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Diademe. Ethan hatte mich mitgenommen um ein Diadem für mich auszusuchen. Das Kaufhaus war riesig, mit den edelsten Boutiquen ausgestattet und außerdem vollkommen leer gewesen, als Ethan mich zwei Stunden zuvor hier rein geschleppt hatte.

Bis dato hatte ich noch nicht mal gewusst, dass es so viele Geschäfte allein für Diademe gab. Ethan hatte nur mit den Schultern gezuckt und "Dubai" gesagt.

"Ich will kein Diadem."
Der Redefluss der Verkäuferin kam abrupt zum Halt und mein Mann drehte sich mit erhobenen Augenbrauen zu mir um. " Wie sonst willst du unserem Volk zeigen, dass du ihre Königin bist?"
Diese Frage hätte sarkastisch, ja sogar humorvoll klingen sollen, Ethan jedoch stellte sie Todernst.

"Welches Volk Ethan? Wir leben im 21 Jahrhundert, nicht im Mittelalter."

Nachdem er vor mir auf die Knie gegangen war und ich ihm nicht hatte Antworten können, hatte er mich einfach hochgehoben und den ganzen Weg zum Auto getragen.

Meine Sinne waren wie betäubt gewesen. Er hatte so...Ernst geklungen. Und viel zu überzeugt von Etwas, was es eigentlich gar nicht geben sollte.
"Ich will kein Diadem", wiederholte ich noch mal, diesmal allerdings nur für mich selbst. Ethan konnte überzeugender sein, als das es den Menschen um ihm herum gut tun würde.

Ethan sah mich eine ganze Weile beängstigend Still an. Er blinzelte nicht, schien nicht zu Atmen und seine Pupillen zuckten nicht mal, als ein heller Sonnenstrahl von einem der großen Fenster im Laden direkt sein Gesicht traf.

Ich wusste nicht wieso, aber in solchen Momenten fühlte ich mich, als würde er mich immer mehr und mehr in seinen Bann ziehen.

"Wir nehmen sie alle." Die Verkäuferin schnappte nach Luft. Der Manager, welcher kurz telefonieren gegangen war, wurde plötzlich ganz gleich im Gesicht und ich, ich kämpfte darum, nicht die Augen zu verstehen. "Typisch", schnappte ich nach ihm und verschränkte die Arme vor der Brust. "Und wenn ich sie nicht tragen will!?"

Er zuckte nocholant mit den Schultern. "Dann bringe ich dich eben dazu."
"S...sir", stammelte der Manager und trat nun mutig einen Schritt vor. Dabei sah er aus, als würde er jeden Moment zusammenklappen. "S..s..sir, wir können Ihnen nicht alle verkaufen. Es gibt bereits aufgegebene Bestellungen, außerdem...außerdem..."

Ethan drehte sich in einer fließenden Bewegung zu ihm um. Ohne sein Gesicht sehen zu müssen, wusste ich, dass sein Gesicht gerade mörderisch war. Der Manager verstummte und die Verkäuferin stellte ihre bis eben noch schmachtende Blicke ein und trat automatisch einen Schritt zurück.

In mir spannte sich alles an. "Ethan", flüsterte ich warnend. Er würde den Mann umbringen, einfach nur, weil er ihm widersprochen hatte.

Mit wenigen Schritten war ich bei ihm und griff nach seinem Arm. Aber Ethan schien meine Anwesenheit noch nicht mal zu registrieren. "Sie werden uns jedes einzelne dieser Diademe verkaufen", sagte er gefährlich leise, seine Augen zu Schlitzen verengt. "Niemand,absolut niemand hat das Recht mehr, eine Krone irgendeiner Form zu tragen. Meine Frau wird die einzige Person auf dieser Welt sein, welche das Recht und die Anmut besitzt, solch ein Dieadem zu tragen."

Mein Arm fühlte sich auf einmal wie Taub an. Wie ein Puzzel setzten sich langsam Stück für Stück die einzelnen Teile zusammen. "Raus, alle raus hier." Noch nie hatte sich meine Stimme so gebiterisch angehört. Noch nie hatte ich mich selbst so Elend gefühlt, wie in diesem Moment. Ich hatte ihn gefunden, denn Mann, den ich liebte. Und doch wurde ich das Gefühl nicht los, dass er mir langsam aber sicher aus den Händen glitt.

Es dauerte einen Moment, aber ich musste überzeugend genug geklungen haben, dass die Anwesend, bis auf Ethan und mich, schnell das Weite suchten.

Ethan drehte sich nun endlichzu mir, der Tote und kalte Ausdruck verschwunden. Ersetzt durch ein amüsiertes Funkeln. Nie hatte ich ihn lebhafter gesehen. Von den Momenten, in denen er tötete mal abgesehen.

"Du hörst dich schon an wie eine richtige Herrscherin", hauchte er und seine Brust schwoll vor Stolz an. Sein Atem streifte mein Gesicht, als er sich zu mir herunter beugte und meine Lippen sanft mit den seinen berührte. Ich genoss das Gefühl, solange es mein Bewusstsein zuließ. Ich zog jede kostbare Sekunde in mich ein, bevor ich einen kleinen, aber bestimmten Schritt zurück tat.

"Ethan, es kann keinen alleinigen Herrscher geben." Das war schlichtweg unmöglich.
Es haben schon Leute, große, vielleicht noch mächtigere Leute als ihn, genau das versucht. Sie alle sind daran gescheitert.

Als könnte Ethan meine Gedanken lesen, sagte er plötzlich:" Wusstest du, dass das British Empire von meiner Familie ins Leben gerufen wurde."
Das hatte gesessen. "Dass ist Wahnsinn."
Als hätte er mich gar nicht gehört, drehte er sich zu einer der großen Glasvitrinen, die Diademe mit Rubinen und Saphiren Aufbewahrte.

"Zur Zeiten des Empire, gerieten die Kriege zwischen der Schwarzen und der weißen Seite außer Kontrolle. Langsam aber sicher wurde man auf und aufmerksam", er schnaubte kurz, "Sie hatten uns sogar schon einen Namen gegeben: Illuminati."
Er blinzelte, Strich mit den Fingern über das Glas, als würde er in der Spiegelung eine längst vergessene Zeit sehen. "Zahlreiche Unschuldige fielen ihnen zum Opfer", er warf mir einen kurzen Blick über die Schulter zu, "Unschuldige wie du."

Er blieb erneut vor einem Schaukasten stehen, musterte kurz die Ausgestellten Stücke und ging dann weiter. "Meine Familie beschloss dem Blutgießen ein Ende zu setzten und schufen daraufhin das Empire. Alle Menschen unter einem Herscherhaus vereint", er breitete die Arme aus, immernoch mit dem Rücken zu mir, "es würde Frieden einkehren und wir, die Familie Lockheart, würden ein erneutes Eden für die Menschheit schaffen."

Stille. Nur mein lautes atmen war zu hören. Er hatte den Verstand verloren. Das hatten sie alle. "Menschen sollten die freie Wahl haben. Wer hat dir das Recht gegeben, über jedes Individuum dieser Welt zu bestimmen?"

Ich wartete. Aber eine Antwort blieb aus. Stattdessen wandte sich Ethan jetzt einer Vitrine zu, in der nur ein Diadem lag. Das silberne Gestell bildete einen perfekten Halbmond. Kleine und große Diamanten waren so angeordnet, dass sie kleine Zacken bildeten und zu in der Mitte zu einer Einzigartigen Schneeflocke zusammen verschmolzen. Es war das schönste, was ich jemals gesehen hatte.

Ethan musterte das Diadem von allen Seiten, bevor er ausholte und die Vitrine mit einem Schlag zertrümmerte.
Aus dem Augenwinkel sah ich nur noch einen kurzen Blitz von seinem Ohrring ausgehen, bevor es Scherben regnete und Ethans Blut in alle Richtungen spritzte.

Mir entschlüpfte ein Schrei und in weniger als einer Milisekunde war ich bei ihm und griff nach seiner Hand. "Ethan", keuchte ich und wollte mir seine Verletzungen genauer ansehen. Aber bevor ich auch nur noch mal Luft holen konnte, packte er mich, hob mich hoch und setzte mich sanft auf das Polster im Inneren der Vitrine. Das Diadem in der einen Hand und die verletzte in meinem Gesicht sah er mich aus strahlenden grünen Augen an.

Scherben bohrten sich in meine Waden, aber es war, als wären sie gar nicht da. So sehr nahm mich Ethan Lockheart in seinen Bann. "Weißt du", flüsterte er heißer, "das gleiche hat jede Generation der weißen Seite auch gesagt. Ihre wohl größte Demonstration, was sie von unseren Plänen hielten, war die Französische Revolution, womit sie den ganzen Kontinent ins Chaos stürzten."

Er Strich mir sanft über die Wange und hinterließ dabei eine Spur aus seinem Blut. "Jeden anderen hätte ich für diese Worte getötet... aber dich..." Er schluckte. "Ich könnte es nicht ertragen." Er sah in diesem Moment so verletzlich aus, dass ich es tatenlos zuließ, dass er mir das Diadem auf den Kopf setzte. Ich ließ zu, dass er mich küsste, ja, genoss das Gefühl seiner Lippen sogar.
Ich ließ zu, dass er mich hinausführt, wobei wir keinen der Angestellten begegneten und ich fragte auch nicht, wohin sie gegangen waren.

Beim Bruch der Vitrine war weder der Alarm losgegangen, noch waren aufgebrachte Manager rein gestürmt. Zur Tür zum Parkhaus blieb ich stehen.
Ich musste eines einfach wissen. "Ethan, denkst du jemals an das Wohl anderer Menschen."

Er dachte nicht nach. Nicht mal für eine Sekunde. "Nein. Nie."

"Aus dir wird eines Tages etwas großes werden", flüsterte die meiner Mutter mir zu und ich konnte nur daran denken, wie falsch sie damit lag. Denn im Moment, fühlte ich mich wirklich, wirklich klein.

"Irgendwann werde ich dich aufhalten müssen." Ich sagte es nicht laut, jedoch auch nicht leise. Sondern nur so, dass er allein es verstehen würde. Ein sanftes Lächeln huschte über sein Gesicht, bevor er mich an sich zog und erneut küsste. So, als wäre die Welt im reinen und nicht gerade am Rande eines großen Krieges.

Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob Ethan die Zuneigung überhaupt verstand, die ich ihm entgegen brachte. Oder ob für ihn Liebe und Hass ein und das Selbe waren.

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