Eighteen ~ „Idiot."

Da stand er. Vor der offenen Tür und stützte sich auf dem Türrahmen. 

Seine Hose war verdreckt, das schwarze Hemd blutverschmiert. Sein Gesicht war von Kratzer überseht und auf der Stirn klebte ihm trockenes Blut. Sein braunes Haar stand ihm vom Kopf ab und seine Augen wirkten dunkler als sonst. Eine Hand war an seine Hüfte gepresst, an vom T-Shirt das Blut auf dem Boden sickerte. Alles in allem war sein Zustand alles andere als gut.

„Scheiße", fluchte Alex und eilte zu seinem Freund, dicht gefolgt von mir. „Was ist denn mit dir passiert?", fragte ich Jake schockiert. Stützend legte ich ihm einen Arm unter die Schulter und Alex tat es mir auf der anderen Seite gleich. 

Mira erschien am Türrahmen des Wohnzimmers. Als sie Jakes blutverschmiertes Oberteil und sein bleiches Gesicht sah, befahl sie uns, ihm ins Wohnzimmer zu bringen, während sie ein Erste-Hilfe-Kasten holte.

„Ich kann selbst laufen", sagte Jake durch zusammengebissene Zähne und wollte sich aus unserem Griff lösen. Wütend sah ich ihn an. „Dein Stolz wird uns nicht weiterbringen, du Idiot. Lass uns dir helfen. Du bist verletzt, verdammt nochmal", fauchte ich.

Jake schwieg und verzog bloß schmerzerfüllt das Gesicht, als er einen Schritt wagte. Ich wollte gar nicht wissen, wie viel Anstrengung es ihm gekostet hat, hierher mit der Verletzung zu kommen. Als Alex und ich ihn wieder packten, protestierte er glücklicherweise nicht. Zusammen brachten wir den Dunkelhaarigen ins Wohnzimmer und setzten ihn auf dem Sofa ab. 

„Mit dir ist alles gut? Dein Ernst?", funkelte Alex Jake wütend an. „Das meiste ist nach dem Anruf passiert", erwiderte dieser schwach und sein typisches Grinsen umspielte seine Lippen. Keine gute Idee. Schmerzerfüllt atmete er ein und schloss kurz die Augen. „Du bist verrückt", schüttelte ich den Kopf, während Alex ihm das blutdurchtränkte Hemd auszog und die Verletzung freigab.

Als ich die Wunde sah, atmete ich unwillkürlich zischend ein und sah kurz weg. „Die Kugel ist raus, keine Sorge", meinte Jake schweratmend und legte den Kopf in den Nacken. Über seine Hüfte an die Seite hatte er eine Schusswunde, aus der unaufhörlich Blut rausquoll. Seine gebräunte Haut hatte einen ungesunden Ton angenommen.

Mira eilte ins Wohnzimmer, gefolgt von einem besorgten Dylan, der einen Hilfe Kasten in der Hand hatte. „Ich schwöre, ich habe es gesagt. Alex, du schuldest mir 50 Euro", sagte Dylan und warf Alex einen triumphierten Blick, während Mira schweigend ein Tuch nahm und ihn auf Jakes Wunde drückte, um die Blutung zu stoppen. 

Jake verkrampfte sich und presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Ich griff besorgt nach seiner eiskalten Hand und drückte sie beruhigend. „Ihr habt ernsthaft um meine Scheißgesundheit gewettet?", fragte Jake mit gespielter Empörung. Alex verdrehte die Augen. „Nicht, dass sie dir wichtig ist."

 „Mal im Ernst, was ist denn passiert?", fragte Dylan und setzte sich auf einem Sessel. Er zog die Stirn in besorgte Falten und sein Blick musterte seinen besten Freund.

Jake nahm einen schweren Atemzug, ehe er sprach. „Dieser einer Bulle hat auf mich abgeschossen. Nach unserem Anruf. Ich war abgelenkt von der roten Katze, die mir am Arsch geklebt hat." Fassungslos starrte ich ihn an und schüttelte leicht empört den Kopf. „Die Polizei hat auf dich geschossen?" 

„Unbeabsichtigt. Oder auch nicht. Sie wollten mich nicht ausschalten, nur langsamer machen", erwiderte er und legte sich aufm Sofa. Ich ließ mich in der Hocke vor ihm nieder. „Wie bist du überhaupt in Michigan gelandet?", fragte Dylan verwirrt. 

„Ich bin abgehauen, nachdem ihr weg wart. Naja, bin ganz knapp den Cops entwichen. Die schießen auf einen los, ehrlich gesagt habe ich es nicht erwartet", erzählte Jake und beobachtete Mira, die mit einer Hand ein Lappen auf die Wunde presste und mit der anderen in dem Kasten herumwühlte.

„Wie bist du weggekommen?", fragte ich, um ihn abzulenken, aber auch, um meine Neugierige zu stillen. „Taxi. Ich wusste nicht, wo ihr seid, deshalb habe ich irgendeine Adresse genannt, um den Bullen zu entkommen. Ich habe versucht jeden von euch anzurufen, aber keiner ging ran." An dieser Stelle wurde sein Ton vorwurfsvoll.

„Sorry man, nur ich hatte mein Handy dabei und den hat Mira zerstört. Wortwörtlich. Sie hat es vor meinen Augen auf dem Boden geworfen und ist drauf getreten. Wegen GPS und so", meinte Dylan angesäuert.

„Jedenfalls habe ich Mira angerufen, weil ich wusste, dass Alex ihr immer Bescheid sagt, wo er hingeht. Aber Bingo, er selbst ist rangegangen", sagte Jake. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen.

„Deine Schrammen sind nicht gerade oberflächlich und müssen gereinigt werden, bevor sie sich entzünden. Vorsicht, ich muss Alkohol benutzen und es wird unangenehm", warnte Mira. Sie angelte mit der freien Hand nach einer Wattepad und einer Dose mit flüssigem Mittel aus dem Erst-Hilfe-Kasten.

Als sie etwas von der durchsichtigen Flüssigkeit auf dem kleinen Läppchen goss und mit der Watte über die Kratzer auf Jakes Oberkörper fuhr, riss dieser die Augen auf und unterdrückte ein Keuchen. „Fuck, das brennt", stöhnte er und presste sie Augen zusammen. Besorgt drückte ich seine Hand.

„Bella, kannst du das Tuch auf die Wunde halten, während ich die Schrammen reinige?", fragte Mira konzentriert. Sofort nickte ich und legte die Hand behutsam auf dem Lappen. „Du musst schon festdrücken", sagte Mira belustigt. 

Ich biss die zähne zusammen und presste vorsichtig auf die Wunde. Medizin war nicht mein Fall. Jake stieß einen gepressten Fluch aus. Erschrocken lockerte ich den Griff. 

„Er verarscht dich", grinste Alex und Jake schmunzelte. Aber natürlich musste das Arschloch mein Unwissen nutzen und mich aufziehen. „Idiot", verdrehte ich die Augen und drückte absichtlich grober als nötig. Der Verletzte biss sich auf der Lippen und stöhnte leise.

Wie aus dem nichts fielen mir Luca, Jasmine und meine Mom ein. Meine Familie. Shit, wie konnte ich sie vergessen? Was dachten sie, wo ich sei? Bestimmt wurde Mom krank vor Sorge. Ich hatte ihr versprochen, sie nach dem Konzert anzurufen. Und Jasmine und Luca hatte ich einfach im Restaurant gelassen. Schuldgefühle plagten auf mich.

„Mom wird bestimmt noch durchdrehen, weil ich ihr nichts gesagt habe und über Nacht verschwunden bin", fluchte ich leise. Jake schüttelte den Kopf, erleichtert ein Gespräch zu haben, um sich abzulenken.

„Das ist, was ich euch noch sagen will. Bei der Autofahrt heute morgen wurde im Radio gemeldet, dass wir – alle Bandmitglieder der ChessBless – auf 'ne spontane Reise sind. Der Reporter hat irgend so ein Bullshit gelabert. Angeblich soll ich Josh 'ne Nachricht hinterlassen haben, dass wir uns 'nen Urlaub nehmen, damit sich Bella an uns als Kollegen gewöhnt."

„Wieso? Wieso haben sie nicht einfach die Leute auf uns gehetzt? Wenn sie uns doch kriegen wollen, würde das doch so schneller gehen, oder?", fragte Alex stirnrunzelnd. Jake wollte antworten, doch als Mira mit der Wattepad über seine geschlürfte Haut am Oberarm fuhr, zuckte er zusammen.

„Verdammt, Mira, ich weiß deine medizinische Gabe zu schätzen, aber bist du sicher, dass dieses Zeug mich nicht umbringen wird?", fragte er zähneknirschend. In seine grünen Augen spiegelten sich Schmerztränen. 

Sein Druck um meine Hand wurde etwas fester, dass ich Angst hatte, er würde meine Knochen zerquetschen. Doch ich ließ mir nichts anmerken und presste das Tuch mit der anderen Hand weiter auf seine Schusswunde.

„Halt mal kurz still. Ich bin gleich fertig", erwiderte Mira konzentriert und reinigte die letzten Schrammen an seinem flachen Bauch. Kurz darauf nahm sie das mittlerweile blutertränkte Läppchen und warf es weg. Erschöpft atmete Jake aus und legte den Kopf in den Nacken. 

„Ich weiß es nicht. Aber ich ahne Schlimmes. Vor allem, da sie immer noch hinter uns her sind. Auch hinter Bella. Sie haben ihre Unterlagen durchsucht und wissen, dass ihr Vater unser Anführer war", beantwortete Jake Alex' Frage, während Mira mir das Stoff abnahm, das ich gegen Jakes Wunde gedrückt hielt und ein Verband aus dem Kasten angelte.

Als sie das Tuch neben dem Erste-Hilfe-Korb warf, riskierte ich einen Blick auf die Wunde. Jetzt, wo nur noch wenig Blut rieselte, erkannte ich den Platz der Wunde. Die Kugel war einige Zentimeter in Jakes Seite eingedrungen und langsam dachte ich, wir hätten lieber einen professionellen Arzt angerufen, statt es selbst in die Hand nehmen. Doch mir war klar, dass Dylan und Alex es vermutlich nie zugelassen hätte, geschweige von Mira, die alles darauf setzte, damit wir nicht von der Polizei erwischt wurden. 

Weiter konnte ich die Verletzung nicht erkunden, denn Mira stellte sich mit einem weißen Verband vor mir und band ihn Jake geschickt um die Wunde. Zufrieden sah sie sich ihre Arbeit an, ehe sie die anderen Sachen zurück in dem Kasten legte. 

„Wieso ist die Polizei überhaupt hinter euch beziehungsweise uns her? Die Bande wurde ausgeschaltet, was wollen sie von uns? Und was habt ihr jetzt mit dem Ganzen zu tun? Habt ihr den Gouverneuren umgebracht und warum?", sprudelte ich verzweifelt raus. Diese Fragen quälten mich seit Tagen. Ich konnte nicht mehr. Ich wollte Antworten.

Seufzend sah Alex zu Dylan. Dieser hob eine Augenbraue und setzte einen du-entscheidest-nicht-ich-Blick auf. „Bella, es ist kein richtiger Zeitpu-", weiter kam der Blonde nicht, denn Jakes Kopfschütteln unterbrach ihn.

„Sie muss es wissen. Wir sind schließlich nicht so perfekt, wie wir von außen aussehen, Alex. Wir sind Mörder. Jeder einzelne von uns."

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