Nineteen ~ the full story

Es wurde totenstill im Wohnzimmer. Es hätte mich keineswegs gewundert, dass wenn einer eine Nadel fallen lassen würde, wir sie alle hören würden.

Mira hatte den Erste-Hilfe-Kasten zurück in die Küche gestellt und lehnte sich nun mit verschränkten Armen gegen den Tresen, der Küche und Wohnzimmer voneinander trennte.

Dylan und Alex saßen je in einem Sessel und starrten schweigend ins leere Kamin. Jake lag auf dem Sofa zwischen die Sessel und bemühte sich, seine Schmerzen nicht zu zeigen.

Auch, wenn er jedes Mal, wenn ihn jemand fragte, ob alles gut sei, versicherte, dass er die Wunde kaum noch spürte, merkte ich jedes Mal, wie er sich mahnte, das Gesicht nicht vor Schmerz zu verziehen. Der Junge hatte echt Nerven.

Das blutige Hemd hatte er zum Glück gegen ein sauberes T-Shirt von Alex getauscht. Ich saß rechts auf dem Sofa, neben dem Kissen, auf dem Jakes Kopf lag und strich dem Dunkelhaarigen sanft ab und zu abwesend Haarsträhnen aus der Stirn. Glücklicherweise waren seine Atemzüge weniger bemüht und seine Haltung nicht mehr ganz verkrampft.

Mira war die erste, die das Schweigen brach. „Wollt ihr dem Mädchen endlich von euren Missionen erzählen?", schnaubte sie und funkelte die drei Jungs an. Meine Hand, die Jake gedankenverloren eine Strähne seines braunen Haars nach hinten strich, erstarrte mitten in der Bewegung. Schwer schluckend verschränkte ich die Arme vor der Brust und hob den Blick.

Alle vier starrten mich fragend an, doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wollte ich die ganze Wahrheit erfahren? Definitiv. War ich bereit dazu? Definitiv NICHT. Ich wusste, dass was folgen mir nicht gefallen würde. Ich spürte es beinah.

Die Wut über die drei hatte nachgelassen und war zu einem einzigen verzweifelten Fragezeichen in meinem Kopf geworden. Wieso? Wieso töten sie unschuldige Menschen? Gefiel es ihnen? Oder gab es einen bestimmten Grund?

Mira räusperte sich und holte mich aus meinen Gedanken. Ich wollte den Kopf schütteln und warten, bis es Jake besser ging, um dann erst die ganze Wahrheit zu erfahren. Um mich auch mental darauf vorzubereiten.

Doch mein Inneres hatte andere Pläne. Und weil ich so neugierig und dumm war, nickte ich. Ich wollte nichts sagen, da ich wusste, meine Stimme würde versagen.

Doch das Nicken genügte. Seufzend sah Alex zu Dylan, der wiederum Jake anstarrte. „Alex, du erklärst wieder", sagte Jake schwach. Empört sah ihn Alex an. „Wieso immer ich?" „Mach einfach, ich übernehme", meinte Dylan genervt und stieß einen Seufzer aus. „Schön, macht es euch gemütlich, Idioten", schnaubte Alex und funkelte Jake böse an.

„Zu dir Bella, Jake und ich waren wie gesagt in unseren letzten Jahren gemeinsam in derselben High School. Jakes Vater hatte Jake alles – naja, fast alles – von der Gang erzählt und die Aufgaben der Schachfiguren erklärt. Als Jake und ich uns anfreundeten, erzählte ich ihm von meinem Tattoo. Frag nicht wieso, ich glaube, ich wollte angeben, weil ich mit zehn Jahren ein Tattoo bekommen habe. Als ich ihm die Schachfigur beschrieb, war er misstrauisch, doch als er sie selbst sah, war er einerseits entgeistert, andererseits begeistert." Alex' Blick war abwesend. Er war in Erinnerungen versunken. Das Zucken in seine Mundwinkel verriet, dass es eine schöne Erinnerung war.

Dylan übernahm wie versprochen das Reden. Nervös schluckend sah ich zu ihm. „Jake hat Alex vertraut und ihm über die Bande erzählt. Es stellte sich fest, dass auch Alex von der Gang wusste, aber nicht vieles. Kein Wunder, wir waren alle 10 oder 11 als unsere Väter starben. Sie haben uns nicht viel erzählt, weil wir zu jung waren", schnaubte er und schüttete den Kopf.

Jake nahm die Unterlippe zwischen den Zähnen und fuhr fort: „wir haben uns vorgenommen die Bande, wiederzubeleben – und uns zu rächen. Du hast dich bestimmt gefragt wie so eine Gang überhaupt aussterben kann, oder?", lachte er bitter.

„Sie haben sie hinters Licht geführt, diese Feiglinge", zischte Alex wütend. Verwirrt starrte ich zwischen den beiden. Wer hatte wen hinters Licht geführt? Und wieso Feiglinge? „Mehrere Gouverneure haben sich zusammengetan und Auftragskiller gesammelt", klärte mich Dylan freundlicherweise auf.

„Es gab einen Verräter. Wir wissen nicht, ob er ein White oder ein Black war. Tatsache ist, er hat uns verraten und wichtige Informationen weitergegeben, die die Gouverneure geholfen haben. Am Ende haben sie die Mitglieder in die Enge getrieben, ohne irgendwelche Waffen und völlig unvorbereitet. Sie haben sie aufgesucht, wenn sie allein waren, abgetrennt von den anderen und eiskalt ermordet. Jeden einzelnen, ausnahmslos. Deshalb haben sie nicht die Polizei geholt, sondern Auftragskiller. Weil selbst die Polizei alle vors Gericht gebracht und nicht direkt getötet hätte", erzählte Jake und seine Miene verfinsterte sich.

Ihr exaktes Wissen schien mich zu irritieren. Sie waren doch alle noch sehr jung, als es geschah. Woher wussten sie das alles? „Woher wisst ihr das so genau?", fragte ich deshalb leise. Die drei tauschten einen Blick, den ich nicht deuten konnte.

„Hat uns unser erstes Opfer erzählt. Es hat gedauert, bis der Gouverneur sprach, aber schlussendlich hat er uns alles bis ins kleinste Detail verraten. Ich glaube, Jakes Aggressionen haben ihm Angst gemacht", klärte Alex mich schulterzuckend auf.

„Wir haben beschlossen, uns zu rächen und jeden einzelnen, der nicht nur unsere Väter, sondern auch andere durch sie ermordete Menschen, die wahrscheinlich sogar unschuldig waren, zu töten", erklärte Dylan. Seine Stimme war unbeteiligt und sein Blick in die Ferne gerichtet.

„Deshalb ist die Polizei hinter euch her? Weil ihr ...gemordet habt?", fragte ich und sah jedem einzelnen in die Augen. „Entweder hat uns jemand erwischt, oder einer von uns hat uns verraten", seufzte Jake. Seine Hand wanderte unter seinem Hinterkopf und er rieb sich müde den Nacken.

„Findet ihr nicht, dass ihr genauso handelt wie die Bösen? Sie haben euere – unsere Väter umgebracht, aber wenn ihr sie wiederum angreift, wird das kein Ende nehmen", sagte ich und schluckte schwer. Das Ganze würde vermutlich eskalieren, wenn die drei den Grund des Mordens preisgaben.

„Das wissen wir. Aber unsere Aufgabe ist es nicht das Gute zu spielen, Bella. Manche werden als das Böse geboren. Wie wir. Und weißt du, wir finden es nicht einmal schlimm", meinte Jake schulterzuckend.

Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Wie konnte er alles auf die leichte Schulter hinnehmen? Ich meine, er hatte gemordet. Mehreren Menschen eiskalt gekillt. Wenn ich jemanden jemals das Leben nehmen würde, dann würde ich wahrscheinlich Tage lang nicht schlafen können und mich fragen, weshalb ich das überhaupt getan hatte.

Die drei waren nicht unbedingt nett, jedoch hätte ich nie im Leben gedacht, dass sie so grausam und eiskalt sein konnten. Das war mein Dad auch, sagte eine leise hässliche Stimme in meinem Kopf. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals.

Nein, Dad hatte nicht gemodert, nur bestohlen. Das haben die Jungs deutlich an der Nacht, wo ich Percys Leiche entdeckte hatte, gesagt. Aber er war ermordet worden.

„Dann war das kein Terroristen Anschlag, wie sie es uns gesagt haben", flüsterte ich plötzlich. Jake schüttelte zynisch den Kopf. „Das haben sie erfunden. Und die Polizei hat es abgekauft. Es gab bei jedem Tatort gefälschte Beweise, die darauf gedeutet haben, dass ihr Tod entweder wie ein Anschlag, Suizid oder Unfall aussah."

Lodernde unkontrollierte Wut stieg unerwartet in mir. Diese Gouverneure haben meinem Vater das Leben eiskalt genommen und dazu haben sie die Schuld auf andere geschoben. das Schrecklichste war, sie waren auch noch davongekommen.

„Wieso habt ihr das nicht der Polizei erzählt?", fragte ich zähneknirschend und ballte die Hände in meinem Schoss zu Fäusten. Meine Fingernägel bohrten sich in meine Innenhand, doch ich nahm den Schmerz nicht wahr.

„Glaubst du ernsthaft, die würden uns glauben? Gerechtigkeit gibt es nicht. Das alles, was die Leute davon labbern, ist Bullshit. Der Fall wurde vor acht Jahre abgeschlossen. Wenn wir aus dem Nichts auftauchen und diese Geschichte auftischen, wie glaubst du würden die Leuten reagieren? Die würden uns nie im Leben glauben", sagte Alex mit einem höhnischen Grinsen.

Dylan nickte zustimmend und fügte hinzu: „dafür werden sie uns aber ins Gefängnis stecken, weil wir um die zehn der reichsten Menschen Amerikas umgebracht haben, natürlich. Sie würden nur unsere hässlichen Seiten zur Schau bringen, um den richtigen Fall im Hintergrund und so gut wie es geht unauffällig, zu halten."

„Jedenfalls haben wir Dylan irgendwann nach unserem Gespräch über die Schach Bande gefunden. Im Krankenhaus, als Alex sich beinah die Hand abgetrennt hat. Lange Geschichte. Jedenfalls war Dylan dort. Mit einem T-Shirt, das sein Tattoo nicht perfekter zur Schau hätte, bringen konnte", kehrte Jake zur eigentlichen Geschichte zurück. Bei der Erinnerung umspielte seine Lippen ein leichtes Grinsen.

„Sie haben mir einfach dort alles erzählt. Wortwörtlich alles. Ich dachte anfangs, sie seien verrückt und wollte die Psychiatrie anrufen", lachte Dylan schwach. „Aber wir haben dich überzeugt", konterte Alex. „Das habt ihr." Die drei sahen sich mit einem schelmischen Lächeln an und unwillkürlich musste ich schmunzeln.

„Wir hatten keinen Plan, was wir nun machen sollten. Wir wollten die Sache nicht ruhen lassen, aber als drei Teenager konnten wir nicht viel anstellen. Dann kam der Unfall, und Jakes Adoptivmutter starb", erzählte Alex und seine Stimme wurde leiser. Jake verkrampfte sich merklich und sah weg. Kurz blinzelte ich verblüfft. Moment, Jake war adoptiert?!

„Er hatte keine Verwandte und der Staat wollte ihn wieder ins Waisenhaus bringen. Aber Josh kam und adoptierte ihn wiederum. Als er dann sein Singtalent erkannte, kam er auf die Idee eine Band zu gründen", erzählte Dylan schnell und schmerzlos.

„Und ganz, ganz zufällig waren Alex und Dylan auch begabt?", fragte ich misstrauisch. Das war ein wenig zu viel Glück auf einmal. Jake entspannte sich angesichts des plötzlichen Themawechsels. Er warf lachend den Kopf in den Nacken und schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht. Alex hatte nichts am Hut und wir mussten ihn erstmal etwas Musikalisches beibringen. Dylan hatte zum Glück Erfahrungen mit Klavier. Es hatte gedauert, aber die ChessBless entstand schließlich."

„Es war auch eine Tarnung. Niemand ist aufgefallen, dass öfter, wenn wir eine Stadt verließen jemand starb. Nur der Polizei. Aber wir hatten unsere fake Alibis", meinte Dylan.

„Und Jake hat dich entdeckt. Bei dem Konzert in Bar Harbour. Ehrlich gesagt, waren wir etwas schockiert, als er uns von deinem Tattoo erzählt hat. Wir wussten nicht, ob du wirklich die Anführerin bist. Aber dein Ring und gestorbener Vater waren die endgültigen Beweise." Verlegen kratzte sich Alex den Nacken.

„Wir wollten warten und erst am nächsten Tag wie ganz normale Menschen bei dir anklopfen. Doch wo blieb der Spaß? Außerdem hat uns Josh angerufen und unser Trip kurzfristig verkürzt. Wir wollten dich nicht unter Druck setzen, wenn wir dir nur 12 Stunden fürs Einpacken geben", erzählte Jake.

Skeptisch hob ich eine Augenbraue. „Woher habt ihr gewusst, dass ich überhaupt zustimme? Ich hätte auch nein sagen können und euer Angebot kurzerhand abgelehnt."

Alex schüttelte belustigt den Kopf. „Süße, komm schon, wer kann uns schon solch ein Angebot abschlagen?!", lachte auch Jake.

Ich schüttelte leicht amüsiert über ihre Selbstgefälligkeit den Kopf, doch wurde schnell wieder ernst. „Wann hattet ihr vor, mir davon zu erzählen? Ohne, dass ich davor irgendwelche Leichen in unsere Wohnung entdecke, natürlich", fragte ich leise.

Seufzend wendete sich Alex seinen beiden Freunden zu. „Wir wussten nicht, wie du reagieren würdest, wenn du erfährst, dass wir Mörder sind", sagte Jake schließlich und stieß die Luft aus. Es war beinah beängstigend, wie locker die drei mit dem Wort Mörder umgingen.

„Was habt ihr vor, nachdem ihr euch ...gerächt habt?", fragte ich. Die neuen Erkenntnisse über die Schach Bande und die Taten der drei jungen Männer, mit denen ich gerade einen verdammten teilte, ließen mich gerade kalt, doch ich wusste, dass sobald ich allein war, all die Gefühle auf mich runterprasseln würden wie ein Wasserfall, der nicht enden wollte.

Alex, Jake und Dylan tauschten einen Blick. „Die Bande wieder auferstehen lassen", erwiderte Jake ruhig. „Und jetzt kommt unsere Frage, Bells ...bist du bereit, deine Stelle in der Gang einzunehmen?"

Verwirrt legte ich die Stirn in Falten und sah überfordert auf meinem Schoss. Diese Frage traf mich unvorbereitet. Aber wollte ich das? Wollte ich diese Bande anführen? Das Böse? Ich schluckte schwer und wendete den Blick ab. Ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich wollte.

„Ich weiß es nicht." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Lasst dem Mädchen Zeit, es sich zu überlegen", meldete sich Mira zum ersten Mal, seit dem Gespräch zu Wort.

Irgendwie fällt mir erst jetzt auf, dass die Band eigentlich das Böse ist lol

Hättet ihr an Bellas Stelle der Band zugestimmt?

Macht euch auf ne Menge Action und Drama bereit, das Ganze hat noch nicht mal richtig angefangen ... 🤭

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top