20
„Machiavelli begründete noch zwei weitere Wege, wie man vom Privat Stand aus zur Fürstenwürde gelangt. Doch diese werden wir morgen besprechen." Wie aufs Stichwort lief die Sanduhr aus, die Professorin Malia, angesehene Historikerin und Linguistikerin, am Anfang der Stunde auf das Pult gestellt hat.
Die Sanduhr wurde hier statt einer Klingel benutzt, die Anfang und Ende der Stunde ankündigte. Der Unterricht war an mir vorbeigezogen wie eine kurze, heftige Windböe.
Wieso war mir vorher nie aufgefallen, was die unterschwellige Nachricht, welche in jedem Fach vermittelt wurde, war.
Geographie hatte wie ein Meeting im Pentagon geklungen (wir sahen die Grenzbeziehungen aus, wo waren Taktisch gute Angriffspunkte). Algebra war ein Hybrid aus traditionellem Algebra und Wirtschaft gewesen. Und Geschichte fokussierte sich auf Herrscher die sich lange hatten halten können, bemerkenswertes Talent an den Tag gelegt hatten oder, wie Nicolle Machiavelli, ein sadistisches Buch über Eroberungen verfasst hatten.
Erobert und Verhinderung einer Eroberung war das Kredo, welches unaufhörlich den jungen Lords und Ladies zugeflüstert wurde.
Während ihre Herrschaften aufstanden, um sich auf den Weg in die Mensa zu machen, blieb ich sitzen, sah aus dem Fenster und ignorierte geflissentlich die brennenden Blicke des Mädchens, dessen Platz ich eingenommen habe.
Sie war zum Direktor geschickt worden und Professor Martins hat sich kooperativ gezeigt.
„Hast du keinen Hunger?"
Ich sah zu Viktor auf und wunderte mich kurz, ob er mich wirklich nicht erkannte. Ich war die Einzige Stipendiatin in dieser Klasse gewesen. Aber seine Augen waren leer, zeigten kein Zeichen von Erkennung.
„Noch nicht", antwortete ich. Viktor und ich lieferten uns kurz ein Blickduell, welches er mit einem Schulterzucken beendete und anschließend mit seinen Freunden den Klassenraum verließ. Ich drehte meinen Kopf erneut zum Fenster. Den kurzen Atemzug begrüßend, der mir dadurch gegeben wurde. Er hielt nicht laneg.
Als die Klasse ganz leer war, traute sich Professorin Malia zu mir heran. Sie hatte mir bereits die ganze Stunde über nervöse Blicke zugeworfen (anders als der Professor in Algebra, welcher anscheinend versucht hat mich mit Blicken zu erdolchen). Sie hatte erst gar nicht einen Blick in die Klassenliste geworfen (wie der Herr vor ihr) sondern hatte mich lediglich begrüßt und war dann zu ihrer Tagesordnung über gegangen. Es hat sich unter dem Kollegium wohl schnell herumgesprochen, dass diese Klasse eine neue Schülerin hat.
„Ms... Madame Denaux?" Ich lehnte mich entspannt zurück und hob den Kopf. Obwohl ich diejenige war, die zu ihr aufsah, sah das kleine Gesicht der etwas älteren Frau angespannt aus. „Ms Ryan", korrigierte ich sie freundlich, was eine Reihe von Schweißperlen auf ihrer Stirn glänzen ließ.
„Ms Ryan", sie räusperte sich. „Ich wollte nur sichergehen, dass sie allem folgen konnten. Sie haben immer hin ein Jahr verpasst und..." Sie ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen.
Sichtlich unangenehm holte sie ein Stofftaschentuch hervor und tupfte mit graziösen Bewegungen ihre Stirn ab. Dabei streifte ihre zitternde Hand ihren zitternden blonden Bob. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters verlieh ihr dieser Junge Schnitt eine erfrischende Aura, untermalt von Strenge. Ich erinnerte mich an ihre angenehm dominante Art im Unterricht, welche ihr jetzt jedoch gänzlich fehlte. Es war die Art wie sie Denaux gesagt hat, fiel es mir auf. Als ob sie was bitteres im Mund hätte.
„Mir ist bewusst, dass ich mich im Rückstand befinde." Mir war nur nicht klar gewesen wie sehr. „Aber lassen sie das meine Sorge sein, ich habe exzellente Unterstützung." Ich sah ihr bei diesen Worten direkt in die Augen, machte ihr verständlich, dass ich sie dazu zählte.
Sie zögerte, nickte dann jedoch. „Natürlich, Natürlich! Ich werde mein bestmöglichstes tun, aber...haben sie noch andere Quellen wo sie..." Mein Kopf neigte sich leicht, passte sich dem Winkel einer Schweißperlen an, die sie übersehen hat wegzutupfen und die ihr jetzt den Hals hinab lief. "Ich habe einen fantastischen Nachhilfe Lehrer." Den ich erst noch finden musste.
Erneutes nicken. "Natürlich...natürlich." Professorin Malia räusperte sich, zeigte ein wenig von der stählernen Persönlichkeit, die sie sonst an sich trug wie eine Rüstung. "Dann, wenn sie eine Frage zu meinem Kurs haben, bitte zögern sie nicht diese zu stellen."
Ich lächelte. "Merci." Das kurzen aufblitzen von Selbstbewusstsein erlosch, als hätte ich eine Kerze ausgepustet. Mit steifen Stultern drehte sie sich um, ging zurück zu ihrem Pult und griff nach ihrer Tasche. „Professorin Malia", rief ich sie zurück, gerade als die Tür sich vor ihr öffnete. Sie sah mich über ihre Schulter hinweg an, die Lippen zu einer festen Linie zusammen gepresst. „Ich frage mich, ob wir uns nicht schon einmal gesehen haben... in Frankreich vielleicht?"
Die Gesichtsfarbe der Professorin verlor jegliches Pigment und hinterließ lediglich eine kränkliche weißfärbung.
Sie musste zwei mal schlucken, bevor sie langsam den Kopf schüttelte. Interessant. „Ah", sagte ich sanft, „mein Fehler." Daraufhin drehte sie sich um und verließ hölzern das Klassenzimmer. Leise summend wandte ich meinen Kopf abermals dem Fenster zu. Von diesem Platz hatte man einen wirklich schönen Winkel sich den Himmel und die darunter liegende Grünanlage anzusehen. Professorin Malia schien eine interessante Geschichte zu beherbergen. Doch bevor ich einen neuen Flächenbrand startete, sollte ich mich erst um die bereits brennenden kümmern.
Es waren Zehn Minuten vergangen, seit alle aufgebrochen sind und ich entschied, dass das Zeit genug war, für jeden Spieler auf seine Position zu rücken. Ich stand ich auf und trat auf den Flur. Ich versuchte mir den Plan der Schule in den Kopf zu rufen. Laut meinem Gedächtnis, ging ich den Gang ab, die Treppen hinunter und fand mich in der Eingangshalle wieder.
Von hier aus gab es drei Gänge, welche zu unterschiedlichen Bereichen der Mensa führten. Einer zu dessen Zentrum, der zweite direkt zur verbundenen Gartenanlage und der dritte zu dem VIP Bereiche.
Welcher sich immer erst langsam füllte, und in dem (laut Überwachungsaufnahmen) erst smalltalk geführt wurde, bevor sich die wirklichen VIP Mitglieder in ihre Kabinen zurückzogen.
Auf dem Weg dorthin begegnete mir keine Menschenseele, und doch fühlte es sich so an, als würden mir unsichtbare Augen folgen.
Obwohl dies lediglich eine Schule/Universität war, wurde der Eingang vom VIP Bereich nicht nur mit einer Sicherheitstür geschützt, welche nur mit dem richtigen Key-Schlüssel geöffnet werden kann, sondern auch von zwei Wachen in vertrauten Uniformen.
„Meine Herren", begrüßte ich beide.
„Ms. Ryan", kam es überrascht von einem von Captain Lincols Wachmännern, der mir tatsächlich ein wenig bekannt vorkam. Wie auf Kommando, blitzte ein Bild aus meiner Erinnerung von gestern Nacht auf. Das Bild zeigte deutlich die dreizehn Männer, welche zusammen mit Captain Lincol den Weg versperrt hatten.
Der Mann der mich angesprochen hat war drauf, sein Partner nicht. Das Bild war so scharf und deutlich, dass es mich kurz aus dem Schritt brachte und ich anhielt. Lincols Mann, der bereits einen großzügigen Schritt zurückgetreten war, warf seinem Partner einen auffordernden Blick zu. Dieser folgte eilig dem stillen Befehl und trat ebenfalls zur Seite.
Mein Problem, ein leises ziehen im Kopf, und meine Verwirrung lösten sich damit nicht, aber sie nahmen mir die Blöße, Grundlos stehen geblieben zu sein, da der Gang durchaus breit genug war, und die Tür groß genug, um hindurch zu gelangen, ohne das einer der beiden sich hätte bewegen müssen. Um mein Verhalten weiter zu überspielen, setzte ich mich nicht sofort in Bewegung, sondern lächelte Captain Licols Mann an. "Sie waren gestern ebenfalls an meiner Ankunft beteiligt gewesen, nicht?" Der Blick des Mannes flog kurz zu meinem Ring. Er war also ebenfalls ein Wissender. "Ja, Madmoiselle."
"Dann hoffe ich, dass ich ihnen nicht allzu große Umstände bereitet habe." Die Augen des Mannes weiteten sich. Er musste Tagein Tagaus von den Menschen, die er durchließ, ignoriert werden, um so eine Reaktion zu rechtfertigen. "Nein...überhaupt nicht." Das leise stottern legte den Schluss nahe, dass die Realität sogar schlimmer sein konnte. Was machte ein Mann mit seinem Training hier? Geld?
Ich öffnete die Tür mit meinem Ring. „Einen angenehmen Tag noch", sagte ich zum Abschied und beide Männer antworteten mir mit einem Salut. Wobei ich das Gefühl hatte das Lincols Mann sich noch gerader hinstellte, als er ohnehin schon stand.
Die Frage über die plötzlich gestochen scharfe Erinnerung im Hinterkopf und damit aus meiner Reichweite abspeichernd, betrat ich den Vorraum des VIP Bereiches. Ich hatte meine Hausaufgaben gemacht und während meiner Plannung der Soiree mit Liebe zum Detail Informationen über so gut wie jeden in diesem Raum aufgeschrieben. "Das ist ein Haifisch Tank", hatte ich über einen besonders interessanten Lebenslauf gemurmmelt, was Hades lediglich mit einem trockenen Blick kommentiert hatte. "Wie ist es so außer Kontrolle geraten?", hatt ich nachgebohrt, woraufin meine Königing in eine utypische Art von Stille verfallen war. "Die stärkeren fressen die kleineren. Erst recht, wenn sie in Rudeln jagen."
Der VIP Bereich war, wie ich ihn mir vorgestell habe. Es kam mir nicht auf die Feinheiten an, wie die großen Fenster, dem dunklen grünen Teppich, den runden Tischen aus Glas oder der Bar, dessen gläseners Konstrukt definitv der Blickfang des gesamten Raumes war. Es war der Luxus und die Luft, die hier drinnen herrschten. Und das alles wurde von den jungen Frauen und Männer dominiert, die in den tiefen Sesseln saßen oder an der Bar hofierten. Wer hier in den VIP Bereich zugelassen wurde, der war von altem, mächtigen Geld, dafür hatte Gabriel persönlich gesorgt.
Trotz der hohen Fenster, war das Licht, welches durch sie fiel, kalt. Nicht mal die Sonne wagte sich an diesen Ort, dachte ich amüsiert, um den bitteren Nachgeschmack von Hades Worten herunterzuschlucken. Und das obwohl sich die meisten hier als genau das ansahen: blendend, unerreichbar und als Zentrum für die um sie herum. Meinen Sarkasmus zurück an die Leine nehmend, bahnte ich mir einen Weg zur Bar.
Dabei kam ich an einer Sitzgruppe von bekannten Gesichtern vorbei. Es überraschte mich nicht Naomi hier zu sehen, obwohl sie im Unterricht mit ihrer Abwesenheit gelänzt hat, was mich kurz vor die Frage gestellt hab, ob ich eine gewisse Person heute schon treffen konnte oder nicht. Von den Überwachungsaufnahmen wusste ich jedoch, dass Naomi öffters hier, als tatsächlich in der Klasse war. Ich sah nicht offen zu ihr hin, niemand tat das in diesem Raum. Es gab wenig, was diese Menschen noch überraschen konnte. Und eines musste man ihnen lassen, sie hatten ihre Emotionen im Griff.
Doch ich registrierte den Moment, in dem Naomi zu mich erkannte. Nicht von gestern Nacht, vor den Fahrstühlen. Jetzt sah und erkannte sie Mia Ryan. Ich war gerade an die Bar getreten und musste lediglich einen Blick auf die spiegelnde Bartheke werfen, welcher die Decke reflektierte. Die Decke wiederum, war ein Kunstwerk aus einem einzigen Spiegel, der den gesamten Raum im Blick hatte. Ich beobachtete wie Naomis Kopf sich langsam in meine Richtung bewegte, seinen Kurs im letzten Moment änderte und schließlich hoch sah. Es mochte so aussehen, als würde sie den Kopf in den Nacken legen, einen genüsslichen Ausdruck auf dem Gesicht. Doch ihre Augen suchten und fanden mich an der Bar. Ihre roten Lippen verzogen sich zu einem, für mich, verzerrten Lächeln. Ich badete kurz in dieser Ironie. Keiner meiner Mitschüler, dem Kollegium schien mich zu erkennen. Lediglich meine größte Wiedersacherin.
Ich beobachtete, wie Naomi sich aus ihrem Sessel erhob, etwas zu ihren Freundinnen sagte und lazziv auf die Bar zuschritt. Ich stützte mein Kinn auf eine Hand und sah zu der Barfrau auf, die soeben fertig mit einer anderen Bestellung geworden ist. "Ein Glas Lafite-Rothschild, Jahrgang 2010", sagte ich zur ihr. Die hübsche Frau, vielleicht Ende zwanzig, nickte professionel. Man konnte nichts in ihrem makellosen Gesicht lesen und ich fragte mich, wie viele Jungendliche oder Anfang Zwanziger sie jeden Tag mit Alkohol bediente. "Es ist früh für ein Glas Rotwein", sinnierte ich laut und ihr Kopf zuckte so überrascht hoch, das ihr Arm mit der Flasche in der Hand zuckte. Sie ließ sie nicht fallen, dafür war sie zu geübt, doch es reichte um ein Paar Tropfen daneben gehen zu lassen.
"Ich habe nicht-", stotterte sie unterbrach sich dann aber um auf die Tropfen neben dem Glas und auf ihrer Hand zu starren. Auf der Gläsernen Oberfläche der Theke wirkten sie wie Edelsteine. Ich griff über den Barthresen hinweg, um nach den Servirten zu angeln, die direkt neben ihr ordentlich gestapelt lagen. Dafür musste ich mich auf die Stange stellen, welche an der unteren äußeren Seite der Bar angebracht ist und normalerweise dazu diente, beim sitzen die Füße darauf abzustellen.
"Das waren nur meine eigenen Gedanken." Ich legte die Stoffservierte auf die roten Tropfen, was sie aus ihrer Starre holte. "Wir alle wollen schließlich ein gesundes und langes Leben führen." Das war so weit hergeholt, dass die Frau einige Sekunden nur verstämdlislos blinzeln konnte. Ein leises lachen am anderen Ende der Bar ließ wieder Bewegung in sie kommen. Die Frau griff an mir vorbei nach den Servierten und trocknete sich die Hand ab. Viel gefasster sah sie auf, stellte mir das Glas hin und sah mich an. "Das würde ich Ihnen niemals unterstellen." Ich proste ihr zu und drehte mich dann langsam um.
Naomi hatte sich an das andere Ende der Bar gestellt, wo sie sich mit dem Barmann unterhielt. Ein wirklich attraktiver Mann schätzungsweise in Ethans Alter. Er hatte Sanblondes Haar und intesive Grüpchen, während er höflich lächelnd Naomis Bestellung vor ihr abstellte. Ein Martini, den sie jetzt langsam an ihre Lippen führte. Unsere Blicke trafen sich über den Rand ihres Glases hinweg und das auflammen ihrer Augen war auf eine verstörende Art und Weise beruhigend. Sie hatte sicher gehen wollen, schoss es mir durch den Kopf, dass tatsächlich ich es bin. Ohne Entourage, alleine von Haien umgeben, so wie früher, war ich wohl leichter für sie einzuordnen, als mit Hades und Jaswinda an meiner Seite, die sie von mir ablenkten. Nicht zu vergessen der übermäßige Alkoholpegel.
Ich erwiederte ihren Blick ruhig, während ich auf sie zuging, und löste ihn schließlich, als ich an ihr vorbei um die Bar herum trat. "Mia." Sie hatte ihre Stimme nicht gehoben, doch das Wort klang deutlich im ganzem Raum nach. Ich blieb stehen uns sah sie über meine Schulter hinweg an. Bei Professorin Melia hatte es schmerzhaft ausgesehen, doch ich sah wie das verweigern der vollen Aufmerksamkeit einen kleinen Riss in Naomis Maske zog.
Sie fing sich schnell wieder. "Mia Ryan." So hatte sie mich immer genannt. Sie hatte vorgezogen ihr Spielzeug beim vollständigen Namen zu rufen. Jetzt drehten sich doch einige Köfpe zu uns und Hades Abwesenheit war mir plötzlich schmerzhaft bewusst. Statt das Gefühl weg zu schubsen, zog ich es näher an mich heran. Spürte in mich herein und bewies mir damit selbst, dass ich trotz der direkten Konfrontation keine Panik, keine Hilflosigkeit spürte. Ich vergewisserte mich, dass ich mich in dem Jahr geändert hatte. Und ich würde diesen Prozess so oft wiederholen, wie es eben nötig war, um meinem Kopf und meinem Körper selbst in den schlimmsten Konfrontationen dies beizubringen.
Die kurze Pause die während meines Denkprozesses entstanden war nutzte ich mit einer intensiven Mustering ihrer Seits. "Naomi", erwiderte ich schießlich, wobei das Wort durch meine Lippen glitt wie Sirup. Süß und Klebrig. Als könne ich mich nicht entscheiden, ob ich das Wort nun mochte oder nicht.
Eine ihrer Augenbrauen zuckte und ihr Blick ging ihrerseits an mir herab, blieben kurz an den Schuhen hängen, welche ich so sorgfältig ausgesucht habe. Es gab nicht vieles, was Naomis Aufmerksamkeit anzog. Doch einer der ihr meist verhassten Dinge war, wenn jemand sich an den Sachen vergriff, die sie für sich beansprucht hatte. Wie braune Saint Lauren Stiefel mit einem extra angebrachten goldenen Pin am Schaft. Der Pin mochte etwas übertrieben sein, doch ich wollte sicher gehen, dass ich ihr ins Auge fiel, falls sie mich nicht erkannte.
"Wie lange ist es her", gurrte sie mit brennenden Augen.
"Noch nicht lange genug", antwortete ich und wandte mich sichtlich unspektakulär ab. Jetzt lag es nicht an mir, ihr eine Reaktion zu geben. Es war ihr Zug, auf mich zuzukommen. Das mochte jetzt gleich passieren oder aber ich hatte die Saat gepflantzt, in der ihr Hass gegen mich so brennend werden würde, dass sie mich zu dem Menschen brachte, vor dem sie es am meisten genoss, Übles zu verbreiten. Das und mehr hatte ich in Hades Berichten an mich erfahren, um die ich ihn gebeten hatte. Diese Informationen waren so gut unter verschluss gewesen, dass es mehr gebraucht hat, als einen einfachen Hackerangriff auf gewisse Datenbanken oder die private Datenbank der Denauxs zu durchforsten. Beide waren nicht nur verstörend, sondern beängstigent aufklärend gewesen, wie wenig das Netz doch vergaß und wie viel umstehende Leute wahrnahmen und anschließend an den meist bietenden verkauften.
Naomi schien beide Lektionen mehr als nur verinnerlicht zu haben. Ich wusste nicht wie, doch Hades hatte mehr als vierundzwanzig Stunden begraucht, um mir einen vollständigen Bericht zu liefern. Ein Rekord für ihn. Hades Wege waren unergründlich, doch nach seinem erneuten Auftauchen als Weiße Königin, flurierten seine Kontakte, als hätte man sie nie nieder gerissen. Beim ersten Überfliegen des Berichtes, hatte ich diesen Umstand bereut. Selbst jetzt rann mir ein Schauer über den Rücken. Vorsichtig ausgedrückt wusste ich nun, dass wenn ich Gabriel nie begegnet wäre und diesen Ort nie verlassen hätte... ich in den nächsten Monaten ihn in einem Leichensack verlassen hätte.
An der zweiten Tür im hinteren Teil des VIP Bereiches kam ich erneut zum Halt. Sie war mit einer Kordel abgespärrt, neben der zwei bewaffnete Männer standen. Trotz ihrer Masse und den Waffen, war ihre Anwesenheit so subtil, dass sie praktisch mit dem Raum verschmolzen.
Die Kordel diente nicht zu dekorationszwecken, sondern schaffte Raum zwischen der Tür und jedem anderen. Sie war statisch geladen und hinderten jeden, der sich gewaltsam Eintritt verschaffen mochte. Hier hinter befanden sich die Logen, die nach Rang der Familien (nahm es denn jemals ein Ende) geordnet waren. Dorthin begaben sich die Jungen Lords und Ladies, falls sie etwas festes zu sich nehmen oder einfach nur das Geschehen unter ihnen betrachten wollten. Dort ließen sie sich für einen Moment wahrscheinlich wirklich locker.
Und genau dort lag mein Ziel. Ich kaufte mir ein bisschen Zeit, in dem ich mit einem koketten Nicken den Wachen zunickte und einen kleinen Schluck von meinem Wein trank. Ein leises Flüstern entbrannte hinter mir.
"Warum denn so eilig!" Ein leises Lächeln entwich mir. Ein Arm legte sich um meine Schulter. "Wie der Zufall es will, habe ich gerade Hunger. Wenn du schon gehst, dann lass uns doch zusammen gehen und wir können aufholen, was wir verpasst haben." Ich sah mit neutralem Gesicht zu ihr auf, da sie größer war als ich. Meine kleine Aktion vorhin hatte sie wenig beeindruckt. Viel mehr schien es sie angestachelt zu haben. Manche Menschen waren gnadenlos zu durchschauen.
„Und wie der Zufall es will", fuhr sie fort, „ist in meinem Abteil noch ein Platz frei!" Das sagte sie so, als hätte das irgendeine Bedeutung.
Ihr Gesicht schwebte jetzt halb über meinem und sie genoss es sichtlich auf mich von oben herab anzusehen. Meinen neutralen Gesichtsausdrcuk beibehaltend, griff ich nach ihrem Arm und schob ihn von meiner Schulter. „Ist das eine Einladung?" Oder ein Befehl, ließ ich es unausgesprochen zwischen uns hängen. Sie nahm mir den Wein ab, ihren eigenen hatte sie nicht in der Hand, und trank einen langen Schluck.
"Eine Einladung natürlich." Ihre Zunge fuhr über ihre Lippen, leckten die Überreste des Weines weg. Ich folgte ihren Bewegungen mit Zusammengeniffenen Augen. Teils aus Show, teils weil ich den Wein wirklich für mich bestellt habe. "Ich verstehe", sagte ich langsam.
Wie aufs Stichwort ging ein grünes Licht über der Tür an und das leise surren der Elektrizität erstarb. Die Wachen, die die ganze Zeit über perfekt still gestanden habe, öffneten in einer fließenden Bewegung die Doppeltüren.
„Naomi." Eine von Naomis Freundinnen, ich glaube ihr Name war Kim, war hinter uns getreten. Naomi, die gerade hatte durch den nun offenen Eingang zur Hölle gehen wollen, schnaltzte ungehalten mit der Zunge. Wir beide sahen unsiono zurück. Ein Blick in Kims Gesicht sagte mir, dass sie sich sehr gut an gestern Nacht erinnern konnte. Kontrollierte Alkohol Zufuhr war ein Fertigkeit die von der breiten Masse viel zu sehr in Verruf gebracht worden ist und die mich jetzt zurückwerfen konnte.
„Willst du nicht lieber noch mit uns sitzen?"
Kim sah mich mit Angespannten Schultern an, während Naomi lediglich desinteressiert mit der Hand abwinkte. Kurz darauf zuckte sie zusammen. Ihr rechtes Handgelenk zierte ein seidenes Band, welches bei ihrer Bewegung verrutscht war und ein Stück des Blutergusses darunter zeigte.
Sie zog es schnell wieder zurecht. Ich sah absichtlich offen hin, was Naomi mit einem leichten Zusammenpressen ihrer Lippen quetierte.
„Wir sehen uns später Kim", verabschiedete sie sich kalt und ihre Hand schoss vor und griff nach meinem Handgelenk. Bereitwillig ließ ich mich mitziehen.
Die Tür war breit genug , so dass wir gleichzeitig hindurch passten.
Kurz bevor sie sich schloss, warf ich einen letzten Blick über die Schulter. Jeder im Raum hatte mitbekommen, was gerade passiert war. Zufrieden folgte ich Naomi den rot ausgelegten Gang entlang zu einem altmodischen Fahrstuhl.
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