Kapitel 5
Ich wache wie gerädert auf. Wieder habe ich von Clarke geträumt und zwar genau das gleiche. Mir wird schlecht, als ich daran denke, ihre Sachen heute wegzubringen. Irina ist nirgendwo zu finden, also gehe ich ohne sie. So viel zum Thema sie hilft mir bei allem. Ich ziehe mich an, nehme meinen Schlüssel und verlasse das Haus, um das Mietauto zu holen, da in meinem nicht genug Platz für alles ist. Ich muss mich beherrschen, die Kisten nicht zu öffnen, während ich sie einlade. Kalter Schweiß läuft meinen Rücken hinab, aber ich genieße das Gefühl der brennenden Muskeln. Endlich bin ich fertig. Ihre Kisten nehmen die komplette Rückbank und den Kofferraum ein. Mit rasendem Herzen fahre ich los. Ihr Geruch wabert durch mein Auto und vernebelt meine Sinne. Fuck, ich vermisse sie so sehr. Ich bin so abgelenkt, dass ich fast über eine rote Ampel fahre. Ein wütendes Hupen sorgt dafür, dass ich eine Vollbremsung rein haue. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, bis ich wieder los fahre. Mein Herz schlägt hart gegen meine Rippen.
Eine alte Freundin, die im Verlag arbeitet, hilft mir das Zeug in Clarke's Büro zu stellen. Wow, sie hat mittlerweile ein eigenes Büro, denke ich wehmütig, weil ich ihren Aufstieg verpasst habe. Es ist ihr größter Traum. Endlich ist das Auto leer, aber ich fühle mich trotzdem nicht besser. Im Gegenteil, je leerer das Auto wurde, desto leerer fühlte ich mich auch. Ich fühle mich feige und erbärmlich, aber ich bin nicht bereit sie zu sehen. Ich kann es einfach nicht.
Ich bringe das Leihauto zurück und steige wieder auf meinen Audi um. Viel besser. Ich genieße das Ziehen des Autos als ich Gas gebe. Je schneller ich eine Kurve nehme, desto mehr Adrenalin pumpt durch meine Venen und ich fühle mich das erste mal seit langem wieder lebendig.
Ich schreibe Irina eine Nachricht und sage ihr Bescheid, dass ich zu meiner Mutter gehe. Es kommt keine Antwort, wahrscheinlich schläft sie. Ich stecke mein Handy wieder in meine Tasche und steige aus. Das Haus liegt groß und kühl vor mir. Dad ist nicht da, wie ich von unserer Haushälterin erfahre und ehrlich gesagt, bin ich ziemlich froh darüber. Ich betrete das Zimmer meiner Mutter. Sie sieht unverändert aus. Ein Mann im weißen Kittel steht an ihrem Bett. Erschrocken fährt er herum, als ich mich räuspere. "Sie haben mir vielleicht einen Schrecken eingejagt. Lexa nehme ich an?" Ich antworte nicht, also fährt er unbeirrt fort "Ich bin Dr. Cowan Meyer und für die Genesung deiner Mutter verantwortlich." sagt er. "Dann müssen sie wohl ein echt schlechter Arzt sein, denn sie sieht genauso beschissen aus wie vorher." sage ich und kann den Biss in meiner Stimme nicht unterdrücken. Er sieht mich ungerührt an. "Ihre Mutter ist ein medizinisches Rätsel. Physisch ist alles geheilt und in Ordnung. Sie sollte eigentlich schon lange wach sein, aber das ist nicht der Fall." "Ach was sie nicht sagen" knurre ich aber seine Bemerkung verunsichert mich. Warum wacht sie nicht auf? "Hat sie Schäden am Hirn erlitten?" Frage ich und er schüttelt den Kopf. "Sie hatte ein schweres Schleudertrauma und zwei gebrochene Rippen, aber davon fällt man nicht ins Koma. Ich bin ratlos." sagt der Arzt und sieht mich durchdringend an, so als wollte er mich durchleuchten. "Sie sehen blass aus." bemerkt er, doch ich würge ihn sofort ab "Wenn sie erlauben, ich hätte gerne noch etwas Zeit mit meiner Mutter." "Verstehe" sagt er und packt seine Tasche. Fast hätte ich ihn angeschnauzt, dass er schneller machen soll, aber ich halte mich zurück. Was ist denn nur los mit mir? Warum bin ich so zickig? Endlich ist er weg. Ich höre wie Schwester Jolanda ihn abfängt und anfängt ihn vollzulabern. Ich schließe die Tür und die Stimmen verstummen. Es ist gespenstisch, alleine mit meiner stillen Mutter zusammen zu sein. Beklemmender als gestern.
Ich erzähle ihr von Clarke und dass ich ihr die Kisten ins Büro gestellt habe. Ohne Nachricht und ohne Erklärung. Mittlerweile schäme ich mich dafür, es war sehr unreif und feige von mir. Aber es lässt sich nicht mehr ändern, sie hat die Kisten bestimmt schon längst gesehen. Meine Mutter regt sich kein einziges Mal, aber wieder habe ich das Gefühl als würde sie lächeln oder ihre Gesichtszüge bewegen. Bestimmt alles nur Einbildung. Ich verabschiede mich und verlasse das Haus.
Da ich unbedingt Ablenkung brauche, fahre ich nochmal in die Stadt, finde aber nichts was mir gefällt. Frustriert fahre ich zurück zu mir. Ich stelle das Auto ab und schleppe mich die Treppe hoch. Das Gefühl der Erschöpfung zerrt an mir und ich will einfach nur duschen und dann ins Bett. Ich schließe die Tür auf und schaue direkt in Eisblaue Augen.
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