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Mit einem sanften Geräusch öffnen sich die Aufzugtüren im fünfunddreißigsten Stockwerk des Millennium Towers. Wie nicht anders zu erwarten, wohnt Dorian in Downtown Crossing und somit im Gegensatz zu mir im besten Viertel der Stadt.
Diego war so nett und hat mich bis zu den Aufzügen gebracht, den Code für Dorians Apartment eingegeben und mich anschließend alleine gelassen. Als ich den Aufzug verlasse, befinden sich im Korridor nur drei Haustüren. Ich steuere auf direktem Wege auf die Nummer einhundertzwei zu und läute nach einem tiefen Atemzug an. Keine fünf Sekunden später öffnet mir Dorian die Tür. Seine Miene ist wie so oft verschlossen und ich kann nicht erkennen, ob er wütend oder gut gelaunt ist.
»Komm herein.«, sagt er und macht einen Schritt zur Seite um mich hereinzulassen. Zögerlich mache ich einen Schritt nach vorne und trete in sein Reich ein. Bevor ich die Möglichkeit habe mich in seiner Wohnung umzusehen, schließt Dorian die Tür hinter mir und drückt mich in Sekundenschnelle gegen die Tür. Dabei stützt er sich mit seinem rechten Ellbogen dagegen und kommt mir somit sehr nahe. Sein Verhalten und die plötzliche Nähe sollten mir tierische Angst einjagen. Tut es aber nicht in dem Ausmaß, das es tun sollte. Denn instinktiv weiß ich, dass er mir kein Haar krümmen würde.
»Wie war dein Tag heute, Beauty?«, möchte er von mir wissen.
Scheiße! Er ist wütend, weil ich ihm nicht gesagt habe, dass ich zu Racer gegangen bin.
»A-hm, ganz gut und deiner?«, frage ich ihn in einem unschuldigen Ton?
Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. So als ob er meinem ahnungslosen Tonfall nicht glaubt.
»Auch ganz gut.«, antwortet er ebenfalls in einem ruhigen Tonfall und spielt mit einer Strähne von mir.
»Ich war heute im SkyClass Industries, habe es geschafft ein millionenschweres Geschäft nach meinen Bedingungen abzuwickeln, meine neue Assistenz hat mir meinen Kaffee gebracht ohne ihn zu verschütten und der Scotch in meiner Minibar hat wie immer ausgezeichnet geschmeckt. Also im Großen und Ganzen ein erfolgreicher Tag bis ich erfahren habe, dass du bei Racer warst, obwohl du mir gestern gesagt hast, dass du keine Zeit hast in deiner Pause zu mir zu kommen. Und obwohl ich dir gesagt habe, dass du dich von diesem Typen gefälligst fernhalten sollst.«
»Du hast eine neue Assistenz?«. Ohne viel Erfolg versuche ich das Thema von mir abzulenken.
»Adria!?«, knurrt mich nun Dorian doch an und kesselt mich weiter ein.
»Zuerst möchte ich sagen, dass es mir nicht leid tut, dass ich bei Racer war.«
Dorians Blick wird wenn möglich noch wütender. Hastig rede ich weiter.
»Du weißt, dass ich nicht viele Freunde habe, aber er ist einer Guter. Er hat mich im Club immer höflich behandelt und niemals von oben herab mit mir gesprochen, so wie alle anderen die dort sind. Ich fühle mich etwas schuldig, dass ich ihn bedrängt habe mich in die Halle mitzunehmen und nach eurem Streit wollte ich einfach sicher gehen, dass... dass z-zwischen euch wieder alles in Ordnung ist.«, beende ich den Satz etwas holperig.
»Nein, wolltest du nicht. Du wolltest nur sehen, ob seine Gliedmaßen an richtiger Ort und Stelle sind oder ob ich ihm nicht doch die Scheiße aus dem Leib geprügelt habe.«
Er hat Recht. Ich war wirklich dort, weil ich dachte Dorian hat ihm etwas angetan, aber die Art wie er Spricht gefällt mir nicht.
»Ich mag es nicht, wenn du so grob sprichst. Hör auf damit!«
Lächelnd sagt er:» Und wenn nicht? Was wirst du dann tun?«. Dabei fasst er mich mit seiner linken Hand am Kinn an.
»Gar nichts.«, antworte ich kleinlaut.
Langsam merke ich, dass wir so nicht weiterkommen werden, deswegen versuche ich es anders. Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und blicke ihm weiterhin in die Augen.
»Es tut mir leid. Ich hätte es dir vorher sagen müssen. Ich wollte unbedingt mit ihm sprechen und habe geahnt, dass du etwas dagegen haben würdest. Aber bitte versteh mich doch auch, wenn ich sage, dass er bis jetzt immer nett zu mir war. Er ist ein guter Freund und ich würde mich wirklich schrecklich fühlen, wenn ich plötzlich so tun würde, als würde er nicht existieren.«
Dorian sagt zuerst nichts und legt dann schließlich doch seine Arme um meine Taille. Ich merke, wie er sich nach und nach unter meinen Berührungen entspannt.
»Einverstanden. Aber das nächste Mal sagst du es mir zuerst, bevor du etwas tust womit ich ein Problem haben könnte.«
»Okay.«, sage ich lächelnd und habe zum ersten Mal das Gefühl eine Diskussion gegen Dorian gewonnen zu haben. Er küsst mich kurz auf den Mund und redet weiter.
»Wenn dir die Freundschaft mit diesem Versager so wichtig ist, dann bitte.«
Ich muss über seine arrogante Redeweise lachen. Insgeheim habe ich das Gefühl, als wäre er auf unsere Freundschaft eifersüchtig.
»Versager? Racer ist ein Boxchampion und einer deiner besten Kämpfer in der Halle.«
»Wer sagt das?«
»Außerdem...», rede ich weiter. »... denke ich, dass du ihn eigentlich ganz gut leiden kannst.«
»Ganz sicher nicht.«
Allein die Tatsache, dass er nun doch eingelenkt hat, beweist mir etwas anderes.
»Natürlich tust du das.«
»Wieso reden wir nochmal über diesen Spinner?«, möchte Dorian wissen. Dabei wandert seine Hand etwas tiefer und sofort ist Racer vergessen. Zum zweiten Mal an diesem Abend treffen seine Lippen auf meine, nur dass es dieses Mal nicht ganz so kurz ausfällt. Ich kann nicht anders, seine Präsenz zieht mich wie in einen Bann. Ich seufze und öffne meine Lippen, damit er noch leichter Zugang erhält. Ich möchte nicht, dass dieses Gefühl, dieser intime Moment zwischen uns jemals endet. Wir genießen beide diesen Augenblick, bevor Dorian langsam wieder Abstand nimmt und seine Arme von mir löst.
»Ich muss mich heute benehmen.«, sagt er ironisch lächelnd. »Schließlich bist du das erste Mal in meiner Wohnung, da kann ich doch nicht gleich über dich herfallen.«
Die Stimmungsschwankungen dieses Mannes sorgen dafür, dass ich ihn nie einschätzen kann. Wütend, fröhlich, traurig. Ich weiß nie, wie er sich fühlt.
Da ich jetzt die Möglichkeit habe mich umzusehen, tue ich das. Dorian Carters Wohnung ist kein Apartment, sondern eine Villa. Hoch über den Dächern von Boston befindet sich sein Penthouse und hat einen wunderschönen Ausblick Richtung Stadt. Im ersten Moment ist die Höhe neu für mich, doch ich gewöhne mich schnell daran.
Sein Apartment ist genauso, wie ich es mir vorgestellt habe. Extravagant und maskulin. Ich glaube, sein Vorraum ist so groß wie meine Wohnung, doch ich möchte nicht weiter über diesen Unterschied nachdenken. Langsam gehe ich zu den bodentiefen Fenstern zu, die sich über die gesamte Länge des Raums erstrecken.
»Du hast von hier oben einen atemberaubenden Ausblick.«
Er stellt sich hinter mich und schlingt beide Arme um meinen Oberkörper. Gemeinsam betrachten wir eine Weile die bunt leuchtende Skyline von Boston, bis meine Augen die Terrasse links von uns entdecken.
»Ach du meine Güte. Du hast eine Terrasse hier oben?«
»Ja.«, antwortet Dorian, als wäre es das Normalste der Welt.
Ich löse mich aufgeregt von seinen Armen, gehe zu den gläsernen Schiebetüren, bevor ich sie öffne und hinaustrete. An der frischen Luft zu stehen und hinauszublicken ist sogar viel schöner. Ich lehne mich etwas über die Brüstung und sehe die Menschen auf der Straße, die wie Ameisen aussehen. Wahrscheinlich ist es auch das was Dorian denkt. Menschen zu seinen Füßen in der Größe von Ameisen, die er jeder Zeit mit seinen teuren Schuhen zerquetschen kann, während er von hier oben aus regiert. Ich drehe mich um und entdecke ihn lässig am Eingang lehnend.
»Es ist so wunderschön hier.«, sage ich ehrlich beeindruckt von seiner Wohnung und gehe dabei auf ihn zu.
Seine Augen verfolgen meine Bewegung, bevor er antwortet.
»Ja, zum ersten Mal habe auch ich den Eindruck, dass es wunderschön ist.«
Ich muss über seine Anspielung lächeln und werde wieder einmal leicht nervös unter seinem Blick.
»Du hast einen riesen Jacuzzi hier oben, Dorian. Wie cool ist das denn?« Für den Fall, dass er es nicht sowieso schon wusste, deutete ich wie ein Kind darauf.
»Möchtest du hinein?«, fragt mich Dorian amüsiert.
»Ich hab doch keinen Bikini.«, sage ich ahnungslos.
Sobald ich in Dorians Gesicht blicke, kann ich Wortwörtlich die schmutzigen Gedanken in seinem Blick ablesen und werde rot.
Dorian räuspert sich. »Ich werde Caleb schreiben, dass er dir ein Bikini kaufen soll.« Er nimmt sein Handy heraus und fängt sofort an zu tippen, bevor ich Einwände erheben kann. Ich weiß, dass er eigentlich etwas anderes sagen wollte, belasse es jedoch dabei.
»Komm mit. Ich habe essen für uns servieren lassen.«
Er führt mich an der Hand haltend vom Wohnzimmer ins Esszimmer. Ein bedeckter Tisch mit köstlich duftendem Essen steht für uns bereit. Wir nehmen an den gegenüberliegenden Seiten des Tisches Platz.
»Hast du das gekocht?«, möchte ich, die Antwort von ihm ahnend, wissen.
»Nein, Adria. Ich bin kein besonders guter Koch. Vivien, meine Köchen, hat es für uns gekocht.«
»Natürlich.« Ich lächele ihn über den Tisch hinweg an. Da alles sehr appetitlich aussieht, häufe ich mir von allem etwas auf meinen Teller, um auch ja von allem zu kosten. Und ja, der Geschmack kommt dem Aussehen nicht hinterher.
»Köstlich.«, sage ich nach einer Weile zu ihm.
Amüsiert sieht er mich an.
»Freut mich, dass es dir gefällt, Adria.«
»Du machst dich über mich lustig.«, schimpfe ich mit ihm.
»Nein, tue ich nicht. Ich bin glücklich in deiner Nähe und du bringst mich zum Lachen. Das ist ein Unterschied.«
Mit seinen Worten sorgt er dafür, dass mir warm wird.
»Ich mag es nicht, dass wir so weit weg sitzen.«, schießt es aus mir. Dorian blickt mich ernst über den Tisch hinweg an und zieht dabei die Augenbrauen zusammen.
»Du hast Recht. Die Sitzordnung muss das nächste Mal geändert werden.«, bestimmt er sofort.
Wir wenden uns wieder dem Essen zu, als Dorians Handy zu klingeln beginnt. Mit einen Seufzen nimmt er es aus seiner Jackentasche und hebt ab.
»Ja? Was macht der den hier? Nein. Schicken Sie ihn weg.«, redet er kurz angebunden mit der Person auf der anderen Seite der Leitung.
»Herrgott nochmal! Schicken Sie ihn hoch!«, sagt er nun wesentlich lauter.
Ich merke sofort, wie er versucht seine Wut unter Kontrolle zu halten.
»Ist etwas schlimmes passiert?«, frage ich sanft.
»Nein, mein Cousin, der Vollidiot den du im Club kennengelernt hast, ist hier und hat mir etwas sehr wichtiges mitzuteilen.« Genervt atmet er aus und steht auf.
»Bleib hier, während ich ihn wieder wegschicke.«
»Okay.«, gebe ich von mir und schaue wieder auf mein Essen. Wieso darf ich denn nicht mit ihm gehen?
»Adria!«, ruft mich Dorians mit strengem Ton, als würde er ahnen, dass ich gerade darüber nachgedacht habe, ihn zu belauschen.
Mit zwei Schritten ist er bei mir und beugt sich zu mir nach unten.
»Ich möchte nicht, dass du dieses Zimmer verlässt, verstanden?«, fragt er in einem autoritären Ton. »Und dieses Mal hörst du gefälligst auf mich.« Damit macht er kehrt und verlässt den Raum.
Nachdem er die Tür geschlossen hat, greife ich zu meinem Glas und trinke ein Schluck. Seine Kälte sorgt für ein Stechen in meiner Brust. Ich denke an die kurze Begegnung mit seinem Cousin. Er hat mich damals zu sich gezogen und billig angemacht. Vielleicht möchte Dorian mir diesen Anblick ersparen, rede ich mir ein.
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