Fifteen ~ memories
„Es geht einfach nicht!", sagte ich und fuhr mir frustriert durchs Haar. Am liebsten hätte ich nach etwas geschlagen.
Mein Dad schüttelte den Kopf und nahm mir die Gitarre ab. „Entspann dich. Du bist viel zu verkrampft", meinte er und setzte die Bassgitarre auf seinem Schoss. Seine schlanken Finger glitten federleicht über die Saiten und eine sanfte Melodie erklang.
„Wenn du keine Lust mehr hast, dann machen wir morgen weiter, Kilian", sagte mein Vater, doch ich schüttelte heftig den Kopf. „Kommt gar nicht infrage! Ich will diese Töne heute noch schaffen!"
Mit einem ermunternden Lächeln gab er mir die Gitarre wieder. Plötzlich klingelte sein Handy. „Übe kurz, ich komme gleich. Die Arbeit ruft", entschuldigte Dad sich, holte sein Handy aus der Hosentasche und stand auf.
Ich holte tief Luft und wollte anfangen, als plötzlich jemand anfing gegen die Saiten zu schlagen. Kurz darauf ertönte das glucksende Lachen meiner zweijährigen Schwester.
„Nessa, lass das!", fauchte ich gereizt und legte die Gitarre zur Seite, um sie von ihr fernzuhalten. Inessas Augen wurden groß und sie schob schmollend die Unterlippe vor. „Shit, Nessa, sorry, aber bitte geh. G E H", sagte ich flehend, doch meine Schwester sah mich weiter mit ihren großen giftgrünen Augen an.
„Sit", flüsterte sie und begann wieder zu glucksen. „Sit, sit, sit!", klatschte sie fröhlich mit ihren Händen. Ach du scheiße, wie konnte ich in ihre Nähe fluchen?! Panisch warf ich meinem Vater einen Blick, doch der schien in einem Gespräch vertieft zu sein.
„Da bist du ja, Kleine!", rief meine Mom von der Küche aus erleichtert und kam zu uns. Liebevoll hob sie Inessa auf. „Tut mir leid, Kilian, falls sie dich gestört hat. Das Biest ist abgehauen, als ich mich umgedreht habe!", sagte sie und strich Nessa zärtlich den Kopf.
„Was heißt jetzt 'sie kommen'?", fragte Dad plötzlich ungläubig, seine Stimme wurde laut. Wir drehten uns alle verwirrt zu ihm um. Er beendete dankend den Anruf und sah uns an. Sein Gesicht war leichenblass.
„Schatz, was ist los?", fragte Mom besorgt und wiegte Nessa auf ihre Hüfte. „Schnell nach oben mit euch!", sagte Dad und ignorierte ihre Frage. Er packte meine Mom sanft an der Schulter und schob sie die Treppe hoch. Ich folgte die drei mit einem verständnislosen Blick.
Das war untypisch für Dad. Er war immer locker, doch gerade wirkte er verkrampft und seine Augen huschten nervös umher. „Tyler, was ist los? Rede endlich!", sagte Mom verwirrt, doch Dad schob uns in einem der Zimmer.
„Jemand hat uns verraten. Sie kommen", antwortete Dad knapp und knipste die Lichter aus. Seine Bewegungen waren schnell und leise. „Ihr bleibt hier. Keiner bewegt sich, bis sie weg sind!"
Ein lautes Poltern ertönte von der Küche und ließ uns alle zusammenzucken. „Sie kommen durch die Hintertür. Chloé, Schatz, ich liebe dich, verschwinde morgen mit den Kindern aus der Stadt, okay?", sagte er und drückte Inessa einen Kuss auf der Stirn.
„Dad?", fragte ich ängstlich und griff zitternd nach dem T-Shirt Saum meiner Mom. „Kilian, mach mich stolz und verwirkliche deine Träume, ja?", sagte er schnell, als es wieder in der Küche gehämmert wurde.
Er drückte Moms Hand ein letztes Mal und verschwand dann durch die Tür, die er dann leise hinter sich zuschloss. Meine Mutter legte die mittlerweile stille Nessa auf einem Sessel im Zimmer und ging vorsichtig zur Tür. Ich tat es ihr gleich und drückte mein Ohr auf dem Schüsselloch, um zu lauschen.
Unten wurde etwas zerbrochen. Wir hörten schwere Schritte. „Dein Leben nimmt bald sein Ende, Walker!", sagte eine Stimme kalt und ich bekam augenblicklich Gänsehaut. „Dad!", flüsterte ich entsetzt und meine Mom hielt die Luft an.
Schüsse ertönten vom Wohnzimmer und ich hielt mir die Ohren zu. „Tyler!", schrie Mom angsterfüllt, riss die Tür auf und rannte aus dem Zimmer. Ich wollte nach ihr schreien, ihr nachlaufen, doch ich war vor Angst wie erstarrt.
„Tötet die Frau!", sagte die kalte Stimme wieder, kurz darauf hörte ich Moms Schreie und ein ohrenbetäubender Schuss ertönte. Erschrocken zuckte ich zusammen und öffnete den Mund um nach ihr zu schreien.
Doch ich fand meine Stimme nicht. Das einzige, was ich herausbrachte, war ein entsetztes Keuchen.
Etwas in mir zerbrach, während Nessa zu wimmern begann. „CHLOÈ!", brüllte Dad, doch ein Schlag ließ ihn verstummen.
„Verprügelt ihn tot. Ich will, dass er leidet. Lasst ihn jeden Tritt und Schlag bis in die Knochen spüren." Die kalte Stimme des Manns nahm einen hasserfüllten Ton an.
× Jake ×
Wütend starrte ich die Glasflasche in meiner Hand und warf sie gegen die nächstbeste Wand in der dunklen Gasse, wo sie in zig Scherben zerbrach.
Wieso? Wieso konnte ich diese Erinnerung nicht verbannen? Konnte ich nicht einfach vergessen? Ausgerechnet dieser Moment hatte sich in mein verdammtes Hirn eingebrannt.
Jede verdammte Nacht seit acht Jahren hörte ich den letzten Schrei meiner Mom, das Wimmern meiner kleinen Schwester und spürte jeden Schlag, der meinen Vater zum Tod getrieben hatte.
Meine Mom, sie hatte sich geopfert, während ich mich wie der letzte Feigling hinter einer Tür versteckt hatte, statt zu helfen. Scham und Schmerz durchfuhren mich.
Mein Traum seit ich fünf war, war meinem Vater stolz zu machen, doch was war daraus geworden? Ich schämte mich. Ich schämte mich unglaublich sie beide im Stich gelassen zu haben. Sie sterben zu lassen.
Die Polizeisirenen drangen durch meinen pochenden Kopf. Sie konnten mich nicht finden. Ich stieß ein spöttisches Lachen aus. Das war wie ein Maus-Katze-Spiel. Die Polizisten wollten nicht checken, dass sie mich nie zu fassen bekommen konnten.
Ich drückte mich an die schmutzige Wand hinter mir in der dunklen Gasse und ließ seufzend den Kopf in den Nacken fallen. Mein Blick huschte zu den zerbrochenen Wodkaflaschen und mir wurde augenblicklich kotzübel.
Es war keine gute Idee zu trinken. Nicht, wo die anderen auf mich warteten. Doch ich konnte nicht anderes. Die Schüsse in der Wohnung hatten mich an dieser Nacht erinnert. Mal wieder. Vor meinen Augen sah ich, wie meine Mom zu Boden fiel und leblos liegen blieb.
Der Regen prasselte weiter auf mich, doch ich nahm nichts um mir wahr. Am liebsten würde ich mir noch eine weiter Wodkaflasche aus dem Club nebenan holen, um meinen Kopf für kurze Zeit auszuschalten, doch meine Gedanken glitten zu Alex, Dylan und Bella.
Nein, ich würde nicht wieder versagen. Ich durfte nicht wieder versagen.
Es werden noch öfter Kapitel von Jakes Erinnerungen auftauchen und evt. von Dylans und Alex' Vergangenheit.
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