11 - Schreiende Bücher in der Nacht
Müde stieg sie die Treppenstufen zum Astronomie-Turm hinunter, die Tasche schien schwerer als sonst zu sein. Der Astronomie-Unterricht war anstrengend gewesen, sie hatten Venus und Neptun orten, beschreiben und in eine Karte eintragen sollen. Eigentlich ziemlich einfach, wenn sie nur nicht so müde gewesen wäre. Und sie war es immer noch. Sie hatte am Nachmittag viel zu viel nachgedacht, über Draco, über Harry, über Ron, über das mysteriöse Buch und über die Schule. Das alles hatte sie erschöpft und ausgelaugt, sie wollte einfach nur noch ins Bett.
Gähnend schritt sie den Gang entlang, ihre Beine taten von den vielen Treppenstufen weh. Ihr Körper war genauso müde wie ihr Geist. Die Hausaufgaben würde sie auf Morgen früh verlegen, der Schlaf würde nötig sein. Und sie freute sich schon darauf. Sie konnte gar nicht mehr die Nächte zählen, die sie durch gemacht hatte und stets hatte sie die Kraft gefunden, sich am Morgen wieder auf die Schule zu konzentrieren. Sie konnte nur inständig hoffen, dass das am Morgen genauso sein würde, wie es sonst auch immer war. Mit dem einzigen Unterschied, dass sie die Aufsätze am Morgen erledigen musste. Aber das war ihr jetzt egal, sie konnte förmlich schon hören, wie ihr Bett sie zu sich rief.
Plötzlich hörte sie Schritte. Nicht ihre eigenen, sondern die eiligen, hetzenden von einer anderen Person. Sofort war sie hellwach und spähte vorsichtig um die Ecke, darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen. Ein Blondschopf hetzte auf dem Gang auf die Treppe zu. Draco. Was wollte er mitten in der Nacht auf den Gängen, zum Turm der Schulsprecher ging es in die andere Richtung. Leise folgte sie ihm und stieg ein paar Meter hinter ihm die Treppe hinab. Für eine gewöhnliche Nachtwache ging er viel zu schnell. Im Unterricht hatte er sie ignoriert, aber er konnte ja auch nicht ahnen, dass sie sein Gespräch mit Madam Pince und mit Snape belauscht hatte.
Er eilte den Gang entlang, sie hatte Mühe, ihm in der Dunkelheit zu folgen und kein Geräusch zu verursachen. Plötzlich drehte er sich nach hinten um, sodass sie hinter einer Statue verschwinden musste. Gespannt hielt sie den Atem an, doch als sie kurz darauf seine Schritte vernahm, die sich von ihr entfernten, tauchte sie wieder hinter ihr auf und folgte ihm weiter durch das Schloss.
Schließlich kamen sie an dem Ort an, an dem Hermine sein Ziel vermutet hatte: Der Bibliothek. Mit ein paar hastigen Blicken, vor denen sie sich mithilfe eines Schattens verstecken konnte, zückte er seinen Zauberstab und murmelte ,,Alohomora" in die Stille hinein. Das Schloss der Tür knackte und er stieß die Tür auf, um hinein zu gehen. Schnell huschte sie ebenfalls in die Bücherei, ehe die Tür ins Schloss fiel. Doch da hatte Draco schon das Absperrband hinter sich gelassen, um im Licht seines Zauberstabs nach einem bestimmten Buch zu suchen. Sie konnte nicht zulassen, dass er fand, was er wollte, denn was immer er auch in dieser Nacht suchte, es würde nicht gut sein. Zumindest nicht für sie und etliche andere aus diesem Schloss, da war sie sich inzwischen vollkommen sicher. Denn was war schon gut, wenn es ständig versteckt gehalten und weggeredet werden musste?
,,Du weißt schon, dass die Bücher schreien, wenn du sie aufschlägst."
Erschrocken fuhr er zusammen und drehte sich um. Im fahlen Licht konnte sie seinen erschreckten und schockierten Gesichtsausdruck deutlich erkennen. ,,Was machst du hier?" Sein schneller Atem beruhigte sich langsam und er richtete sich zu seiner vollen Größe auf. ,,Das gleiche könnte ich dich fragen." Sie legte ihre Schultasche auf einem nahen Tisch ab und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Aber was immer du hier auch tust, ich rate dir nur eines: Lass es." Er schnaubte verächtlich, so als wäre sie ein kleines, altkluges Kind, das aber in Wirklichkeit die Sprüche nur von seinen Eltern geklaut hatte. ,,Was weißt du schon davon?" Sie hasste es, wenn er sie so behandelte.
Hermine überwand ebenfalls die Absperrung, wahrte jedoch ein paar Meter Abstand zwischen ihm und ihr. ,,Eine ganze Menge", antwortete sie, ,,zum Beispiel, dass du hier lieber kein Buch anfassen solltest, wenn du nicht das ganze Schloss aufwecken willst." Wieder schnaubte er. ,,Es geht dich gar nichts an, was ich besser tun und lassen soll, verstanden? Geh einfach zurück zum Turm und misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein." Mit diesen Worten drehte er sich wieder um und suchte die Regale ab. Diesmal schnaubte sie, aber eher ungläubig und amüsiert, als verächtlich. ,,Du erwartest von mir, dass ich das Ganze hier jetzt einfach vergesse? Das geht nicht mehr, ich stecke bereits mitten drin." Wieder drehte er sich um. ,,Wer sagt das?"
,,Tu nicht so, du weißt ganz genau, wovon ich rede. Oder könntest du einfach wieder schlafen gehen, wenn du wüsstest, dass ich mich heimlich in der verbotenen Abteilung aufhalte?"
,,Du und gegen Regeln verstoßen? Niemals, Granger."
,,Fakt ist, dass du, was auch immer du mit diesem Aufhalt hier bezweckst, eine große Dummheit begehst." Sie wusste nicht, was er vorhatte, sie hatte nicht die geringste Ahnung von seinen Plänen, doch es war nichts gutes. Sie musste dringend einen Weg finden, es heraus zu finden und vielleicht war die Methode, die dazu diente, an sein schlechtes Gewissen zu appellieren, brauchbar und nützlich. ,,Überleg doch mal: Deine Eltern werden enttäuscht sein, du wirst von der Schule geworfen und lebenslang mit den Vorwürfen zurecht kommen müssen, etwas dummes getan zu haben. Ganz zu schweigen von den Jobangeboten..."
,,Es kann dir vollkommen egal sein, wie es mir geht und was ich tue und was nicht. Und meine Eltern werden ganz gewiss nur dann enttäuscht sein, wenn ich auf ein Schlammblut höre. Also verschwinde und lass mich in Ruhe, sonst werde ich wegen dir entdeckt."
Schön, die sanfte Methode half also nicht. Doch sie konnte auch noch andere Seiten aufziehen. Inzwischen hatte er sich wieder umgedreht, um weiter nach dem Buch seiner Begierde zu suchen. ,,Irgendwas planst du doch, deine Geheimnistuerei ist nicht zu übersehen", platze es aus ihr heraus. Sie hatte die Worte nicht zurück halten können, sie waren einfach aus ihr rausgesprudelt, ohne dass sie vorher darüber nachdenken konnte. Immerhin wusste er nicht alles von ihren Beobachtungen. ,,Lass mich einfach in Ruhe und kümmere dich gefälligst um deinen eigenen Kram", kam es unfreundlich von ihm, ohne dass er sich umdrehte. Jetzt reichte es ihr. Gereizt drehte sie ihn an der Schulter um und schaute ihm ins Gesicht. ,,Hör mir jetzt einfach mal zu. Es ist nicht zu übersehen, dass du etwas planst, falls du glaubst, es geheim halten zu können, dann hast du dich getäuscht. Und was immer du planst, es kann nicht gut sein, für niemanden. Auch nicht für dich. Denk doch einmal daran, was das für Folgen für deine Zukunft haben wird. Bitte, ich kann dir helfen." Sie schaute ihm direkt in die grauen Augen, er erwiderte den Blick ausdruckslos. Dann änderte sich seine Mine in sekundenschnelle von neutral zu gereizt.
Wütend befreite er sich von ihrer Hand auf seiner Schulter und presste sie an ein Bücherregal. Erschrocken keuchte Hermine auf, als er sie mit einer Hand an das Regal gedrückt hielt und die andere über ihr platzierte, sodass er sich zu ihr herunter beugte. ,,Und jetzt hör mir mal ganz genau zu", flüsterte er und kam ihrem Gesicht bedrohlich nahe. Sie konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren und plötzlich wäre es ihr lieber, wenn er sie angeschrien hätte. ,,Es geht dich nichts an, was ich tue und was ich nicht tue, was ich plane und was ich denke. Meine Zukunft wird von Ruhm, Reichtum und Glanz geprägt sein, im Gegensatz zu deiner." Er musterte sie eine Sekunde lang, dann fuhr er fort. ,,Und ich habe gewiss keine Hilfe von einem Schlammblut nötig." Hermine erschauerte und wurde sich plötzlich der Hand, die ganz nah an ihrem Hals lag, bewusst. Nervös schluckte sie und sah ihm weiter eisern in die Augen. Sie würde keine Schwäche vor ihm zeigen und beweisen, dass sie stark war.
Dann ließ er sie los und wandte sich wieder den Büchern zu. Tief atmete sie durch. Die plötzliche Nähe zu ihm löste ein unbekanntes Gefühl in ihr aus, das sie nicht beschreiben konnte. Was war das? Sie sollte eher wütend sein, Draco hatte sie gerade gewaltsam an ein Bücherregal gepresst und ihr bedrohliche Worte eingeflüstert. Warum nur fühlte sich dieses Gefühl so seltsam und komisch an, dass es beunruhigend und beruhigend zugleich war? Hinter seinem Rücken schüttelte sie den Kopf, bestürzt über sich selbst. Was dachte sie da? Das war Draco Malfoy. Es war wichtig, dass sie einen kühlen Kopf behielt und sich nicht ablenken ließ. Sie musste taktisch klug vorgehen.
,,Das ist also deine Weise, mit mir zu reden? Mich an ein Bücherregal zu pressen?"
,,Ja, das ist meine Art mit nervenden Schlammblütern wie dir umzugehen." Sie ließ sich von seiner Beleidigung nicht abbringen. ,,Was immer es auch ist, du kannst dich an jemanden wenden, dem du vertraust. Du musst das nicht allein durchstehen. "
,,Hör auf zu reden, Granger und verschwinde endlich. Ich brauche keine unnützen Reden, du weißt rein gar nichts über mich", zischte er entnervt. ,,Doch, ich weiß, dass du arrogant und eingebildet bist", fauchte sie ebenso genervt und gereizt zurück. Doch er beachtete sie nicht und schien endlich das Buch gefunden zu haben, welches er suchte. Er zog es aus dem Regal heraus und öffnete es, ehe sie es ihm aus der Hand reißen konnte. Ein ohrenbetäubender Schrei ertönte und ließ die ganze Bibliothek vor Lärm erschüttern. Die Hände an die Ohren gepresst ging sie zu Boden und dachte, dass ihr Trommelfeld vor lauter Lärm platzen müsste. ,,Klapp das Buch zu!", rief sie ihm entgegen, konnte ihre Stimme jedoch nicht hören. Draco, der inzwischen das Buch fallen gelassen hatte und ebenfalls zu Boden gegangen war, kroch auf das schreiende Buch zu und schloss es. Endlich war es wieder still in der Bibliothek. ,,Du Idiot! Ich hab dich doch gewarnt!" Entnervt rappelte Hermine sich vom Boden auf. Draco erwiderte nichts und hob seine Tasche auf, die achtlos auf dem Boden lag.
Sie tat es ihm nach und schnappte sich hastig ihre Tasche, um schleunigst aus der Bibliothek zu verschwinden, bevor sie jemand erwischen konnte.
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