17

Drei Sekunden. Drei Sekunden, die mir das Leben retteten. Gerade wunderte ich mich noch, wo die zwei stämmigen Kerle abgeblieben waren, die die Tür für mich geöffnet hatten, blieb stehen, um mich nach ihnen umzusehen, als etwas Haarscharf an meinem Kopf vorbeizog.

Erschrocken taumelte ich ein paar Schritte zurück. Mein Rücken presste sich ans harte Holz und mit großen Augen sah ich das rauchende Loch, welches nur Millimeter neben mir ins Holz geschlagen worden war.

Eine kostbare Sekunde konnte ich mich nicht bewegen, bevor ich mich zu Boden warf und blitzschnell hinter einer der großen Säulen in Deckung ging, die scheinbar wahllos im ganzen Foyer standen. Wieder, keine Sekunde zu früh. Im nächsten Moment war es kein einzelner Schuss mehr, sondern ein ganzer Kugelhagel, der meinen Weg bis hinter die Säule markierten.

Ich schlug mir die Hand vor dem Mund , um einen Schrei zu ersticken. Männerstimmen. Gebrüllte Befehle. "Ist sie allein?"
"Wenn der Schattenmann raus kommt sind wir erledigt." "Müssen es schnell machen!" Bei jedem übersetzten Wort wurden meine Augen größer und ich wünschte, ich könnte mir bei dem Geräusch der neu ladenden Waffen die Ohren zu halten.

Mein Körper fing an zu zittern und mein Atem ging schneller. Nicht schon wieder. Wie oft, stand ich jetzt schon mit einem Bein im Grab!? Es wird niemals enden, säuselte mir eine Stimme zu, die nicht meine eigene war und doch... irgendwo tief aus meinem Unterbewusstsein kommen musste. Eine Erinnerung vielleicht?

Kopfschüttelnd Vertrieb ich den Gedanken. Ich hörte Schritte. Zwar noch zögerlich, aber das würde sich wohl bald ändern. Worauf warteten sie überhaupt? Schaue einem geschenkten Gaul nie ins Maul! Diesmal erkannte ich die Stimme eindeutig als meine eigene wieder, die mich an eine meiner früheren Grundsätze erinnerte.

Dem Herrn sei Dank, dass das Foyer riesig war.

Mit leicht gehetzten Blick sah ich mich um. Hatte Ethan nicht die Schüsse gehört? Müsste er nicht kommen und mich retten?!

Nein, das würde er nicht. Die Tür, die ich mit meinen Gedanken geradezu in ihre Einzelteile zerlegte, blieb geschlossen. Dieser... Dieser.... Argh!

Fieberhaft überlegte ich. Die nächste Säule war knapp zehn Meter entfernt. Diese würde ich so ohne weiteres nicht erreichen können. Jedenfalls nicht, wenn ich nicht als Schweizerkäse enden wollte. Was würde Hades in so einer Situation tun? Immer wenn es brenzlig wurde, hatte er niemals auch nur eine Millisekunde gezögert. Er wusste immer genau, was zu tun war. Auf dem Ball, bei der Autobombe und im Krankenhaus.
Verflucht seist du, Ethan Lockheart!

Mein Blick fiel auf meine Schuhe, die lächerlich hohen Absätze und die Spitzzulaufende Form. Es war Wahnsinn, könnte aber Funktionieren.

Meine Hände krallten sich in den dünnen Stoff des Kleides und rissen ihn längs auseinander.
Das ratschen hallte laut im Raum wieder und augenblicklich kam Bewegung in die Eindringlinge. Ihre Schritte wurden lauter, schneller, eindringlicher. Ich streifte mir beide Schuhe ab, hob einen auf und rammte mir den Absatz in die Schulter. Blut Spritze und ich musste mir diesmal auf die Zunge beißen, um einen Schrei zu unterdrücken.

Eilig verschmierte ich das Blut über meinen Hals und meinen Ausschnitt, bevor ich wie eine leblose Puppe an der Säule zusammensackte.

Den blutige Schuh ließ ich unter dem Stoff meines Kleides verschwinden. Angstschweiß lief mir in Strömen den Nacken hinunter. Mein Herz pochte so schnell, dass es schon nicht mehr gesund sein konnte. Wenn ich Glück hatte, würde mich ein Herzinfarkt vielleicht eher erwischen, als die Kugel.

Den Kopf in die Hände gestützt lauschte er den Absätzen seiner Frau, wie sie sich immer weiter von ihm entfernten.

In Gedanken nannte er sie jetzt immer so. Seine Frau. Nicht höhnisch, nicht kalt, sondern seltsam vertraut. So, als hätte er sie nicht zur Heirat gezwungen, um an die Anlagen und Geschäfte der weißen Seite zu kommen.

Ihr wiedererwachtes Selbst bereitete ihm Kopfschmerzen und ließen ihn gleichzeitig Atemlos zurück. Er stand auf, ging zu einem der offenen Balkone und ließ den Wind durch sein Haar fahren. Er war frischer geworden, als noch am frühen Abend.

Die Dunkelheit über ihm ließ ihn erleichtert aufatmen und schenkte ihm Gleichzeitig Trost.

Er machte sich keine Hoffnungen. Er wusste was er war und kannte seinen Charackter nur zu gut. Er tötete gerne. Genoss es, das Leuchten in den Augen seiner Opfer zu ersticken, bis sie nur noch leer und stumpf waren.

Mia hingegen... Seine Frau war anders. Sie hatte ihre eigene Wut und Leidenschaft nicht im Griff. Sie hatte eine Vase nach ihm geschmissen, verdammt noch mal, und das Leuchten in ihren Augen hatte ihm damals viel zu sehr gefallen. Und trotzdem würde er sie brechen. Sie war heute zu weit gegangen und wie Mutig sie auch war, sie war nicht in diese Welt hineingeboren worden. Sie hatte gerade mal einen Bruchteil der Gewalt gesehen, die in seiner, ihrer Welt oberstes Gesetz war.

Er würde sie brechen. Und er würde jede einzelne Sekunde genießen, bis dieses seltsame Gefühl der Zuneigung in ihm erloschen war.

Seine Gedanken wurden dankbarerweise von dem Klingeln seines Handys unterbrochen. Er zückte es, erkannte Deans Nummer und nahm ab. "Kuba ist gefallen", sprudelte dieser sofort los. "Allerdings konnten zahlreiche Rebellen uns entwischen. Sie fordern ihren Anführer Ethan!"

Sein Freund aus Kindertagen war selten aus der Fassung zu bringen, denn genau wie bei ihm gehörten Tod und Folter seit sie ihre ersten Schritte getan hatten zu ihrem Leben dazu.

"Frankreich?"

"Komplett abgeschottet." Deans Knurren hätte jeden hartgesotteten Soldaten in die Knie gezwungen. Ethan ließ sich davon nicht beeindrucken. Er überlegte kurz, setzte zur Antwort an und... erstarrte.

Irgendwo...knallte es. Das Geräusch war nur äußerst schwach, aber er erkannte es auf Anhieb. "Ich Ruf dich zurück." Mit diesen Worten legte er auf und stürmte zurück in den Saal. Er fluchte. Falls er das Geräusch richtig gedeutet hatte, war es vielleicht schon zu spät.

Das ganze Gebäude war Schallisoliert, die Holztüren nur Fassade, unter der sich  doppelt verstärkte Titanplatten befanden. Dieser Club besaß ein Dutzend Volterkammern und Sexspielräume, in denen Schreie eine Grundvorraussetzung war. Statt zur Vordertür zu gehen, schlüpfte er durch eine gut getarnte Tür, die als Notausgang diente und die sonst nur von den Angestellten genutzt wurde. Sie führte direkt in eine kleine Abstellkamner, in der die teuren Flaschen gelagert wurden.

Die Hälfte dieser Flaschen hatte er selbst ausgesucht und dem Club geschenkt. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass er hier Geschäfte abwickelte. Eine weitere Tür führte ihn zu einem kleinen Gang, in dem sich die Büros befanden und welcher direkt ins Foyer führe. Er sog seine Glock aus dem Hosenbund und entsicherte sie.

Jetzt waren die Schüsse laut und deutlich zu hören. Schreie und arabische gebrüllte Befehle ebenfalls.

Sein Körper erbebte vor lauter Adrenalin und seine Augen funkelten vor Erregung. Die Waffe lag sicher und fest in seiner Hand. Er hatte 8 Schuss und er hörte mindestens zehn Personen. Ihre Befehle waren unkoordiniert, ihr Angriff gerade zu lächerlich unaufmerksam. Terroristen.

Sie hatten Glück gehabt, da er selbst alle Angestellten und Besucher weggeschickt hatte. Er entsicherte die Glock und schob sich um eine der vielen Säulen, die er selbst nachträglich hatte einbauen lassen. Sie waren alle samt mit Bomben präpariert, die allein mit seinem Key-Schlüssel aktiviert werden konnten. Die Verkleidung war aus Titan, weshalb Schüsse ihnen nichts anhaben konnten.

Er überbrückte den letzten Meter hob die Waffe und schoss Gnadenlos in jeden freien Rücken und jeden Kopf, der ihm in den Weg kam. Beim letzten Schuss, zog er blitzschnell zwei Messer und traf präzise genau einen Nacken und einen Fuß der Männer, woraufhin dieser brüllend seine Waffe fallen ließ.

Zwei Sachen störten ihn bei diesem Anblick.

Erstens: seine Männer waren nicht auf ihrem Posten. Selbst wenn er alle entlassen hatte, sie hätten ihren Posten unter gar keinen Umständen verlassen dürfen.
Und zweitens: ein Schuh, dessen Absatz im Auge eines Mannes steckte.
Ein klappern, dann eine Gestalt, die sich hinter einer Säule hervorhob, ein Maschinengewähr in den Händen, Blutverschmiert und einem wilden, entschlossenen Blick.

Sein Herz hörte auf zu schlagen. Ein geradezu krankhaft warmes Gefühl breitete sich in ihm aus, als sie die Waffe in seine Richtung hob und schoss.

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