╷꧁4꧂╷
Ich starre ihn an und kann mich, schon wieder einmal, nicht von seinem Blick losreißen. Er sitzt hier in seiner ganzen Pracht vor mir und starrt ebenfalls zurück. Automatisch wandert mein Blick seinen Körper hinab.
Er trägt eine schwarze Hose und ein schwarzes Hemd. Ob er wohl auch andere Farben in seinem Schrank hat außer Schwarz? Sein Hemd ist wieder an den Armen hochgekrempelt und ich sehe den Ansatz eines Tattoos auf seinem Unterarm. Dieses Tattoo war mir im Auto nicht aufgefallen.
Langsam löse ich wieder meinen Blick von seinem Körper und sehe ihm ins Gesicht. Erwischt! Er sieht mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an als wollte er sagen: Genug gestarrt? Peinlich berührt blicke ich nun seine Freunde an. Er sitzt hier mit vier weiteren Männern, die mich nun ebenfalls anschauen.
»Wir hätten gerne eine große Wodkaflasche und Redbull dazu, Süße.«, sagt nun einer seiner Freunde. Er hat schwarze kurze Haare und braungrüne Augen. Wenn man in einem Club arbeitet, hört man viele Anmachsprüche, aber aus irgendeinem Grund, ist er mir zuwider. Die Art und Weise, wie er mich anstarrt gefällt mir in diesem Moment gar nicht und löst in mir ein unbehagliches Gefühl aus.
»Noch etwas?«, frage ich in die Runde. Als keiner etwas sagt, drehe ich mich um, um zur Theke zu gehen. Dabei erhasche ich aber noch einen kurzen Blick auf IHN und sehe, wie er seinen Freund anstarrt.
Die Theke befindet sich im Erdgeschoss, also gehe ich zurück zu Zack und gebe die Bestellung auf. Nachdem er mir alles vorbereitet hat und mir zwinkernd alles hinhält, nehme ich die Getränke und gehe wieder hinauf. Dabei würde ich mir selber nur gerne eingestehen, dass ich so cool bin wie immer, aber das war ich noch nie gewesen. Genauso wie in diesem Moment. Ich bin nervös. Sehr nervös. Ich atme noch einmal tief durch und gehe Richtung Tisch Nummer fünf.
Oben war es deutlich leerer und man hatte einen phänomenalen Blick auf die Tanzenden im Erdgeschoss. Jeder der sich hier oben befand, schrie nur nach Geld. An der teuren Kleidung sah man, dass sich hier die oberste Gehaltklasse befand. Genauso wie die Männer dessen Getränke ich gerade in der Hand hielt.
Ohne mit jemandem Augenkontakt herzustellen, stelle ich die Getränke, darauf bedacht ja nichts auszuschütten, auf den Tisch. Geschafft! Ich will mich gerade umdrehen, als mich jemand am Arm packt. Es ist derselbe Typ, der die Getränke bestellt hat.
»Warte, wieso so schnell? Ich hätte noch eine Bitte an dich.« Dabei nichts Gutes ahnend, fragte ich ihn: »Was kann ich für Sie tun?« Mit einem Ruck zieht er mich zu sich auf die Couch und ich halte mich an seinen Schultern fest, um nicht umzufallen. »Kannst du uns nicht ein bisschen Gesellschaft leisten? Es ist so langweilig hier.«
Sein Gesicht ist mir dabei sehr nahe. Ich sehe wieder in seine Augen und habe plötzlich das ungute Gefühl ein Déjà-vu zu haben. Schnell schiebe ich diesen Gedanken beiseite und versuche wieder aufzustehen, um die Security zu rufen, aber seine Hand hält immer noch meinen Arm fest.
»Bitte lassen Sie mich los!«, sage ich mit strenger Stimme, obwohl ich innerlich zittere. »Komm schon.«, versucht er mich zu überreden. »Ich gebe dir auch genug Trinkgeld.« Geschockt blicke ich ihn an. Was denkt er wer ich bin?
»Lass sie sofort los, Philipp!«, höre ich nun die schneidende Stimme von IHM. Als hätte er sich verbrannt, gibt er mich sofort frei und sieht seinen Freund an. »Ach, komm schon. Das war doch nur Spaß.«, versucht er es mit einem Lächeln, das aufgesetzt wirkt. Ich blicke zu IHM rüber und erkenne das erste Mal eine richtige Emotion in seinem Gesicht. Wut!
Er starrt den blonden Typen an und seine Hände sind zu Fäusten geballt. Ich habe genug von dem Szenario. Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten, drehe ich mich um und gehe Richtung Personalräume. Ich brauche ganz dringend eine Pause.
Dort angekommen, setzte ich mich auf einen Stuhl und atme tief durch. Das zweite Mal in zwei Tagen. Das zweite Mal schon, dass mich jemand bedrängt. Was ist nur los mit mir? Wieso ziehe ich plötzlich alles Schlechte an? Ich vergrabe mein Gesicht in meine Hände und versuche das Zittern in meinen Beinen unter Kontrolle zu bekommen. Und wieder war ER in der Nähe gewesen. Als würde das Schlechte immer mit ihm kommen und dann wieder nicht. Wieso hat er überhaupt solche Freunde?
Wahrscheinlich ist er genauso drauf, wie der andere Typ. Oder wieso sollte er sich sonst mit solchen Leuten abgeben? Ich bin wütend auf mich selber. Was habe ich erwartet? Dass er mein weißer Ritter ist?
Ich nehme mir meine Wasserflasche aus meinem Schrank und trinke einen großen Schluck. Ich muss zurück zur Arbeit. Daysi sucht mich bestimmt schon überall. Schließlich werde ich mir von solchen reichen Säcken nicht den Tag vermiesen lassen. Sollte noch einmal so etwas ähnliches passieren, werde ich auf der Stelle die Security verständigen. Dann werden sie sehen, was sie davon haben mich zu bedrängen.
Mit neu gewonnenem Mut verlasse ich gerade den Personalraum, als ich in eine Männerbrust hinein renne. Instinktiv weiß ich wer sich vor mir befindet, traue mich aber nicht die Augen aufzumachen. Und weg war mein neu gewonnener Mut.
»Wie lange willst du noch die Augen geschlossen halten?«, höre ich seine Stimme. »Solange ich will.«, kommt es kindisch von mir zurück. Seine Hände berühren sanft meine Schulter. »Adria, mach deine Augen auf.«
Und schon wieder gehorche ich ihm, ohne zu zögern. Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn er so nah bei mir steht. Obwohl ich in diesem Club nicht mehr als Zigaretten und Alkohol riechen sollte, kommt mir trotzdem sein Duft entgegen. Ich habe mal gelesen, dass der Mensch zu fünfundzwanzig Prozent zuerst den Geruch des anderen wahrnimmt und davon beeinflusst wird. Tja.. die fünfundzwanzig Prozent von mir gehörten definitiv schon ihm, aber die restlichen fünfundsiebzig Prozent meines Gehirns, sagen mir, dass ich ihm nicht trauen kann.
»Dieser Bereich ist nur für Personal. Sie sollten wieder zurück zu den anderen Gästen gehen.«, sage ich ihm deswegen. Seine linke Hand, die noch eben meine Schulter umfasst hatte, wandert nach oben und nimmt eine Strähne, die sich von meinem Zopf gelöst hat, in die Hand. Gedankenverloren wickelt er sich meine Haare um den Zeigefinger. »Es tut mir leid was vorhin passiert ist.« Warum muss er nur so nah bei mir stehen?
»Wieso, du hast doch nichts getan?«, frage ich ehrlich interessiert zurück. Ich habe beschlossen ihn nicht mehr zu Siezen.
»Der Vorfall ist an meinem Tisch passiert. Und dieser Idiot ist mit mir hier. Ich fühle mich verantwortlich.«, sagt er immer noch meine Strähne in der Hand haltend. »Hmm... vielleicht solltest du dir andere Freunde suchen?«, gebe ich mutig von mir. Er fängt an zu schmunzeln, was bei ihm wahrscheinlich einem Lächeln gleich kommt. »Du hast Recht. Das sollte ich wirklich. Nur dass er nicht mein Freund ist, sondern mein Cousin und ich ihn einfach nicht los werde.«
Das überrascht mich jetzt. Sie sehen sich überhaupt nicht ähnlich. Nicht wissend was ich ihm daraufhin antworten soll, bleibe ich stumm. »Wann hast du heute Feierabend, Adria?«, möchte er nun von mir wissen. WAS? Wieso möchte er das wissen? »Ähmm.. A-also ich.. muss heute lange arbeiten.«, sage ich nervös.
»Was bedeutet lange für dich?« Ich sehe mich aus Gewohnheit um, um zu schauen ob uns jemand beobachtet. Nein, wir sind hier ganz alleine am Gang. »Bis zwei Uhr.«
»Okay, ich werde auf dich warten. Du weißt ja wo ich bin. Komm nach deiner Schicht zu mir.«, sagt er. Langsam fängt es an in meinem Kopf zu rattern. Ich kann nichts dafür, aber das Leben hat mich gelehrt, argwöhnisch zu sein. Denkt er, ich würde mit ihm heute Nacht mitgehen, nur weil er mir etwas Aufmerksamkeit zeigt?
»Ich glaube das ist keine gute Idee. Ich kenne dich ja nicht einmal. Ich weiß ja noch nicht einmal deinen Namen.«, sage ich.
Er lässt meine Strähne los und stützt sich mit der Hand an der Wand hinter mir ab. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sagt er: »Ich möchte nur mit dir reden, sonst nichts. Du gehst mir seit gestern nicht mehr aus dem Kopf und ich möchte mehr über dich erfahren.« Plötzlich macht er einen Schritt zurück.
»Meinen Namen verrate ich dir, wenn du dich überwindest zu mir zu kommen.«
»Das ist unfair.«, sage ich nun. Wieder erscheint ein Schmunzeln auf seinem Gesicht. »Irgendwie muss ich dich ja anlocken.« Und damit macht er kehrt und geht davon. Ich sehe ihm hinterher, bis er durch die Tür am Gang verschwindet und weiß plötzlich nicht mehr wo oben und unten ist. Hatte er gerade wirklich mit mir geflirtet? Ein Typ wie er hatte es doch gar nicht nötig, sich auf eine Kellnerin einzulassen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top