10 - Im Vergleich
Kapitel 10 – Im Vergleich
Noch bevor er ganz wach war, wusste Ulquiorra bereits, dass sich noch eine weitere Person im Zimmer befand. Er bewegte sich nicht, atmete ruhig weiter, während er sich sammelte und abwartete bis er vollkommen Herr seiner Sinne war.
„Ich weiß, dass Du nicht mehr schläfst, Kleiner. Brauchst Dich gar nicht zu verstellen", sagte Grimmjow gefährlich ruhig, dann ließ er seine Fingerknöchel knacken.
Ulquiorra öffnete die Augen und drehte sich um, oder besser er versuchte es, doch wieder einmal hatte er vergessen, dass er mit keinerlei Unterstützung von seinen Beinen rechnen konnte. Jetzt noch weniger als noch vor ein paar Stunden. Die winzigen, jahrelangen instinktiven Bewegungsabläufe waren jedoch nicht so einfach abzustellen. Bei seinem zweiten Versuch bekam er überraschend einen hilfreichen Schubs von Grimmjow, sodass er ganz auf dem Rücken zum liegen kam.
„Ich hätte da was mit Dir zu besprechen", der Blauschopf war aufgestanden und beugte sich über ihn. Unerwartet packte er das Shirt des schmächtigen Jungen mit beiden Händen und riss ihn brutal hoch. „Und ich erwarte, dass Du mir ganz genau zuhörst", Grimmjows Stimme war mehr ein Knurren und sehr leise. Er hatte sich aufgerichtet, hielt Ulquiorra auf Augenhöhe und nah genug, dass er den feuchten Atem des anderen spüren konnte. Dann stieß er den blassen Jungen kraftvoll von sich weg. Das Bett ächzte, als dieser darauf krachte und unvermittelt laut hörbar aufstöhnte.
Ulquiorra bäumte sich auf und seine Hand griff blind nach hinten. Der brennende Schmerz, der von der Einstichstelle der Nadel in seinem unterm Rücken ausging, breitete sich explosionsartig über sein Rückrad nach oben aus und wurde von der plötzlichen Angst verstärkt, dass der blauhaarige Idiot ihn gerade lebenslang in den elenden Rollstuhl gezwungen hatte. Schwer zu kontrollierende Wut kochte in ihm hoch und seine andere Hand begann nach der Kiste zu tasten.
Grimmjows Herz blieb vor Schreck stehen, als er sah wie Ulquiorras Gesicht sich vor Schmerz zu einer Grimasse verzog und der sich auf dem Bett aufbäumte. Das kam so überraschend, dass er sich bereits wieder herunter gebeugt hatte, um den anderen erneut hoch in seine Arme zu reißen. Grimmjow kämpfte diesen unerwartetn Impuls nieder und setzte sich wieder zurück in den Rollstuhl. Er durfte jetzt keine Schwäche zeigen.
Ulquiorra presste die Augen und Zähne zusammen. Statt weiter nach der Kiste zu tasten, krallten sich seine Finger in das Bettlacken. Atme, befahl er sich. Atme und kontrolliere deine Instinkte. Scharf zog er die Luft ein, zwang den Schmerz und die Wut in den Hintergrund. Nach mehren tiefen Atemzügen konnte er endlich wieder klar denken. Seine Hand entspannte sich und mit ihr der Rest von seinem Körper. Der Schmerz war noch immer da und trieb ihm den Schweiß auf die Stirn, den er so beiläufig wie möglich, mit dem Handrücken wegwischte. Dann bohrten sich seine Augen in die von Grimmjow: "Ich höre. Wenn Du mir etwas zu sagen hast, dann fang jetzt an oder verlasse auf der Stelle dieses Zimmer." Der bewusst eisige Ton, den er so verinnerlicht hatte, dass er ihn ohne groß nachzudenken benutzte, verfehlte auch diesmal nicht seine Wirkung.
Der Blauschopf zuckte merklich zusammen, fuhr sich mit der Zunge kurz über die Lippen: "Pass auf, Kleiner. Es ist mir scheißegal ob Du deine Alten abgemurkst hast oder nicht. Das Einzige, was mich interessiert ist, dass Du deine Finger von der Prinzessin lässt und dass Du uns keinen Ärger machst. Was auch bedeutet, dass Du keine Schwierigkeiten provozierst, denn falls Du es vergessen haben solltest – die Prinzessin und ich hängen dann gleich mit drin." Grimmjow beugte sich vor und fixierte Ulquiorra: „Sollte ich das Gefühl haben, dass Du versuchst mich zu verarschen, verspreche ich Dir, dass Du das bereuen wirst."
„Gut gebrüllt, Tiger", trotz Schmerzen rappelte Ulquiorra sich auf seine Unterarme hoch um den Anderen angemessen in die Augen sehen zu können: "Doch Du übersiehst wieder einmal das Wesentliche. Warum sollte ich so bescheuert sein und die Sympathie, die ihr beide mir entgegen bringt, aufs Spiel setzten? Wie Du vorhin selber gesehen hast bin ich wohl oder übel auf eure Hilfe angewiesen. Auch wenn mir das keinen Spaß macht, das kannst Du mir glauben. Euch gegen mich aufzubringen wäre in jedem Fall kontraproduktiv. Es liegt daher in meinem ureigenen Interesse, dass wir gut miteinander auskommen und unser Zusammenleben hier möglichst reibungslos von statten geht." Für einen Augenblick ließ Ulquiorra sich auf das Bett sinken um Atem zu holen.
Grimmjow beobachtete ihn dabei. Auch wenn er hierhergekommen war, um Ulquiorra zur Rede zu stellen, ihm Angst einzujagen, war das nicht so gelaufen, wie er sich das vorgestellt hatte. Er hatte dem Kleinen nicht wirklich wehtun wollen. Vielleicht ein wenig, aber die Reaktion des Anderen hatte gezeigt, dass er es deutlich übertrieben hatte. Dass Ulquiorra sich dann so schnell wieder gefangen hatte, nötigte Grimmjow ein gehöriges Maß an Respekt ab. Insgeheim bewunderte er den schmächtigen Kerl dafür. Gleichzeitig weckte der Kleine, genauso wie Orihime, den Wunsch des Beschützens und, schlimmer noch, zu beweisen, dass er dazu auch wirklich in der Lage war. Gerade jetzt kämpfte er darum, sich nicht für sein Verhalten zu entschuldigen und erinnerte sich selber daran, dass er dafür nicht hergekommen war.
Nach einem weiterem tiefen Atemzug stützte Ulquiorra sich wieder auf: „Grimmjow, da ich weder die Zeit noch Lust habe mich andauernd von Dir in Scharmützel verwickeln zu lassen, biete ich Dir hiermit einen Waffenstillstand an. Ich mische mich nicht in Deine Angelegenheiten ein und Du nicht in meine. Die WG ist und bleibt neutraler Boden und das, was hier passiert, bleibt wirklich zu 100% unter uns. Ich werde so freundlich wie eben möglich zu der Frau sein, wenn Du aufhörst Dich und damit auch mich durch Dein impulsives Handeln zu gefährden. Ich...", Ulquiorra verstummte und sank mit einem Stöhnen auf das Bett zurück.
Diesmal blieb Grimmjow nicht sitzen, sondern stand auf und drehte den anderen auf die Seite. Ulquiorra packte zwar seinen Arm, mit dem der Blauschopf sich auf dem Bett abgestützt hatte, doch der Griff war nicht mehr als der verzweifelte Versuch sich an irgendetwas festzuhalten. Vorsichtig schob Grimmjow das Shirt hoch: „Scheiße Mann, das kann ich doch nicht gewesen sein!", stieß er aus, als er den großen dunklen Bluterguss knapp über dem Steißbein sah.
"Mein Vorschlag... stimmst Du zu?", presste Ulquiorra zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ja doch, Kleiner. Aber jetzt geh ich Hanataro rufen damit er sich das ansieht. Das ist alles andere als normal."
Ulquiorras Finger bohrten sich in Grimmjows Arm: "Dann wirst Du jetzt auf der Stelle vergessen, dass Du das gesehen hast. Du hast damit nichts zu tun und es geht Dich einen feuchten Dreck an. Hast Du mich verstanden, Grimmjow?"
Der blasse Junge hatte den Kopf gedreht und blickte ihn an. Gemäß seinem Vorsatz, keine Schwäche zu zeigen, wollte Grimmjow gerade antworten, dass Ulquiorra sich zum Teufel scheren sollte. Dass er da nicht mitmachen würde, das Risiko, eine solche Verletzung zu verheimlichen, war einfach zu groß. Doch dann sah er das stumme Flehen in den grünen Augen, das so gar nicht zu dem blassen Jungen passte. Er schluckte. Dieser Blick ging ihm durch und durch. Warum musste er auch so ein verdammt emotionaler Kerl sein und sich von so was erweichen lassen? Er zog das Shirt wieder runter: „Okay, okay. Alles cool, Kleiner, ich werd schon nichts sagen", erwiderte er stattdessen und ohne groß darüber nachzudenken, strich er dem anderen Jungen beruhigend über das erstaunlich weiche schwarze Haar.
Beschämt über diese idiotische Geste zog Grimmjow seine Hand weg, drehte sich auf der Stelle um und ging hastig Richtung Tür. Dort blieb er noch einmal stehen: "Wir haben einen ganzen Haufen Hausaufgaben aufgebrummt bekommen. Wenn wir nicht den ganzen Abend damit verplempern wollen, sollten wir bald anfangen. Ich hab den Kram für Dich dabei."
Als Ulquiorra keine Antwort gab, sah Grimmjow zu ihm herüber. Der schmächtige Junge lag immer noch auf der Seite, die Decke jetzt halb um sich gewickelt und das Gesicht tief in dem Kopfkissen vergraben. „Ich warte dann in der Küche. Sieh zu, dass Du deinen Arsch da rüber bewegt bekommst, sonst macht die Prinzessin sich gleich wieder Sorgen und ich kann Dir sagen, die abzuwimmeln wird nicht so einfach sein."
Ulquiorra rührte sich, fuhr sich kurz mit einer Hand über die Augen und nickte dann deutlich, ohne Grimmjow jedoch anzusehen. Der wartete noch einen Augenblick und als er sah, dass der Andere sich langsam, wenn auch schwerfällig, aufsetzte, ging er.
+o+o+
Im Vergleich zu den ersten Tagen verliefen die folgenden Wochen danach ruhig. In der ersten Zeit zog Ulquiorra sich in sein Zimmer zurück und schloss die Tür. Solange bis Grimmjow sich bewusst laut in der Küche mit Orihime unterhielt und die Beiden begannen am Küchentisch zu lernen oder Hausaufgaben zu machen. Dann dauerte es nicht lange, bis er aus seinem Zimmer kam und sich zu ihnen an den Tisch begab.
Orihime merkte bald, dass Ulquiorra eine besondere Gabe hatte. Diese bestand darin, dass er Grimmjow alles, was dieser schwer verstand oder an dem er kein Interesse hatte, erklären konnte und ihn dazu brachte, sich trotzdem damit zu beschäftigen. Sie merkte auch, dass Grimmjow dem blassen Jungen zeitweise einen ähnlichen Blick zuwarf wie den, den er ihr auch immer häufiger schenkte. Ab und zu, meistens nach dem Abendessen und nachdem Ulquiorra wieder in seinem Zimmer verschwunden war, setzte er sich zu ihr und hörte ihr zu. Manchmal, wenn sie sehr traurig wurde, rückte er neben sie.
Dann hielt er zuerst nur ihre Hände und irgendwann nahm er sie in den Arm. Sie erzählte niemanden etwas davon. Grimmjow war so sanft und in seinen Armen fühlte sie sich so beschützt, das wollte sie nicht auf Spiel setzten. Sie wusste, dass es ihm nicht gefallen würde, wenn jemand diese Seite von ihm kannte. Ab und zu hatte sie sogar das Gefühl, dass er nur darauf wartete, sie an sich drücken zu können.
Ulquiorra hatte sie unbewusst näher zusammen gebracht, hatte sie beide verändert. Auch Grimmjow war zu diesem Schluss gekommen. Er beobachtete den Kleinen weiterhin, suchte bewusst und unbewusst nach Hinweisen ob der tatsächlich ein Mörder war, ob er ihnen gefährlich werden könnte. Doch er fand nichts. Je mehr Zeit verging, desto ruhiger und ausgeglichener schien Ulquiorra zu werden. Nicht diese angestrengte Ruhe aus der ersten Zeit. Eine tiefe innere Ruhe, um die Grimmjow den Anderen beneidete. Wie versprochen behandelte der Kleine Orihime mit Respekt, jedoch ohne aufgesetzte Freundlichkeit. Er war weiterhin ungeschminkt direkt und zögerte nie Grimmjow seine Meinung zu sagen. Auch das beeindruckte den Blauschopf. Ulquiorras innere Stärke zog ihn an und dass der Andere beharrlich nichts von sich preisgab.
Der blasse Junge war ein Rätsel, mit dem er sich gedanklich genauso lange beschäftigen konnte, wie er mittlerweile einfach dasitzen, der Prinzessin zuhören und sie ansehen konnte. Aus der kleinen Schwester war über Nacht eine Frau geworden, die ihn anmachte und einen Hunger in ihm weckte, der ihm Angst machte. Doch er wollte keinen Fehler machen, diesmal nicht. Die Prinzessin war zu wertvoll und zu leicht zu verletzten.
Dass Grimmjows Gefühle für die Frau sich geändert hatten, nahm Ulquiorra mit stiller Amüsiertheit zur Kenntnis. Vor seinem Einzug in die WG hatte er seine Mitmenschen ausschließlich zu seinem eigenen Schutz beobachtet. Jetzt tat er es fast nur noch zu seinem Vergnügen. Aber er musste ebenfalls zugeben, dass er nicht bereit war, Grimmjow die Frau ganz zu überlassen. Ihre unvoreingenommene und herzliche Art war wie eine Droge für ihn.
Jeden Freitagnachmittag hatte er eine lange klassische Gesprächstherapie-Sitzung bei der Psychologin. Nachdem er auf ihre direkten Fragen zur Tat nicht geantwortet hatte, hatte sie begonnen ihn nach seiner Kindheit auszufragen. Er erzählte ihr wohlüberlegte und ausgesuchte Dinge, Dinge die er schon hundertfach Dr. Unohana erzählt hatte. Dabei blieb er stets bei der Wahrheit, erzählte jedoch nur einen genau ausgewählten Teil, so wie man ihm es beigebracht hatte. Dennoch oder gerade deswegen laugte ihn dies aus. Das, was er verschwieg, war sehr präsent in seinem Kopf. Es quälte ihn in der Nacht von Freitag auf Samstag, in der er deswegen kaum schlief, sondern las um den Albträumen zu entgehen. Doch selbst das Lesen machte ihn nur noch melancholischer. Bald war die Aussicht, nach diesen langen dunklen Nächten den darauf folgenden Samstagmorgen mit der Frau zu verbringen das, was ihm auf eine seltsame Art Kraft gab.
Mit dem freundlichen Lächeln, mit dem sie ihn zur Begrüßung anstrahlte, vertrieb sie die Dunkelheit mit einem Schlag. Dazu musste er noch feststellen, dass sie viel intelligenter war, als er es auf den ersten Blick vermutet hatte. Sie hatte sich den Blick für die winzigen Dinge behalten, die die meisten mit dem Erwachsen werden verloren und sie war die Erste, der es gelang, seine Stimmungen, die er sonst so gut verbergen konnte, richtig einzuschätzen. Ulquiorra war sogar bereit so weit zu gehen, dass sie auf eine ungewöhnliche Weise fast genauso analytisch dachte wie er. Sie tat dies nicht bewusst, sondern wurde dabei von ihren Emotionen gelenkt, die ihr wie ein Kompass den richtigen Weg wiesen.
Doch im Vergleich zu ihm, der sich vor langer Zeit bereits aus dem Teufelskreis aus Schuld, Selbstzweifel und Angst befreit hatte, war sie darin stecken geblieben. Dadurch wurde sie zu ihrem eigenen magnetischen Nordpol, sobald sie sich mit sich selber beschäftigte. Dann drehte sich ihre emotionale Kompassnadel nur noch gefährlich wild im Kreis um sich selbst. Während er sich bewusst so verhielt, wie andere es erwarteten, tat sie das unbewusst und beschränkte sich damit selber. Im Gegensatz zu der Psychologin war Ulquiorra jedoch mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass Orihime durchaus in der Lage war, diesen Kreis zu durchbrechen. Was sie jedoch nicht versuchte, da sie sich stark über die Meinung der anderen definierte und die trauten ihr eben genau dies nicht zu.
In ihren Sitzungen fragte Frau Shihōin ihn regelmäßig danach, wie er seine Beziehung zu den beiden anderen beschreiben würde, ob er Veränderungen erkennen würde. Er wusste, dass sie dadurch nur herausfinden wollte, ob er sich verändert hatte. Wer sich selber veränderte, der sah auch andere in einem neuen Licht. Indem er sie mit kleinen Geschichten aus der Zeit in der Schule und den aufgezwungenen nachmittäglichen Aktivitäten fütterte und sie unschuldig nach ihrer Meinung fragte, fand er stattdessen heraus, was sie über Orihime und Grimmjow dachte. Daraus und aus seiner eigenen Beobachtung zog Ulquiorra seine Schlussfolgerungen. Mittlerweile war er sicher, dass er seine beiden Mitbewohner besser kannte als die Zwei sich selber. Dennoch stellte Orihimes sprunghaftes Wesen auch für ihn immer wieder eine Überraschung dar.
So wie heute. Ihre Laune an diesem Nachmittag war wieder einmal so überschwänglich, dass sie Ulquiorra damit an die Grenze seiner Geduld gebracht hatte. Gerade als er entnervt die Küche deswegen hatte verlassen wollen, klingelte ihr Handy. Innerhalb weniger Sekunden verkehrte sich ihre Stimmung daraufhin in das Gegenteil. Sie sank in sich zusammen und blieb in der Tür zu ihrem Zimmer stehen. Mit gerunzelter Stirn hatte er innegehalten und beobachtete sie einen Moment genau. Dann war Ulquiorra klar, dass derjenige, mit dem sie gerade sprach, Orihime auf ihren magnetischen Nordpol katapultiert hatte.
„Nein Tatsuki, ich bin nicht böse. Nein, es ist wirklich alles okay. Da kann man nichts machen, wenn Du krank bist. Wir sehen uns dann eben nächsten Monat. ... Ja, doch. Ich rufe an. Mach Dir bitte keine Sorgen, ich bin wirklich okay... Bis dann." Orihime klappte ihr Handy zu. Starrte es an, drehte es in ihren verkrampften Händen mehrfach unschlüssig herum, bis sie sich verstohlen eine Träne aus den Augen wischte. Dann wurde ihr bewusst, dass Ulquiorra dabei war, Tee zu machen. Der Wasserkocher stand mittlerweile weiter vorne, innerhalb seiner Reichweite. Genau wie der Tee und seine Tasse in einen der unteren Schränke gewandert waren.
Sie ging zum Tisch und setzte sich. Das Handy blieb, wie festgeklebt, in ihren Händen. Auch wenn sie gerade genau das Gegenteil behauptet hatte, so war überhaupt nichts in Ordnung. Ganz und gar nicht und es machte ihr sehr viel aus, dass Tatsuki nicht kam. Sie war enttäuscht. Mehr noch fragte Orihime sich, ob das nicht eine einfache Ausrede war. Tatsuki war so gut wie nie krank. Vermutlich hatte sie einfach keine Lust mehr zu kommen, weil sie immer nur über dasselbe redeten. Über ihre gemeinsame Zeit als Kinder, über ihren verstorbenen Bruder Sora und darüber, was Orihime nach ihrer Zeit hier machen würde. Es verging auch kaum ein Treffen an dem sie nicht weinte oder Tatsuki mit ihren Selbstzweifeln auf die Nerven ging.
Eine Träne tropfte auf den Tisch, dann noch eine und sie legte das Handy weg und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Egal wie stark sie gegen all diese Selbstzweifel und Gedanken ankämpfte, sie war ihnen einfach nicht gewachsen. Sie wurde immer wieder davon überrollt.
Plötzlich viel zu müde und erschöpft, um diesen endlosen Kampf weiter zu kämpfen, gab sie einfach auf und lies den Tränen freien Lauf. Schluchzend saß Orihime da, ihr ganzer Körper bebend, während ihr Atem stoßweise ging. Sie wünschte sich, all ihre Verzweiflung einfach hinauszuschreien, doch selbst dazu fehlte ihr die Kraft.
Auf einmal umfasste eine Hand ihre Schulter und Ulquiorra zog sie an seine Brust. Schweigend hielt er sie lange Zeit einfach nur fest, so wie sie es damals bei ihm gemacht hatte und ließ sie in seiner beschützenden Umarmung weinen. Irgendwann hörten die Tränen auf zu fließen und ihr wurde bewusst, wie verdreht sie beide dasaßen. Die Armlehne seines Rollstuhls drückte unangenehm in ihren Oberkörper. Als Ulquiorra spürte, wie sie sich von ihm löste, lockerte er seine Umarmung und gab sie schließlich frei.
Orihime rieb sich über die Augen, blickte dann auf Ulquiorras Brust, weil sie ihm noch nicht in die Augen sehen konnte. „Ich habe Dein Shirt komplette ruiniert", mit zitternden Händen strich sie über den großen feuchten Fleck. „Tut mir leid, ich werde es waschen. Das ist wenigstens was, was ich kann... wenn ich schon sonst nichts richtig mache", wieder versagte ihre Stimme und eine neue Welle von Tränen fiel aus ihren Augen.
Ulquiorra packte ihr Kinn und zwang sie ihn anzusehen: „Orihime, Du kannst sehr viele Dinge und das weißt Du auch. Es gibt keinen Grund, sich das Gegenteil einzureden", sagte er zu ihr und seine sonst so neutrale Stimme klang fest und bestimmt mit einem Hauch von Ärger, den er so gut wie nie zeigte. Er blickte ihr weiter ernst in die Augen. Orihime wollte den Kopf weg drehen, doch er erlaubte es nicht. „Und Du bist stärker als Du glaubst, das weiß ich." Sie war unfähig zu widersprechen. Er hielt ihr Kinn noch einen Augenblick fest, dann ließ er sie los. Seine Finger wischten die letzten Tränen von ihrem Gesicht bevor er zum Abschluss sanft über die Unterseite ihres Kinns strich.
Sie bewegte sich nicht, gefangen von seinen unergründlichen grünen Augen. Als sie anfing sich zu beruhigen, begann sie zu frösteln, schüttelte sich unbewusst und rieb sich mit den Händen über die Oberarme.
„Besser Du ruhst Dich eine Weile aus, bis Du dich wieder ganz gefangen hast", schlug Ulquiorra ruhig vor und griff nach den Rädern um den Tisch zu verlassen.
Fahrig packte Orihime ihn am Arm: „Bitte... ich möchte jetzt nicht alleine sein", ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und sie biss sich verschämt auf die Unterlippe als sie ihn flehentlich ansah. Er nickte einfach, fuhr dann etwas zurück um einen Blick in ihr Zimmer zu werfen. Auf dem Boden vor ihrem Bett stapelten sich Bücher, Hefte und Kleidungsstücke. Mittlerweile zitterte Orihime heftiger. „Geh in mein Zimmer und leg Dich dort auf das Bett. Ich komme gleich und bringe Tee mit."
Als Ulquiorra kurze Zeit später mit einem Tablett auf dem Schoß in sein Zimmer fuhr, hatte Orihime sich in seine Bettdecke eingewickelt und hielt den kleinen Panther im Arm. Er stellte das Tablett auf den Nachttisch und reichte ihr eine Tasse. Schweigend nahmen sie beide ein paar Schlucke. Dann lächelte Orihime scheu, stellte ihre Tasse ab und machte Platz auf dem Bett indem sie weiter an die Wand rückte. Bevor er sich tatsächlich zu ihr aufs Bett begab, nahm Ulquiorra ein zerschlissenes Buch von dem Schreibtisch und legt es neben die Tassen.
Routiniert wechselte er vom Rollstuhl auf das Bett. Orihime betrachtete ihn dabei und bewunderte sein gezielten, genau durchdachten Bewegungen. Auch wenn es eine Menge an Kraft erfordern musste, wirkte alles leicht und flüssig. Als Ulquiorra sich neben sie auf den Rücken legte bot er ihr an, sich an seine Seite in seinen Arm zu kuscheln. Erstaunt nahm sie sein Angebot an. Er griff nach dem Buch und schlug es auf. Dann begann er mit seiner ruhigen Stimme vorzulesen: „Watership Down von Richard Adams: Die gelben Schlüsselblumen waren verblüht..."
An ihn geschmiegt, begann die Kälte langsam zu verschwinden und auch das nervöse Zittern hörte nach einiger Zeit auf. Ulquiorra schaute sie immer wieder kurz an während er las oder aus dem Gedächtnis zitierte. Sie war sich nicht sicher; auch wenn er sie ansah sprach er weiter, so als wenn er das Buch auswendig können würde. Seine Stimme war warm und alles andere als monoton. Unaufdringlich hauchte er der Geschichte Leben ein.
„Plötzlich zitterte Fiver und duckte sich »Oh Hazel! Da kommt es her! Jetzt weiß ich's – etwas Schreckliches! Etwas Entsetzliches – das immer näher kommt.« Er begann vor Furcht zu wimmern." Ulquiorra stoppte, das erste Mal, seit er angefangen hatte ihr vorzulesen. Er schluckte und schloss ganz kurz die Augen. Dann legte er das Buch ab und nahm einen Schluck aus seiner Tasse mit abgekühlten Tee.
Irgendwie brachte die Geschichte über die beiden Kaninchenbrüder und Ulquiorras ruhige und geduldige Art, die er an den Tag legte, wenn er mit Grimmjow lernte. Orihime auf einen Gedanken: "Hast Du eigentlich Geschwister, Ulquiorra? Einen kleinen Bruder vielleicht? So einen wie Fiver?" Allein die Vorstellung brachte sie zum Lächeln. Bis sie bemerkte, dass jeder Muskel in Ulquiorras Körper, über den er Kontrolle hatte, unter Spannung stand. Sofort zuckte sie zusammen. Warum hatte sie nur den Mund aufgemacht? Sie konnte eben doch nichts richtig machen. Wieder spürte sie wie Tränen sich in ihren Augen sammelten. Rasch rutschte sie etwas tiefer und drücke ihr Gesicht nach unten an seine Seite.
Die Spannung wich augenblicklich aus seinem Körper und er streichelte ihr sanft und beruhigend über den Rücken, zwischendurch drückte er sie kurz an sich, um ihr zu versichern, dass alles in Ordnung war. Nach einer Weile krabbelte Orihime wieder hoch und Ulquiorra überraschte sie ein weiteres Mal, indem er ihr sanft einen Kuss auf die Stirn drückte.
„Nein, ich habe keinen Bruder..." sagte er dann sehr leise und Orihime schwieg, weil sie fürchtete, dass alles, was sie jetzt sagen würde, diesen Augenblick unwiderruflich zerstörte. Zum Ende hin war Ulquiorras Stimme einfach ins Nichts gefallen und sie hatte das Gefühl, dass da noch ein Wort fehlte oder sogar noch mehr. Da war diese Traurigkeit in seiner Stimme, die sie noch niemals zuvor in solcher Intensität gehört hatte. Ihr Herz zog sich vor Mitgefühl zusammen und sie zog ihn an sich. Worauf er ihr einem weiteren sanften Kuss aufdrückte. Dann nahm er das Buch wieder in die Hand und las weiter.
Als Grimmjow eine gute Stunde später vom Fußballtraining in die WG kam tat er das, was er seit Ulquiorra eingezogen war immer zuerst tat: Nach Orihime schauen und sehen, ob sie okay war, weil er dem Kleinen keineswegs vertraute. Als er die beiden schlafend aneinandergeschmiegt in Ulquiorras Bett fand, war der Anblick wie ein Schlag in den Magen. Sein Herz begann unangenehm zu rasen. Ärgerlich, mit gerunzelter Stirn, stand er im Türrahmen zu Ulquiorras Zimmer. Ballte die Hand zu einer Faust, während sein Magen sich zu einem harten Kloß zusammenzog, geschnürt von brennender Eifersucht.
+o+o+
Kisukes Atmen floss warm über ihren Nacken. Unter der Decke fuhr seine Hand immer noch über ihren nackten Körper. Sie hatten sich schon vor langer Zeit aller Kleidung entledigt und die Wärme und Berührung des Anderen genossen. Eigentlich sollte sie müde und entspannt sein und mit ihren Gedanken bei dem Mann, in dessen Armen sie lag, doch Yoruichi hatte noch niemals ihre Arbeit komplett ausblenden können, so wie Kisuke. Der Grund ihres Treffens war nur an zweiter Stelle privater Natur. Eigentlich war sie hergekommen, weil es neue Information zu Ulquiorras Fall gab.
„Kisuke, was wolltest Du mir denn so dringend mitteilen?" Sie hielt seine Hand fest, die sich gerade mit der Vermessung ihre Brüste beschäftigte.
„Mmh,... mmh", murmelte er schläfrig und versuchte sie an sich zu ziehen.
„Ulquiorra spielt mit mir die ganze Zeit Katz und Maus, musst Du wissen. Während er versucht mich auszuhorchen und glaubt ich merke es nicht, versuche ich das Gleiche. Der Junge ist wirklich sehr gut und verdammt anstrengend." Sie schob seinen Arm von ihrem Oberkörper und setzte sich auf. „Aus dem Jungen irgendetwas Brauchbares herauszubekommen ist eine Sisyphusarbeit. Je länger ich mich mit ihm Beschäftige, umso weniger bin ich von seiner Unschuld überzeugt."
Der Kommissar war schlagartig wach, setzte sich ebenfalls auf und strich sich durch die zerzausten blonden Haare. „Was ist mit dem ganzen Schuldkomplex, von dem Du mir erzählt hast und unter dem er leiden soll, woraus seine Lähmung zu resultieren scheint? Was mir ebenfalls auch nochmal von Dr. Unohana bestätigt wurde."
Yoruichi hatte die Bettdecke hochgezogen und ihre nun angewinkelten Knie umschlungen, während sie ihr Kinn nachdenklich darauf abstützte. „Ja, das ist schon richtig. Eine Möglichkeit wäre aber auch, dass die Schuldgefühle durch die Tat selber verursacht worden sind. Ihr habt immer noch keinen Hinweis gefunden, dass außer Ulquiorra und seinen Adoptiveltern jemand zur Tatzeit im Haus war, oder?" Sie legte den Kopf schief und sah Kisuke fragend an.
„Nein, aber es gibt auch keine Hinweise, dass Ulquiorra der Mörder ist. Sicher ist nur, dass die Tatwaffe sich nicht oder nicht mehr im Haus befindet und dass es kein normales Messer war. Das, was benutzt wurde, hatte eine leicht gebogene, extrem scharfe Klinge. Die Forensik ist dabei, die Schnitte mit verschiedenen Jagdmessertypen zu vergleichen."
Sie runzelte die Stirn: "Ein Wakizashi", sagte sie: „Lass prüfen, ob die Schnitte von einem kleinen Samurai-Schwert stammen könnten."
„Wie kommst Du darauf?", fragte der Kommissar. Er hatte angefangen, an der sensiblen Unterseite ihres Arms entlang zu streichen und schien mehr daran interessiert zu sein, die Gänsehaut, die er ihr damit verursachte, zu bewundern, als an ihrer Antwort. Aber Yoruichi kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass das nur so wirkte.
„Ulquiorra besitzt ein Wakizashi."
Kisuke hielt kurz inne, dann begann er an ihrem Ohrläppchen zu knabbern und jagte damit kurze, heiße Schauer über ihren Rücken. Langsam bewegte er sich um sie herum, bis er ganz hinter ihr saß. Sie ließ ihre Beine los und lehnte sich gegen ihn. Er umschlang sie mit seinen Armen. „Aber es ist nicht echt, sonst hättest Du es ihm abgenommen und es mir gegeben", seine Stimme war tief und er schaffte es, dass seine Feststellung wie ein Kompliment klang.
Sie nickte und bewegte provokant ihren Hintern. Mit einem Lächeln nahm sie zur Kenntnis, das ihre Bewegung genau die Reaktion hervorrief, die sie beabsichtigt hatte. „Ich bin mir sehr sicher, dass Ulquiorra dennoch keine Gefahr darstellt, selbst wenn er die Morde begangen hat. Er ist kein Psychopath. Seine Handlungen basieren auf Logik und wenn er es getan hat, dann nur, weil er ein Motiv hatte."
„Gut gut, also können wir ihn weiterhin erst mal ruhig bei Dir lassen." Kisuke umfasste ihre Hüften und lehnte sich zurück, um sie auf seinen Schoß zu ziehen. Sie half ihm, bis sie ganz auf ihm saß. Als sie ihre Hüften erneute bewegte, entglitt ihm ein leises Stöhnen. Yoruichi lächelte.
„Was wir in der Zwischenzeit noch herausgefunden haben ist, dass Dr. Schiffer Drohbriefe erhalten hat. Für einen Mann in seiner Position ist dies jedoch nicht ungewöhnlich. Dennoch gehen wir dem ebenfalls nach. Da es jedoch einige sind und es andere, wichtigere Fälle gibt, kann das dauern..." Die Worte kamen stoßweise bis er schließlich ganz aufhörte zu sprechen, sein Gesicht in ihr Haar vergrub und sich ihren Bewegungen anpasste.
Als Yoruichi etwas später aus der Dusche zurück ins Schlafzimmer kam, sagte Kisuke: „Im Wohnzimmer auf dem Tisch liegt noch ein Fotoalbum, dass wir erst kürzlich in Frau Schiffers Schreibtisch Zuhause gefunden haben. Es wirkt fast so, als wenn sie es hatte verstecken wollen. Wobei es jedoch nur eine Handvoll Schnappschüsse von Ulquiorra als Kind enthält. Wir konnten nichts damit anfangen, eventuell helfen sie Dir aber weiter." Er küsste sie noch einmal kurz auf die Wange bevor er selber Richtung Bad verschwand.
Auf dem Weg ins Wohnzimmer rubbelte sie sich ihre Haare trocken und wickelte dann das Handtuch als Turban um ihren Kopf. Bei dem Fotoalbum handelte es sich um ein einfaches Einsteckalbum für 20 Bilder, das nicht einmal zur Hälfte gefüllt war. Nach dem ersten, schnellen Durchblättern setzte Yoruichi sich mit angezogenen Beinen seitlich auf das Sofa und zog Kisukes grün-weiß gestreiften Bademantel, den er ihr geliehen hatte, über die Füße.
Die Fotos waren tatsächlich nichts anderes als Schnappschüsse, doch gerade das machte sie so interessant. Alle anderen Bilder, die es gab, waren professionell geschossene Fotos. Ein paar waren im Haus der Schiffers verteilt und sowohl Dr. Schiffer, als auch seine Frau, hatten je eins von Ulquiorra auf ihrem Schreibtisch im Büro stehen. So wie sich das für liebende und stolze Eltern gehörte. Auffällig war, dass Ulquiorra auf keinem der Fotos lächelte. Sein Blick war immer starr, fast anklagend, direkt in die Kamera des Fotographen gerichtet.
Interessiert studierte Yoruichi daher das erste Foto in dem Album. An der Unterseite des Bildes war das Datum und die Uhrzeit, an dem das Bild geschossen worden war, gespeichert worden. Die Bilder waren alle von 1.12. - Ulquiorras achtem Geburtstag. Auch hier lachte er auf den meisten Bilder nicht. Doch auf einem der letzten war dies anders. Dort stand er vor seiner Adoptivmutter, die ihre Hände auf seine Schultern gelegt hatte. Auf diesem Bild lehnte er sich vertrauensvoll an sie und winkte lachend jemandem zu, der scheinbar neben dem Fotographen gestanden hatte.
Sie blätterte zurück. Das Foto davor zeigte eine ähnliche Szene. Ulquiorra in einem schwarzen Sweatshirt. Dort stand er aber mit seinem üblichen, nichtssagenden Gesicht vor Frau Schiffer. Auf dem Foto, auf dem er lachte, trug er einen grünen Wollpullover, der ihm deutlich zu groß war und ihn noch kleiner und schmächtiger erschienen lies, als er tatsächlich war. Was ihm offensichtlich nichts ausmachte, so wie er auf dem Bild strahlte. Vermutlich hatte der Pullover zu seinen Geburtstagsgeschenken gehört.
Nachdenklich blätterte sie zwischen den beiden Fotos hin und her. Betrachtete genau Ulquiorras Gesicht und seine Haltung, die auf den beiden Bildern so unterschiedlich waren. Dabei hatte sie das unbestimmte Gefühl, etwas Wichtiges zu übersehen.
„Bevor Du zurückfährst, könnten wir noch zusammen Frühstücken? Da hat ein neuer Laden aufgemacht, die haben sonntags Brunch bis 15.00 Uhr." Kisuke riss sie aus ihren Gedanken. Yoruichi sah auf und nickte, dann klappte sie das Album zu. Sie würde sich die Fotos später nochmal in Ruhe ansehen,
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Es war Freitagabend und Ulquiorra wollte nur noch schlafen oder es wenigstens versuchen. Heute hatte Frau Shihōin ihn zwei Stunden lang mit Rorschach-Bildern gequält. Er war erschöpft und seine Nerven so dünn, dass er bereits beim zweiten missglückten Versuch, den Schlüssel in das Schloss der WG-Tür zu stecken, leise fluchte. Natürlich war ihm die Rorschach-Serie, die sie ihm gezeigt hatte, bekannt gewesen, genauso wie die beiden anderen, die er dann noch hatte interpretieren sollen. Dieser Test erforderte jedoch immer seine ganze Konzentration. Was sagen, wie es formulieren, dass es so aussah, als wenn er sich darauf einlassen würde, ohne ihr dabei unabsichtlich etwas von seinen wahren Gedanken zu vermitteln.
Drinnen hörte er Grimmjow Orihimes Namen rufen. Er fragte sich, was der Idiot jetzt schon wieder angestellt hatte, um Orhime zu verärgern. Ulquiorras Hand rutschte ab und der Schlüssel fiel zu Boden. Frustriert ballte er die Hand zu einer Faust, spürte mit Genugtuung, wie sich seine Fingernägel in seine Handfläche bohrten. Den Rollstuhl, er hasste ihn, er hasste sich dafür, dass er diesen Weg gewählt hatte, auch wenn es funktionierte. Je mehr Zeit verging, umso schwerer fiel es ihm, diesen Zustand zu ertragen. Er hob die Faust, um gegen die Tür zu klopfen, diese wurde jedoch unerwartet von Grimmjow aufgerissen.
„Verdammt, wo bleibst Du denn, solltest Du nicht schon vor einer halben Stunde hier sein? Scheiße Mann!" Der Blauschopf sprach hastig, schrie ihn fast, mit Panik in den Augen, an. Sein Rollstuhl wurde unsanft in die Küche gestoßen.
„Mein Schlüssel, Grimmjow. Auf dem Boden", sagte Ulquiorra und verhinderte damit, dass Grimmjow die Tür sofort zuschlug. Der Schlüssel wurde ohne Widerspruch oder Murren aufgehoben, dann aber achtlos auf den Küchentisch geworfen. Ein Topf, ein Brett mit einer halben Tomate und ein paar andere Lebensmittel lagen auf der Küchenzeile. Orihime war nirgends zu sehen und die Tür zu ihrem Zimmer geschlossen.
„Was hast Du diesmal gemacht, Grimmjow?" fragte Ulquiorra genervt.
„Ich! ...Ich bin... Ich hab gar nichts gemacht, die blöde Schlampe Tatsuki ist schuld. Die hat angerufen und gesagt, dass sie morgen wieder nicht kommen kann. Wegen einem Wettkampf oder so was. Ich hab mir nichts gedacht. Die Prinzessin war auch ganz ruhig und freundlich. Doch nachdem sie aufgelegt hatte, ist die regelrecht ausgeflippt", Grimmjow stand vor Ulquiorra und gestikulierte wild. „Scheiße Mann, dann ist sie in Tränen ausgebrochen, hat sich das Küchenmesser geschnappt, ist in ihr Zimmer und hat die Tür versperrt."
Ulquiorra fuhr zu Orihimes Zimmer und versuchte die Tür zu öffnen, jedoch ohne Erfolg. Die Klinke ließ sich nicht herunterdrücken, etwas musste darunter gestellt worden sein. „Wie hat sie das gemacht?", fragte Ulquiorra und fixierte Grimmjow, der den Boden plötzlich viel interessanter fand und sich verlegen über den Nacken strich. Dann murmelte der Blauschopf etwas Unverständliches vor sich hin.
„Was hast Du gesagt? Sprich lauter, wenn ich Dich verstehen soll", sagte Ulquiorra scharf .
„Sie hat die Lehne ihres Schreibtischstuhls darunter geklemmt. Ich hab's ihr gezeigt", gab Grimmjow zerknirscht zu. Als er sah, wie der Andere anklagend eine Augenbraue hob, fügte er stockend hinzu: "Für den Fall, dass sie... nun, dass sie Dich würde mal aussperren müssen, wenn ich nicht da bin und Du sie irgendwie... Na eben irgendwie... Ach scheiße: Sie bedrohst."
„Idiot." Ulquiorra schüttelte kurz den Kopf, dann klopfte er fest an die Tür."Orihime...", doch weiter kam er nicht.
„Geht weg. Alle beide! Lasst mich in Ruhe", rief sie durch die Tür mit schriller, sich überschlagender Stimme.
Ulquiorra nahm die Hand runter und schwieg.
„Was jetzt? Wir können sie da nicht alleine drin lassen. Sie hat ein Messer und ich weiß genau was sie damit vorhat, auch wenn sie das schon lange nicht mehr versucht hat", Grimmjow machte mit dem Zeigefinger schneidende Bewegungen über seinen Unterarm. „Die ist so abgedreht, dass ich nicht mal sicher bin, ob sie rechtzeitig aufhört oder... So oder so sitzen wir tief in der Scheiße, wenn das rauskommt, und das wird es. Spätestens nächste Woche beim Sport", er fuhr sich verzweifelt durchs Haar, dann krachte seine Faust gegen die Wand: "Ich will verdammt nochmal nicht, dass sie sich überhaupt verletzt. Die blöde Kuh."
Ulquiorra schwieg weiter, als wenn er den Anderen nicht gehört hätte.
Als immer noch keine Reaktion von dem blassen Jungen kam, fluchte Grimmjow noch mal und stampfte zum Telefon: „Ich gebe Yoruichi Bescheid, dass Orihime durchgedreht ist und ich jetzt die Tür aufbreche, wenn es sein muss. Ich werde sie da drin nicht länger sich selbst überlassen."
Ulquiorra sah zweifelnd zu der stabilen Tür und dann zu dem Blauschopf, der bereits den Hörer in der Hand hatte: „Grimmjow, warte. Gib mir das Telefon", er streckte die Hand aus: „Du steigst durch mein Fenster auf den Balkon, nimm eins der Bücher mit, die auf meinem Schreibtisch liegen. Wenn sie Dich sieht, wird sie Dich nicht ignorieren. Mach ihr klar, dass Du die Scheibe mit dem Buch einschlägst, wenn sie Dich nicht reinlässt."
Grimmjow drückte ihm ohne ein weiteres Wort das Telefon ihn die Hand, ging im Laufschritt in Ulquiorras Zimmer und öffnete das Fenster.
„Und Grimmjow", rief der blasse Junge ihm hinterher: "Was Du auch tust, sieh ihr dabei immer in die Augen, fixiere sie mit dem Blick. Und bitte nicht, sondern befehle es ihr. Wenn sie sich weigert, wende Gewalt an. In dem Fall werde ich Yoruichi verständigen."
Der Blauschopf war bereits über Ulquiorras Schreibtisch nach draußen geklettert.
Orihime saß auf dem Boden mit dem Rücken zur Zimmertür und wiegte sich wie in Trance vor und zurück. Auch wenn ihre Augen rot waren und brannten, kamen schon lange keine Tränen mehr. Doch der Schmerz, den sie fühlte und die tiefe Verzweiflung, die sie erfasst hatte, wollten und wollten nicht weniger werden. Sie hatte es gewusst, Tasuki wollte sie nicht mehr sehen, konnte sie nicht ertragen. Niemand konnte sie auf Dauer ertragen. Sie war für niemanden gut. Sie brachte allen nur Unglück. Schon ihr Vater hatte immer gesagt, dass sie verdorben sei. Schlecht, nichts wert.
Sie ertrug das alles nicht mehr. Sie wollte nur, dass es aufhörte. Orihime packte das Messer in ihre Hand fester. Sie hatte schon mehrfach angesetzt. Auch wenn sie wusste, dass es falsch war, was sie tat, konnte sie einfach nicht mehr anders. Sie wollte niemanden zur Last fallen. Sie musste alleine damit zurechtkommen, die beiden Jungs hatten selber genug Probleme. Sie schob den Ärmel ihrer Bluse hoch. Nur ein Schnitt, sagte sie sich. Es würde ihr helfen, den Schmerz nach außen zu bringen, ihn zu kontrollieren. Ihre Hand zitterte. Das würde Ärger geben, das wusste sie, doch sie ignorierte es. Verdrängte es. Sie hatte keine andere Wahl.
„Orihime!" Grimmjows lauter Ruf und sein heftiger Schlag mit der flachen Hand gegen die Balkontür trafen sie vollkommen überraschend und sie zuckte zusammen. So heftig, dass sie sich beinahe geschnitten hätte. Automatisch sah sie hoch und direkt in Grimmjows stahlblaue Augen, die sich wütend in ihre bohrten.
„Mach auf. Sofort. Sonst...", Grimmjow hob das Buch und machte ihr unmissverständlich klar, dass er die Scheibe damit einschlagen würde. Orihime hielt dem Blick einen Augenblick stand, dann sah sie weg und versuchte seine Anwesenheit zu ignorieren. Wieder schlug der Blauschopf laut und unmissverständlich gegen die Scheibe. Sie zuckte wieder zusammen und sah auf.
Grimmjow hatte das Buch jetzt zwischen die Beine geklemmt und presste beide Hände an die Scheibe. Auch wenn Ulquiorra gesagt hatte, er sollte nicht bitten, formte er dennoch überdeutlich genau dieses Wort mit dem Lippen. Es war ihm egal, dass er dabei wie der Idiot aussehen musste, für den Ulquiorra ihn hielt. Er konnte sehen, dass sie unentschlossen war. Immer wieder schaute sie ihn kurz an, dann glitt ihr Blick woanders hin, nur um bald darauf wieder zu ihm zurückzukehren.
Erstarrt saß Orihime da, nicht sicher, was sie tun sollte. Als er sein tonloses Bitte gegen die Glastür gesprochen hatte, hatte sie sich noch schuldiger gefühlt. Er würde die Scheibe einschlagen, das wusste sie. Auch, dass das für sie alle furchtbaren Ärger geben würde. Ein weiteres Mal trafen sich ihre Blicke und Grimmjow hauchte drei weitere Worte gegen die Scheibe, bei dem sich ihr von Schmerz zusammengepresstes Herz plötzlich explosionsartig ausdehnte. Mit Sicherheit hatte er etwas ganz Anderes gesagt. Doch alleine die Vorstellung, dass Worte wie diese über seine Lippen kamen, sorgte dafür, dass sie aufsprang. Auf unsicheren Beinen zur Balkontür stolperte und diese öffnete. Zusammen mit Grimmjow kam ein angenehm leichter Luftstrom des frühen Sommerabends in den Raum und scheuchte die mit erstickender Angst getränkte Atmosphäre hinaus.
Das Buch warf Grimmjow achtlos in das Zimmer, dann packte er Orihime hart an den Schultern und schüttelte sie einmal kräftig. Sie riss ihre Augen und ihren Mund erschrocken auf. Worauf er sie in seine Arme zog und sie fest an sich presste: "Mach das nie wieder, hörst Du. Du blöde Kuh! Ich will nicht, dass Du dir weh tust, ich hab Dich doch...", der Rest des Satzes ging in ihrem Haar unter, in das Grimmjow sein Gesicht vergraben hatte.
Sie erwiderte die Umarmung, roch auf einmal den Blumenduft der sich im Zimmer ausbreitete, hörte lachende Stimmen aus einem der angrenzenden Appartements. Spürte, wie Grimmjows Herz wild in seiner Brust schlug. Orihime legte ihre Hände auf seine Schulterblätter, fühlte das Zucken der Muskeln als seine kräftigen Arme, mit denen er sie in einem Wechselspiel von an sich drücken und der Sorge sie zu festzuhalten hielt, sich lösten und wieder zusammen zogen. Schwelgte in seinem herben männlichen Geruch, der so ganz anders war als der von Ulquiorra, ihr aber die gleiche Sicherheit vermittelte.
Grimmjow lockerte seine Umarmung und sah sie an. In seinen Augen glitzerte es feucht. Er blinzelte, etwas in der Art, wie er sie ansah, brachte Orihimes Herz zum Rasen. Plötzlich wusste sie, dass sie die Worte, die er lautlos gegen die Tür gesprochen hatte, richtig verstanden hatte. Die Vibration in ihrem Herzen breitete sich aus, pulsierte bis hinunter in ihren Magen und darüber hinaus. Zögerlich streckte der raue Kerl seine Hand aus und legte sie auf ihre Wange. Strich so sanft, wie es ihm keiner zutrauen würde, von dort aus über ihr Ohr, fuhr mit seinen Fingern durch ihr Haar bis ihr Kopf in seiner Handfläche ruhte. Langsam beugte er sich wieder vor.
Orihime hatte unbewusst erwartungsvoll die Lippen geöffnet, Das Einzige, was sie noch wahrnahm, waren Grimmjows stahlblaue Augen, die sie mit brennender Intensität anblickten. Der Schmerz und auch die Verzweiflung waren für den Augenblick vergessen. Ihr war heiß und kalt zu gleich. Sie kam ihm entgegen. Dann küsste er sie. Zuerst so sanft wie seine Berührung zuvor gewesen war, doch bald konnte er sich nicht mehr beherrschen. Im ersten Moment dachte sie, er wolle sie verschlingen, so unbeherrscht wie er dann seine Lippen auf ihre presste. Es dauerte nicht lange und seine Zunge musste jeden Millimeter ihres Mundes erkundet haben. Die Gefühle, die dies in ihr auslöste, überwältigten sie. Ihre Knie gaben nach. Sie sank in seine Arme, die sie sicher aufrecht hielten und sie mühelos vor dem Fall bewahrten.
Ulquiorra lauschte mit dem Telefon in der Hand an der Tür zu Orihimes Zimmer. Sie hatte Grimmjow, wie er es erwartet hatte, reingelassen und die Stille, die in dem Raum herrschte, zeugte davon, dass der Idiot sie überraschend schnell hatte beruhigen können. Eigentlich sollte er erleichtert sein. Das Wichtigste war, dass es keinen Ärger gab. Dass er in nichts Auffälliges verwickelt wurde und dass dies in den nächsten Monaten auch so blieb. Stattdessen war er enttäuscht und fühlte sich ausgeschlossen. Was für sinnlosen Gefühle. Auch wenn er sich so verhielt, gehörte er dennoch nicht wirklich dazu. Es wäre ebenfalls nicht gut, wenn Orihime sich zu sehr an ihn gewöhnte. Sie war sehr anhänglich und nahm es, wie sich gerade wieder gezeigt hatte, schwer, wenn jemand, der ihr etwas bedeutete, sie verließ. Das Mindeste, was er ihr für ihre ehrliche Freundlichkeit zurückgeben konnte, war, sie nicht zu verletzten.
Langsam rollte er sich rückwärts zum Küchentisch und legte das Telefon weg. Sein linkes Bein begann zu zittern und er spürte ein dumpfes Kribbeln. Was zu erwarten gewesen war. Für einen Augenblick haderte er mit sich. Hätte er sich vor vier Wochen anders entschieden, dann hätte er heute selber durch das Fenster klettern können und wäre jetzt bei Orihime im Zimmer. Jetzt war er nicht einmal in der Lage, alleine das Fenster zu schließen. Mit müden Bewegungen fuhr er zögerlich in Richtung seines Zimmers. Zeit war ein bedeutender Faktor. Wenn er seinen Plan weiter konsequent verfolgte, dann er würde er weitere vier Wochen gewinnen, in denen sich augenscheinlich nichts an seinem Zustand änderte. Er war sich durchaus bewusst, dass die Psychologin begonnen hatte, an seiner Unschuld zu zweifeln. Solange sie das Gegenteil nicht beweisen konnte und solange es ihr und dem Kommissar unmöglich erschien, dass er weglaufen könnte, würde alles beim alten bleiben.
Die Tür von Orihimes Zimmer wurde aufgemacht und ein verlegen wirkender Grimmjow trat heraus: "Hey, Kleiner, die Prinzessin will Dich sehen", er grinste schwach und schob Ulquiorra zu Orihime.
Diese saß auf ihrem Bett, die Decke über ihre Beine gezogen, und streckte Ulquiorra beide Hände entgegen. Auch sie lächelte verlegen.
„Bin gleich zurück", sagte Grimmjow, hob das Buch und das Messer auf und ging aus dem Zimmer.
Ulquiorra versuchte gar nicht zu überspielen, dass er Orihimes Unterarme genau ansah.
„Es ist nichts passiert und es tut mir leid, dass ich euch so erschreckt habe", sie lächelte ihn entschuldigend an. „Grimmjow hat mir erzählt, dass Du ihn auf den Balkon geschickt hast. Du bist einfach der Klügste von uns Dreien und behältst immer die Ruhe", sie streichelte die Seite seiner Hände mit ihren Daumen. „Danke... Oh, hast Du gesehen wie herrlich die Sonne gerade untergeht? Ist das nicht wunderschön?"
Beide blickten sie aus der noch immer geöffneten Balkontür zum Horizont, an dem von der Sonne ein sanftes Orange entlang floss und den Himmel in warme Farben tauchte. Ein lauer Windstoß huschte ins Zimmer und ließ Orihimes Augen aufleuchten: "Auch wenn sich das seltsam anhört, aber ich freue mich auf den Sommer mit euch beiden. Bald haben wir Ferien. Der Wald weiter oben ist so schön und dort gibt es eine große Lichtung und vielleicht erlaubt uns Yoruichi auch einen Ausflug ins Naturfreibad...", sie stoppte unsicher, ihr Blick jetzt auf Ulquiorras Beine gerichtet. Nebenan hörte man wie das Fenster von Grimmjow geschlossen wurde.
Als der Blauschopf dann zurück kam und sich neben Orihime auf das Bett setzte, ließ diese eine von Ulquiorras Händen los. Wie selbstverständlich verschränkten sich dann ihre und Grimmjows Finger. „Wenn Du magst, dann bekommen wir das hin, irgendwie. Nicht wahr, Grimm?"
Auch wenn Grimmjow nicht wusste, worum es ging, legte er dem Kleinen eine Hand auf die Schulter und nickte zur Bestätigung, dass er, was auch immer Orihime vorhatte, sie dabei unterstützen würde.
Später, die Sonne war bereits lange untergegangen. Der Duft, der Pizza, die sie bestellt und gemeinsam auf Orihimes Bett sitzend gegessen hatten, während auf ihrem kleinen Fernseher irgendeine unbedeutende Krimiserie lief, in der der Mörder am Ende immer gefasst wurde, war schon lange wieder verflogen. Die Türen aller drei Zimmer, die in der Nacht sonst geschlossen waren standen heute offen, sodass Ulquiorra so lange gewartet hatte, bis auch die gedämpft gesprochenen Worte von Grimmjow und Orihime, von denen es nur Bruchstücke bis zu ihm geschafft hatten, verstummt waren. Er war es selber gewesen, der Grimmjow zugeflüstert hatte, dass er Orihime in den nächsten Nächten besser nicht alleine lassen sollte, bis sie sich nicht nur oberflächlich wieder gefangen hatte. Grimmjow war einverstanden gewesen, aber nur, wenn sie alle die Türen würden offen lassen. Wie wenig Vertrauen der Andere in sich selbst und seine Beherrschung hatte, hatte Ulquiorra im Stillen wieder einmal amüsiert.
Jetzt, wo die beiden schliefen, lag Ulquiorra auf dem Bauch in seinem Bett. Die Kiste neben ihm geöffnet, mit der richtigen Seite nach oben. Alles war vorbereitet. Er wusste genau, dass mit jedem Mal die Gefahr größer wurde, dass er sich einen unumkehrbaren Schaden zufügte. Auch die Zeit, die er später benötigen würde, um seine Beine wieder im vollen Umfang zu benutzen, wurde mit jedem Mal länger. Dieser Drachen von Psychotherapeutin erinnerte ihn nur zu gerne daran und wies ihn nur zu gerne auf die Grenzen ihres Trainings hin. Er wusste selber, dass man den Muskelabbau und die Versteifung der Sehen und Gelenke nicht ganz verhindern konnte. Doch sein Leben lang war er eingesperrt gewesen, selbst wenn man die Gitter seines Gefängnisses hatte nicht sehen können. Sie waren da gewesen und er war jetzt nicht bereit, diese gegen echte Gitterstäbe auszutauschen. Wenn dieser Teil seines Plans schief gehen sollte, dann war die Einschränkung, die er dadurch erfahren würde, akzeptabel. Das redete er sich jedenfalls ein, auch wenn die Vorstellung, den Rest seines Lebens auf den Rollstuhl angewiesen zu sein, ihm Übelkeit verursachte.
Trotz seiner Bedenken nahm Ulquiorra die letzte Spritze aus der Kiste und drückte den Kolben etwas herunter, bis ein wenig Flüssigkeit aus der Nadel tropfte. Dann legte er sich flach und gerade hin und brachte seine Hände nach hinten. Solange er derjenige war, der die Kontrolle hatte würde alles gut werden und im Allgemeinen war dies bisher der Fall gewesen.
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