10

Mia

Es war nicht viel, und doch so viel mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte.

Logisch betrachtet war, außer der letzte Part, nichts, was Alistaire mir erzählt hatte, wirklich hilfreich. Wenn überhaupt sorgten sie für nur noch mehr Fragezeichen in meinem Kopf. Nach der Erwähnung der ehemaligen Lady Lockheart und ihrem Tod war er in ein nachdenkliches Schweigen verfallen und war bis zu unserer Ankunft am Flughafen nicht einmal mehr bereit gewesen, mir in die Augen zu sehen. Innerlich hatte ich mir bereits eine Markierung zu Ethans Mutter gemacht. Sie würde einer der ersten Personen sein, zu denen ich Jaswindas Großmutter ausfragen würde. Wenn alles gut gelaufen war, müsste sie bereits auf den Weg nach Las Vegas, wenn nicht schon im The Heavens sein. Zusammen mit Hades.

Der Wagen fuhr auf Dubais privaten Flughafen ein und entweder die Security wurde bereits im Vorfeld über unsere Ankunft benachrichtigt, oder aber Ethan hatte dafür gesorgt, dass seine Autos bestimmte Kennzeichen trugen, so oder so hielt uns niemand auf. Sämtliche Schranken und Kontrollen ließen uns unaufgefordert passieren. Es überraschte mich nicht, dass auf dem Flugplatz bereits ein Jet startklar vorgefahren wurde. Links und rechts von dem Treppchen, welches ins innere des Jets führte, stand die Boardcrew und die Piloten aufgereiht. Das Bild erinnerte mich an ein Szene aus einem altem Film, wenn das gesamte Hauspersonal bei der Rückkehr ihres Herrn nach draußen gerufen wurde, um ihn zu begrüßen.

Es schrie geradezu nach der Handschrift meines Mannes. "Was meinst du", fragte ich Alistair, als der Wagen zum stehen kam. "Warum lässt er mich so einfach gehen?" Jeder noch so größte, Begriffsstutzigste Mensch hätte erkannt, dass Ethan über meine Entscheidung nicht glücklich war. Und wenn Ethan über etwas nicht glücklich war... nun, dann arrangierte er es so, dass die Welt wieder im Reinen für ihn war.

"Habt ihr es denn noch immer nicht begriffen Madame?" Überrascht über Alistairs herausfordernden Ton ließ ich meine inne Unruhe kurz durchblitzen. Wie schaffte es Ethan vor anderen nur immer so beherrscht zu sein? Wenn er mal die Zügel verlor, dann tat er dies ebenfalls mit einer Logik, die jeden General in den Schatten stellte. "Mit solchen Aussagen, macht ihr euch selbst zu jemanden, der Mylord untersteht. Mylord sieht euch als ebenbürtig!"

Alistair hatte recht, natürlich hatte er das. Jeder bestimmte selbst, wie viel er Wert war. Doch eines hatte der Schotte noch nicht ganz verstanden. Niemand konnte das Verhalten eines anderen steuern. Außerdem bezweifelte ich, dass er wusste, wie ich Ethan gedroht hatte, ihn zu verlassen. Nicht physisch, ich bezweifelte, dass irgendjemand in der Lage wäre, mich aus Ethans Klauen zu holen. Am allerwenigsten ich selbst.

"Gewiss", sagte ich, trotz meiner innerlichen Bedenken, dass Ethan mich wirklich auf Augenhöhe hielt. Ich stieg ohne ein weiteres Wort aus und überließ es Jaswinda und dem Fahrer, sich um das Gepäck zu kümmern. Nein, noch war mein Mann nicht voll und ganz da angekommen, wo er jemand ebenbürtigen zu sich an die Spitze holen würde. Es stimmte, er hatte mich zu sich geholt und es entsprach den Tatsachen, dass er mehr auf meine Worte und Gefühle einging, als das ich mir jemals zu hoffen erträumt hatte, doch wirklich zu sagen, hatte ich nichts. Dass hatte das Feuer bewiesen.

Innerlich schüttelte ich über mich selbst den Kopf. Weshalb hatte ich überhaupt gefragt. Meine Gedanken um Ethan und mich gestaltete sich langsam zu einem Teufelskreis. Ich hätte Alistair lieber noch einmal nach Ethans Vergangenheit fragen sollen. Mit einer Hand an dem Geländer der Flugzeugtreppe hielt ich inne. Mittels meiner Gedanken schaltete ich meinen Key-Schlüssel an und wurde beinahe von einer Flut aus Mitteilungen begraben. Alle außer eine stammten von Hades. Ich verschob Hades Nachrichten auf Später und zog die eine außenstehende nach vorne.

"Was immer du tust, pass auf dich auf."

Ein Satz. Ich spielte ihn ein weiteres Mal ab, genoss den Klang seiner Stimme, bevor ich die Nachricht löschte. Ethan verstand es nicht, jemand als ebenbürtig zu sehen, doch er wusste mit Drohungen umzugehen. So lautete zumindest meine persönliche Theorie, weshalb er mich hat gehen lassen. Ich holte tief Luft und schickte ihm ein einziges Wort zurück. Meine Lippen formten es lautlos mit, während ich die Stufen in den Jet erklomm.

Es war keines Wegs beabsichtigt gewesen, doch ohne es zu wissen, hatte ich soeben mein letztes Wort an meinen Mann für das lange, bevorstehende Jahr gerichtet.

Der Jet startete kurze Zeit später. Jawsinda hatte mir gegenüber Platz genommen und nachdem die Boardcrew uns mit Erfrischungen versorgt hatte, fragte ich nach einer Dusche. Natürlich gab es eine, teilte mir der Stewardess mit. Eine halbe Stunde und eine himmlische, ganz Körperreinigung später, sowie in neuen Klamotten, kontaktierte ich Hades.

"Wieso war dein Key-Schlüssel deaktiviert!" , rollte seine Stimme kaum einen Atemzug später über mich, wie das Donnern während eines Sturmes. Über meine eigene poetische Stimmung amüsiert, kostete ich einen Schluck von meinem kühlen Wasser, um dass leise Lachen damit hinunter zu spülen. Es schmeckte nach Wasser, stellte ich ebenso philosophisch fest und trank gleich noch einen Schluck. Es war ein langer Tag gewesen, sprach ich mir ruhig zu. Müdigkeit ließ es schon mal zu, dass der Kopf nicht mehr geradeaus dachte. "Ich brauchte ruhe", antwortete ich. "Nächstes Mal sag ich dir bescheid", lenkte ich ein, nachdem Hades nichts erwiderte.

"Es sind unsichere Zeiten, Mademoiselle."

Ich neigte zustimmend den Kopf und sah aus dem Bullauge nach draußen. Der Jet hatte sich in Bewegung gesetzt und steuerte die Startbahn an. "Ich befinde mich im Jet." Ich warf einen Blick auf den Monitor über Jaswindas Sitz. "Wir werden ungefähr in Fünfzehn Stunden landen, minus der Acht Stunden Zeitverschiebung."

"Dann werdet ihr vor uns ankommen", sagte Hades zerknirscht. "Wir werden wohl oder übel zwei mal umsteigen müssen."

Ich fragte nicht, welchen Weg Hades gewählt hatte, um unentdeckt nach Las Vegas zu kommen. Er hatte einmal gesagt, dass er seine Methoden besaß. Mehr brauchte ich nicht zu wissen. Für den Moment. "Stell sicher, dass sie in Sicherheit ist."

"Natürlich. Bitte gebt bescheid, wenn ihr angekommen seid."

Ich musste lächeln und anschließend Gähnen, konnte aber noch ein müdes "Ja" durch die Verbindung schicken, bevor ich sie kappte. Eine plötzliche Welle der Müdigkeit überrannte mich. Jaswinda war bereits eingeschlafen. In ihrem Gesicht und an ihren Händen klebte noch die Asche und der Dreck der Morgenstunden. Ich war nahe der Bewusstlosigkeit, doch der Anblick störte mich so sehr, dass ich in das überraschend geräumige Bad ging und ein Handtuch nass machte.

So sanft wir möglich entfernte ich den oberflächlichen Schmutz, ohne Jaswinda aufzuwecken. Unter normalen Umständen wäre sie es gewiss, doch der Tag, oder in ihrem Fall viel mehr die Tage, forderten soeben ihren Tribut von ihr. Ich schätzte, in einer Höhle voller Krimineller ließ es sich nicht so angenehm schlafen. Nachdem das erledigt war übergab ich das Handtuch der gleichen Stewardess von eben, ein Mann vielleicht Anfang Mitte dreißig, und ließ mich selbst schwer fällig auf meinen Sitz nieder. Der Stewardess sagte noch etwas, dass es auch ein Bett gab, doch im nächsten Moment musste ich bereits eingeschlafen sein, da ich mich nicht erinnerte, was ich erwidert hatte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top