☽♫☾
➸𝔗𝔯𝔦𝔤𝔤𝔢𝔯𝔴𝔞𝔯𝔫𝔦𝔫𝔤!
➫𝔖𝔢𝔩𝔟𝔰𝔱𝔳𝔢𝔯𝔩𝔢𝔱𝔷𝔢𝔫𝔡𝔢𝔰 𝔙𝔢𝔯𝔥𝔞𝔩𝔱𝔢𝔫
➫𝔇𝔢𝔭𝔯𝔢𝔰𝔰𝔦𝔳𝔢 𝔊𝔢𝔡𝔞𝔫𝔨𝔢𝔫
➫𝔖𝔠𝔥𝔩𝔞𝔣𝔰𝔱𝔬𝔢𝔯𝔲𝔫𝔤
➫𝔈𝔰𝔰𝔱𝔬𝔢𝔯𝔲𝔫𝔤
ℰ𝓋ℯ𝓇𝓎 𝓈𝓉ℯ𝓅 𝓎ℴ𝓊 𝓉𝒶𝓀ℯ 𝓁ℯ𝒶𝓋ℯ𝓈 𝓎ℴ𝓊𝓇 𝒻ℴℴ𝓉𝓅𝓇𝒾𝓃𝓉𝓈.
ℰ𝓋ℯ𝓇𝓎 𝓉ℴ𝓊𝒸𝒽 𝓎ℴ𝓊 𝓂𝒶𝓀ℯ 𝓁ℯ𝒶𝓋ℯ𝓈 𝓎ℴ𝓊𝓇 𝒻𝒾𝓃𝑔ℯ𝓇𝓅𝓇𝒾𝓃𝓉𝓈.
ℰ𝓋ℯ𝓇𝓎 𝓌ℴ𝓇𝒹 𝓎ℴ𝓊 𝓈𝒶𝓎 𝒷𝓊𝓇𝓃𝓈 𝒾𝓃𝓉ℴ 𝓈ℴ𝓂ℯℴ𝓃ℯ'𝓈 𝓂𝒾𝓃𝒹.
ℰ𝓋ℯ𝓇𝓎 𝓌ℴ𝓊𝓃𝒹 𝓎ℴ𝓊 𝒸𝒶𝓊𝓈ℯ 𝓁ℯ𝒶𝓋ℯ𝓈 𝓈𝒸𝒶𝓇𝓈.
𝒴ℴ𝓊 𝒸𝒶𝓃'𝓉 ℯ𝓇ℯ𝒶𝓈ℯ 𝓉𝒽ℯ𝓂. ℬ𝓊𝓉 𝒽ℯ 𝒸𝒶𝓃.
𝒲𝒾𝓉𝒽 𝒿𝓊𝓈𝓉 ℴ𝓃ℯ 𝓈𝒾𝓃𝑔𝓁ℯ 𝓉ℴ𝓊𝒸𝒽.
Yoongi hatte schon immer gewusst, dass Engel existieren, auch wenn er nie einen getroffen hat, schließlich lebten sie in seiner Welt in einer Art Symbiose mit den Menschen. Schon vor tausenden Jahren schlossen Menschen und Engel ein Bündnis des Friedens.
Als Besiegelung des Vertrages, versprachen die großzügigen Engel, ihre Heilkräfte einzusetzen, wann immer ein Mensch verletzt war, vom kleinsten Kratzer bis zu lebensbedrohlichen Wunden.
Der Junge war von klein auf von den Geschichten über Engel fasziniert gewesen, doch dass er noch nie verletzt war und damit auch noch nie die Hilfe eines Engels gebraucht hat war kein Zufall.
Yoongi war schon von klein auf anders als die anderen Kinder.
Als sie alle raus gingen um zu spielen blieb er lieber drinnen und beobachtete zum Beispiel den Staub dabei, wie er im gespaltenen Licht der Jalousien durch die Luft wirbelte.
Wenn ihm das zu langweilig wurde, sah er der Zeit beim Vergehen zu.
Er liebte Sanduhren, aber auch normale Wanduhren und Wecker hatten es ihm angetan.
Er konnte Stunden lang zusehen, wie die Zeiger rotierten und der Sand sich auf dem Boden des kleinen Glasbehälters ansammelt, bis es an der Zeit ist ihn herum zu drehen und das Schauspiel von neuem zu betrachten.
Gelegentlich sah er auch den Nachbarskindern im Garten beim Rennen und Lachen zu, doch selbst spielte er kaum draußen.
Yoongi war kein sehr aktives Kind sondern gab sich ganz dem analysieren seiner Umgebung hin.
So kommt es auch, dass es noch nie eine Situation gab, in der er sich hätte verletzen können.
Noch nie musste ein Engel zur Heilung kommen und noch nie konnte er seinen Traum erfüllen, dem ihm zugeteilten Engel zu begegnen.
Seine demente Großmutter hatte ihm von den schönen, liebevollen Geschöpfen erzählt, die jedem, der ihnen gegenüber steht, ein warmes Gefühl in der Brust schenken.
Viel zu oft fragte er sich, wie es wäre, einem dieser wundersamen Geschöpfe zu begegnen. Würde er mit ihm sprechen? Engel waren zwar übernatürlich schön und von Natur aus sanftmütig, doch auch sie hatten ihren Charakter. So kam es gelegentlich vor, dass sie einen der Menschen für den sie verantwortlich waren nicht mochten. Sie erfüllten natürlich trotzdem ihre Pflicht aber verschwanden danach sofort wieder. Andere wiederum pflegten tiefe Freundschaften miteinander. Da es mehr Menschen als Engel gab war ein Engel immer für eine Hand voll Menschen zuständig.
Yoongi hätte sich vielleicht schon vor Jahren mal in den Finger gepikst um herauszufinden wie 'sein' Engel so war, doch er wollte nicht dessen Zeit verschwenden. Es gab auch noch eine anderen Aspekt, der ihn davon abhielt, denn er hatte unheimliche Angst davor, dass das übernatürliche Wesen ihn nicht mögen würde. Auch wenn er sich immer sagte, dass er alleine zurecht kommen würde, wünschte er sich doch insgeheim einen Freund. Jemand der ihn verstand und ihn nicht vergessen würde. Bisher hatte er so jemanden noch nicht getroffen. Die gesamte Schulzeit über hatte er sich wie Luft gefühlt, er erbrachte zwar die gewünschten Leistungen und niemand behandelte ihn schlecht, doch es war als würden sie gerade Wegs durch ihn hindurch sehen, sowohl Schüler als auch Lehrer.
Sie alle schienen so anders als er zu sein.
Er dachte auch oft über die anderen Menschen nach.
Vor allem darüber, wie sie sich von ihm unterschieden.
Er stellte sich so viele Fragen, doch diese wurden ihm nie beantwortet, da er nicht, wie er es bei anderen gesehen hatte, eine große Familie besaß.
Einzig und alleine seine Großmutter war ihm geblieben.
Auch darüber stellte er sich viele Fragen.
Wo waren seine Eltern? Dass sie nicht wieder kommen würden hatte er begriffen, denn er hatte Jahre lang vergeblich gewartet. Bevor seine Oma dement wurde, verschwieg sie ihm absichtlich die ganze Geschichte um den jungen nicht traurig zu machen, doch mit der zeit hatte sie selbst die letzten zwanzig Jahre ihres Lebens vergessen.
Auch die Krankheit der Frau setzte Yoongi schwer zu. Am Anfang war sie nur vergesslich und er übernah es mehr und mehr das essen zu machen und sich um das Haus zu kümmern, doch mit der Zeit erkannte sie ihn nicht mehr. Auch wenn er in der Schule etwas über Demenz gelernt hatte, viel es seinem Herzen schwer es zu begreifen.
Warum erinnerte sich seine Oma nicht an ihn?
War er ihr denn nie wichtiger gewesen?
Existierte er denn überhaupt? Immerhin fühlte sich in letzter Zeit alles so surreal an.
Oder einfach nicht wichtig genug, um wahrgenommen zu werden?
Immer mehr Fragen häuften sich an und Yoongi's Kopf hörte nie auf, nach Aufmerksamkeit zu verlangen. Nie gab er ihm eine Auszeit, denn zu viele Gedanken kreiselten dort ununterbrochen durcheinander und brachten ihn fast um den Verstand. So begann er bald damit, auch sich selbst zu hinterfragen. Die Einsamkeit, die er tief in seinem Herzen schon immer verspürte, verschlimmerte seinen Zustand nur noch.
Oft kam er Tage lang nicht aus seinem Zimmer, um seiner Großmutter nicht wieder aufs Neue erklären zu müssen, warum er hier wohnte und sie davon nichts wusste.
Seit er die Schule abgeschlossen hatte, erinnerte sich überhaupt Niemand mehr an seine Existenz und seine Einsamkeit wuchs ins Unermessliche. Er wusste nicht, was er mit seiner Zeit anfangen sollte, denn mehr als das Obst, Gemüse und Getreide, das er selbst anpflanzte und die neue Kleidung, die seine Oma an einem ihrer guten Tage für ihn kaufte, als sie ihn für einen armen Straßenjungen hielt, brauchte er nicht zum Leben.
Manchmal unterhielt er sich vor lauter Langweile sogar mit dem Mond, oder fragte sich, wie lange er wohl noch so weiter leben würde.
Er fürchtete sich nicht vor dem Tod. Nur der Gedanke, dass sich niemand an ihn erinnern würde, stimmte ihn traurig. Zudem wünschte er sich schon lange Antworten auf die Fragen in seinem Kopf, die er selbst nicht beantworten konnte. Hätte er zumindest einen Freund, würden sich seine Probleme lösen, doch er wusste, dass er sich mit den Menschen dort draussen nicht verstehen würde.
Nicht dass sie in seiner Schulzeit je gemein gewesen waren, sie hatten ihn einfach nicht wahrgenommen. Sie waren so anders als er selbst, so unbeschwert und keiner von ihnen trug wie er dieses erdrückende Gefühl mit sich herum, das Yoongi sich selbst nicht erklären konnte. Mit Menschen würde er sich wohl nie verstehen, doch schon ewig fragte er sich, ob ein Engel ihm das geben konnte wonach er sich sehnte. Sein ganzes Leben lang wollte er einem begegnen, doch wie es das Schicksal wollte, hatte er nie die Gelegenheit dazu - bis zu diesem Tag.
Um seiner Großmutter aus dem Weg zu gehen stand er schon früh auf und aß einen Apfel. Da die ältere Dame nicht mehr die besten Zähne hatte, wollte er ihr den anderen Apfel in Achtel zerteilen, doch beim letzten Stück rutschte er ab und das Messer streifte die Haut seines Zeigefingers. Überrascht betrachtete er die rote Flüssigkeit, die aus dem schmalen Schnitt auszutreten begann. Er fühlte sich seltsam. Aber nicht im negativen Sinn, eher seltsam berauscht. Natürlich war da ein Schmerz, doch es war kein schlechtes Gefühl. Er schien in diesem Augenblick lebendiger als je zuvor, seine Gedanken wurden leiser, seine Lunge füllte sich mit Luft und sein Blick wurde klarer.
Als der rauschartige Zustand langsam nachließ und der brennende Schmerz verblasste, konnte Yoongi eine Gestalt im Rahmen der Küchentür stehen sehen. Seine Haut schimmerte, als reflektiere sie das Licht der Sonne, obwohl sie in der abgedunkelten Küche standen. Die mächtigen Schwingen rahmten eine schlanke, recht große Gestalt ein. Als Yoongis Augen zum Gesicht des Fremden wanderten, stockte ihm der Atem. Sein Blick wurde erwidert und auch sein Gegenüber war in der Bewegung erstarrt. Sie schauten sich einige Sekunden nur in die Augen und Yoongi war sicher, dieses Gesicht nie wieder vergessen zu können. Es war wunderschön. Noch nie hatte er solche Perfektion gesehen und sein ganzer Körper kribbelte nur so von dem Anblick.
Dann bewegte sich der Engel auf ihn zu, griff nach seiner Hand und streichelte leicht über den Handrücken. Währenddessen lösten sie nicht einen Moment den Blickkontakt. Die Hand des magischen Wesens war so weich und sanft, dass er sie am liebsten nie wieder losgelassen hätte. Vorsichtig, ganz so, als bestünde Yoongi aus Porzellan, legte der Engel seine Lippen auf den kleinen Schnitt am Finger des Verletzten. Sofort spürte er ein Kribbeln und als er den Blick nach unten wandte war der Schnitt verheilt. Doch keine silbrige Linie blieb zurück, es war als sei er nie dort gewesen. Auch der Engel war im nächsten Augenblick verschwunden und ließ Yoongi mit diesem merkwürdigen Pochen in der Brust zurück, das er nicht zuordnen konnte.
Nach und nach kehrte auch die Einsamkeit zurück und er war frustriert, dass er kein Wort herausgebracht hatte. Also ging Yoongi wieder in sein Zimmer, um dort den Gedanken nachzuhängen, die er sich täglich machte. Doch heute verfolgten ihn auch Bilder des Engels. Er wusste nicht einmal seinen Namen, wie auch, sie hatten ja schließlich kein einziges Wort gewechselt. Aber dennoch fühlte er sich mit ihm seltsam verbunden. Auch der Gedanke an die erste Verletzung seines Lebens ließ ihn nicht los. Es hatte sich so befreiend angefühlt, dass er den vergleichsweise geringen Schmerz gerne in Kauf nahm.
In der nächsten Nacht lief er also wieder in die Küche. Er vermisste den süßen Schmerz und wollte den schönen Engel wieder sehen. Er wusste dass es egoistisch war doch er konnte nicht anders. Wie selbstverständlich griff er nach dem kleinen Obstmesser und zog es sich ein mal über die Handfläche. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis der Engel erschien. Er betrachtete leicht erschrocken Yoongi's Hand und den Gegenstand darin. „Warum?" Diese schlichte Frage war das erste Wort, das er von dem Engel hörte. Seine Stimme klang tief und trotzdem sanft. Sie war wunderschön. Der Mensch schluckte, unfähig Worte herauszubekommen. Er sah den Engel stumm an, wirkte schuldbewusst. Schließlich überwand er sich doch zu einer Antwort. „E-Einsam.."
Seine eigene Stimme zu hören war seltsam, es war bereits Monate her, dass er zuletzt laut gesprochen hatte. Sein Gegenüber nickte bloß und kam auf ihn zu. Wie bereits am vergangenen Tag, nahm er Yoongis Hand in seine und hauchte einen Kuss auf die Innenfläche.
„Du bist nicht einsam, ich bin immer bei dir, auch, wenn du mich nicht siehst", entgegnete der Engel und wandte sich zum gehen.
Doch Yoongi überraschte sich selbst, indem er ihn am Ärmel zurückhielt.
„Warte, dein-" er brach ab, seine Stimme zitterte stark. „N-Name"
Der Engel lächelte und flüsterte: „Taehyung, mein Name ist Kim Taehyung."
Dann wandte er sich endgültig um und verschwand.
Dieses Szenario wiederholte sich in den kommenden Wochen täglich. Die beiden wechselten nie mehr als ein paar Sätze, doch das war auch nicht nötig. Sie verstanden den anderen ohne Worte. Taehyung wusste von der zunehmend stärker werdenden Sucht des Menschen nach Schmerz, denn die Schnitte wurden von mal zu mal tiefer und größer. Der Engel fürchtete ernsthaft um Yoongis Leben und besuchte ihn immer öfter, auch wenn er sich nicht geschnitten hatte, einfach um ihm Gesellschaft zu leisten. Yoongi wusste, dass er dem Engel nichts vormachen konnte, dennoch blickte er ihm jedes mal nur mit diesem Lächeln entgegen, das seine Augen nicht erreichte und tat, als ginge es ihm gut.
Zwar sprachen sie nie viel, da Yoongi Angst hatte etwas falsch zu machen und nicht wusste, wie er mit dem Engel reden sollte, der für ihn so viel mehr wert war, als er selbst und Taehyung wollte den Menschen nicht bedrängen. Dennoch kamen sich die beiden in den folgendem Wochen näher.
Yoongi war dem Engel sehr ans Herz gewachsen und er war froh, den jüngeren mittlerweile als guten Freund bezeichnen zu können, auch wenn er von den Gefühlen des Jungen für ihn, die unter er stillen Oberfläche schlummerten nichts wusste.
Es vergingen weitere Wochen und ihre Gespräche wurden länger. Yoongi, der nie viel Übung darin hatte, eine Konversation zu führen, kam so langsam aus sich heraus. Er stotterte kaum noch und stellte dem Engel selbst Fragen. Zwar sprachen sie nie über sich selbst oder ihre Gefühle aber dennoch gingen ihnen nie die Themen aus und mittlerweile verbrachten sie täglich mehrere Stunden miteinander. Keiner wollte die Gesellschaft des anderen noch missen und Taehyung's Präsenz beruhigte den Jungen seltsamerweise. Während er in der letzten Zeit immer unter Schlaflosigkeit gelitten hatte, weil die Gedanken in seinem Kopf einfach keine Ruhe geben wollte, brachte der Engel sie zum verstummen.
Als sie wieder einige Stunden zusammengesessen hatten, spürte Yoongi seine Müdigkeit und auch wenn er es nicht beabsichtigte, schlief er ein. Entgegen seiner Erwartungen war der ältere nicht verschwunden, als er am nächsten Morgen erwachte, sondern lag neben ihm. Er war wohl selbst eingeschlafen und belagerte jetzt friedlich die andere Hälfte von Yoongis Bett. Bei jemand anderem hätte es ihn wohl gestört, doch es schien, als gehörte der Engel genau dort hin, an seine Seite. Der Mensch konnte sich nicht davon abhalten, ihn anzustarren. Diese perfekten Gesichtszüge, die Wangenknochen, die ebene Haut, welche nicht einen Makel aufwies und die leichte Verdunklung um seine Augen herum, die diese noch mehr betonte. Es sah aus wie geschminkt, niemand konnte von Natur aus so schön sein. Doch Taehyung war es. Er war perfekt. Yoongis Hand bewegte sich, ohne, dass er es steuern konnte, auf das Gesicht des Schlafenden zu.
Seine Fingerspitzen strichen sanft über die weiche Haut an der Wange und kribbelten bei der Berührung.
Er wanderte tiefer und sein Blick blieb an den Lippen hängen. Sie sahen unfassbar schön aus, hatten genau die richtige Größe, Form und Farbe. Yoongi wollte sie unbedingt berühren. Allerdings nicht mit seinen Fingern, sondern mit seinen eigenen Lippen.
Er wusste nicht, woher diese plötzliche Verlangen kam, doch es war stark. Jede einzelne Faser seines Körpers sehnte sich danach, doch er wusste, dass es falsch war. Er würde den Engel damit beschmutzen, darin war er sich sicher und er wollte ihn nie ohne seine Zustimmung küssen. Und diese würde er nie erhalten, darin war er sich sicher, denn auch wenn er nicht sehr viel über das Leben wusste, die Bedeutung eines Kusses kannte er. Nur Leute, die sich liebten küssten sich.
Zwar schloss er nicht aus, dass er selbst mittlerweile solche Gefühle für den Mann neben sich hegte, doch Taehyung würde sie niemals erwidern. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ihn überhaupt jemals jemand auf diese Weise mögen würde, denn er sah an sich nichts liebenswertes. Und dass der Engel in einer ganz andern Liga spielte, war offensichtlich. Dennoch konnte er nichts gegen dieses immer größer werdende Verlangen tun. Mit größter Willenskraft riss er seinen Blick von den Lippen des Älteren los und stand auf.
Er kannte nur einen Weg, alle Gedanken in seinem Kopf loszuwerden, also lief er in die Küche. Seine Großmutter schlief noch, also nahm er kurzerhand das Küchenmesser und zog es sich über den Arm. Er spürte den bereifenden Schmerz, er genoss ihn. Wie ferngesteuert wusch er das Messer ab und legte es in die Schublade. Er drehte sich um, wollte gerade zurück in sein Zimmer laufen, da sah er Taehyung. Der Engel stand im Türrahmen und blickte Yoongi direkt an.
Sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich, doch hätte Yoongi nicht sofort den Blick abgewandt, hätte er die Trauer und den Schmerz in den Augen seines Gegenübers sehen können. „Warum?" Wieder die selbe Frage, die Taehyung ihm bereits einige Male gestellt hatte. Dieses mal schaffte Yoongi es nicht zu antworten, also schwieg er. Er hatte das Gefühl, ihn enttäuscht zu haben. Taehyung kam auf ihn zu. Wie jedes mal küsste er den Schnitt und dieser verschwand. Doch er ließ seine Hand nicht los und sah ihn weiterhin abwartend an. „Yoongi?" Auch wenn zu Boden sah, spürte er den durchdringenden Blick und es war ihm unangenehm.
Er wollte nicht, dass der Engel ihn so sah und er hatte das Gefühl, den größeren durch die Berührung zu beschmutzen. „B-Bitte l-lass los". Der Ältere verstand nicht, was mit dem Menschen so plötzlich los war und er streichelte sanft über Yoongis Handrücken. „Ich möchte dir doch helfen, bitte rede mit mir." Doch Yoongi konnte nicht. Er belastete den Engel schon genug und er wollte ihn nicht noch weiter runterziehen. Er wollte seine Zeit nicht weiter verschwenden, denn Taehyung hatte bestimmt noch anderes zu tun. Womöglich wartete Zuhause eine Partnerin auf ihn, oder er hatte sogar schon Kinder. Und Yoongi beanspruchte ihn für sich, nur weil er einsam war. Er beschmutzte ihn mit seinen Gefühlen. Gefühlen für einen anderen Mann, die so falsch waren aber sich gleichzeitig so richtig anfühlten. Er musste das ganze beenden, er musste Taehyung freigeben.
Er entzog sich dem Griff und ging einige Schritte zurück. „Bitte geh jetzt Taehyung." Seine Stimme klang kalt und bestimmt.
„Aber-" Der Engel wollte etwas entgegnen, doch Yoongi unterbrach ihn. „Nein. Geh jetzt, ich möchte alleine sein." Daraufhin wandte dieser sich wirklich ab und ging. Er sah verletzt aus, doch der Mensch hielt ihn nicht zurück. So war es das Beste für ihn und Yoongi wusste, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Auch wenn es weh tat. Er wusste, dass er leiden würde, wenn er getrennt von dem Engel war, doch das war es wert. Immerhin würde er seine Zeit nicht länger verschwenden und ihn davon abhalten bei den Menschen zu sein, die ihm wirklich wichtig waren.
Die kommenden Tage und Nächte lag Yoongi nur im Bett. Er dachte viel nach und machte sich Vorwürfe. Er schlief nicht, aß nicht und verletzte sich nicht, denn er wollte den Engel nicht sehen. Zu groß war das Gefühl, ihn enttäuscht zu haben und die Angst, dass Taehyung ihm dies bestätigen oder überhaupt nicht kommen würde. Er weinte in diesen Tagen mehr als je zuvor. Auch wenn der Engel alle seine äußerlichen Wunden verschwinden ließ, die seelischen blieben. Yoongi war gebrochen, noch gebrochenerer als je zuvor. Er hatte das Gefühl, dass er seinen einzigen Freund und den Mann, den er liebte, dessen war er sich mittlerweile bewusst, durch seine Worte für immer verloren hatte.
Von selbst kam der Engel nicht. Yoongi wusste nicht, ob er sauer war, ihn jetzt sogar hasste oder ob er einfach seinen Wunsch respektierte alleine zu sein.
Worin er sich aber sicher war, ist, dass er Taehyung vermisste. Seine Gedanken kreisten Tag und Nacht um den älteren und er wollte ihn unbedingt wieder sehen. Er musste ihn wieder sehen. Er hatte ihm so viel zu sagen, wollte ihn so viel fragen. Er wollte ihm seine Liebe gestehen, ihm sagen, wie sehr er sein Leben bereichert hatte und ihm für alles danken, selbst wenn sie sich danach nie wieder sehen würden, denn ihr letztes treffen war kein schöner abschied gewesen, das war ihm jetzt klar. Doch er wusste nicht wie er dem Engel all das sagen sollte, er würde sicherlich nie den Mut dazu haben.
Er fühlte sich zerrissen. Einerseits kam es ihm vor, als würde er den Engel mit seiner Liebe nur beschmutzen, aber andererseits war das Gefühl viel zu stark um es länger für sich zu behalten. Auch wenn er wusste, dass er zurückgewiesen werden würde, wollte er es dem Engel dennoch sagen. Irgendwo, ganz tief in ihm drin, war da noch der winzige Funke Hoffnung, dass Taehyung seine Gefühle erwidern könnte. Doch all diese Gedanken waren sinnlos. Er würde sich ohnehin nie trauen, seine Liebe zu gestehen, dazu war er viel zu schüchtern. So stellte er sich weiterhin Fragen, auf die er keine Antworten fand, bis ihm eines Tages eine Idee kam.
Auf diese Weise könnte er zeigen, was er empfand, ohne es ihm direkt zu sagen und anhand seiner Reaktion würde er endlich Gewissheit erhalten. Er zögerte noch eine Weile, aber drei Tage später beschloss er, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Er wartete, bis die Nacht hinein gebrochen war und ging dann das erste mal seit einer Weile zur Messerschublade in der Küche. Er nahm ein scharfes Obstmesser heraus und setzte es oberhalb seiner Lippe an. Er atmete einige Male tief durch und zog es sich dann quer über die Lippe. Anders als die letzten Male, schaffte der Schmerz es nicht, alles andere auszublenden. Die Sehnsucht nach Taehyung blieb.
Yoongi schloss die Augen, hoffte inständig, dass er erscheinen würde. Als er die wieder öffnete stand der Engel vor ihm. Er sah genau so wunderschön aus wie immer, strahlte die selbe Anmut und Gelassenheit aus. Damit nahm er dem Menschen ein wenig seiner Angst vor dem Bevorstehenden. Diesmal war der Mensch es, der zuerst dass Wort ergriff: „E-Es tut mir l-leid" brachte er zitternd über die blutigen Lippen und spielte damit auf den Streit, beziehungsweise sein abweisendes Verhalten Taehyung gegenüber an.
„Du musst dich nicht entschuldigen Yoongi. Mir tut es leid, ich hätte nicht so aufdringlich sein sollen. Oder deine Hand gegen deinen Willen halten, dafür möchte ich mich aufrichtig entschuldigen."
Der Engel sprach zwar nach wie vor sanft zu dem Menschen, allerdings wirkte er distanzierter.
Yoongi gefiel das ganz und gar nicht, also antwortete er schnell:
„M-Mir hat es a-aber gefallen, i-ich wollte nur deine Zeit nicht verschwenden, deine F-Familie hat sicher auf dich gewartet..."
Er schaute verlegen zu Boden und seine Wangen röteten sich leicht.
„Ich habe keine Familie und auch sonst niemanden..."
„D-Das wusste ich nicht, t-tut mir leid."
Betreten senkte Yoongi den Kopf.
„Schon gut kleiner, ich komme zurecht. Außerdem habe ich ja dich"
Taehyung zwinkerte Yoongi bei dem letzten Satz zu und dieser wurde sofort rot.
Nun fiel der Blick des Engels auf die Lippen des jüngeren und er kam ihm langsam näher.
Als sie direkt vor einander standen, nahm er Yoongis Gesicht in seine Hände.
„Du hattest nie viel mit Engeln zu tun oder Yoongi?" fragte Taehyung und strich ihm wie beiläufig mit dem Finger über die Lippen. Als der Mensch ihn nur fragend anschaue, erklärte der Engel, dass eine einfache Berührung zur Heilung vollständig ausreicht.
Die Augen des kleineren weiteten sich bei dieser Erkenntnis und er spürte dass das brennende Ziehen auf seinen Lippen verschwunden war.
Der Engel hatte seine Arbeit getan.
Nun würde er wieder verschwinden.
Ihn hier zurück lassen.
Und er würde nie Gewissheit haben.
Sein Plan war gescheitert.
Doch bevor Yoongi tiefer in den negativen Gedanken versinken konnte, legten sich Lippen auf seine.
Völlig überrumpelt erwiderte er die leichte Bewegung, die sein Gegenüber ausführte. Sein Herz schlug noch schneller, als ihm bewusst wurde, dass der Engel das hier freiwillig tat. Nicht wegen einem Jahrhunderte alten Abkommen, sondern weil er es wollte. Weil Taehyung ihn wirklich küssen wollte. Er verstand, dass es jedes einzelne Mal freiwillig gewesen war.
Als er schließlich die Augen schloss und sich dem Kuss voll und ganz hingab, spürte er, dass Taehyungs Lippen nicht nur seine äußerlichen Wunden geheilt hatten. Sein Kopf war von allen schlechten Gedanken befreit und aus seinem Herzen hatte der Engel die Dornen gezogen.
Yoongi löste den Kuss und sah seinen Gegenüber mit neu gewonnener Sicherheit an.
Er wusste, was er wollte und er würde für ihr Glück kämpfen.
Die beiden brauchten keine Worte mehr um sich zu verstehen.
Taehyung konnte jeden Gedanken aus den Augen seines Geliebten lesen.
Sie beide wusste von den Gefühlen des anderen.
Yoongi fühlte sich das erste mal in seinem Leben kein bisschen einsam und er verspürte die Gewissheit, dass jetzt alles gut werden würde.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top