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Zeit war nicht selten ein abstraktes, geradezu verschwimmendes Konstrukt, welches mir, öfter als mir lieb war, durch die Finger glitt, ohne dass ich es zu fassen bekäme. Ohne, dass ich wirklich sagen konnte: Ich habe das und das in dieser Zeitspanne erledigt. Oder Ich habe mir dann und dann bewusst frei genommen, um absolut nichts zu machen. Wenn ich nichts tat, ohne es mir bewusst vorgenommen zu haben, war die Zeit wie Wasser, welches Stromabwärts floss. Man konnte mit dem bloßen Auge nicht sagen, wie viel bereits in dem kleinem Teich am Ende des Stroms gelandet ist, nur dass es letztendlich mehr war, als angenommen.
„Du denkst zu viel nach", sagte Hades plötzlich in die friedliche Stille hinein, als hätte er meine Gedanken gehört. Wie üblich. Manchmal fragte ich mich, ob meine Gedanken wie das Schreien eines kleinen Kindes für ihn waren, laut, alarmierend und unmöglich zu ignorieren. "Vielleicht bin ich deshalb ständig ausgelaugt", erwiderte ich, den vernachlässigten und leicht angebrannten Pancake auf einen Teller zu seinen Vorgängern schiebend. Alle mehr oder weniger im gleichen Zustand. "Ich sollte noch mal anfangen", sagte ich etwas zerknirscht darüber, Hades Wunsch nach Pancakes auf diese Art und weise zu erfüllen.
Ich fing nicht von vorne an, dass wäre eine Verschwendung gewesen. Und Hades aß die Pancakes mit so viel bedacht, dass ich nicht daran zweifelte, dass er tatsächlich nichts an ihnen auszusetzen hatte. Er aß jeden Bissen, stellte den Teller in die Spüle und bedankte sich.
„Für jemanden zu kochen hat sich seltsam therapierend angefühlt, normal", erwiderte ich leise lachend, während ich dabei zusah, wie Hades den Teller wusch. In einem seltsamen Universum könnte diese Person mein liebevoller, respektierender Partner sein.
Ich drehte mich um und ließ den Gedanken stumm an mir abprallen. Ich hatte mir lediglich schnell was übergeworfen, als wir aus dem Bad gekommen sind. In meinem Zimmer zog ich mir etwas bequemeres als gestern über, ein dunkel grünes Strickkleid, wertete das Ensemble jedoch mit einer Kette aus schwarzen Diamanten auf.
Draußen wartete Hades bereits beim Aufzug auf mich.
Eine Augenbraue hochziehend sah ich ihn fragend an. Die Schule fing erst in ein paar Stunden an. Mit schief gelegenem Kopf sagte er lediglich: „Jaswindas Großmutter?" Innerlich Kopfschüttelnd nickte ich. Erneut das schreiende Kind vor Augen (an mein Aussehen als Kind erinnerte ich mich nicht). Ich machte mir noch nicht einmal die Mühe im zu sagen, dass ich das gerade habe vorschlagen wollen. Wozu auch? Sein Auftreten am Aufzug hatte solche Gewissheit ausgestrahlt, dass man meinen könnte ich wäre Atlas und er den Berg xxx besteigen würde, um mich genau dort, den Himmel tragend, vorzufinden.
***
„Sie teilten mir mit, dass er gestorben ist."
Jaswindas Großmutter sah mit großen Augen zu Hades auf, während dieser ihr das Kissen zurechtrückte. Nach dem langen Morgen im Badezimmer, war mir das Penthouse auf einmal sehr klein vorgekommen. Trotz Hades harter Arbeit, hatte ich plötzlich überall Gabriel gesehen. Und meine Mutter. Obwohl ich das mit keinem Wort Hades gegenüber erwähnt hatte, hatte dieser Vorgeschlagen nach Jaswindas Großmutter zu sehen, welche zwei Stockwerke unter meinem eine extra Wohnung eingerichtet bekommen hat. Trotz der Vorteile, welche diese Nähe zu meinen Räumlichkeiten innewohnte, fühlte es sich nicht sicher genug an. Es wusste zwar niemand von ihrer Existenz, doch man konnte sich nie sicher sein.
Nachdem, was die alte Dame alles wusste, hätte ihr genauso gut eine Zielscheibe auf den Rücken malen können, indem ich sie hierher geholt hatte.
„Liviu! Wie kannst du noch am Leben sein?", ihre Stimme klang nun fast schon empört. „Du bist umgekommen, nachdem ich mit angesehen habe, wie du Monsieur Rockefeller eine Kugel in den Schädel gejagt hast!"
„Ich bin ein Geschöpf der Unterwelt", erwiderte Hades ruhig. „Ich sterbe nicht." Die alte Dame überlegte kurz, bevor sie zustimmend nickte, als wäre das eine logische Erklärung. „Du warst schon immer sehr düster, du machst mir große Angst... aber noch mehr Angst habe ich vor ihm. Und dem anderen."
Ich sah Hades von meinem Platz aus fragend an, doch dieser zuckte mit den Schulter.
„Möchten sie, dass ihre Enkelin vorbeikommt?", fragte ich sie, fast sicher, dass sie mich schon wieder vergessen hatte. Sie sprach mit einer dritten Person im Raum über Hades, welchen sie nach wie vor für Livius hielt. Mich übersah sie geflissentlich. Bis jetzt. Ihr Blick richtete sich plötzlich direkt auf mich, wobei sie seit unserem Eintreten erhebliche Probleme gezeigt hatte, diesen auf irgendetwas zu fokussieren.
„Madame Dreux-Brèzè", hauchte sie, so dünn, dass ihre Stimme wie aus weiter ferne, als ein längst vergessenes Echo erklang. Bei dem Klang des Namens, in Kombination mit ihrer Stimmer und dem plötzlich leeren Gesichtsausdruck, lief es mir kalt den Rücken herunter. „Sie hat behauptet eine Dreux-Brèzè zu sein, eine Erbin, die Erbin. Doch dass stimmt nicht! Die Dreux-Brèzès sind tot! Alle gestorben...umgebracht, von den Lockhearts."
Eine schwere Stille legte sich über den Raum. Ich wartete, hoffte dass sie mehr erzählte, bevor ich leise fragte: „Wieso hat man die umgebracht?" Die Dreux-Brèzè, ein anderes Adels Haus, welches am Spiel der Könige teilgenommen hatte, an dem jetzt lediglich die Denauxs und die Lockhearts beteiligt waren.
Ich kannte die Umstände, kannte die ungefähren Abläufe. Es hat mehr Familien wie die Lockhearts, Denuaxs und die Brèzes gegeben.
Doch aus dem Munde von Jaswindas Großmutter schienen sie neue Bedeutung, neues Gewicht zu erhalten.
Diese war in erneutes, Starre Schweigen verfallen, wie bereits einige Male, in der kurzen Zeit, in der Hades und ich hier waren. Bis jetzt, war sie erst nach ein paar Minuten daraus wieder aufgewacht, in einer neuen Stimmung, mit einer neuen wirren Erzählung. So hatte sie bereits zwei Mal Hades auf Livius angesprochen, und drei Mal von Jaswinda erzählt, was mich das erste Mal ein wenig schockiert hatte. Seufzend senkte ich den Kopf.
Sie braucht Zeit, erklang Hades Stimme in meinem Kopf.
Wenn wir nicht bald alle nötigen Informationen haben, können wir unmöglich so vor die Leute treten und sie davon überzeugen, dass wir gegen Ethan etwas in der Hand haben, erwiderte ich. Marine war die Einzige Person, die genug über die Dreux-Brèzes wusste, um selbst Denaux Senior zu überzeugen. Und die Einzige Person, der sie sich anvertraut hat, ist nicht in der Lage uns das zu sagen.
Etwas verzweifelt sah ich zu Jaswindas Großmutter, die angefangen hat zu sabbern.
Ohne Ankündigung wurde die Tür plötzlich aufgestoßen und selbstbewusst, modisch, wie aufrecht trat Dr Akintola ein. Vertieft in sein I Pad, bemerkte er uns erst, als er am Bett zum stehen kam, und aufsah. Bei Hades Anblick, schreckte er zurück, als hätte er einen Geist gesehen. „Sie!"
Er blickte hinter Hades, zur anderen Seite des Bettes, auf der ich auf einem rosa Sofa Platz genommen habe, farblich passend zum Rest des Zimmers, welches in seinen dezenten Pastellenen Tönen an eine Märchenschloss Suit erinnerte.
Was Hades Gestalt (in Dr Akintolas Augen ein Massenmörder) wohl umso unwirklicher (vorsichtig ausgedrückt) erschienen ließ.
Ich, in meinem schwarzen Blusenkleid, dessen Ärmel aus einem durchsichtigen, leicht gepufften Stoff bestanden, auf das in feinstarbeit Efeuranken aufgestickt worden sind, mit dem passenden Gürtel auf Taille Höhe, konnte auch nicht wirklich ins Bild passen. Vielleicht als schwarzer Schwan. Ich hatte mich in letzter Sekunde gegen das das grüne Kleid und die Kette entschieden.
Dafür war es noch zu früh gewesen. Genau wie der Doktor zu früh war, seine Visite hätte erst in einer halben Stunde stattfinden sollen.
„Der hübsche Mann!" , durchbrach Jaswindas Großmutter das Schweigen, bevor ihr Augen sich nach oben verdrehten und sie schlaff in ihre Kissen sank. Ich schoss auf die Beine, aber Dr Akintolas hob sofort beruhigend die Hand, die Andere am Handgelenk der alten Frau. Er war mit zwei, beeindruckenden Schritten bei ihr gewesen.
„Eine normale Ohnmacht... das heißt, gemäß ihres Zustandes." Der Arzt sah Hades und mich Vorwurfsvoll an. „Ich hatte... ihm", ein vorsichtiges Nicken in Hades Richtung, „gestern mitgeteilt, dass die Patientin absolute Ruhe braucht!"
Obwohl er offensichtlich mit uns beiden sprach, sah er lediglich mich an. Was ich nicht wirklich als Beleidigung ansah, sondern als Furcht interpretierte. „Wir haben lediglich mit ihr geredet." Hades hatte seine übliche Schattennummer durchgezogen, in dem er sich so lautlos bewegte, dass er unauffällig näher an den Doktor getreten ist, was dieser mit einem leichten Sprung zur Seite zur Kenntnis nahm.
Es hätte komisch aussehen sollen, doch Dr Akintolas Bewegungen erinnerten mich an eine Gazelle, die gariöz vor einem Löwen flüchtete. Nur der Schluckauf, der gleich darauf eintrat, störte das elegante Bild ein wenig. „Hades", tadelte ich ernst, ein wenig verstimmt, dass Hades sich offensichtlich einen Spaß erlaubte hatte, mit jemandem, der, nicht nur vollkommen unschuldig und wirklich verängstigt war, sonder der auch behandelnder Arzt unserer wichtigsten und einzigen Patienten war.
„Verzeihung Doktor", sagte ich, da Hades immer noch mit einem Lächeln zu kämpfen hatte. Ich fühlte mich leicht in einem Konflikt zurückgelassen. Einerseits verstimmt darüber, dass Dr Akintola immer noch nicht richtig reden konnte, durch seinen Schluckauf. Andererseits froh darüber, Hades Lächeln zu sehen, ohne erst darüber nachzudenken, was es wohl bedeutete, dass er sich einem Spaß erlaubt hatte.
"Hades ist... harmlos?" Selbst ich hörte, wie ich ein Fragezeichen ans Ende des Satzes stellte. Das Wort Harmlos passte zu Hades so wie etwa die Rosa Farbe dieses Zimmers. Nähmlich gar nicht. Die Ironie darin lösten sogar den Schluckauf des Doktors auf und ich musste meinerseits häftig zusammenzucken, als dieser von einem Atemzug auf den Anderen laut und schallend zu lachen anfing. Ich musste automatisch zu Jaswindas Großmutter sehen, ob diese nicht durch das Geräusch aus ihrer Ohnamcht gerissen wurde. Wurde sie nicht, doch denkbar wäre es gewesen. Das Lachen des Doktors war hoch, ein wenig schrill und von einem nervösen Zittern begleitet.
Nach einer Minute fing es schließlich an, etwas gruselig zu werden. Ich tauschte einen besorgten Blick mit Hades aus... das heißt, meiner war besorgt, seiner nach wie vor belustigt. Kopfschüttelnd ging ich auf den Doktor zu und reichte ihm die Taschentuchbox, welche auf dem kleinen Beistelltisch neben dem Sofa gestanden hat. Es würde mich interessieren, wer diesen Raum an erster Stelle eingerichtet hat.
"Sie weinen", sagte ich, meine Tonlage möglichst sanft haltend.
„Das ist lediglich Salzwasser. Salzwasser, welches aus meinen Augen kommt", prustete der Doktor, nicht mehr lachend, sondern nach Luft schnappend.
„Da kommt Salzwasser aus ihren Augen", korrigierte ich mich. „Vielleicht möchten sie es wegwischen."
Dr Akintola zog an dem ersten Taschentuch, dann an dem zweiten, dem dritten, bis ihm die Taschentücher aus der Hand überquollen. Ich hielt ihm geduldig die Taschentuchbox hin, bis er sich einigermaßen beruhigt zu haben schien. Und keine Taschentücher mehr aus der Box zog. Anschließend wartete ich geduldig, bis seine Gesichtsfarbe nicht mehr weiß war.
„Brauchen sie ein Wasser?"
Das kam von Hades, welcher wohlweislich Abstand zu Dr Akintola genommen hat, beziehungsweise Jaswindas Großmutter als menschliche Mauer benutzte.
Dr Akintola schüttelte den Kopf. „Ihr Freund ist vieles", murmelte er leise. „Aber gewiss nicht harmlos." In seinem Gesicht blitzte etwas auf, was entfernt an grauen erinnerte, bis ich seinen Ausdruck als Gewissheit ausmachte. Der Doktor schien ebenfalls kein unbeflecktes Leben zu haben. Und langsam fing ich mich an zu fragen, ob es überhaupt einen Menschen gab, der vom Grauen des Lebens verschont worden ist.
Er ist nicht dumm, sagte Hades nüchtern durch die Key-Verbindung hindurch.
Seine Amüsiertet wie weggewischt. Du klingst überrascht, antwortete ich und stellte die Taschentuchbox zurück an seinen Platz. Ich habe mich unglücklich ausgedrückt. Dumm ist er nicht, dass hat sein Lebenslauf, genau wie seine Bewegungen bewiesen. Doch was nicht aus seinem Leben zu erschließen war, war eine dunkle Episode, irgendetwas, was rechtfertigen würde, dass er mich derart... zuordnen kann.
Ich war froh, dem Doktor den Rücken zugewandt zu haben, denn meine Mundwinkel fielen Steil nach unten ab, bevor ich meine Gesichtszüge erneut glättete. Damit bestätige sich der Verdacht von mir, worüber ich nicht glücklich war. Mia. Hades Stimme hatte plötzlich eine neue Dringlichkeit gewonnen. Jemand beobachtet uns. Vom Fenster aus. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Hinter dem Pinken Sofa war, wie eigentlich im jedem Zimmer, eine Mannshohes Glasfront. Nur hatte ich angenommen, dass diese verspiegelt sei. Gleichzeitig zweifelte ich nicht an Hades Instinkten oder seinem Netzwerk an Informationen.
Wer? Mit einem Blick zum Doktor, zögerte ich und entschied mich in dem Bruchteil einer Sekunde um. Ich treffe dich draußen.
Warte einen kurzen Moment, bevor du mir folgst, war die Antwort.
„Hades und ich gehen jetzt, Doktor. Bitte kümmern sie sich gut um Sie." Ich nickte zu Jaswindas Großmutter. Dr Akintola räusperte sich. „Natürlich, ich bin Profi." Seine perfekt geschwungenen Brauen senkten sich zu einem konzentrierten Starren. „Ich weiß was ich tue."
„Doktor", sagte Hades beim gehen, wieder in seiner üblichen sanften Stimme, die diejenigen, die nicht an sie gewöhnt sind, die kleinen Härchen an den Armen und im Nacken zu Berge stehen ließen. Als Hades die Tür hinter Hades zufiel, hörte ich, wie der angesprochene kurz aufatmete. Ich verweilte noch. Hades Anweisungen automatisch folgend, da dieser normalerweise keine unnötigen gab.
Es kam mir gelegen, so hatte ich noch Zeit dem Doktor zu sagen, was ich zu sagen hatte. „Ich dachte, ich hätte mich letztes Mal bereits deutlich ausgedrückt."
Ich sah den Doktor von der Seite an, mich ihm jedoch nicht ganz zuwendend. „Hades wird ihnen nichts tun." Ich versuchte bestimmt zu klingen, es war mir wichtig, dass der Doktor sich wie in einem sicheren Umfeld fühlte, jedoch. Er war nicht umsonst für seine beeindruckende Diskretion ausgewählt worden, welche er selbst dann aufrecht erhalten hat, als ihm eine horrende Summe im Gegenzug für eine Auskunft angeboten bekommen hat. Wie üblich, wusste ich nicht, wie Hades an die Information dran gekommen ist, doch sein Netzwerk war erstaunlich gut.
Wenn Hades Netzwerk bereits gut ist, dachte ich, wie viel wird mir dann erst Anjans Netzwerk einbringen. Wenn die Zeit gekommen ist, würde ich es wissen.
Der Doktor öffnete nach meiner Aussage den Mund, ließ jedoch schlussendlich nur Luft raus und wendete sich dann seiner Patientin zu. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich erwartet hatte, doch seine Reaktion ließ mich nicht unstimmig zurück, weshalb ich es dabei beließ. Hades genannte Zeit war ebenfalls vorbei. Mit einem letzten Blick auf Jaswindas Großmutter, verließ ich das Zimmer.
Der Flur war leer. Der, mit Königsblauen Teppichen, dessen Ränder goldene Kordel zierten, ausgelegte, Flur dieser Etage im Turm wirkte, trotz seiner Farben, kalt. Ein Schauer rann meinen Rücken herunter, ohne, dass ich sagen konnte, wieso. Ich ging ein paar Schritte von der Tür weg, meine Augen auf ein Gemälde gehaftet, welches Einsam und scheinbar wahllos vor diese Tür aufgegangen worden ist. Das Gemälde zeigte ein Boot an einem Steg. Man konnte nicht erkennen, ob der Steg in ein Meer oder einen See führte. Eine Frau stieg gerade aus dem Boot, ihren Rock bis zu den Knien hochgezogen, wahrscheinlich damit er sich nicht an den Stellen verfing, an dem die Stützen für die Ruder am Boot angebracht worden sind.
Hades hatte dieses Gemälde angebracht, und es mit den Worten „damit du ihr Zimmer immer wieder findest" mir gezeigt.
Die Tür, zwei Türen rechts neben Jaswindas Großmutters Tür öffnete sich plötzlich und Hades trat raus. Eine Golftasche über die Schulter geschwungen, in der allerdings kein Golfschläger herausguckte, sonder der Lauf eines Scharfschützen Gewehrs. Es kostete mich den Bruchteil einer Sekunde, um eins und eins zusammen zu zählen.
Mein Herz stolperte kurz, bevor ich, tief Luft holend über die Key Verbindung fragte: Hast du die Person umgelegt? Ich war zwei Minuten länger geblieben. Zwei Minuten. Hades legte ein kleines Handtuch über die Öffnung der Golftasche und nickte. Sie saß einem der Wassertürme und hat mit einer Wärmekamera dich anvisiert, es musste schnell gehen.
Zwei Minuten klang gerade zu nach einer lächerlichen Zeitspanne, jemanden umzulegen.
Meine Fäuste öffneten und schlossen sich. Wenn du mir gesagt hättest, dass ich sofort rauskommen soll...
Begann ich, ließ den Satz jedoch in der Luft hängen, zu verwirrt was genau ich sagen sollte oder wollte. Der Tod gehörte zu meiner Position dazu, so viel ist mir klar gemacht worden. Doch... Ich hob den Kopf und sah Hades direkt in die Augen. Töte niemals wieder, wenn es nicht absolut sein muss. Entwaffne die Person meinetwegen, aber ohne ihr oder ihm das Leben zu nehmen. Mir war bewusst, dass meine Stimme nicht den gewissen Unterton einer Vorgesetzten hatte, doch so sprachen Hades und ich nicht miteinander, und ich hoffte, dass es so bleiben würde. Hades sah und laß in meinem Gesicht mehr, als ich mir wahrscheinlich vorstellen konnte. Was in jeder Silbe seiner Antwort nachklang.
Ich habe verstanden.
Wir gingen zum Fahrstuhl. Schweigend. Das Hades noch etwas zu sagen zu hatten, fühlte ich wie ein Jucken in meinem Nacken. Als ich den Knopf drück, welcher den Fahrstuhl auf diese Etage holen würde, erklang Hades Stimme in meinem Kopf.
Das waren zwei Anschläge in weniger als 48 Stunden auf dein Leben, My Lady.
My lady. Es war ihm also ernst. Obwohl ich dachte, dass es etwas zu erwartendes gewesen ist. Meine Nase fing an zu Jucken. Das Jucken war nicht intensiv, so dass ich es leicht ignorieren konnte.
Bis zur Soiree sind es nur noch zwei Tage, antwortete ich, statt einer richtigen Antwort. Ich vertraute inzwischen darauf, dass Hades zwischen den Zeilen lesen konnte. Und wie zu erwarten, enttäuschte er mich nicht.
Du meinst, wir können noch warten?
Auf was?, fragte ich dennoch, reichlich unschuldig. Hades war nicht drauf aufgelegt, mich mit der Ironie meiner eigenen Worte zu verschonen (um ehrlich zu sein, hatte ich noch nicht realisiert, dass ich unter irgendeiner Art von Lebensbedrohender Gefahr gestanden habe).
Dich, als weiße Königin, zu demonstrieren.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich und wir traten ein, Hades drückten zuverlässig auf die Erdgeschoss Taste.
Als der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte, sagte ich nachdenklich: Damit meine ich nicht, dass du einfach Leute umlegen sollst.
Obwohl wir alleine waren, sprach ich nicht laut. Mein Nasenjucken war stärker geworden und ich interpretiere es inzwischen als ein Zeichen von Unwohlsein.
Gerade weil wir kein Massaker in die Wege leiten, sollen uns die Menschen vertrauen. Mir war klar, dass Massaker nur ein Synonym für das war, was Ethan während der Gartenparty veranstaltet hat.
Sehr wohl, My Lady.
Das, inzwischen vertraute, Klingeln des Fahrstuhls erklang und die Türen öffneten sich. Für einen kurzen Moment glaubte ich, Vivaldis Herbst zu hören, erst eine Sekunde zu spät bemerkte ich, dass diesen Morgen überhaupt keine Musik lief und dass das Podium, auf dem die Musiker aufgestellt wurden, leer war.
My Lady?
Es ist noch zu früh dafür, antwortete ich Hades auf meine Frage, dass Vivaldis Herbst noch nicht spielen konnte. Die Musikstücke wurden dem Jahreszeiten entsprechend angepasst. Obwohl Hades aus meiner Aussage nicht schlau werden konnte, fragte er nicht weiter.
„Ich warte auf dich draußen", sagte ich zum Abschied und überließ es Hades den Wagen aus der Tiefgarage zu holen, wofür er noch zwei Stockwerke tiefer fahren musste.
Konträr zu gestern, war es heute sehr spät, später als ich gedacht hatte, und die meisten Schüler und Studenten mussten sich bereits auf den Weg gemacht haben. Gerade lief eine kleine Gruppe aus dem Haupteingang, ihr Gang etwas schneller um nicht nicht in Eile zu sein.
In der Mitte der Eingangshalle angekommen, öffnete sich links die Tür, welche in meine alte Behausung geführt hat. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich die Zwillinge, die Stipendiaten, die in Killians Freundeskreis fielen, und ein weiteres Mädchen, dessen ganze Person... nun, so kitschig der Gedanke selbst in meinem Kopf klingen mochte, so strahlte dieses Mädchen wirklich und Wahrhaftigkeit von Kopf bis Fuß. Sie trug ein T-Shirt auf dem Groß: „Meine Bibliothek wird nicht im Boden versinken" stand.
Ich blieb stehen. Nur um mich zu bücken und etwas vom Boden aufzuheben. Eine vergessene Blume. Ihr Kopf hing trist und trostlos nach unten, ihre Farbe wirkte stumpf und leblos. Ich sah mich um und ging auf den Einzigen Mülleimer zu, welcher sich, außerhalb der Zimmer, wohl in diesem Gebäude befand. Ein, aus weißem, von goldenen Adern durchzogener Marmorblock. Der Mülleimer befand sich genau neben der Rezeption und beim vorbeigehen, schnappte ich mir unauffällig ein Notizbuch und einen Stift, welche beide George gehörten und welche er jedes Mal achtlos darauf liegen ließ. Ich wunderte mich über mich selbst, dass ich mich an den kleinen Fakt erinnern konnte, welcher mir einst zufällig aufgefallen ist.
Ich wollte nicht wissen, was er für Sachen dort aufschrieb. Noch wohin er jedes Mal für Stunden verschwand (wenn ich zurückdachte, war er selten besonders früh, noch um die Mittagsstunde oder Abends besonders auf seinem Platz zu sehen), doch ich würde es bald genug herausfinden müssen. So oder so, kam es mir jetzt gelegen. Bevor ich loslegte, vergewisserte ich mich, dass sich außer den Zwillingen und dem Mädchen, und mir, niemand hier aufhielt.
Dann schlug ich das Buch blind auf einer Seite auf, wartete einen Moment, bis die kleine Gruppe auf einer Augenhöhe mit mir war, bevor ich aggressiv eine Seite rausriss, zusammen knüllte und achtlos in den Mülleimer Schleuderte. Dann drückte ich mit der Spitze des Stiftes auf die Nächste Seite und zog willkürlich feste Striche über das beschriebene Blatt, bevor ich auch dieses rausriss. Dann hob ich den Arm, um die Blume hinterher zu schleudern, zögerte, ließ den Arm wieder sinken und steckte sie zwischen zwei Seiten des Notizbuches, bevor ich es mit einem endgültigen Geräusch zuklappte.
Ich drehte mich um und zwang meine Gesichtsmuskeln jegliche Spur eines aufkommenden Lächelns in meinem Gesicht zu unterbinden, als mein Blick auf den des Mädchen traf. Links und rechts von ihr die Zwillinge, die mich alle drei schockiert ansahen. Es war eine fixe Idee gewesen, doch das T-Shirt des Mädchen hatte mich auf eine Idee gebracht. Wieso meine Annäherung an Kilians engeren Kreis nicht mit einer besonderen Note anfangen.
„Ich... Es ist nicht gut geworden", sagte ich mit besonderem Bedacht, meine Stimme nicht zu sehr stottern zu lassen, ich wollte eine gewisse Würde beibehalten, um nicht ganz aus der Rolle des Weißen Königs zu fallen. „Ich...Ich..." Ich ließ meine Knöchel weiß hervortreten, während sie das Notizbuch umschlossen.
Die Blicke des Mädchens und des männlichen Zwillings wurden plötzlich mitleidig, die der Zwillingsschwester blieb jedoch nach wie vor misstrauisch. Ihre Art und Weise mich zu studieren erinnerte mich plötzlich an einen General. Noch ein bisschen mehr, und sie würde sich wahrscheinlich bedrängt fühlen und eher ausholen, als sich mit mir anzufreunden.
Der Junge wollte gerade etwas sagen, doch ich ließ meinen Körper etwas nach hinten Zucken, bevor ich mit einer halbwegs ordentlichen, halbwegs gemurmelten Entschuldigung davon machte. Eilen Schrittes ging ich zum Hauptportal, hinter dessen Glasfront Hades bereits auf mich am Wagen wartete. Unsere Blicke trafen sich durch die Scheiben hinweg.
Martins hat dich nervös gemacht.
Ich trat nach draußen und tat einen tiefen Atemzug. Martins wusste zu viel. Anjan wusste zu wenig. Was ist, wenn Kilian erfährt, dass ich mit dem Vorgesetzten seines Bruders verheiratet bin, den er hasst, ohne, dass ich die Gelegenheit hatte, ihn auf meine Seite zu ziehen.
Hades hielt mir die Tür eines Weißen Bentleys auf und ich stieg ein. Keine zwei Sekunden später glitt er auf den Fahrersitz, schloss die Autotür hinter sich, und sah mich durch den Rückspiegel ernst an.
Ich könnte mir nicht vorstellen, wie dir der Coup gegen Ethan gelingen soll, ohne Kilians Hilfe. Die Militärischen Ressourcen seiner Familie sind vom unschätzbaren Wert und etwas, was den Denauxs fehlt.
Eine Schwachstelle, auf die mich Hades bereits zu Anfang aufmerksam gemacht hat.
„Das befürchte ich auch", sagte ich laut und schleuderte das Notizbuch auf den Sitz neben mir. „Die Zwillinge sind in seinem engsten Kreis", murmelte ich, mehr zu mir selbst.
„Und Jaswinda?", fragte Hades, während er den Wagen startete.
„Ich habe noch nichts von ihr gehört, und ja ja, ich weiß, sie ist erst einen Tag dort-"
„Sie hat einen Bericht geschrieben, ich habe ihn eben erst entgegen genommen", unterbrach Hades mich sanft. Mein Kopf schoss hoch und fixierten den Umschlag mir nach hinten reichte. Ich öffnete ihn und runzelte die Stirn über die Anzahl an Blätter . „Sie ist erst einen Tag dort", sagte ich und hielt die Blätter hoch.
„Du wirst keine Zeit haben, sie lesen zu können."
Nicht sicher, was ich von sechs Seiten Bericht halten sollte, schob ich die Blätter in den Umschlag zurück. Die Fahrt zur Schule war nicht kurz, jedoch weit entfernt von lang. Später, sagte ich mir selbst, und konnte mich über Jaswinda nur wundern. Vielleicht genoss ich das Gefühl sogar ein bisschen.
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