts."
,,Nein." Der Rothaarige schüttelte den Kopf. ,,Ich kanns nicht. Es geht einfach nicht." Hermine verdrehte die Augen. ,,Iss dein Spiegelei, dann hat wenigstens dein Magen etwas zu tun", kommentierte sie trocken. Plötzlich nährte sich ein braunhaariges Mädchen, welches Hermine als Lavender Brown wiedererkannte. Sie hatte beim Auswahlspiel Ron angefeuert. Ihre hellbraunen Locken wurden von einem roten Haarband geschmückt und ihre brauen Augen funkelten freudig und aufgeregt beim Anblick von Ron. ,,Ron", begrüßte sie ihn nervös. Er drehte sich zu ihr um. ,,Ich wünsche dir viel Glück beim Spiel. Ich weiß, dass du es kannst." Ohne eine Antwort abzuwarten drehte sie sich um und ging wieder davon.
,,Das war... Lavender, oder?", fragte er, als er sich wieder umdrehte. Harry nickte und aß weiter. ,,Oh Gott." Ron wurde noch hibbeliger und wischte sich die schweißnassen Hände ab. ,,Sie zählt auf mich. Oh Gott. Sie erwartet von mir, dass ich das hinkriege. Oh Nein, oh nein, oh nein." Hermine seufzte und unterdrückte einen Kommentar, der ihn wahrscheinlich nur noch nervöser gemacht hätte. Plötzlich sah sie etwas blitzen, sodass sie von ihrem Essen aufsah. Ron sah Lavender hinterher, während Harry ein kleines Fläschchen an seinen Becher hielt, welches in der Sonne golden glitzerte. ,,Harry!", zischte sie, worauf er das kleine Behältnis blitzschnell verschwinden ließ. In der kleinen Phiole befand sich Felix Felicis, der Zaubertrank, den er in einer Zaubertrank-Stunde gewonnen hatte. Er hatte etwas davon in Rons Becher gemischt. Das war Betrug.
,,Trink", meinte der jedoch nur und deutete auf Rons Becher. Er setzte ihn an die Lippen, doch sie hielt ihn auf. ,,Trink das nicht, Ron! Das ist Betrug, Harry, willst du von der Schule verwiesen werden?", wandte sie sich an den Brillenträger, der allerdings nur mit den Schultern zuckte. Auf Rons Lippen bildete sich ein Grinsen und er trank den ganzen Inhalt seines Bechers, was sie widerwillig mit ansehen musste. ,,Ich fühl mich schon viel besser", meinte er, als er den Becher wieder auf dem Tisch abstellte. ,,Los! Wir werden das Spiel gewinnen!"
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