13

Mia

"Captain Lincol, ehemaliger Seargant der dritten Division für Außeneinsätze", stellte sich der Mann vor und stellte sich, mit gesunkener Waffe, vor seine Männer. Er schirmte mich damit von seinen Männer ab, die ihre Waffen noch nicht gesenkt haben.

Diese Reaktion sorgte für offensichtliche Verwirrung bei denjenigen, die nicht bei dem Anblick des Ringes reagiert hatten.

Ich registrierte diese kleine, doch bedeutende Information, ohne mein Lächeln einen Millimeter verrutschen zu lassen. "Angenehm, Captain Lincol." Ich streckte ihm die Hand entgegen. Er ergriff sie nach einem kurzen Moment des Zögerns. Er war kurz genug gewesen, als das seine Männer es bemerkt hätten, doch lang genug für mich um es merkwürdig zu finden.

Ich hatte nicht viel Kontakt zum Militär gehabt, außer der Divisionen meines Mannes, doch mindestens ab dem Rang eines  Seargants, wurde einem das  Zögern abtrainiert.

Als seine Haut den weißen Ring streifte, verspannte sich sein Körper minimal.
Aus einem Gefühl, fast schon einem Reflex folgend, ließ ich den Ring ein wenig vibrieren. Ganz leicht nur.
Captain Lincols Hand schnellte zurück.
Neben mir stieß Jaswinda ein zischendes Geräusch aus und ich meinte etwas wie: „Unhöflicher Bastard", zu hören.

Ich warf ihr einen strengen Blick zu. Es war besser, nicht gleich am ersten Tag sich bewusst einen Feind in der security zu machen. „Verzeihung, Madame", murmelte der Captain, der nichts von Jaswindas Ausbruch mitbekommen zu haben schien.
Ich winkte ab. „Alles in Ordnung, Captain."
Mit der Bewegung meiner Hand flackerten die Lichter um uns herum, was selbst mich kurz überrascht inne halten ließ.

„Jemand sollte sich die Stromversorgung ansehen", sagte mein Fahrer nach einem Moment des Schweigens, bevor er sich mit einer leichten Verbeugung zu mir umdrehte und zurück zum Auto ging. Ich wusste nicht, was er vorhatte, doch ich vertraute ihm genug, um ihn kommentarlos zu lassen.

Wenige Sekunden später hörte ich das schnurren eines Motors und Reifen auf Kies.
Captain Lincol räusperte sich. „Wir werden sie selbstverständlich bis zum Turm begleiten, Madame."

Der Wagen kam hinter uns zum stehen. Die eingeschalteten Scheinwerfer ließen meinen Schatten in schiere Unendlichkeit erstrecken. Er verleibte sich Captain Lincols ein und zog an den anderen Männern vorbei. Unantastbar und unbemerkt, da Schatten dazu tendierten geheimnisvoll zu sein. Wie oft hatte ich mir gewünscht, genau das zu sein. Und das genau an diesem Ort.

"Nach ihnen, Captain", sagte ich. Mit der Hand wies ich höflich in die Richtung der dunklen Fahrzeuge, die Abseits der Einfahrstraße standen und die, auf den ersten Blick, mit der Nacht und den von den Licht erzeugten Schatten verschmolzen. Der Captain blinzelte überrumpelt, nickte aber anschließend. "Natürlich." Er drehte sich zu seinen Leuten, machte eine Handbewegung und ich beobachtete erstaunt wie sie sich sofort aufrichteten und zurückzogen.

Sah so ein eingespieltes Kommando und bedingungslose Loyalität aus? Ich drehte mich um. "Komm", sagte ich geistesabwesend zu Jaswinda. Es dauerte einen Moment, bis sie mir folgte. Ihre Schultern wirkten seit betreten des Geländes aus Granit. Jaswinda, wie sie nun mal war, wann war sie jemals wirklich entspannt, hatte sich dazu nicht geäuerst, weshalb ich ebenfalls geschwiegen hatte. Der Umstand ihrer Emotionen waren mir immer hin mehr oder weniger bewusst, doch erst jetzt, mit Captain Lincols Männer als Vergleich, wurde mir das ausmaß ihrer Angespanntheit wirklich bewusst und der darunterliegenden Abgrund. Und es verzweifelte mich, gelinde gesagt, dass sie nach allem, was passiert ist, nicht den Mund aufmachen konnte. Wir stiegen zurück ins Auto und im inneren des Wagens gab ich seufzend nach. "Was gibt es?"

"Nichts", erwiderte Jaswinda eine Spur zu schnell. Der Wagen setzte sich in Bewegung und ich konzentrierte mich darauf die Lichter auszuschalten, wenn wir an ihnen vorbeifuhren. "Sag es", brach ich das Schweigen, gab Jaswinda eine letzte Chance auszusprechen, was ihr wohl seit meiner ersten Offenbarung, zurück zur Schule zu gehen, auf der Zunge lag. Wir fuhren bereits die Auffahrt zum Turm entlang und wenig später würde ich knietief in der Verarbeitung meiner eigenen Albtärume stecken.

Entgegen meiner leisen Hoffnungen, hielt Jaswinda den Mund. Ich schloss die Augen und lehnte meine Stirn an das Kühle Fenster, während unser Wagen das letzte Mal an diesem Abend für mich hielt. Direkt vor dem Haupteingang des Turmes. Enfernt meinte ich Vivaldis Herbst zu hören, ein Stück, welches häufiger in der Haupthalle gespielt wurde, nur nicht zu dieser Stunde. Ein wenig aufheiternd beobachtete ich, wie Captain Lincol und unser Fahrer sich auf dem Weg zu meiner Tür anrempelten und jetzt umeinander herumtanzten, als ginge es um das letzte gute Stück Lasagne in einer Schulmensa. Ich wollte gerade aussteigen, beiden zuvorkommend, mir die Tür zu öffen, als Jaswinda doch den Mund öffnete.

"Traut ihr Captain Lincol?"

Ich hob eine Augenbraue. "Einem Mann dem ich gerade erst begegnet bin?" Die Gegenfrage war offensichtlich rethorisch, dennoch überlegte ich, bevor ich ihr wahrheitsgemäß antwortete: "Nein." Captain Lincol schien ein kompetenter, seinen Männern gegenüber loyaler Mann zu sein. In das Vertrauensfeld eines solchen Menschen zu treten, kostete arbeit. Er würde umgekehrt keinen im Glauben lassen, Vertrauenswürdig zu sein, wenn er es nicht war. Jedenfalls behauptete das mein Instinkt.

"Er vertraut euch auch nicht und es wird schwierig sein, das Vertrauen zu solch einem Menschen aufzubauen. Ihr braucht jemanden, der den Kontakt aufrecht erhällt, wenn ihr hier richtig Fuß fassen möchtet."

Langsam richtete ich mich auf. Jaswidnas Worte sackten schwer auf mich nieder. "Und du glaubst dein Temperarment könnte das zulassen?" Dieses Mal hoben sich beide Augenbrauen. Die Junge Frau mir gegenüber hob den Blick und streckte das Kinn heraus. "Ja."

Meine Lippen zuckten und es kostete mich, um das aufkeimende Lächeln nicht zu einem vollen Grinsen ausarten zu lassen, zu mal da unser Fahrer inzwischen den Tango gewonnen hatte und zielstrebig auf meine Tür zusteuerte. Es würde meinem frischen Auftreten nicht helfen, gureslig grinsend mich der Welt zu stellen. "Nein", sagte ich, sobald ich meine Gesichtsmuskeln genug unter Kontrolle hatte, "dass glaube ich eher weniger."

"Was- Aber ich kann-"

"Ich weiß", unterbrach ich sie. "Doch warum das Feuer nehmen, wenn es zielgerichtet die richtigen Leute verbrennen kann." Jaswinda mochte es vielleicht selbst noch nicht wissen, doch sie war gefährlich, und ich wäre dumm, würde ich diese Waffe nicht in meinem Arsenal gebrauchen.

Bevor sie etwa erwiedern konnte, wurde die Tür aufgerissen. "My Lady!", brach es leicht Atemlos aus dem Fahrer heraus, während er mir die Hand hinhielt. Aus Höflichkeit ergriff ich sie. An Captain Lincol vorbeizukommen hatte ihn mehr Anstrengung gekostet, als ich auf den ersten Blick gedacht hatte.

Obwohl der späten Stunde, blieb mein Auftreten nicht unbemerkt. Erst recht nicht mit der undurchsichtigen Security Einheit des the Heavens als Eskorte. Schüler, die gerade von weiß wer woher zurück kamen blieben stehen und mussten zwei mal hinschauen, als auch der Rest von Captain Lincols Männern ausstiegen und sich um mein Gepäck kümmerten.

Der Turm war so ausgerichtet, dass Menschen ohne Key-Schlüssel ihn nicht betreten konnten oder nur unter Georgs, der Name schmeckte wiederwärtig auf meiner Zunge, speziellen Erlaubniss. Ich hatte nie verstanden, weshalb jemand wie George an den Empfangsthresen des Turms gesetzt worden war, welcher schließlich als Behausung für eine elitäre Gruppe Schüler und Studenten diente. Vergiss den elitären Part, ich verstand nicht, weshalb ein perverser pädophiler wie er überhaupt einen Job bekommen hatte.

.... Bis ich einen Blick in seinen Lebenslauf hatte werfen können. Das Schwein war mit einem so obszön hohem IQ gesegnet, dass seine Fähigkeiten am Computer einem schon fast Angst machten. Ich nahm vom Fahrer meine Tasche entgegen, vergewisserte mich unauffällig, das Captain Lincol anwesend war, und schulterte mich innerlich auf das erneute Betrten einer meiner persönlichen Höllen. Es war keine Angst, sondern ein Schritt aus meiner Comfort Zone.

Ich setzte mich in Bewegung, blieb dann aber noch einmal kurz stehen. "Hier." Ich förderte einen Hundert Dollar Schein zutage und gab sie dem Fahrer. Dieser nahm ihn und tippte sich einmal gegen die Krempe seines Hutes. Ich erwiederte die Geste, hauptsächlich, weil sie mir gefiel, und trat an den Schülern vorbei in den Turm. Ich hatte kurz gebangt, dass der Ring vielleicht doch an seine Grenzen stoßen würde, doch er verband sich mühelos mit dem Sicherheitssystem des Turmes.

All die Zeit, war ich im Besitz eines solch mächtigen Asset gewesen, und hatte nie darauf zurückgegriffen. Angst konnte vieles in einem Menschen anriechten.

Die Eingangshalle war wie in meiner Erinnerung. Groß, glanzvoll und von klassicher Musik erfüllt. Es hielten sich nur wenige Schüler hier auf, die Gemeinschaftsräume, von denen ich bisher nur gehört habe, befanden sich in den oberen Stockwerken. Georgs Platz war ebenfalls leer, was mich überraschend enttäuscht zurück ließ. Ich schätze, ich wollte es hinter mich bringen.

"Stellen sie die Koffer fürs erste dort ab", ich zeigte auf eine kleine Sitzgruppe. "Es gibt einen Ort, den ich vorher aufsuchen muss."

Captain Cornel wandte sich sofort an seine Männer, wofür ich ihm dankbar zunickte. Ich musste ein Lächeln unterdrücken, als er gleich alle Männer, außer ihm, darauf ansetzte, sie ja nicht aus den Augen zu lassen. Der Captain schien entweder einen äußerst gesunden Menschenverstand zu haben oder er besaß einfach nur einen komödiantischen Drang zu Dramatik. Amüsiert und mit deutlich leichterem Herzen setzte ich mich in Bewegung. Jaswinda und Captain im Schlepptau, selbst, wenn ich sie nicht wirklich wahrnahm.

Es war ein Gang von vielleicht Fünf Minuten. Es war komisch, trotz der Panik, die ich in der Vergangenheit immer gespürt hatte, wann immer ich den Flur zu meinem alten Zimmer entlanggelaufen war, schien von dieser Panik herzlich wenig zurückgeblieben zu sein.

Jaswinda und des Captain wegen, blieb ich vor meiner Zimmertür nicht stehen. Selbst, als es sich komisch anfühlte, die Hand auszustrecken und die Tür mittels des Ringes zu öffnen, als käme ich gerade von einem langen Schultag zurück.

Mia Ryan war immer noch das Mädchen, welches ein Zimmer im untersten Stock des Turmes besaß.
Mia Ryan war immer noch das Mädchen mit dem Wandkalender mit den roten Kreuzen. Ich hatte im the heavens nicht viel zurückgelassen, keine großartig wertvollen Objekte und keine Freunde. Letzteres war nicht überraschend, schon in Queens war ich nicht besonders gut darin gewesen, Freunde zu machen. Mal wollte ich von der Welt in Ruhe gelassen werden und mal hatte ich mich nach sozialer Interaktion gesehnt. Und keinem hatte ich diese Launen zumuten wollen.

„Dürfen wir überhaupt hier sein", fragte ich unbewusst laut, mehr zu mir selbst, und sah mich in dem liebevoll eingerichteten Wohnzimmer um. Halb neidisch, halb froh, dass der neue Besitzer was aus diesen Räumlichkeiten gemacht hat. Es gab ein ordentliches Sofa, auf der eine weiche Decke lag, ein kleines Regal, welches überlief mit verschiedenen Boxen auf denen überall Tee drauf stand und die Küche war unordentlich ordentlich. Auf dem Couchtisch standen zwei Tassen, statt einer, und daneben lag eine halb aufgegessene Schokoladen Packung.

Es juckte mir in den Fingern, sie aufzuheben und einen Bissen davon zu nehmen.
Auf der Verpackung stand dunkel mit Marzipan gefüllt, eine Sorte die viele verabscheuten, ich jedoch liebte. Doch ich hielt mich zurück. Einst, war dieser Ort meine Zufluchtsstätte gewesen, ihn jetzt so zu sehen, schnürrte mir die Kehle zu. Ich war ein Eindringling und ein Dieb, wenn ich diese Schokolade essen sollte.

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