Thirty-Four ~ her story

„Alles gecheckt, niemand ist hier im Stock", berichtete Dylan und betrat die kleine Wohnung.

Verwundert drehte ich mich zu ihm um. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er nicht hier war. Doch es war gut, dass hier keiner war. Die Wände waren dünn, es wäre nicht praktisch, wenn jemand alles mitbekommen würde, was wir besprechen.

Kurz ließ ich meinen Blick in die kleine Wohnung, bestehend aus nur einem Raum und ein Bad schweifen. Die Wände waren in einem dunklen Grün gestrichen und der Kronleuchter über unseren Köpfen hatte Jake vorhin angemacht.

Ein aufgeklapptes Bettsofa lag in einer Ecke vor dem ein kleiner Tisch mit einem Fernseher drauf stand. Fastfood Verpackungen waren überall rundum verteilt. Der Teppich sah aus, als hätte hier jemand seit Jahren nicht mehr gesaugt. Die Küche stand hinter einem Tresen, wo Allison nun stand und im Kühlschrank nach etwas suchte.

Dylan ging zu Jake, der vor dem einzigen Fenster in der Wohnung neben dem Sofa stand. Alex und ich hatten unsere gespiegelten Brillen abgenommen und lehnten uns an dem Tresen gegenüber der Blondine. „Sah mal hier besser aus", sagte sie müde und versuchte nicht zu lallen.

Nachdem sie eine Runde an der Kloschüssel gehangen und ein paar Gläser Wasser getrunken hatte, ging es ihr anscheinend etwas besser. Doch was mich Irritierte war, dass sie keineswegs überrascht, oder ängstlich wirkte.

„Allison, wir -", begann ich, doch sie korrigierte mich. „Alli. Nur Alli." Ich tauschte mit Alex neben mir einen leicht verwirrten Blick, ehe ich weitersprach. „Alli, wir sind hier, um mit dir zu reden. Über die Whites."

Sie stieß ein Seufzen aus, holte eine Flasche Whiskey aus dem Kühlschrank und drehte sich zu uns um. „Ich weiß, du bist Isabel, der Boss", lachte sie, doch ein Husten erschütterte sie. Erschöpft umklammerte sie den Tresen.

„Ich bin n-nicht mehr die ...Anführerin, falls du ...deswegen hier bist", sagte sie und schwankte zum Waschbecken, wo sie sich ein Glas nahm.

Jake schnellte zu ihr, nahm auch ein Glas und füllte es mit Wasser. Als Alli ihr Glas mit dem Whiskey, das sie rausgeholt hatte, füllte und die Flasche zurückstellte, tauschte Jake schnell das Alkohol mit dem Wasserbecher.

So benebelt, wie sie war, merkte sie es nicht einmal und trank den Inhalt aus. „Wieso?", fragte Alex sofort und beäugte sie kritisch.

„Ich habe Mist gebaut, okay? Und die anderen haben die Wahrheit über mich rausgefunden und rausgeschmissen", erklärte sie und wankte zum Sofa, wo sie sich zusammenrollte.

Sie tat mir ehrlich gesagt leid und am liebsten würde ich dieses Gespräch morgen fortsetzen, statt ihre Betrunkenheit auszunutzen und sie auszuquetschen, wo sie sich am liebsten ausruhen wollte. Doch zugleich war mir klar, dass wir das nicht konnten.

„Wie bist du überhaupt erst in die Bande gekommen?", fragte Jake und stellte sich vor ihr. Sie fuhr sich müde übers Gesicht, während vier Augenpaare sie gebannt anstarrten. „Mein Bruder ist der eigentliche Anführer der Whites. Er wurde dazu ernannt, dieses Arschloch. Obwohl ich älter und reifer bin als er, hat ihn mein Vater genommen. Nicht mich."

Sie kniff die Augen zusammen und versuchte sich zu konzentrieren, während ich lautlos zu Jake lief und mich neben ihm stellte.

„Dann ist Vater gestorben. Mein Bruder ein paar Tage später auch. Ich habe die Chance genutzt und mir dasselbe Tattoo tätowieren lassen. Dann haben sie mich gefunden. Die anderen." Sie sah mich mit einem irren Funkeln in den Augen an und unwillkürlich schluckte ich schwer.

„Du hast ihn umgebracht?", fragte Jake und mir fielen auch ihre Worte unten im Club ein. Sie kniff verwirrt die Augen zusammen. „Unbeabsichtigt, aber ja. Wir haben auf dem Balkon gespielt und ...ich habe ihn geschubst, weil er mich geschubst hat und er ist ...gestürzt. Genickbruch. Bye, bye, Leben."

Ein Keuchen entwich mir und kurz wand ich den Blick ab. Diese Information sollte ich erst bearbeiten. Zur Hölle, waren alle Mitglieder so skrupellos mit dem Wort ‚Mord'? Es war beängstigend, wie sie über den Tod ihres eignen Bruders sprach. Als wäre es eine Präsentation.

Natürlich, wenn sie nüchtern wäre, hätte sie vermutlich nicht so gesprochen, dennoch lief es mir eiskalt den Rücken runter. Alex und Dylan im Hintergrund tauschten bedeutungsvolle Blicke.

„Aber du bist keine Anführerin mehr", sagte Jake, der das Ganze besser als ich aufnahm. Seine Augen lagen emotionslos auf dem Mädchen vor ihm. „Nein. Ich habe Mist gebaut", flüsterte sie und lehnte ihre Stirn gegen die Knie.

„Es hat etwas mit Zayn Rossi zu tun, stimmt's?", wagte ich zu fragen und verschränkte die Arme vor der Brust. Draußen war es stockdunkel. Allison warf den Kopf zurück und stieß ein humorloses Lachen aus. „Was hat dieses Kind damit zu tun?"

Verwirrt legte ich die Stirn in Falten. „Aber, ich dachte ihr habt beide eine Auseinandersetzung, weshalb er dich umbringen lassen will."

„Er wollte doch nicht -"begann Alex fassungslos, doch Jake unterbrach ihn, den Blick stur geradeaus gerichtet. „Doch. Wollte er."

Dylan und Alex drehte die Köpfe mit ungläubigen Blicken zu ihm und versuchten die Situation zu verstehen. Jetzt hast du den Salat, Jake. Das wolltest du doch, oder? „Bella?", fragte Dylan zerknirscht und auch Alex sah mich an.

Und natürlich wurde erstmal alles auf die Anführerin geschoben. Ich wollte mich verteidigen, doch laute Sirenen kamen mir zuvor. Alarmiert drehten wir uns alle zum Fenster, wo uns blau rote Lichter von Polizeiautos in die Wohnung strahlten.

„Fuck, was haben die hier zu suchen?!", rief Alex schockiert. Jake rannte zum Fenster und schloss die Vorhänge. „Verdammt, woher soll ich das wissen?" Panik stieg in mir auf und mein Puls erhöhte sich. Rasch überlegte ich, was wir tun sollten, doch mein Hirn stand noch in Schock.

Auch Alli verstand langsam, in welche Situation wir steckten. Sie erhob sich mühsam und schwankte zur Tür. „Worauf wartet ihr?! Verschwindet! Ihr könnt die Hintertür nehmen. Müsst den Flur entlang durch die Tür. Da sind Treppen, die euch nach unten führen!", nuschelte sie und öffnete die Tür.

Wir hörten bis hierher, wie die Leute im Club loskreischten und Polizisten Befehle gaben. Die anderen reagierten schneller als ich. Jake griff nach meinem Handgelenk und zerrte mich mit zur Tür. „Dylan! Alex! Los!", zischte er leise und ließ seine Freunde vorgehen.

Möglichst lautlos gingen wir zum Flur. Dylan und Alex waren fast bei der Tür, als ich merkte, dass Allison fehlte. Ich stoppte Jake und sah zurück. Die Blonde stand regungslos an der Tür und sah uns nach.

„Alli, komm!", zischte ich panisch, als ich hörte, wie Schritte von den Treppen kamen.

Hektisch suchte Jake etwas an der Wand. Als er den roten Kasten mit dem Feueralarm fand, schlug er auf dem schwarzen Knopf und bestätigte damit den Alarm.

Es schrillte ohrenbetäubend über unseren Köpfen, dass ich unwillkürlich die Hände auf die Ohren presste, in der Hoffnung, meine Trommelwirbel dadurch nicht zerfetzen würden.

Von unten hörte man die Polizei lauter und Schreie erklangen zu uns nach oben. Wir nutzten die Verwirrung der Polizei aus. Schnell rannte ich zu Allison zurück, nahm sie an der Hand und sprintete zur Tür, die uns nach draußen führte.

Jake kickte die Tür auf und ließ Allison und mir Vortritt. Gemeinsam mit der Blonden huschte ich die Treppe runter. Ich hatte die Stufen unter meinen Füßen fokussiert, dass ich unten gegen einen Rücken prallte.

Mit einem erschrockenen Schrei taumelte ich zurück, erwischte zum Glück dem Geländer, an dem ich mich festhielt, um nicht nach unten zu fallen.

Ich kniff die Augen zusammen und erkannte an den blonden Haaren von hinten, dass es Alex war. Ich wollte ihn ankeifen, dass er gefälligst nicht stehen bleiben und den Arsch bewegen sollte, doch ich sah den Grund für sein plötzliches Zögern und stöhnte innerlich.

Die Polizisten hatten wahrscheinlich den Verdacht, dass wir wie letztes Mal die Hintertür benutzen würden, denn vor uns standen nun vier Polizeiautos

„Nicht bewegen! Hände über dem Kopf!", brüllte ein Polizist und richtete die Mündung der Waffe direkt auf mich, während die seine Kollegen uns immer mehr näherten.

Das wars. Wir saßen in der Falle.

Ich sah schwerschluckend zu Jake neben mir, doch auch er schien keine Ahnung zu haben, was wir tun sollten. Der Polizist brüllte uns ein weiters Mal zu, dass wir die Hände heben sollten.

Doch, ehe ich mich bewegen konnte, kam eine schwarze Limousine angefahren und bahnte sich mit unnatürlich hoher Geschwindigkeit einen Weg durch das Polizeiauto und kam vor mir ein paar Zentimeter zum Stehen.

Das geschah so schnell, dass ich nicht einmal schreien konnte. Starr vor Schock starrte ich den Wagen mit aufgerissenen Augen an.

Ein schwarzangezogener Mann stieg aus und richtete seine Waffe auf dem Polizeichef. „Schnell! Rein da!", zischte er uns zu. Alex, Dylan, Jake und Allison sahen mich erwartungsvoll an, doch ich zögerte.

Sollten wir dem Fremden vertrauen? Entweder taten wir es, oder wir waren der Polizei ausgeliefert. „Lassen Sie die Waffe runter!", brüllte der Sherif, der sich aus dem Schock erholt hatte. Auch die anderen Polizisten kamen wieder in die Gegenwart.

Scheißdrauf, alles war besser als der Polizei. Ohne länger nachzudenken, kletterte ich in der Limousine rein, gefolgt von den anderen. Der schwarzgekleidete Mann kam auch rein und schloss schnell die Tür hinter uns zu. „Los!", befahl der Mann, als die Polizei zu schießen begann.

Angespannt sah ich den Mann an und faltete meine Hände auf dem Schoss, um mein Zittern zu verbergen. Die anderen schwiegen auch, während sich der Wagen bewegte.

Sollte ich mich aus Höflichkeit bedanken? Oder weiter schweigen? Die Angst und die Aufregung wegen der Polizei saßen mir immer noch in die Knochen, dass ich nichts tat.

„Ich -", begann ich dennoch, doch das Runterrollen von dem Fenster zu den vorderen Sitzen unterbrach mich. Nein, nein, nein, bitte nicht.

„Ah, da ist ja mein Geburtstagsgeschenk!", grinste uns Zayn Rossi hinter der Sonnenbrille mit seinen schneeweißen Zähnen an.


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