Kapitel 4

Der Weg nach Hause gestaltete sich äußerst angespannter als sonst und das, obwohl er bis jetzt immer das einzige Gute am Tag war.

Ich konnte von dem Ort weg, an dem ich nicht wahr genommen wurde.

Ich konnte von den Menschen weg welche mich als Nerd kannten, und mich genauso behandelten. Wie ein Nichtsnutz.

Ich konnte endlich wieder dahin zurück kehren, wo ich für mich alleine war und wo nur mein Herzschlag die Stille unterbrach.


Anders als sonst fuhr ich nicht mit dem Bus zurück, sondern lief den Weg lieber. Auf weitere Rempel Aktionen hatte ich keine Kraft mehr, mein Handgelenk so wie der Rest meines Körpers schmerzten einfach zu sehr um mich weiteren Qualen aus zu setzen.

Nach gefühlten Stunden sah ich dann endlich mein Haus, doch anders als noch vor knapp 4 Wochen stieg meine Laune nicht, sondern sank bei dem Gedanken, dass er nicht auf mich Zuhause warten würde, geschweige denn irgendjemand, noch mehr auf den Abgrund.

Meine Körperhaltung sank wie üblich in sich zusammen und gleich spürte ich, wie sich diese unvermeidlichen Gedanken an die bittere, spürbare einsame und kalte Zukunft, in mir aus ausbreiteten .

Ich würde alleine enden, so wie es mir meine Träume immer aussagten.

Ich würde nie eine Familie haben, denn das Schicksal bestimmte es, genauso wie den Teil, das ich nie Liebe spüren würde, nie den Genuss von geliebt zu werden mit erleben würde, ihn selber nie empfinden würde.


Mit meinem Schlüssel schloss ich die Tür auf und sofort stieg mir der Geruch von Mengen an Duftstoffen in die Nase.

Wir hatten keinen Heimischen Geruch so wie fast jede andere Familie.

Unser Haus roch nur nach Düften, die durch Duftkerzen oder sonstigen Utensilien ausgetragen wurden.

Ich hasste diesen Geruch, er war so falsch, so unecht. Es war schrecklich zu wissen, dass unsere Familie falsch war, nicht wirklich existierte.

Ohne mich weiter in diesem unterem Teil des Hauses auf zu halten, zog ich meine Schuhe aus und lief schnell die Treppe hoch in mein Zimmer.

Die Kalte Dezember Luft kam mir direkt entgegen als ich die Zimmertür öffnete und gleich atmete ich die Kälte erleichtert ein.

Ich liebte die Kälte. Ich tat es als kleines Kind schon, und doch lernte ich erst in den letzten Jahren den Grund dafür kennen, wieso die Kälte für mich so bedeutsam war.

Sie ließ mich fühlen. Sie ließ mich die Kälte spüren die in mir herrscht und gleichzeitig betäubte sie diesen stechenden und fast durch gehenden Schmerz auf meiner Brust.

Meine Augen schlossen sich wie von alleine, und erleichtert atmete ich weiter diese frische, kühle Luft ein, die mich gleich besser fühlen ließ und mich frei atmen ließ.

Meine Tasche rutschte langsam von meiner Schulter und ohne sie zu richten, lief ich zu meinem Schreibtisch und ließ mich dort nieder, so wie jeden Nachmittag.

Meine Tasche plumpste nun endgültig auf den Boden, was mir aber nur recht war, denn so konnte ich schnell meine Jacke aus ziehen, so dass ich am Ende im T-Shirt da saß und meine Arme eine Gänsehaut bekamen, die mich aber nicht weiter störte.

Ich hatte mich an sie gewöhnt, und für mich war es selbstverständlich, dass sie da war. Ohne sie fühlte ich mich alleine, nicht wohl.

Meine Hefte und mein Mäppchen kramte ich nach dem ich meine Jacke ordentlich über den Stuhl gehängt hatte, heraus und fing wie jeden wiederholenden Nachmittag meine Hausaufgaben an zu machen.

Am Abend saß ich wieder draußen auf der Veranda und starrte hypnotisiert den leeren Platz an, welcher ab nun auch immer leer bleiben würde.

Die Sterne glitzerten in ihrer vollen Pracht am Himmel und ließen die Nacht schön erscheinen.

Meine Hand bewegte sich wie von selbst zu der Schach Figur, die seit 29 Tagen keinen Zug mehr gemacht hatte, so wie die anderen auch, doch auch dieses mal sträubte sich etwas in mir dagegen zu spielen, und ein stechendes Gefühl in mir ließ mich zurück schrecken.

Mir wurde jeden Abend immer wieder bewusst, dass das Schach spielen nicht mehr das war ohne meinen Vater.

Meine Leidenschaft war nicht mehr komplett und das zerstörte mich. Meine Leidenschaft zum Schach war eine Kraft in mir die mich am Leben hielt, doch nun war auch sie Weg, so wie die einzige Liebe die ich je gespürt hatte.

Bevor die ersten Tränen fallen konnten, stand ich auf und lief wieder in mein Zimmer. Dort zog ich sofort meine kurzen Schlafhose und ein altes T-Shirt von meinem Vater an, ehe ich noch kurz ins Bad lief, dort Zähne putzte, und dann mich ins Bett legte, und nach wenigen Sekunden einschlief, mit den Gedanken an den Morgigen Tag welcher nur schlimm werden konnte.


Am nächsten Morgen wachte ich fast nass geschwitzt auf, aus Angst vor dem heutigen Tag. Die ganze Nacht über hatte ich schlecht geträumt, die Albträume plagten mich, ließen mich einfach nicht ruhig schlafen.

Die ganze Nacht musste ich den heutigen Tag durchleben, jedes mal aufs neue mit ansehen, wie Vincent über mich lacht, mich bloß stellt, mich kaputt macht.

Ich wollte nicht in die Schule, doch hatte ich keine andere Wahl, denn irgendwann musste ich wieder in die Schule, und Vincent ewig ausweichen konnte ich nicht, dazu hing meine Note viel zu sehr von diesem Projekt ab.

Mit durchmischten Gefühlen im Bauch stand ich letztendlich auf und schlürfte ermüdet zu meinem Kleiderschrank aus welchem ich mir wahllose Klamotten raus nahm.

Mir war egal wie ich aussah, es interessierte so wieso niemanden, ich interessierte niemanden.

Mit halb offenen Augen lief ich die Treppe hinunter, stolperte dabei fast über meine eigenen Bein, doch nahm ich das kaum wahr, zu Schlaf getrunken war ich noch.

Meine Tasche hing auf halber Schulter als ich die Küche betrat, mir einen Apfel schnappte, dabei wieder zum gefühlten tausendsten mal diesen Zettel las und dann das Haus verließ, dabei wissend, viel zu früh da zu sein, doch war mir das fast Recht, denn so konnte ich einem vollen Bus und einem Vincent ausweichen.

Ich wollte ihn nicht sehen, allein ein Gedanke an ihn ließ mich verrückt werden, und die Panik in mir steigen.

Nach einer fast schon angenehmen Busfahrt in welcher ich nicht zerquetscht oder erdrückt wurde und mein Handgelenk unverletzt blieb, kam ich 15 Minuten später an der Schule an.

Kaum Schüler tummelten sich auf dem Schulhof und einfach, ohne mich irgendwo durch zu schlängeln erreichte ich das Gebäude, welches ich auch ohne Kontakt mit anderen zu haben durchlief auf direktem Wege in meinen Klassenraum, dabei verfluchte ich mich die ganze Zeit selber, dass ich nicht viel früher daran gedacht hatte, einfach einen Bus früher zu nehmen.

Zu entspannt für meine Verhältnisse betrat ich den Raum und ließ mich auf meinen Stuhl, ganz hinten in der Ecke nieder. Und jetzt hieß es warten, doch nahm ich diese zeit gerne in Kauf wenn es hieß heile, frei und ohne schmerzen im Raum an zu kommen.


7 Schulstunden später klingelte es dann zu meinem persönlichen Untergang, dem ich jetzt regelrecht entgegen lief.

Kleine langsame Schritte machten meine Beine nur und mit jedem Schritt stieg die Panik in mir und ließ mich verrückt werden.

Mein Kopf dröhnte, so wie schon den ganzen Schultag über. Auf nichts konnte ich mich konzentrieren, die Angst ließ mich einfach nicht in Ruhe.

Bevor ich endgültig den Schulhof erreichte und der Hölle immer mehr entgegen lief, machte ich noch mal einen Halt an dem einzigen Ort in der Schule wo ich frei atmen konnte.

Fast schon sehnsüchtig betrat ich die Toilette und schloss mich so gleich in die Toilette ein, ließ mich die Wand hinunter gleiten, schloss meine Augen und genoss die Stille, die mich umgab.

Alles tobte in mir, mir wurde schlecht und kraftlos saß ich da, wusste dass ich gehen musste, doch sträubte sich alles in mir gegen diesen Gedanken.

Meine Augen öffnete ich langsam während ich versuchte mich auf zu rappeln, doch kaum stand ich drohten meine Beine wieder nach zu geben und mein Kopf fing gleich wieder an zu dröhnen.

Angestrengt versuchte ich gerade zu stehen, meine Augen offen zu halten, die sich nach der Dunkelheit sehnten. Meine Augen richteten sich wie von selbst auf die Wand, auf der ich meinen Gedanken freien lauf lassen konnte, so wie auch jetzt, denn kaum las ich den ersten Kommentar, bewegte sich meine Hand in meine Tasche und holte den Folienstift hinaus.

Den Spruch wie ein Mantra wiederholend verließ ich die Toilette und führte meine Schritte weiter fort auf den Schuldhof auf welchem ich auch gleich Vincent und seine Freunde ausmachte, die sich angeregt über irgendetwas unterhielten. 10 Meter, die mir gerade aber mal wie 10 Zentimeter vorkamen, von ihnen entfernt blieb ich stehen.

Ich wollte sie nicht stören, dazu hatte ich nicht das Recht.

Vincent hatte das Recht erst sein Gespräch zu Ende zu führen, es wäre unhöflich das jetzt einfach zu stören, dazu stand ich einfach nicht an der Macht. Wahrscheinlich würden sie mich sowieso nicht wahr nehmen.

5 Minuten später entdeckte Vincent mich dann leider und meine letzten Minuten schlugen endgültig an, denn überleben würde ich den Nachmittag, so wie ich ihn mir ausmalte nicht.

Vincent verabschiedete sich schnell von seinen Freunden, die mich alle komisch angrinsten und kam dann auf mich zu gelaufen.

Vor mir blieb er stehen, für mich zu nah was meine Panik nur anstiegen ließ und sah wortwörtlich auf mich hinab. Er war mindestens ein ein halb Köpfe größer, konnte mir somit jeder Zeit auf den Kopf spucken, und mein Unterbewusst sein stellte sich dies schon vor, gefolgt von einer gehässigen Lache, die meine Ohren schmerzen ließ.

Mein Gehirn und mein Unterbewusstsein spielten nun völlig verrückt, meine Nerven waren zu strapaziert um irgendetwas noch zu tun.

Schwer schluckte ich, seine Nähe ließ mich unruhig fühlen. Ich war Nähe von Menschen einfach nicht gewohnt. Mein Vater war der einzige Mensch in meinem Leben, zu dem ich Kontakt hatte, und dass ich plötzlich einen weiteren Menschen in meine Nähe lassen sollte, und dann ausgerechnet Vincent, machte mein Körper einfach nicht mit, ließ mich vor Schock erzittern und mein Herz stockend pochen.

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