Chapter 34
Erschöpft lasse ich meinen Kopf auf die Tischplatte fallen. Es ist bereits dunkel draußen, wahrscheinlich schon weit nach Acht Uhr. Gestresst und frustriert finden meine Finger den Weg in meine Haare und verkrampfen sich darin. „Natasha...", murmele ich leise und immer mehr ballen sich meine Finger zu Fäusten, die einzelne Strähnen umfassen.
Es ist gerade mal der zweite Arbeitstag ohne sie und schon jetzt habe ich das Gefühl nichts zustande zu bekommen. Die Termine die wir heute hatten waren eine Katastrophe. Zwar versuchten Happy, Pepper und Tony mich zu unterstützen, doch im Endeffekt bemerkte man deutlich, wie sehr Natasha fehlte und wie wichtig sie war. Ganz besonders merkte man, dass ich noch nicht bereit war das alles allein zu schaffen. Vielleicht wäre ich es, würden meine Gedanken nicht die ganze Zeit damit verbringen sich Sorgen um sie zu machen.
Wo genau war sie eigentlich in Russland? Das Land war riesig. Wie sah es dort aus? Wo war sie untergebracht? Welche Rolle verkörperte sie? Vermisste sie mich? Wann würde sie wieder da sein?
Das Klicken der Tür ließ mich aufschrecken. Sofort drehte sich mein Kopf zum Eingang, dort stand Pepper und lehnte sich mit einem verständnisvollen Lächeln an den Türrahmen. „Du bist ja noch da.", stellte sie fest und kam etwas näher zu mir heran. „Ja, tut mir leid... Ich versuche aufzuarbeiten was ich gestern und heute vermasselt habe.", gebe ich zerknirscht von mir und deute auf den Stapel an Dokumenten den ich noch bearbeiten muss.
Zudem sitze ich bereits seit einer halben Stunde an dem Verfassen einer Mail, die den Schaden mildern soll, den ich heute bei einen der Termine verzapft hatte. Ich hatte beim Vorbereiten ein paar wichtige Vertragsunterlagen vergessen, als auch einen Notar zu organisieren. Eigentlich hatte Pepper drei Notare die fast bei jedem ihrer Verträge anwesend waren, doch irgendwie hatte ich es komplett vermasselt Ihnen die richtigen Daten zukommen zu lassen.
Das Fazit davon war, dass es uns nicht möglich gewesen war den Vertrag zu erneuern. Pepper hatte mir den Fehler liebevoll verziehen, es war der erste große den ich in meiner Ausbildung gemacht hatte, aber enttäuschend dafür, dass ich eigentlich nicht wirklich neu in diesem Business war. Für mich war es selbstverständlich Notare zu organisieren und mindestens fünf mal die Vollständigkeit der Unterlagen zu überprüfen, doch ich hatte es komplett vergessen.
Natasha wäre es bestimmt aufgefallen, oder sie hätte mich nun mit einem halb belustigten und halb tadelnden Blick gemustert. „Du solltest nachhause gehen. James wartet bestimmt schon und gegessen hast du sicherlich auch noch nicht.", vermutete meine Chefin und trat näher heran. Mitfühlend legte sich ihre Hand auf meine Schulter und sah auf das woran ich gerade schrieb. „Nein nein, ich muss das irgendwie noch fertig bekommen.", murmelte ich.
Ich hatte mich heute mehr enttäuscht als es überhaupt möglich war. Etwas was ich bisher gut geschafft hatte war heute einfach nur gescheitert. Ich war mit Volldampf gegen die Wand gerannt. „Das sieht gut aus. Schick es einfach so ab.", empfahl Pepper, die die Mail gelesen hatte in der ich mich für meine Unaufmerksamkeit und das Fehlen der Unterlagen entschuldigte und um einen Termin in der kommenden Woche bat. „Meinst du? Ich glaube nicht, dass es sie so begeistern wird.", mutmaßte ich und überflog noch einmal die Zeilen.
„Das sind bereits langjährige Vertragspartner, Scarlett. Es ist reine Routine und sie wissen, dass nicht alles immer funktioniert. Keine Sorge, ganz bestimmt finden wir einen Termin." „Wenn du meinst...", kurz seufze ich noch einmal, ehe ich die Mail verschicke und den Kopf in den Nacken lege. „Entschuldige, Pepper. Ich vermassele es gerade. Ich werde mich bemühen, dass es wieder besser wird.", begann ich meine eigentlich geplante Entschuldigungsrede, doch sie unterbrach mich.
„Du musst dich nicht entschuldigen. Jeder hat einmal schlechte Tage. Ich war Jahre lang Tonys Assistentin. Hin und wieder vergisst man mal etwas. Ich bin mir sicher, dass es ihr gut geht.", erstaunt sah ich sie an. Das Verständnis das sie mir entgegenbrachte war bewundernswert. Immerhin bezahlte sie mein eigentlich ziemlich gutes Gehalt und das obwohl ich gerade alles gegen die Wand rennen ließ.
Sie stellte die Tasche neben dem Schreibtisch ab und zückte ihr Handy. „Was machst du?", wollte ich verwirrt wissen. „Ich rufe Tony an und sage ihm er soll uns was vom Asiaten vorbeibringen und helfen. Wir machen das jetzt zusammen und morgen starten wir neu.", mit einem warmherzigen Lächeln auf den Lippen sah sie mich kurz an, ehe sie begann mit Tony zu philosophieren.
Erleichtert sah ich sie an. Pepper erwies sich nicht nur täglich als eine fantastische Chefin, sondern auch als eine tolle Freundin. Ich formte ein leichtes Danke mit den Lippen, als sie kurz zu mir hinüber sah. Sie nickte kurz, ehe sie Tony eine Bestellung nannte.
Zwei Stunden, drei Packungen gebratene Nudeln und sechs Dosen Eistee später hatten wir viele Witze von Tony gehört, aber lehnten allesamt fertig und zufrieden in den Stühlen. Der Dokumentenstapel war beseitigt, der kommende Tag und die restliche Woche war gut geplant, wir hatten eine Liste geschrieben die ich vor Terminen durchgegehen konnte, damit ich nichts vergas. Zudem hatte ich James angerufen und gemeint, dass er sich keine Sorgen machen müsse.
„Vielen dank für eure Hilfe." „Was tut man nicht alles für seine Lieblingsassistentin?", lachte Tony während er eine weitere Dose Eistee öffnete. Er hatte wirklich Unmengen davon mitgebracht. „Soll ich dich noch nachhause fahren?", bot er mir freundlich an. Gerade wollte ich Wiedersprechen, immerhin opferten die beiden gerade ihren restlichen Abend für mich, doch da setzte Pepper schon an. „Natürlich wirst du sie heim fahren!", tadelnd sah sie Tony an. „Das ist wirklich sehr nett, aber-„ „Nein keine Wiederrede. Solange Romanoff nicht da ist müssen wir ja auf dich aufpassen.", Tony lachte und sprang auf.
Auch wenn es als Witz gemeint war, berührten seine Worte mich. Es war lieb, dass er wirklich auf mich aufpassen wollte. Es klang so brüderlich von ihm. Und vielleicht stimmte es, dass Natasha auf mich aufpasste. Zumindest körperlich. Meine Psyche litt unter der Distanz die zwischen uns herrschte. Doch fast noch schlimmer war die Distanz auf der sie mich persönlich hielt.
„Na komm, man hat nicht of die Gelegenheit in einem von mir entwickelten Sportwagen nachhause gebracht zu werden. Stell dir vor, der Getränkehalter ist mit LED ausgestattet.", sprach der Millionär als er schon fast in der Tür war. Schnell beeilte ich mich ihm zu folgen. „Danke nochmal, Pepper. Wir sehen uns morgen.", verabschiedete ich mich von der Frau, die im Raum zurückblieb. „Keine Ursache.", wank sie ab, als sie auch schon begann die Reste unseres Abendessens zu beseitigen.
„Scarlett!", rief Tony auch schon von weiter vorne und zügig folgte ich seinen langen Schritten. „Also ich weiß immer noch nicht was zwischen Romanoff und dir läuft, aber ich muss dir eines sagen.", sofort spitzte ich die Ohren. „Natasha ist emotional vermutlich genauso unfähig wie ich. Pepper hat mich nie aufgegeben und das solltest du auch nicht tun.", kurz blickte er mich prüfend an, als würde er sichergehen wollen, dass ich verstanden hatte, was er mir sagen wollte.
Sowas ähnliches hatte Pepper auch im Sydney zu mir gesagt. Umso mehr nahm ich mir diesen Ratschlag zu Herzen. Selbst wenn sie beide die Russin auch nicht so gut kannten, vertraute ich ihren Worten. Sie schienen richtig zu sein. Ich kam Natasha immer näher, doch ganz plötzlich war sie soweit weg wie noch nie.
Wir saßen bereits in dem hochmodernen Auto, das tatsächlich leuchtende Getränkehalter hatte und vermutlich verboten schnell fuhr, als mir ein kleiner Gedanke kam. „Hätten Pepper und du Lust morgen Abend bei James und mir zum Essen vorbei zu kommen?", bot ich freundlich an. „Uhh was gibt es denn leckeres?", sofort schien Tony absolut begeistert zu sein. Mit Essen schien man ihn ködern zu können. „Ich dachte vielleicht an Lasagne?", grübelte ich. Wir müssten vermutlich noch einkaufen, aber ich wollte ihnen danken, dass sie sich heute die Mühe gemacht hatten mir unter die Arme zu greifen. „Das klingt fantastisch! Ein Doppeldate! Ich freu mich!", er lachte kurz auf. Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. Vermutlich war es wohl für viele unbegreiflich, dass James und ich nur Freunde waren.
„Ich werde Pepper bescheid sagen. Und wehe die Lasagne ist nicht gut.", mahnte er, ehe das Auto vor meinem Gebäude zum stehen kam. „Ich verspreche nichts, aber wir werden unser bestes geben.", mit einem Schmunzeln stieg ich aus. „Danke fürs fahren und alles andere." „Hör auf dich zu bedanken. Wenn Pepper mich zu etwas zwingt habe ich selten eine Wahl.", er lacht kurz auf und hebt die Hand zur Verabschiedung. Ich tue es ihm gleich, ehe ich die Tür schließe. Mit heulendem Motor fährt er los und verlässt mich.
Kurz sehe ich noch den Lichtern des Autos nach, bis sie um eine Ecke biegen und im abendlichen Verkehr von New York verschwinden. Um noch etwas Zeit zum Nachdenken zu haben tue ich es James Angewohnheit gleich und nehme die Treppen bis zu unserem Apartment nach oben.
Dort schließe ich leise die Tür auf, sollte der Schwarzhaarige schon schlafen, doch das Licht das unter seiner Zimmertür durchschimmerte bewies direkt das Gegenteil. „Ich bin wieder da!", lasse ich ihn wissen und schließe die Tür direkt hinter mir. „Kommst du gleich zu mir?", kommt es dumpf aus dem Zimmer zurück. „Natürlich!", antworte ich. Auf seine Anfrage hin beeile ich mich damit meine Klamotten zu wechseln, mir die Schminke aus dem Gesicht zu waschen und meine Haare zu einem unordentlichen Zopf zu binden.
Kurz darauf stehe ich auch schon im Zimmer von James. Er liegt mit seinem Zeichenbuch in der Hand auf seinem Bett und kritzelt mit Kuli ein wenig darin herum. „Langer Tag?", möchte er wissen als sein Blick auf mich fällt. „Ein langer und schrecklicher Tag.", murmele ich und schlurfe zu ihm hinüber. Er legt das Buch auf die Seite und hält seine Bettdecke etwas nach oben. Sofort nehme ich das Angebot an und krieche zu ihm darunter in seine Arme und werde sofort von der Wärme willkommen geheißen.
„Was täte ich nur ohne dich?", flüstere ich leise in seinen Pulli hinein. „Das will ich garnicht wissen, dann wäre ich nämlich auch ohne dich und das ist das letzte was ich will.", gibt er leise von sich. Seine Hand streckt sich nach der Nachttischlampe aus und löscht das Licht.
Zufrieden schlingen sich meine Arme um seinen Körper. „Tony und Pepper kommen Morgen um Lasagne zu essen." „Deine Idee?", ich nicke leicht. „Dann geh ich morgen nach der Arbeit einkaufen.", verspricht er und gibt mir einen Kuss auf den Scheitel. „Lass uns schlafen, morgen ist ein neuer Tag. Je mehr Tage vergehen, desto schneller siehst du sie wieder.", prophezeite er und zog mich näher an sich. „Ich hab dich lieb, James." „Ich dich auch, Scarlett.", er schien diese Nähe genauso sehr zu brauchen wie ich. Als wäre es eine Droge. Es tat gut dieser Sucht nachzugeben und in den Armen von vertrauten Personen zu versinken. Ein wundervolles Gefühl das mich automatisch schneller einschlafen ließ.
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