Sixteen ~ holiday home
Der Regen hatte aufgehört und der eiskalte Wind hatte etwas nachgelassen. Auf der Autobahn fuhren nicht viele Autos, was verständlich war, denn heute war Samstag und dazu war es auch viel zu früh.
Gedankenverloren sah ich aus dem Fenster. Die Sonne leuchtete in einem warmen Orange und warf ihren rötlichen Schein auf der Straße. Hinter uns lag eine ungefähr achtstündige Fahrt.
Dylan und Alex schliefen noch, während Mira in einem angenehmen Tempo fuhr und das Radio leise angestellt hatte. Langsam fing ich an, alles was Alex, Jake und Dylan mir verraten hatten in meinen Kopf einzuordnen, doch je mehr ich über das Gespräch nachdachte desto mehr Fragen tauchten in meinem Kopf auf.
Wie war die Gang gefallen? Was war passiert? War mein Dad tatsächlich in der Arbeit gestorben oder hatte sein Tod irgendwas mit der Bande zu tun? Warum war die Polizei hinter uns her und war ICH überhaupt schuldig? Hatten die drei Percy getötet und weshalb?
In jede Sekunde, die verging, zerbrach ich mir den Kopf, während mehrere Fragen auftauchten. Ironischerweise blieben Antworten aus.
Seltsamerweise spürte ich die Angst, die mich überkam, als ich herausfand, dass die drei Mörder waren, nicht mehr. Stattdessen spürte ich nur noch Wut und Misstrauen. Wut darüber, dass sie Menschen das Leben nahmen und Misstrauen, da sie den Hauch Vertrauen, das ich in sie langsam aufgebaut hatte durch die Entdeckung der Leiche im Badezimmer zerstört hatten.
Jedoch waren wir alle vier durch die Schach Bande verbündet, ob wir es wollten oder nicht. Ich steckte tief in die Sache drin, das war mir bewusst. Doch hieß gleich, dass ich bei ihnen bleiben, dass ich sie vertrauen musste? Ich hatte Angst, dass, wenn ich es tat, es mir dann das Leben kosten würde oder schlimmeres.
Zum Teil wollte ich immer noch zur Polizei gehen und der ganzen Sache ein Ende setzen. Ich würde dann zurück nach Bar Harbor gehen und mein normales Leben weiterführen. Doch ich konnte nicht, denn die Polizei war jetzt auch anscheinend nach MIR her. Und da ich nach einem Haftbefehl die Flucht ergriffen hatte, sah die Sache schlimmer für mich aus.
Alex, zu meinem rechten, regte sich langsam. Ich war in Gedanken versunken, dass diese Bewegung mich zusammenzucken ließ und mich wieder in die bittere Realität zurückholte. Der Blonde stöhnte leise und ließ den Nacken.
„Verdammt, ich habe noch nie so schlecht geschlafen", ächzte er und rieb sich schlaftrunken die Augen. Das war typisch Alex. Statt sich Sorgen zu machen, wo wir uns gerade befanden, beschwerte er sich entweder über Schlafmangel oder Hunger.
„Sei froh, dass du überhaupt nach gestern Schlaf finden konntest", erwiderte ich trocken und sah weiter aus dem Fenster. „Wieso? Konntest du nicht schlafen?", fragte er zurück. Ich zuckte mit den Schultern. Wie auch, wenn meine Neugierde und meine Angst über diese Schach Bande wuchs?
Langsam löste ich meinen Blick von der Straße und sah zum Fahrersitz. „Wohin fahren wir, Mira?", fragte ich Alex' Oma leise. „Ich dachte an das Ferienhaus in Chicago, in dem Alex und ich immer die Ferien verbringen."
Sie schaltete die Blinker an und bog in die nächste Ausfahrt. Im Rückspiegel sah ich ihre müden Augen und runzelte besorgt die Stirn. „Mira, ich könnte das Fahren übernehmen, du bist bestimmt erschöpft."
„Alles gut, Liebes. Wir sind sowie so in vier Stunden da", winkte sie ab und gab ein wenig Gas. „Wirklich. Ich könnte übernehmen", beharrte ich. „Kind, tut mir leid, aber die Leute würden sofort die Polizei rufen. Du siehst total müde und blass mit deinem verschmierten Make-up aus." Ein besorgter Ausdruck huschte über ihr gebräuntes Gesicht.
„Hast du Abschminktücher?", fragte ich seufzend. „Woher auch, Kind? Aber normale Tücher findest du irgendwo im Kofferraum mit ein paar Kleidungsstücke und Wasserflaschen." Wenigstens etwas. Ich drehte mich im Sitz zum Kofferrum um. Meine Augen glitten suchend durch die dunkle Fläche und ein triumphiertes Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich eine kleine Tasche entdeckte.
Ich streckte meine Hand danach, doch sie war zu weit. Fluchend dehnte ich mich und biss mir konzentriert auf der Lippe. „Brauchst du Hilfe?", fragte Alex belustigt. Stur schüttele ich den Kopf und startete einen neuen Versuch. „Nein, ich schaffe es schon." Doch vergebens. Nach zehn Minuten, in denen ich ächzend und fluchend versuchte, die kleine Tasche in die Hände zu bekommen, gab ich es auf.
„Grins nicht so blöd", motzte ich Alex an, der mich amüsiert beobachtet hatte. „Brauchst du vielleicht jetzt Hilfe?", wiederholte er seine Frage. Ich machte eine abwesende Geste und Alex hatte die kleine Tasche im Nu in der Hand. Wortlos nahm ich sie ihm ab und öffnete den Reißverschluss. T-Shirts und kurze Hosen kamen zum Vorschein. Ich entdeckte auch ein paar Wasserflaschen und Schuhe.
„Wozu hast du das alles in deinem Kofferraum?", fragte ich Mira, während ich mir ein violettes T-Shirt rauspickte und eine bequeme Shorts. „Wenn der Enkel sich immer Probleme mit der Polizei handelt, muss man immer auf der Hut sein", meinte sie achselzuckend.
Auch Alex nahm sich ein Jungenshirt, das wohl ihm gehören sollte. Problemlos tauschte er sein weißes Hemd gegen das Shirt. Ich fummelte kurz an dem Reißverschluss des Kleids – der zum Glück seitlich und nicht im Rücken war – und bekam ihn nach kurzen Problemen auf.
Schnell zog ich das T-Shirt über und zog das Kleid von unten aus. Nachdem ich auch die Shorts angezogen hatte, schob ich das Kleid und die ausgezogenen Ballerinas nach hinten im Kofferraum.
Ein Gähnen ertönte von Dylan. Er öffnete langsam gequält die Augen und sah uns durch zusammengekniffene Augen an. „Auch mal wach?", motzte ihn Alex gleich schlechtgelaunt an. Ich musste mir merken, Alex zu vermeiden, wenn er hungrig oder müde war.
„Sagt mir nicht, der hat wieder seine Tage", stöhnte Dylan verschlafen und rieb sich den Nacken. Alex verzog empört das Gesicht und wollte anfangen rumzumeckern, doch seine Augen trafen im Rückspiegel die seiner Oma und er presste die Lippen zusammen.
Ich angelte eine Taschentücher Verpackung, öffnete eine Wasserfalsche und ließ kurz drüber Wasser laufen. Vorsichtig tupfte ich das Make-up und Glitzer weg. Es dauerte länger als bei einem Abschminktuch, aber immerhin sah das Resultat gut aus. Schnell löste ich meine Frisur und band mein welliges Haar zu einem einfachen hohen Pferdeschwanz.
Auch Alex tupfte sich das Glitzer weg und kämmte sich mit den Fingern das Haar, während Dylan sich eins von Alex' T-Shirts anzog. „Wenigstens seht ich nicht mehr so, als ob wir gestern Halloween hatten", schnaubte Mira kurz amüsiert, dennoch sahen ihre Augen immer noch müde aus.
„Komm schon, Nonna. Ich fahre", meinte Alex und schnallte sich ab. „Alex, ich -", begann sie zu protestieren, doch Alex legte die Hand auf dem Türgriff und öffnete sie provozierend ein Spaltbreit auf. Seufzend gab Mira auf und parkte das Auto rechts ein. „Wehe du fügst meinem Baby auch nur einen Kratzer zu", warnte sie, ehe sie ausstieg und Alex an dem Fahrersitz ließ.
„Ich setze mich vorne", verkündigte ich, schnallte mich schnell ab und ehe jemand etwas sagen konnte, kletterte ich zum Beifahrersitz, während Alex lieber den längeren Weg nahm und die Türen benutzte. Unpraktisch, wenn ihr mich fragt. Zufrieden schnallte ich mich an und fing ich an, am Radio rumzufummeln.
Als alle sich hingesetzt hatten, startete Alex den Motor und fuhr mit rasender Geschwindigkeit los. Er ließ die Fensterscheibe runter und gab Vollgas. Der eiskalte Wind von draußen blies rein und auf meinem Arm bildete sich Gänsehaut.
Erschrocken sank ich tiefer in dem Sitz, als das Auto nach vorne geschleudert wurde. „Junge, was läuft bei dir falsch? Wir hauen vor der Polizei ab und du führst sie so geradewegs zu uns", brüllte Dylan und Mira stöhnte: „wieso habe ich ihm das Auto überlassen?"
„Chillt, kann man nicht ein wenig Spaß haben?", schmollte der Blonde, verlangsamte jedoch sein Tempo. Die nächsten vier Stunden vergingen schnell, während wir Musik nach meinem Geschmack hörten und uns mit normalen Gesprächen abgelenkten, die Schach- und Mordfrei waren. Zum Glück tauchte die Polizei nirgends auf.
Müde lehnte ich den Kopf nach hinten, als wir an einem Schild mit der Überschrift „Chicago" vorbeifuhren. „Nonna, haben wir Geld?", fragte Alex und starrte konzentriert auf dem Weg. „Ich habe ein paar Geldscheine, die dürften reichen", versicherte Mira.
„Ich würde kurz zur Bank fahren. Ich habe mein Portemonnaie dabei." Stirnrunzelnd sah ich zu ihm. „Wenn die Polizei hinter uns her ist, dann könnten die doch eure Kreditkarten gesperrt habe."
„Kann sein. Aber ein Versuch ist es wert", zuckte er mit den Schultern. Kurz darauf parkte er das Auto vor einem großen glasigen Gebäude, wo viele Leute raus- und reinkamen. Alex wollte aussteigen, doch ich hielt ihn am Arm zurück. „Bist du behindert? So wirst du doch leicht erkannt. Hast du vergessen, wer du bist?", zischte ich und zog ihn zurück ins Auto.
„Tatsächlich weiß ich noch, wer ich bin, aber danke, dass du mich dran erinnern wolltest", erwiderte er trocken. Doch als er Dylans und Miras vernichtende Blick sah, hob er abwehrend die Hände. „Gut, habt ihr irgendwo 'ne Sonnenbrille, oder 'ne Cap?", fragte er seufzend.
Mira kramte kurz in die kleine Tasche und übergab ihm eine übergroße Sonnenbrille und ein Mantel. Schnell zog sich Alex die Sachen an und sprang aus dem Auto. Mit gesenktem Kopf betrat er die Bank. „Das kann nur schiefgehen", seufzte ich und fummelte weiter an dem Radio rum.
Doch später kam Alex tatsächlich ohne Probleme raus. Doch an seine zusammengepressten Lippen und seine angespannte Haltung ahnte ich Schlimmes. Er ließ sich wieder auf dem Fahrersitz fallen und sagte leise: „gesperrt."
Die restliche Fahrt zu Miras Ferienhaus verlief schnell. Alex parkte neben dem Häuschen und wir stiegen aus. Mira schloss die Tür auf und ließ uns rein. Wir gingen direkt Wohnzimmer, wo wir uns auf den Sessel niederließen.
Das Haus hatte eine nette Atmosphäre. Alles war bunt und gemütlich ausgerichtet. Im Wohnzimmer gab es kein Fernseher, sondern bloß ein Kamin. Durch die großen Fenster hatte man einen wunderbaren Blick auf dem Lakefront.
„Und was machen wir jetzt?", fragte ich leise, sobald es sich alle bequem gemacht hatten. „Warten, bis Jake zu uns Kontakt aufnimmt und zu uns kommt. Dann brauchen wir einen Plan", antwortete Dylan ebenso leise.
Grüne oder blaue Augen?
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