32

Ethan küsste mich, als würde er es zum ersten Mal tun. Nicht wie bei unserem wirklichen ersten Mal, als er unkontrolliert und ungezähmt gewesen war. Sich einfach genommen hatte, was ich zu geben hatte.

Nein, dieses mal war es anders. Dieses mal fragte er mich, neckte mich, drängte mich jedoch zu nichts, wozu ich nicht bereit war.

Ich war im Leben noch nicht oft geküsst worden, Ethans Küsse jedoch, waren für mich schon längst zur Sucht geworden.

Ich hätte wahrscheinlich ewig an genau diesem Fleck stehen bleiben können, aber Zeit war nun mal ein Gut, welches niemand besitzen konnte, und sei er noch so mächtig.

"Wir müssen zurück", hauchte Ethan gegen meine Lippen. Uns trennte kaum ein Millimeter.
"Meine... Unsere Untertanen warten bereits auf mich. Eine Lieferung in Kuba ist schief gegangen."

Aus der Traum. Mit nur wenigen Worten holte Ethan mich ins Hier und Jetzt zurück. "Angestellte, Partner, nicht Untergebene."
Ich sah ihm bei diesen Worten direkt in die Augen, damit er auch ja verstand, wie ernst es mir war. Ich war mir Leib und Seele Demokratin und würde es auch immer bleiben.

Aber nicht mal mein selbsternannter Todesblick ließ ihm erweichen. Stattdessen lehnte er sich nur geschmeidig zurück und sah mich an. "Das Diadem sieht wunderschön an dir aus."

Mit einem Schnauben riss ich es mir vom Kopf. Am liebsten hätte ich es auf den Boden geschmettert, aber dafür sah es viel zu... schön aus. Verdammt sei sein guter Geschmack.

Also begnügte ich mich damit, es mit der einen Seite in seine Jackettasche zu hängen. Sollte er doch sehen, was er mit diesem Blöden Ding anstellte.

Als ich ihm jedoch ins Gesicht sah, verpuffte meine Wut und stattdessen blieb nur die Resignation. "Auch ohne Diadem siehst du aus wie eine Herrscherin."

"Wieso hasst du diese Welt so sehr?"
Ethan lächelte angesichts meiner Frage.
"Was bist du nur immer so Pessimistisch."
"Und das von jemanden, der das komplette System revidieren will." Meine Augenbrauen schossen hoch und ich konnte gar nicht anders, als ihn ungläubig anstarren. Ethan seufzte.

"Wer hat denn was von revidieren gesagt, ich möchte die Welt nur zu ihrem alten Glanz zurück verhelfen." Er zog mich an der Hand Richtung Wagen. "Diese Welt wird untergehen, so wie sie jetzt ist."

Wieso hatte ich nur das unangenehme Gefühl, dass das nicht alles war, was ihn Antrieb. Ethan war kein guter Mensch. Alles was er tat, besaß irgendeinen genialen Hintergedanken. Zu gerne hätte ich ihn dazu gefragt, aber wie alles in meinem derzeitigen Leben, endete alles schöne mit einem Knall.

"Ethan-", weiter kam ich nicht, denn in diesem Moment schoss ein glühend heißer Schmerz durch meine Brust und ich wurde von einem harten Aufprall getroffen und zurückgeworfen.

Die Welt kippte wie in Zeitlupe. Alles verschwamm, bis nur noch der Schmerz präsent war.

Sie fiel und er mit ihr. 

Eine Sekunde.

Er hatte das verräterische Glitzern des Zielfernrohrs eine Sekunde zu spät entdeckt. Da hatte der Scharfschütze bereits abgedrückt. Jahrelange Erfahrung war das Einzige, dass wirklich einzige, was dafür sorgte, dass die zweite Kugel ihn nur leicht streifte und nicht wie geplant in sein Herz eindrang. Am Boden robbte er sofort zu Mia. Blut breitete sich unter ihr aus, ihr Gesicht war schrecklich bleich und ihre Augen, ihre wunderschönen dunklen Augen, haben auf einen Schlag ihren Glanz verloren. 

Zum ersten Mal wurde ihm schlecht, beim Anblick der roten, über lebenswichtigen Flüssigkeit, welche gerade aus Strömen aus Mias Brust austrat. Sie... sie würde bei diesen austretenden Massen keine halbe Stunde mehr haben. Ein aufsteigendes Gefühl fing an direkt unter seiner Oberfläche zu brodeln. Ein Gefühl, welches er sofort unterdrückte. Er war ein Killer. Ein verdammter Lockheart. Und das würde sich auch jetzt nicht ändern. Er griff nach Mias Arm und zog sie, so vorsichtig wie möglich, hinter den Wagen. 

Kaum eine Sekunde zu früh. Ein dritter Schuss schlug keine zwei Meter neben ihnen ein und hinterließ nichts als einen rauchenden, kleinen Krater. Er fischte sein Smartphone aus der Tasche und schickte eine kurze Mitteilung an Dean. Dann griff er unter sein Auto und löste die dort befestigte Tasche. Mit wenigen Handgriffen richtete er das Steiner M5Xi  Gewehr ein und warf einen vorsichtigen Blick über die Motorhaube. Der Scharfschütze hatte leicht seine Position geändert, was ihm das schwache Glitzern des Zielfernrohres verriet. Die Sonne stand auf seiner Seite und sein Gegenüber schien entweder nachzuladen oder war anderweitig kurz abgelenkt. 

Für einen Sniper tödlich. Er wollte gerade sein Gewehr richtig positionieren. als Mia ein gequältes Stöhnen von sich gab. Alle seine Sinne erstarrten. Ihre Haut war inzwischen fahl,beinahe durchscheinend. Ihre Lippen blau angelaufen. Wo blieb Dean. Ein vierte Kugel, und diesmal streifte sie seine Wange. Fluchend ging er erneut in Deckung, sein Zeitfenster hatte sich soeben geschlossen. Wo blieb Dean!? 

"Ethan." Die schwache, gebrochene Stimme zog einen ersten Riss in seine Rüstung. Mia hatte die Augen halb geöffnet und sah ihn unter ihren langen Wimpern heraus an. Ihre Augen wirkten unfokussiert, beinahe schon Leer. Heißes Blut rann seine Wange hinab, durch seinen Key-Anhänger jedoch war die Wunde sofort wieder geschlossen worden. Bei ihr sah es jedoch nicht so aus. Wieso funktionierte ihr Key-Schlüssel nicht! Das Loch in ihrer Brust hätte schon längst angefangen müssen zu heilen. Es sei denn...

Er erstarrte. Was, wenn die Kugeln mit einem Magneten ausgestattet waren? Das würde die Verbindung zum Schlüssel vorübergehend kappen. Maximal hielt es zwar nur Zwanzig Minuten, aber diese schien Mia nicht mehr zu haben. Sie bräuchte schon eine zweite, extreme Energiequelle, um den Magneten zu-

"Ethan." 

"Schhhh, nicht reden, Hilfe kommt." Er gab sich alle Mühe, ruhig zu klingen, aber zum ersten Mal in seinem Leben schien ihn seine Stimme zu verlassen. Er strich ihr eine dunkle Strähne aus dem Gesicht und versuchte gleichzeitig, ein seltsames brennen hinter seinen Augen zu unterdrücken. 

Sie schüttelte den Kopf, oder versuchte es zumindest. Seltsamerweise, erinnerte er sich plötzlich an ein Ereignis von den Anfängen seiner Herrschaft. Einer seiner Bauern, ein eigentlich äußerst loyaler Untertan eigentlich, verliebte sich unglücklicherweise in die falsche Frau. Eine von der weißen Armee. Er hatte sie töten müsse. Sie beide. Aber um den Jungen zusätzlich zu bestrafen, ließ er zuerst die Frau töten. Vor seinen Augen ließ er sie langsam ausbluten, zog ihr Schicht um Schicht die Haut ab und legte anschließen ihr herausgeschnittenes Herz vor ihren Geliebten. Er hatte keine Stimme mehr gehabt, da er Stunde um Stunde ihren Namen gerufen hatte, aber seine Augen...seine Augen hatten seinen ehemaligen König deutlich zur Hölle gewünscht. 

Das schreckliche Ziehen in seiner Brust, wann immer er Mia ansah, das plötzliche Bedürfnis zu Brüllen und demjenigen, der ihr das angetan hatte, jedes Glied einzeln auszureißen, dass merkwürdige Brennen hinter seinen Liedern... er fragte sich, ob es diese... diese Schmerzen waren, die dieser Junge damals verspürt hatte. Und er fragte sich, warum ausgerechnet er, dies nun ebenfalls empfand. 

Mia versuchte noch immer verzweifelt den Mund zu öffnen, doch statt Worte, kam nur ein Schwall Blut heraus. Er kramte noch mal nach seinen Smartphone, schickte eine weitere Nachricht an Dean und spielte kurz mit den Gedanken, die Ambulance zu rufen. Nur würden diese es wohl kaum rechtzeitig schaffen. Er raufte sich die Haare, griff erneut nach seinem Gewehr. Er wollte Blut sehen. Dann jedoch..."Geh...du...sicher." 

Die Worte kamen heißer und gepresst hinaus, waren jedoch für ihn deutlich hörbar. Fast so wie der sechste oder siebte Schuss, der nun von den leeren Betonwänden des Parkhauses hallte. 

Diese drei Worte, zerbrachen etwas in ihm. Hier lag sie, blutend, sterbend, aber anstatt sich um sich selbst zu kümmern, wünschte sie, dass er ging. Seine nächste Tat war eindeutig auf einen Kurzschluss in seinem Gehirn zurückzuführen. Seit er ihm seinen Vater mit Gewalt abgenommen hatte, trug er den Key-Anhänger ununterbrochen. Er hatte schon Menschen dafür getötet, dass sie ihn auch nur angesehen hatte. Dieser kleine Anhänger, war das Symbol seiner Macht, der Schlüssel zu all seinem Vermögen. Er war ein Teil von ihm geworden. 

Bis zum heutigen Tag. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass er selbst es sein würde, der den Code für die Entschlüsselung eingab und das System, welches direkt zu seinem Gehirn verbunden war, kappte. Aber er tat es. Und noch mehr. Denn sein nächster Befehl war es, alles nur mögliche zu tun, um die Frau zu retten, die gerade vor seinen Augen starb. Mit einem endgültigen Klick befestigte er den Key-Anhänger an ihrem Ohr. Dann schnappte er sich das Gewehr, ging aus der Deckung und schoss. Mehr konnte er für Mia nicht tun und Schande über ihn, falls er diesen Bastard entkommen lassen würde. 

Eine Kugel bohrte sich in seine Schulter, der ungewohnte Schmerz fühlte sich wie ein Fremdkörper an, hielt ihn jedoch nicht davon ab, selbst zu feuern. Seine Wut, überbrüllte jeden verfickten Schmerz. 

Das nächste, was er durch seinen roten Schleier wahrnahm, war das emotionslose Gesicht des Arztes. Der Bastard war Tod, Dean hatte die gesamte Gegend abgesperrt und Mia war in das beste Krankenhaus, zu dem Besten Arzt gekommen, den Dubai zu bieten hatte. Er hatte ein Vermögen für jede Behandlung bezahlt, die man mit Geld in so kurzer Zeit hatte auftreiben können. Also wieso, wieso, WIESO ENTSCHULDIGTE ER SICH DANN!!?


Ende Von Schachmatt #2 Der letzte Zug des Königs 


*Good Evening meine lieben Leser! Vielen Dank, dass ihr mich auch in Band 2 begleitet habt, eure Kommentare, die steigende Leserzahl hat mich immer wieder umgehauen vor Freude! Ihr seid der Hammer! Ich hoffe natürlich, dass wir uns in Band 3 wiedersehen werden ;) *

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