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Ist er ein Stalker? Hat er mich verfolgt? Eine neue innere Unruhe macht sich in mir breit. Würde ich nun von einer Gefahr in die Nächste laufen? Der Mann vor mir packt mich fester am Oberarm. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich versucht habe mich von ihm zu befreien. »Ja, ich war im Inside. Ich bin gerade nach Hause gefahren, da hat dich mein Chauffeur gesehen.«, sagt er eindringlich. Kann ich ihm das glauben? Es ist schließlich ein großer Zufall ihn hier wieder zu begegnen. Aber andererseits ist nicht heute alles etwas komisch verlaufen?
Mein Blick zuckt wieder zu seinem Chauffeur. Welcher Chauffeur hat denn eine Waffe bei sich? Ich habe noch nie im Leben gesehen, wie ein Mensch erschossen wurde. Ob dieser Mann wirklich schießen würde?
Meine Gedanken werden unterbrochen, als mein gutaussehender Retter mich mit sich zieht. Noch immer durcheinander von den Geschehnissen drehe ich mich um, um zu sehen, ob sein Chauffeur nun schießen wird, bis wir vor einem schwarzen Auto ankommen. Mir wird die Tür geöffnet. »Warte im Auto auf mich. Ich komme gleich.«
Ich bleibe vor dem Wagen stehen und sehe ihn nun wieder an. Kann ich ihm wirklich so weit trauen, um in sein Auto zu steigen? Vielleicht ist er von der Mafia und will mich entführen! Meine Gedanken fahren Achterbahn. Sein Chauffeur hat eine Waffe, wenn er mich entführen wollen würde, hätte er mir doch nur seine Waffe ins Gesicht drücken müssen, oder? Nein, ich schiebe diesen Gedanken wieder weg. Ich werde langsam paranoid. Dieser Mann möchte mir allem Anschein nach einfach nur helfen.
Wie eine Verrückte betrachte ich eine Weile die edlen Ledersitze des Autos. »Ich bin ganz nass und würde nur ihre Sitze ruinieren.«, bringe ich heraus.
Aus irgendeinem Grund ist es mir wichtig, sein Eigentum nicht zu beschmutzen. Als ich wieder in sein Gesicht blicke, sehe ich keine Regung. »Steig ein.«, antworte er nur und schiebt mich nun hinein. Er macht die Autotür zu und geht wieder zurück zu den Männern und seinem Chauffeur.
Die ganze Zeit über kann ich meinen Blick nicht von den Geschehnissen abwenden. Es ist als würde man einen Horrorfilm anschauen und seine Augen nicht vom Bildschirm abwenden können. Mein Retter baut sich vor den Männer, die noch vor einigen Augenblicken für mich unbesiegbar aussahen, auf und redet auf sie ein. Was er sagt, kann ich nicht verstehen, aber seine Körpersprache ist klar: aggressiv.
Tränengesicht antwortet ihm, woraufhin er anfängt sich zu ihm runterzubeugen und ihn am Kragen zu packen. Er schreit ihn an und schlägt seinen Kopf fest auf den Asphaltboden. Nun geht sein Chauffeur zu ihm und spricht auf ihn ein. Nachdem er einen kurzen Blick in meine Richtung wirft, fängt er an, in der Jackentasche des Tränengesichtes nach etwas zu suchen. Als er gefunden hat, was er sucht, lässt er von ihm ab und kommt mit seinem Chauffeur zurück zum Auto.
Ich muss schlucken. Hier im Dunklen und regenüberströmt, sieht er furchteinflößend aus. Wenn ich schon dachte, dass die anderen Männer unbesiegbar waren, dann ist er unbezwingbar. Wahrscheinlich verspeist er Leute wie Tränengesicht und seine Freunde zum Frühstück.
Die hintere Tür wird erneut geöffnet. »Rutsch rüber.«, sagt er. Augenblicklich gehorche ich und rutsche bis zur anderen Seite hinüber. Er steigt ein und schließt die Tür hinter sich. Sein Chauffeur nimmt ebenfalls hinter dem Steuer Platz.
»Wo wohnst du?«, fragt mich seine tiefe Stimme. In was für eine Situation bin ich nur geraten?
»Vielleicht ist es besser, wenn Sie mir ein Taxi rufen. Sie haben schon genug für mich getan.«, antwortete ich.
»Wie lautet deine Adresse.«, will er nun eindringlich wissen.
Anscheinend hat er nicht vor mich gehen zu lassen. Er verströmt so eine Autorität, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass auch nur irgendjemand es wagen könnte, ihm nicht zu gehorchen. Also sage ich ihm meine Adresse. Sein Chauffeur nickt uns vom Rückspiegel aus zu und schiebt dann die Trennwand nach oben. Nun bin ich quasi alleine mit IHM. Ich bin nervös und weiß nicht wohin mit meinen Händen, also verschränke ich sie in meinem Schoß. Mir ist wahnsinnig kalt und ich habe mein Gebiss nicht unter Kontrolle. In dieser Stille hört sich das Klappern meiner Zähne unwirklich laut an.
Mit einem Seitenblick auf IHN sehe ich, dass er sich das nasse Jackett auszieht. Er ist ebenfalls von Kopf bis Fuß nass. Seine schwarzen Haare fallen ihm vorne auf die Stirn. Das schwarze Hemd klebt an seiner Brust. Nun kann man seine definierten Muskeln noch genauer sehen. Mit ruhigen Händen fängt er an sich die Ärmeln hochzukrempeln. Zuerst die eine Seite, dann die andere. Zum Vorschein kommen die absolut männlichsten Männerarme, die ich je gesehen habe.
Ich werde verrückt! So ist es! Oder wieso sollte ich in so einer Situation, von Männerarmen beziehungsweise Männerhänden schwärmen? Dieselben Männerhände holen jetzt eine Trinkflasche aus der Minibar, schenken Wasser in ein Glas und reichen mir es rüber. »Hier, trink. Du bist dehydriert und brauchst Wasser.« Ich habe gesehen, dass er die Wasserflasche vor meinen Augen geöffnet hat, also nehme ich ihm das Glas ab und flüstere: »Danke.«
Er selber schenkt sich einen teuren Whisky ein und trinkt ihn in einem Schluck aus. Langsam lehnt er sich zurück und schließt seine Augen. Er scheint genervt und müde zu sein. Wieso hat er mich dann nicht mit dem Taxi fahren lassen, dann hätte er jetzt seine Ruhe?
Unwohl in diesem Auto, neben diesem Mann zu sein, trinke ich mein Wasser. »Wieso bist du nicht mit dem Taxi nach Hause gefahren?«, höre ich nun in der Stille seine Stimme. Als ich mich zu ihm umdrehe, sehe ich, dass seine Augen noch immer geschlossen sind.
»Ich habe meinen Bus verpasst und wollte nicht noch einmal eine Stunde länger warten.« Dass ich kein Geld für ein Taxi habe, möchte ich diesem reichen Mann nicht sagen. Ich arbeite schließlich nicht in drei verschieden Jobs, nur um mein Geld für Taxifahrten auszugeben. »Und wieso hat dein Boss dir dann kein Taxi bestellt?«, will er wissen. Nun hat er seine Augen offen, die mich interessiert mustern. Was soll ich ihm daraufhin antworten? Welcher Boss bestellt schon ein Taxi für seine Angestellten? Jedenfalls nicht meine.
»I-ich... bei uns ist jeder alleine dafür verantwortlich, wie er zur Arbeit kommt und wieder geht. Schließlich kann er doch nicht für alle seine Angestellten ein Taxi bestellen.« ER sieht mich nur weiterhin ausdruckslos an und ich könnte schwören, für einen kurzen Augenblick Wut in seinem Blick gesehen zu haben. Als Antwort bekomme ich Stille. Wirklich gesprächig scheint er nicht zu sein.
Nach der endlos langen Fahrt, die in Wirklichkeit nicht länger als fünf Minuten dauern konnte, kommen wir auch schon vor meinem Apartment an. Weil ich so schnell wie möglich nach Hause gehen will, um mich in mein Bett zu verkriechen und das Schlafkissen vollzuweinen, drehe ich mich zu diesem mysteriösen Unbekannten um, und bedanke mich.
»Danke... für alles was Sie und ihr Chauffeur für mich gemacht haben.« Wieder keine Antwort. »Gute Nacht.«, sagte ich daraufhin und öffne schnell meine Tür.
Zu meiner großen Überraschung steigt auch ER aus. »Ich werde dich nach oben begleiten. Nicht, dass du wieder in Schwierigkeiten gerätst.« Dieses Mal sehe ich ein Schmunzeln auf seinem Gesicht. Nimmt er mich jetzt auf den Arm? Weil ich heute die negative Energie der ganzen Stadt auf mich ziehe, kann ich mir sogar vorstellen, dass seine Vermutungen zutreffen werden. Bei meinem Glück würde ich von den nassen Treppen ausrutschen und mir das Genick brechen. Also nicke ich ihm nur zu. Nicht zuletzt weil ich den Eindruck habe, dass er auf meine Verweigerung hören würde. Also drehe ich mich um und gehe den schmalen Weg entlang zur meiner Wohnung. Dicht gefolgt von IHM.
Mein Wohnviertel ist nicht gerade.... schön. Meistens treiben sich komische Gestalten herum und man hört öfters das Geschreie von den Nachbarn. Keiner der eine angesehene Person ist oder ein gutes Einkommen hat, würde hier freiwillig wohnen. Hier leben nur Arbeitslose, Drogendealer oder Prostituierte. Oder Leute wie ich, die drei Jobs auf einmal hatten, um nicht auf der Straße zu landen.
Im Treppenhaus angekommen, steigen wir stillschweigend die Stufen hinauf. Auf den Wänden sind zahlreiche Graffitis zu sehen, die obszöne Sachen beschreiben. Wie beispielsweise die überdimensionale Schrift, die im 2. Stock steht: JJ kann es am besten. 7. Stock Nr. 33. Mit einer anderen Farbe wurde die Schrift durchgestrichen und darunter geschrieben: Hier bin immer noch ich die Beste! Beschämt sehe ich ihn an. Wenn er es bemerkt haben sollte, dann zeigt er auf jeden Fall keine Regung. In seinem teuren Anzug passt er so gar nicht in dieses Bild. Wahrscheinlich wohnt er in einer Villa. Oder in einem Penthaus. Ich sehe ihn nochmals über die Schulter an. Teurer Anzug, selbstsicherer Gang und eine funkelnde Uhr. Definitiv Penthaus!
Im fünften Stock vor meiner Haustür angekommen, drehe ich mich zu ihm um. »Danke, dass Sie mich begleitet haben.« Er nickt daraufhin. »Du solltest das nächste Mal nicht alleine durch die Straßen laufen, Adria.« Wie konnte mich eine Stimme nur so sehr anziehen. Sie ist geradezu hypnotisierend. Warte, was?!
Ich gehe eine Schritt zurück und stoße gegen meine Haustür. »Woher kennen Sie meinen Namen?« Ich hatte es ihm nicht verraten, oder? Mein Kopf droht zu zerplatzen und ich spüre ein stumpfes Pochen im Hinterkopf. Er blickt hinunter zu meiner Bluse. Dort ist mein Namenschild befestigt. Natürlich, wie dumm von mir. Ich habe noch meine Uniform vom Inside an.
»Ohh.. das.. entschuldigen Sie, ich bin etwas neben der Spur«, bringen meine letzten Gehirnzellen zustande. »Geh hinein und ruh dich aus. Und schließ die Türe ab. Ich werde nicht von hier gehen, bis ich das Klicken gehört habe.«, sagt er. Ich drehe mich um, schließe meine Tür auf und gehe in meine Wohnung.
»Bis später.«, kommt es von IHM. »Gute Nacht«, antworte ich und schließe die Tür. Erst nachdem ich die Tür verriegelt habe und höre, wie seine Schritte langsam verstummen, breche ich auf dem Boden zusammen. Bis später?
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Widmung: @marlinastern ... weil sie das erste Sternchen gegeben hat. <3
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