14
Ohne es zu wollen, war ich Neugierige geworden. Wer war dieses Mädchen, die sich an diesem Ort an Schokolade erfreute.
Es war wie die Neugier bei dem Griff in ein Bücherregal. Der Buchrücken sah interessant aus, der Titel stach einem ins Auge und ohne es zu wollen, wollte man mehr wissen. Ob einem der Ausschnitt dann gefiel oder nicht, war eine Frage von Zeit.
Egal wie man es drehte und wendete, hatte man viel Zeit zur Hand, würde man eher dazu neigen, dass Buch zu kaufen, auch wenn der Ausschnitt nicht so ansprechend wirkte, wie vielleicht der Einband. Letztendlich war es nur ein Ausschnitt des ganzen und zur Not würde das Buch einfach eine hübsche Ergänzung im eigenen Bücherregal werden.
„Miss... Ich fühle mich dazu verpflichtet... es ist illegal in ein fremdes Zimmer einzubrechen".
Ein einzelner Funken Verstand hielt mich davon ab, zu dem Captain herum zu fahren und offen in sein Gesicht zu lachen.
Meine Definition von illegal hatte eine neue Bedeutung angenommen.
Und wenn man es offiziell betrachtete, hatte ich illegal dieses Gelände betreten. Der Ring wies mich nicht unbedingt als eine Schülerin aus und wie es schien, war Mia Ryan bereits ersetzt worden.
„Ich habe nicht gewusst, dass mein Zimmer bereits weiter gegeben wurde", sagte ich, ohne den Captain dabei anzusehen, sonst hätte ich vielleicht wirklich angefangen zu lachen... dass hier war das un-illegalste was ich in dem letzten Jahr gemacht habe. Obwohl er im Recht war. Es fühlte sich an, als würde ich das Sanktuarium einer anderen Person beschmutzen. Wenn der neue Bewohner mich hier fand, würde sie sich dann noch sicher fühlen?
„Wo werden die Sachen der alten Bewohner hingebracht?" Ich drehte der Schokolade den Rücken zu und schloss innerlich eine Tür, von der ich nicht gewusst habe, dass sie noch offen gewesen war. Das Leben der Mia Ryan.
Captain Lincols Gesicht war nichts sagend, als er sagte: „Sie werden weggeschmissen."
„Dann sind wir hier fertig." Ohne mich noch einmal umzudrehen, verließ ich das Zimmer. Es war schade um den Kalender und das Lexicon von Schrauben, in das ich eine Kuhle geschnitten hatte, um Mamans Bild und Spange zu verstecken.
„Vielleicht ist es noch nicht zu spät", sagte der Captain in einer Hast, in welcher ein Außenstehender meinen könnte, ich würde dem Mann den Kopf abreißen, wenn er etwas Falsches sagte.
„Nicht nötig."
Der Captain schien nicht beruhigt, doch ich beließ es dabei. Wir liefen den Gang zurück zur Haupthalle. In Gedanken versunken bemerkte ich erst, dass wir erneut in der Haupthalle angekommen waren, als ich die Stimme hörte, die mir das Leben hier am meisten zur Hölle gemacht hat.
„Es wird ein Banket geben! Mutter hat mir versprochen ein neues Kleid anfertigen zu lassen." Naomi und ihre Entourage, alle in glitzernden Kleidern und wunderschön gestylten Haaren schritten zu den Silber markierten Aufzügen, als würde ihnen die Welt gehören. Und so benahmen sie sich auch.
Die ohnehin schon leise Laute zurückwerfende Halle, warf ihre lauten Stimmen um das Gut zehnfache zurück und ließen jeden weiteren an ihrer Konversation teilhaben. „Es wird aus golden durchzogener Seide gefertigt!"
Beim näher kommen erkannte ich das rote Glühen in ihren Wangen und den leichten Alkoholgeruch. Meine Schritte fühlten sich dabei schwer wie Blei an. In den Nächten hier hatte ich vor Angst vor ihr unter Magenkrämpfen und Albträumen gelitten.
Ich hatte sie nicht so bald wiedersehen wollen.
„Meine Schwester war bereits auf einer von Lord Lockhearts Feiern", lallte Naomi. Jaswinda schnappte nach Luft, was nicht unbemerkt an der Gruppe Junger Frauen vorbeiging, da der silberne Aufzug nur wenige Meter von dem goldenen Stand. „Was ist", fauchte Naomi in unsere Richtung, kaum, dass Jaswinda ihre Atmung wieder im Griff hatte.
Das gleiche hatte ich sie auch fragen wollen. Der Name Lockheart war in diesen Kreisen nichts ungewöhnliches. Doch Jaswinda sah aus, als hätte sie eine Migräne. Naomis Blick wich sie stur aus. Was Jaswinda nicht wissen konnte, war, dass Naomi es nicht gewohnt war, ignoriert zu werden und das ihr schlechtes Temperament dementsprechend ausholte.
Trotz ihres, vom Alkohol, unsicheren Gleichgewichtes, stolperte oder strauchelte Naomi nicht einmal, als sie wenigen Schrittes bei uns war, und nach Jaswinda ausholte. Erst jetzt sah ich die halbvolle Flasche Rum in ihrer Hand.
Captain Lincol hatte sich ein paar Menter entfernt. Er war in ein Gespräch mit einem seiner Männer versunken, wirbelte jedoch sofort in unsere Richtung, als das Klirren, der auf dem Boden aufkommenden Flasche sofort alle Aufmerksamkeit auf uns zog.
Naomi war die Flasche mit einem gezielten Griff auf das Handgelenk aus der Hand geschlagen worden.
In einem ordentlichen, schwarzen Anzug, war der Junge Mann aus dem nichts erschienen und hatte den Schlag so schnell ausgeführt, das man meinen könnte, er hätte sich überhaupt nicht bewegt.
Jetzt zog er mit deutlich langsameren Bewegungen ein Stoff Taschentuch aus der Innentasche seines Jackets und trat, um Jaswinda herum, auf mich zu. Mit den gleichen , langsamemBewegungen streckte er die Hand aus und wischte mir die wenigen Tropfen Rum aus dem Gesicht.
„Du hättest deine Herrin besser abdecken müssen, Jaswinda", sagte er kalt, die Raubtiervogel Augen düster. Lächelnd nahm ich ihm das Tuch ab, und kümmerte mich selbst darum, mich sauber zu machen. „Hättest du nicht eingegriffen, hätte sich Jaswinda selbst darum gekümmert."
Hades drehte sich zu Naomi und Jaswinda, dass Gesicht wieder eine glatte Maske, und beobachte akribisch Namis, nun, erschrockene Haltung und Jaswindas erhobene Hände, die Finger zu Krallen geformt.
„Du hättest dich zurückhalten sollen."
Durch seine Einmischung hatte ich eine faszinierende Show verpasst.
Was auch immer Jaswinda an Naomis Aussage verstört hatte, sich selbst zu verteidigen hatte sie darüber hinaus nicht vergessen. Meine Angestellte hatte ein ganz eigenes Temperament.
Naomis hingegen schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
Sie sah viel mehr verstört aus. Was angesichts ihres anschwellenden Handgelenkes nicht wirklich überraschend war. Zusätzlich blutete sie aus einem Schnitt dort. Ich konnte mir nicht erklären, wie eine der Scherben sie dort hätte erreichen können, doch es waren schon werkwürdigere Dinge passiert.
Ich trat zu ihr. Ihre Augenlieder flatterten und sie trat unbewusst einen Schritt zurück, was ich lediglich mit einem Lächeln quotierte. „Ihr Handgelenk", sagte ich sanft. Ihr Blinzeln verstärkte sich, doch sie streckte es Stirnrunzelnd, mit Blick auf Hades, aus. Ich betrachtete den Schnitt, der nicht besonders tief war, und wickelte schließlich Hades Tuch darum.
„Deine Dienerin sollte sich beim mir entschuldigen!", fauchte Naomi plötzlich.
„Jaswinda war unhöflich", stimmte ich zu. Auch wenn man es kaum als lauschen bezeichnen kann, wenn man nicht anders kann, als zuzuhören, gehörte es sich nicht, irgendwelche Reaktionen auf fremde Gespräche zu zeigen. „Solche Angestellte sind unnütz!"
Das Tuch war fertig gebunden, fehlte nur noch der Knoten. Ich schlang die Enden umeinander und hielt die losen Zipfel in beiden Händen. Dann sah ich zu Naomi auf. „Eine Unachtsamkeit wurde begannen", wiederholte ich mich, „aber mit welchem Recht gehen sie mit einer Flasche auf sie los."
Meine Mundwinkel sackten nach unten. Ich zog die Enden mit aller Kraft zusammen, so dass sich das Band mit einem festen Ruck um Ihr Handgelenk schlang. Naomi ging mit einem lauten Schrei auf die Knie. Ihr schwellendes Handgelenk schützend gegen ihre Brust drückend.
„Was machst du da!", kreischte eine ihrer Freundinnen und kam an ihre Seite gestolpert. Aber ich war hier fertig. Ich drehte ihnen den Rücken zu und bemerkte sofort Captain Lincol, der von dem jungen Mann geblockt wurde, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Das ließ ihn in einer seitlichen, für jeden anderen Menschen komischen, für ihn eleganten Pose zurück.
Ob und wie er hatte einschreiten wollen war mir gleich, aber ich wollte auch nicht auf die Liste von verwöhnten Prinzessinnen von ihm gesetzt werden. Nicht, wenn mir an seiner Bekanntschaft noch etwas lag.
Doch sein Fokus lag nicht auf mir oder Naomi, sonder auf den jungen Mann vor ihm.
Ich setzte eine etwas lockerer Miene auf. „Captain, darf ich ihnen meinen Sekretär vorstellen. Hades. Und Hades, dass ist Captain Lincol, zuständig für die Security hier."
Ich sah, wie Hades Lippen sich zu einem Lächeln verzogen. Es bestand lediglich aus Höflichkeit.
„Ich bin gleichzeitig My Ladies Bodyguard, wir werden uns also wohl auch in Zukunft über den Weg laufen." Er streckte Captain Lincol die Hand hin, die dieser mit etwas Verzögerung ergriff, ohne eine Miene zu verziehen.
„Willst du sie nicht verhaften!", schrie Naomi hinter uns auf und es dauerte, bis ich begriff, dass sie es zu dem Captain sagte. Ich dachte, ich müsste etwas erwidern. Doch so jemand wie Naomi war einer logischen Konversation nicht fähig.
„Der Aufzug ist da, My Lady."
Ich nickte Jaswinda dankend zu, der Aufzug musste schon vor einer Weile angekommen sein, doch ohne die Registration des Key-Ringes öffnete er sich nicht. „Das Gepäck kann nachgeschickt werden, Hades wird sich darum kümmern", sagte ich zu der Captain, der Naomi gar nicht beachtete. „Natürlich", antwortete er und mit einem Nicken von Hades stieg ich in den Aufzug.
„Hey!" Die Tatsache, von jedem ignoriert zu werden, hatte bei Naomi das Fass zum Überlaufen gebracht. Mit einem fiebrigen Glanz wollte sie sich auf mich stürzen, kam jedoch im letzten Moment zum Stillstand. Lautlos wie ein Einbrecher hackte ich meinen Ring in das System der Aufzuganlage und hinderte die Türen daran, sich zu schließen. So dass Naomi einen guten Blick auf das Zeichen auf der Aufzugswand hinter mir bekam.
Ein Kreis, in dessen Rand zehn Sterne eingelassen worden war und in dessen Mitte ein Kranz aus Lorbeeren eingebettet worden war. Ein Bewegung lenkte meine Aufmerksamkeit auf jemand hinter Naomi. Etwas entfernt erblickte ich über ihrer rechten Schulter George, der schockiert erst much und dann ebenfalls auf das Zeichen hinter mir war. Von all den Monstern hier, war es ausgerechnet George, der mich zuerst erkannt hatte.
„Mia?"
Hades Stimme ertönte in meinem Kopf, sagte mir, dass ich die Türen vielleicht einen Tick zu lange offen gelassen hatte. Ich lockerte den Gruff auf das System und ließ sie sich schließen. Sofort setzte sich der Aufzug in Bewegung.
„Pass das nächste mal besser auf, welche Geräusche du von dir gibst", sagte ich in die Stille der Kabine hinein. Mein Ton klang selbst in meinen zu hart. Georges Erscheinen hatte diesem Abend einen wirklich schlechten Nachgeschmack verliehen.
„Sie sprachen von der Party an der ich euch das letzte mal vergiftet habe... und Lord Lockheart fast seine gesamten Gäste umgebracht hatte."
Beinahe hätte ich darüber gelacht, dass sie über ihren Anschlag auf mich so locker sprach, aber sich über Ethan's Verhalten so vorsichtig ausdrückte, als würde sie auf Glas laufen.
Doch mir war nicht nach Lachen zumute. Ich wirbelte zu Jaswinda herum, den grausamen Anblick von der Blut durchtränkten Wiese vor Augen. „Naomis Schwester war dort?" Als Jaswinda mir nur einen nichts sagenden Blick gab, wurde mir klar, dass sie nicht wissen konnte, wer sie war, da sie Naomi heute das erste Mal gesehen hatte. „Finde heraus, wer sie ist."
„Sehr wohl!"
Ich wusste nicht, weshalb es mich so sehr interessierte, doch wenn es in Naomis Bekanntenkreis ebenfalls Familien gab, die an jenem Abend Verluste erlitten hatten, würde es mir das schließen der Richtigen Kontakte vielleicht um einiges erleichtern.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top