Kapitel 17
Dankend nahm ich die Tasse an die mir Maria hin hielt. Kurz lächelte sie mich an und setzte sich dann zu ihrem Mann auf das andere Sofa. Vitus nahm sie vorher noch auf den Arm und setzte ihn auf ihren Schoß.
Meine Augen richteten sich wieder auf den glühenden Kamin. Auch wenn die Hitze eigentlich unerträglich für mich war, genoss ich es hier zu sitzen.
Langsam führte ich die Tasse an meine Lippen und trank vorsichtig einen Schluck.
,,Oh Gott Aayana'' der Schluck blieb mir im Hals stecken, was zur Folge hatte das ich mich verschluckte und nicht anders konnte als los zu husten. Vincent neben mir sah kurz amüsiert aus, klopfte mir dann aber auf den Rücken.
Dankend sah ich ihn an und wendete mich dann mit spürbar roten Wangen an Maria, die mich leicht erschrocken ansah.
Die Brüder sahen ihre Mutter genauso verwirrt an wie ihr Mann und ich. Nur Vitus gluckste weiter vor sich hin.
,,Deine Familie''
Meine Familie?
,,War das für deine Familie überhaupt in Ordnung, dass du Heiligabend nicht bei ihnen bist?'' Die lauernde, wachsende Wärme in mir verblasste mit einem Mal und gerade sehnte ich mich mehr als sonst nach der Kälte. Nach der Kälte, die mich vergessen lassen konnte.
Plötzlich war ich einfach leer, plötzlich sprach ich ohne es zu wollen.
Die Tasse stellte ich auf den Wohnzimmertisch und faltete dann meine leicht warmen Hände in meinem Schoß zusammen.
,,Ich wäre sowieso alleine gewesen also schätze ich nicht, dass es sie gestört hätte''
Es war die Wahrheit, die ich aussprach, doch sollte diese eigentlich nie ans Licht kommen. Mein Mund war einfach schneller als mein Verstand.
,,Wie alleine?'' Man hörte aus Valentins Stimme deutlich heraus, dass er verwirrt war.
,,Ja alleine halt''
,,An Heiligabend?''
Müssen sie jetzt echt noch weiter drauf rum reiten.
,,Ja''
,,Und deine Eltern?''
Gute Frage.
,,Mein Vater ist immer noch im Ausland''
,,Und deine Mutter und Lucy?'' Vincent sah mich von der Seite mit seinen klaren Augen an.
,,Die sind heute Morgen zu Lucy's Eltern gefahren''
,,Wieso bist du nicht mit?''
War das sein Ernst?
Hatte er immer noch nicht verstanden, dass Lucy mich keineswegs leiden konnte.
,,Doofe Frage''
Sehr doofe Frage.
,,Und du hast keine Geschwister? Oma, Opa?''
Auf Peters Frage schüttelte ich den Kopf.
,,Einzelkind und Opa und Oma habe ich nie wirklich kennen gelernt'' Man sah der ganzen Familie irgendwie an, dass sie nicht glauben konnten, was ich da von mir gab. Ich glaubte es ja selber nicht. Es wirkte viel zu surreal und unglaubwürdig.
,,Wie hättest du den Abend verbracht wenn Vincent dich nicht angerufen hätte?''
,,Ich schätze mal in meinem Bett und einem Buch in der Hand'' Maria schüttelte ungläubig den Kopf.
,,Das geht doch nicht. Dann bin ich gerade ja mehr als erleichtert, dass Vincent dich angerufen hat''
Das war ich auch, auch wenn er es nur wegen dem Projekt gemacht hatte.
Ein stechender Blick auf mir ließ mich den Kopf nach rechts drehen und starr in seine funkelnden Augen blicken.
,,Das bin ich auch. Keiner sollte so Weihnachten verbringen'' ich zuckte nur mit den Schultern.
Es wäre nichts neues für mich gewesen. Für sie war es vielleicht schockierend, für mich war es einfach die Realität.
Meinen Blick richtete ich mit viel Überwindung aus seinen Augen ab und auf das glühende Feuer.
Ich wollte dieses Thema vergessen. Wenigstens an diesen Tag, der mit Abstand der schönste in diesem Jahr war, sollte ich mir keine Gedanken machen, die mich nur traurig machten. Ich sollte einfach abschalten und diesen Tag noch genießen, wie als wenn es mein letzter wäre.
Gewicht auf meinem Schoß ließ mich meinen Blick abwenden und prompt sah ich in das lächelnde Gesicht von Vito, welcher sich auf meinem Schoß nieder gelassen hatte mit dem Rücken zum Feuer gedreht.
,,Aayana?''
,,Ja Kleiner?''
,,Wieso hast du keine Geschwister?''
,,Meine Eltern wollten nur ein Kind''
,,Ist das nicht doof ohne Geschwister?''
,,Es ist auf jeden Fall langweiliger als mit Geschwistern''
,,Hättest du gerne Geschwister?'' mit seinen Kulleraugen sah er mir an.
Leicht lächelnd nickte ich.
,,Ja ich wollte schon immer einen kleinen Bruder haben'' Vito fing an zu strahlen und sah mich freudig an.
,,Dann bin ich jetzt dein Bruder'' Vito schlang seine Arme um meinen Hals. ,,Und du meine Schwester. Ich wollte nämlich schon lange eine Schwester haben'' sanft drückte ich Vito an mich und konnte nicht verhindern, das mein Lächeln durch seine Worte breiter wurde.
Gerade war ich einfach glücklich, gerade vergaß ich einfach alles.
Vito entfernte sich wieder von mir und sah mich immer noch mit dem Funkeln in den Augen an. Und dann hörte ich die Worte, die ich mir schon immer gewünscht hatte zu hören.
,,Ich hab dich lieb''
Mein Herz setze aus und ich spürte etwas in mir auf brodeln was ich nicht zu ordnen konnte. Ich kannte dieses Gefühl nicht richtig, konnte nicht genau sagen was es war.
Eine Wärme stieg zudem durch seine Worte in mir auf und ließ die Kälte die sonst in mir herrschte für einen kurzen Moment in den Hintergrund rücken.
,,Ich dich auch Vito, ich dich auch''
Und es war nicht gelogen. Ich hatte Vito wirklich lieb, hatte ihn in diesen wenigen Begegnungen mehr ins Herz geschlossen, als je einen anderen, genauso wie diese Familie allgemein, deswegen schmerzte der Gedanke wahrscheinlich auch so, das ich in wenigen Wochen sie nie wieder sehen würde und ich wieder voll und ganz alleine wäre.
Vito drückte sich wieder an mich und meine Arme schlangen sich automatisch um seinen kleinen zierlichen Oberkörper.
Seinen Kopf platzierte er auf meiner Schulter und sah von da zu mir auf. Sanft sah ich ihn kurz an ehe ich meinen Blick wieder hob und prompt in die lächelnden Gesichter der Familie sah.
Ein Blick ließ mich insbesondere nicht kalt und das war Vincents. Seine Augen hielten mich gefangen sobald ich meine Augen auf ihn richtete.
Sie fesselten mich, verwirrten mich, ließen mich aber zu gleich alles und jeden ausblenden. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Was dieses Gefühlschaos gerade in mir bedeutete oder ob es überhaupt etwas bedeutete
,,Vincent'' Angesprochener schrak kurz auf und wendete dann seinen Blick auf seinen zweit jüngsten Bruder, der ihn gerufen hatte.
Auch ich kam langsam wieder zur Besinnung und ließ fast schon peinlich berührt meinen Blick durch den Raum schweifen. Marias wissendes Lächeln entging mir dabei natürlich nicht.
Was das zu bedeuten hatte wusste ich genauso wenig. Genauso wie ihre komischen Andeutungen in der Küche.
Zwischen Vincent und mir lief ein Projekt und mehr als Projektpartner würden wir nie sein.
,,Mama hat dich gerufen aber du hast nicht reagiert'' Vincent nickte kurz und sah dann zu seiner Mutter.
,,Von welcher Lucy habt ihr vorhin gesprochen? Hoffentlich nicht von der die gestern hier war'' Ein ungutes Gefühl kam in mir auf. Lucy war hier gewesen, bei Vincent und seiner Familie.
,,Mama!'' leicht entrüstet sah Vincent seine Mutter an.
,,Was denn? Ich hab dir gestern schon gesagt, das ich sie nicht leiden kann''
Was?
Wer konnte denn Lucy nicht leiden?
Bevor Vincent noch etwas sagen konnte, kam ihm seine Mutter zu vor, die sich an mich wendete.
,,Aayana wirklich diese Lucy die gestern hier war, war echt der Albtraum. Ich hab noch nie zuvor so eine arrogante, hinterhältige Schnepfe gesehen. Die soll sich ihr Fett und ihre Kalorien doch sonst wo hin stecken. Keinen interessierst. Mich wunderst echt nicht, dass sie ein verwöhntes Model ist''
,,Die war voll gemein. Die wollte nicht mit mir spielen'' Vito sah mich traurig an und kurz lächelte ich ihn traurig an. Ich wusste nicht was ich gerade fühlen sollte.
Lucy war hier gewesen.
Wieso dieser Gedanke dass Vincent sie eingeladen haben könnte mich so schockierte wusste ich nicht.
Ich mein, damit hätte ich doch rechnen müssen. Die beiden waren eben beide perfekt und ein Traumpaar.
,,Die war echt komisch. Die hat mega nach Parfüm gestunken und ich wäre fast erstickt als ich neben ihr saß'' Okay Viktor war auch nicht begeistert von Lucy.
Was lief hier gerade falsch?
Normalerweise liebten Lucy doch alle und schwärmten mir eher das Ohr voll, doch geschah hier gerade genau das Gegenteil.
,,Okay bevor Papa sich jetzt auch noch beschweren möchte sollte man vielleicht noch was erwähnen. Lucy ist Aayanas Cousine'' Maria verschluckte sich an ihrem Kakao, Peter sah mich fast unglaublich an so wie jeder außer Vincent und Valentin.
,,Wusste ich schon'' auf Valentins Kommentar ging erst keiner ein.
,,Was?'' der Schock war deutlich aus Marias Stimme heraus zu hören.
,,Das kann nicht sein''
Das bekomme ich oft zuhören. So jemand wie ich kann nicht mit Lucy verwand sein.
,,Aber du bist so, so anders.'' Ja, ich war eben das schwarze Schaf der Familie.
,,Vincent verarschst du uns gerade?'' Viktor sah seinen großen Bruder an, doch dieser schüttelte nur den Kopf.
,,Ich konnte es auch erst nicht glauben, aber die beiden sind wirklich Cousinen. Lucy wohnt jetzt sogar bei Aayana und wegen deiner Frage Mama, wir haben vorhin von der Lucy gesprochen, die gestern hier war.''
,,Aber Aayana du bist so so höflich, nett und toll und Lucy ist so, so selbstverliebt, arrogant und einfach das genau Gegenteil von dir''
Wir waren wirklich das genaue Gegenteil, doch normalerweise sprach man schlecht von mir und nicht von ihr, doch in dieser Familie passierte hier gerade das genaue Gegenteil. Hier wurde Lucy in den schlechten Schatten gestellt und nicht ich.
,,Wie hältst du es mit ihr unter einem Dach aus?'' Gar nicht.
Ich zuckte nur mit den Schultern und knete weiter nervös meine Handflächen. ,,Okay Mama wir wissen alle das du Lucy nicht leiden kannst-'' Maria unterbrach ihren ältesten.
,,Hallo die hat gedacht ich wäre die Haushälterin''
,,Ja Mama wir waren alle im gleichen Raum, aber das ist jetzt egal. Anderes Thema. Hat jemand Vorschläge?'' Vincent sah fragend in die Runde.
,,Kevin allein Zuhause'' Vito hob freudig seinen Kopf und grinste in die Runde. Peter nickte leicht lachend und stand auf und machte den Fernseher an, welcher an der Wand hing. Ich hatte von dem Film mal gehört, doch selber gesehen hatte ich ihn noch nie.
,,Bei uns ist es auch ein Ritual das wir jedes Jahr an Heiligabend Kevin allein Zuhause gucken. Den kann man einfach immer wieder gucken'' ich nickte nur.
,,Kennst du den Film?'' Valentin sah mich fragend an, doch ich schüttelte leicht mit dem Kopf.
,,Also ich hab mal von ihm gehört aber habe ihn noch nie geguckt''
,,Dann wird es aber mal Zeit. Der Film muss gesehen werden. Ich hol Popcorn'' Viktor stand schnell auf und lief aus dem Raum.
,,Popcorn'' freudig sprang Vito von meinem Schoß auf und rannte seinem Bruder hinter her.
,,Ich hol Decken und Kissen'' Valentin stand schnell auf und rannte die Treppe hoch. Maria stand mit den Worten ,,Ich geh Vitus mal ins Bett bringen'' auf.
,,Ich geh die DVD mal holen'' Peter verließ das Wohnzimmer und plötzlich saßen nur noch Vincent und ich im Raum, alleine, schweigend.
,,Aayana?'' vorsichtig drehte ich meinen Kopf zu ihm und sah ihn fragend an.
,,Alles okay?''
,,Ja wieso?''
,,Wegen Lucy und-'' Vincent ließ den Satz in der Luft stehen, doch wusste ich genau was er meinte.
,,Es ist alles okay Vincent. Mich wundert es ehrlich gesagt, dass über Lucy nicht so gut gesprochen wurde''
,,Was meinst du?''
,,Normalerweise reden alle immer nur davon wie perfekt Lucy ist. Ich habe noch nie solche Beschreibungen über Lucy zu Ohren bekommen'' Intensiv sah Vincent mir in die Augen und ließ kleine Stromschläge durch meinen Körper fahren.
,,Aayana du weißt aber hoffentlich, dass du-'' weiter kam Vincent nicht denn durch ein Kissen was ihm auf den Kopf geschlagen wurde, wurde er unterbrochen.
Kurz darauf bekam ich eine Decke auf den Schoß geworfen.
,,Hier wird jetzt nicht geflirtet'' Valentin grinste uns an und ließ sich dann neben seinen großen Bruder plumpsen, welcher ihn schräg und leicht verärgert an sah.
Valentin ignorierte den Blick seines Bruders einfach und faltete eine andere Decke über sich aus.
Viktor kam im Schlepptau mit einem hüpfenden Vito wieder und ließ sich neben Valentin nieder und kuschelte sich unter die Decke und stellte sich dann die eine Schüssel auf den Schoß, die andere gab er Vincent.
Vito hingegen blieb grinsend vor mir stehen. ,,Darf ich wieder auf deinen Schoß?'' ich nickte lächelnd und nahm die Decke von meinem Schoß. Vito klettert Freudig auf meinen Schoß und lehnte sich dann mit dem Rücken an meine Brust. Meine Arme schlang ich um seinen Oberkörper, worauf hin er sich näher an mich kuschelte. ,,Vince langsam würde ich mir Sorgen machen. Unser kleiner Bruder macht dir ganz schön Konkurrenz'' Valentin lachte über seinen eigenen Witz los und schlug mit Viktor ein. Vincent verdrehte nur die Augen und sah sie genervt an.
Gerade als er noch was sagen wollte, traten beide Elternteile ein und während Peter zum Fernseher lief, ließ sich Maria wieder auf dem Sofa nieder und faltete die dritte Decke auf.
Nach dem Peter den Film gestartet hatte, setzte er sich zu seiner Frau und legte ihr einen Arm um die Schulter, worauf sie sich näher an ihn kuschelte.
Leicht musste ich lächeln. Wie oft hatte ich mir gewünscht so meine Eltern zu sehen, so glücklich, so liebend.
,,Aayana?'' Vito tippte mir leicht auf den Oberarm und fragend sah ich ihn an.
,,Kannst du die Decke ausbreiten?'' lächelnd nickte ich und nahm mir die Decke, die ich neben mich gelegt hatte.
Vorsichtig faltete ich sie auf und legte sie über Vito, welcher sich gleich in die Decke kuschelte.
,,Danke'' ich lächelte nur als Antwort und überlegte ob ich den Rest Decke Vincent anbieten sollte.
Bevor ich einen Entschluss fassen konnte, kam mir Vincent zu vor, der mir vorsichtig die Decke aus der Hand nahm und sie über sich legte.
Etwas entspannter kuschelte ich mich tiefer in das Sofa und richtete meinen Blick auf den Fernseher, wo keine zwei Sekunden der Film startete.
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