18

Eine Soiree war eine Ansammlung an hoch gestochenen Menschen, die mit kleinen Taschen, teuren Schmuck und antiken Kleidern die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollten. Früher mochte es eine Veranstaltung zur Vertreibung der Langeweile gewesen sein, doch selbst alte Traditionen passten sich der Zeit an. Heute war es ein Ort der Müße und der Gelegenheit, Verbindungen zu schließen.

Ich arbeitete bis in die späte Nacht hinein, erstellte die perfekte Gästeliste, ordnete die Einladungen nach Wichtigkeit der anwesendzuhabenen Personen und suchte den passenden Ort dafür hinaus.

Am nächsten Morgen war ich wenig ausgeschlafen, der Kopf voll von allen möglichen Allergien, die bei der Essensbestellung zu beachten war und der Tatsache, dass trotz meiner Bemühungen, es nicht so aussehen durfte, als hätte ich mir allzu sehr Mühe gegeben.

Hades war diesbezüglich keine Hilfe. „Die Leute können sich selbst darum kümmern, ob sie an Erdnüssen oder an Erdbeeren ersticken würden", sagte er zum wiederholten Male, als er mir am Morgen einen Kaffee einschenkte.
Ich schüttelte lediglich den Kopf, mich weigernd ihm erneut meine Beweggründe zu erläutern. „Das hatten wir schon", sagte ich lediglich.

„Lass sie in Ruhe Hades. Siehst du nicht, dass es My Lady nicht gut geht." Jaswinda kam herein und brachte Hades überraschend zum schweigen. Ich war zu müde um überrascht zu sein, doch es entging mir nicht, dass Jaswinda von Tag zu Tag mehr aus ihrem eigen errichteten Verließ herauskam. Sie hatte soeben die Königin des Weißen Hauses in seine Schranken gewiesen. Ich lächelte in meine Tasse hinein, während ich einen Schluck nahm.

Das Koffein schoss durch mich und ließ mich leise aufatmend in meinem Sessel zurück sinken, den Hades mir ans große Panoramafenster gestellt hat. Ich hatte Jaswinda in einige Teile eingeweiht, so auch die Soiree, die ich geben wollte.

„Ich versuche My Lady lediglich von der Last zu befreien, die sie so Müde macht", erwiderte Hades zwar mit großer Verspätung, doch die Ruhe in seiner Stimme war verstörend genug, um es als Jaswindas Matt anzusehen.
Spätestens jetzt hätte sie den Kopf eingezogen, ihren Spielzug noch einmal überdacht. Ich verscheuchte diesen Gedanken und entschied mich erwartungslos zuzuhören.

„Und machst es damit nur schlimmer. My Lady's Plan benötigt vorsichtiger Planung, deine Einmischung wirft sie also nur zurück."
„Was weißt du schon von ihrem Plan?"

Das brachte Jaswinda zum schweigen. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Ich sah im selben Moment auf, in dem ihr Blick auf meinen traf. In ihren Mochabraunen Augen stand die leise bitte, die sie sich nicht traute auszusprechen. Vielleicht niemals trauen würde mir mit Worten mitzuteilen. Der Duft meines Kaffees stieg mir in die Nase und ich atmete ihn ein, als würde ich an einer verboten delikaten Blume riechen. Meine Sinne wachten langsam auf und ich wendete mein Gesicht der Sonne zu, welche durch das Panoramafenster schien. Noch waren ihre Strahlen nicht stark. Das warme prickeln auf meiner Haut war ein Luxus, in dem ich baden wollte. "Die Soiree ist mein Eintritt in die gehobene Geselschaft ", sagte ich nach kurzer Überlegung.

"Ist...ist das alles?"

"Ja", antowrtete ich ruhig. "Für dich schon."

Die aufgehende Sonne tauchte das The Heavens in ein trügerisches romantisches Licht. Es weckte in dem Betrachter den Glauben, dass dieser Ort seinem Namen gerecht wurde. Wie ein billiges Leinenspiel, beobachtete ich wie ihre Strahlen langsam jedes Dach bedeckten und daraus eine wunderschöne Kulisse zauberte. Doch selbst einzigartige Kulissen konnten nicht über schlechte Schauspielerische Leistungen hinweg täuschen. Eher früher als später stach es einem wie ein Dorn ins Auge. Das Anwesen der Denaux's muss eine ähnlich Ausstrahlung gehabt haben, schoss es mir plötzlich durch den Kopf.

"Hast du die Akte gelesen?", fragte ich Jaswinda, erneut ins Hier und jetzt zurückkehrend.
„Bis auf das letzte Detail."
„Erzähl mir von ihnen", forderte ich sie auf. Jaswindas Aufgabe, so unbedeutend sie auch für sie erscheinen mochte, war wichtig. "Ich möchte sicher gehen, dass du alles verstanden hast." Ich beobachtete weiter das Geschehen draußen, während Jaswinda zu erzählen begann.

„Sein Name ist Killian O'Connor. Er hat schottische Wurzeln, wuchs jedoch in Illinois auf, bei seiner Mutter. Seine Mutter ist die Erbin der Liem Hotelkette, doch trat ihr Erbe zugunsten ihres Bruders ab. Und weil sie nach dem Ehebruch ihres Mannes nichts mehr mit der High Society zu tun haben wollte. Aidan O'Connor, Killians Vater, gehört eine schottische Grafschaft und ein Scotch Unternehmen. Zwei Sachen, die Killian durch den Einfluss seiner Mutter verabscheut. Mehr denn je, als diese an Krebs und den fehlenden Geldmitteln für eine ordentliche Behandlung verstorben ist."
„Umstände, die ich mir zu Nutzen machen kann, um ihm Näher zu kommen."

„Warum sollst du ihm näher kommen", unterbrach ich sie sanft. Die Sonne wanderte immer höher und ich müsste mich bald fertig machen, um rechtzeitig in die Schule zu kommen.
„Sein Cousin ist Alistair, Lord Ethan's rechte Hand. Somit hat er einen Zugang zu einer der amtierenden mächtigsten Militärfamilien der Welt. Sein Vater hatte einiges Ansehen und immer noch Unterstützer  in der Familie."
„Das beantwortet nicht meine Frage."
„Kilian O'Connors Anwesenheit soll zu einem Dorn in der Familie werden und sie von innen Schwächen."

Zufrieden erhob ich mich. „Sehr richtig." An ihr vorbeigehend streifte meine Hand kurz ihre. Ein kurzes Stummes „Viel Glück."
„Ich erwarte Ergebnisse", sagte ich laut, während ich mit dem halb ausgetrunkenen Kaffee in meine Räume ging, wo ich sofort meinen Morgenmantel und das Nachthemd von mir schleuderte. Die Klimatisierte Briese strich begrüßend über meine Haut und sorgte für einen zusätzlichen Wach werdenden Effekt.

Auf dem unberührten Bett lag das Outfit bereit, welches ich mir gestern Abend ausgesucht hatte. Ich zog meine Arme durch die die Ärmel des Cashmere Jäckchen, welches als mein Oberteil fungierte. Das Beige hob dem Ton meiner Haut hervor und gab ihm einen gesunden Glanz. Dazu zog ich eine weiße Hose an, über die ich braune Overkneestiefel zog. Dafür setzte ich mich aufs Bett, obwohl dafür wohl die kleine Bank am Fußende des Bettes gedacht war.
Im Schlafzimmer hatte ich Hades das einrichten nicht überlassen.

Das Gefühl der Intimität hier drinnen war um einiges höher und es gab Sachen, die ich selbst, von allen anderen unberührt habe aufstellen wollen. Beim hochziehen des zweiten Schaftes lies ich meinen Blick zu dem Nachttisch gleiten, auf dem ein gerahmtes Foto von Maman oder Tante Cloè stand, in die Kamera lächelnd, neben ihr mein Vater oder ihr Mann. Ich konnte mich nicht erinnern, wann geschossen wurde oder woher es kam. Es war auf einmal auf meinem Smartbook gewesen. Ich erlaubte mir drei Sekunden mich in dem Bild, der Erinnerung zu verlieren. Bevor ich aufstand und ging.

„Hades, lass den Wagen vorfahren."
Leise wie immer glitt Hades an meine Seite. „Schon geschehen."
Die  Aufzugtüren öffneten sich wie von Sensoren gesteuerten Automatischen Türen. Ohne Anzuhalten betrat ich die Kabine und drehte mich zur Wohnung um. Jaswinda war aus der Küche getreten, ihre Augen fest auf mich gerichtet. „Viel Erfolg", sagte ich. Mit ihrem nicken glitten die Türen zu.

„Behalte ein Auge auf sie."
„Denkst du Jaswinda wird dich erneut verraten". Hades spannte sich sichtlich an und erinnerte mich dabei an eine Schlange, kurz bevor sie auf einen zuschoss und dir ihr tödliches Gift injizierte. „Nein, aber die Männer ihres Ex geliebten sind immer noch draußen... wie hieß er noch mal?"

Hades sah mich an und schüttelte den Kopf. „Nur du kannst den Namen des Sohnes eines der mächtigsten Untergrund Mitglieder vergessen."
Ich biss die Zähne zusammen. „Eine Eigenschaft an der ich arbeiten muss", murmelte ich. „Iwan hat Wunden hinterlassen, ist sie bereit für die Interaktion mit einem anderen Mann?" Hades überlegt nicht. „Das Mädchen hat viele Wunden, sie wird es überstehen."
„Ist was ich hören möchte", sagte ich. „Aber es ist nicht die Wahrheit."  Ich sah auf zu Hades, registrierte jede tiefe Linie und versuchte seine Wunden zu sehen. 
Die Türen öffneten sich.

Vivaldis Herbst empfing mich in der Menschenleeren, stillen Halle. Mein Frühes Fertig machen hatte sich gelohnt. Es war niemand da. Ich trat aus der Kabine und lauschte dem Echo meiner Schuhe, während ich die Eingangstür ansteuerte.

Es war eigenartig, mein Körper zog mich zum Haupteingang, doch mein Kopf führte mich zurück zum Notausgang, dort, wo ich Gabriel damals gefunden hatte. Die automatischen Türen öffneten sich und ich ließ die Halle, wie den Drang, meinen gewohnten Weg zur Schule zu nehmen, hinter mir.

Ein weißer Bentley war vorgefahren und wir stiegen ein. Im stillen inneren des Wagen wanderten meine Gedanken erneut zu dem Stück unbewachsenen Land, auf dem ich Gabriels Körper gesehen hatte. „Mia, wir sind da." Mein Kopf schoss angesichts Hades Stimme hoch. Überrascht stellte ich fest, dass ich den ganzen Weg zum Schulgebäude über Gabriels Leblosen Körper vor Augen gehabt hatte. Mit einem Blick auf die Heruntergefahrene Trennwand, fragte ich nach kurzem Zögern: „Was ist damals passiert, wie ist Gabriel dort gelandet?"

„Du meinst dort, wo du ihn gefunden hast?" Ich nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Davor, was ist davor alles passiert." Mein Kopf pochte, wie bei einem Deja Vu fühlte sich diese Frage vertraut an, als habe ich sie schon einmal gestellt. Doch langsam wusste ich nicht mehr was wahr oder falsch war. „Er hatte nach dir gesucht." Das hörte sich vertraut an. Dass Pochen in meinem Kopf wurde lauter.

Zwei kühle Hände legten sich sanft auf meine Schläfen und fast sofort schrumpften die angehenden Kopfschmerzen auf eine erträglichere Stufe ab. „Es wird mit der Zeit leichter werden", murmelte Hades, seine Raubvogelaugen auf mich fixiert. „Was?", fragte ich. Zu sehr von dem Gefühl seiner kühlen Hände abgelenkt.
„Die Flut an Informationen zu verarbeiten, ständig present zu sein, sich Gedanken darüber zu machen, was als Nächstes kommt. Es wird mit der Zeit leichter werden und du wirst dich weniger überfüllt anfühlen."

Ich schloss die Augen und erlaubte mir kurz meine Stirn an seine zu legen. Es war nicht anziehendes in dieser Situation zu, lediglich ein tiefes Gefühl der Vertrautheit.
Meine Gefühle für Ethan waren tiefer, Leidenschaftlicher und von einer ganz anderen Intensität, die ich vielleicht für keinen anderen Mann je empfinden würde. Aber diese Vertrautheit habe ich nie mit ihm besessen. Obwohl ich mehr Zeit mit meinem Mann als mit Hades verbracht hatte zu, war Hades ein Teil von meinem Leben, den ich nicht beschreiben konnte. Lediglich dass er da war und ich dankbar dafür war.

„Vergiss meine Frage von vorhin", murmelte ich und löste mich von ihm. „Es gibt wichtigeres." Hades neigte lediglich den Kopf und öffnete mir die Tür. Er gab mir einen spielerisch bedeutungsvollen Blick, als ich ihm folgen wollte. Stattdessen streckte er mit die Hand hin, eine leise Aufforderung in den Augen, sie zu nehmen. Innerlich die Augen verdrehend, griff ich nach ihr und ließ mir aus dem Wagen „helfen".

Es war sehr früh. Die Sonne war gerade aufgegangen und auch hier empfing mich eine wohltuende Leere. Das hieß, fast. Ein junger Mann mit einer Tasche voller Bücher und einer abgetragenen Schuluniform gaffte mich an. Neben ihm stand ein Mädchen, welches die gleichen blonden Haare, die gleichen Blauen Augen und die gleichen Gesichtszüge hatte, wie der Junge.

Hades war unauffällig einen Schritt zurück getreten, gab den offensichtlichen Geschwistern einen guten Blick auf mich, den Bentley und ihm selbst. Innerlich kopfschüttelnd, lief ich an ihnen vorbei und betrat das Schulgebäude.

„Was sollte das?", fragte ich ihn mittels unserer Key Verbindung.
„Das waren Stipendiaten. Alba und Micheal Collini", war seine Antwort.
„Collini?" Der Name kam mir bekannt vor.
„Freunde vom O'Connor. Ich dachte ich sollte ihnen einen guten Blick auf Madame geben und es umso schneller an O'Connor weiter zu geben."
Wir erreichten die Treppen und Hades folgte mir in den ersten Stock hinauf.
„Wozu soll das gut sein? Jaswinda ist diejenige, die einen guten ersten Eindruck braucht."
„Und einen ersten Eindruck von Jaswindas Vorgesetzten wird genau das erleichtern. O'Connor wird  sehen was er sehen möchte. Zunächst eine unterdrückende Frau, welche aus einem zu privilegierten Leben stammt und im Nachhinein, wenn wir ihn auf unserer Seite haben,  die starke Frau, die immer den Kopf oben behält."

Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. Wir waren kurz vor der Tür zu dem Klassenraum, in dem meine erste, und ironischerweise damals letzte, Stunde stattfinden würde. „Du klingst zu zuversichtlich. Dass könnte zu deiner Stolperfalle werden."

Hades sah mich ernst an. „Ich rede aus Erfahrung, My Lady."
„Dann hoffen wir, dass deine Erfahrung sich bewahrheitet." Es zuckte in meiner Hand, sie auszustrecken und sie ihm an die Wange zu legen. „Lass dir nicht allzu viel Zeit mit Captain Lincol, nimm dir ein wenig Zeit für dich selbst" , sagte ich stattdessen.

Hades Falkenaugen gaben keinen Hinweis darauf, ob er mich gehört hatte oder nicht. Hades Privatleben / Vergnügen war für mich praktisch nicht existent. Und ich vermutete es ging ihm ähnlich. „Halte mich auf dem laufenden." Ich ließ ihn im Gang stehen. An kostbaren Gemälden vorbeigehend, betrat ich am Ende des Ganges meinen alten Klassenraum.

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