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Ich hole tief Atem und klopfe an Marlens Haustüre an. Den Schokoladenkuchen, den ich extra für sie und ihren Sohn gebacken habe, halte ich dabei fest in meiner linken Hand. Nach meinem Dienst im Inside beschloss ich das Kriegsbeil zwischen uns zu begraben. Sie öffnet mit einem Hallo die Tür und sieht mich zuerst etwas ratlos an. Für einen kurzen Moment befürchte ich, dass sie mich abweisen wird, doch dann tritt sie einen Schritt zur Seite, um mir Platz zu machen.

»Tante Adria!«, ruft Riley und rennt auf mich zu, sobald ich in ihrer Wohnung bin. Ich umarme ihn umständlich mit einer Hand und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.

»Na mein Kleiner, wie geht es dir?«

Riley möchte mir antworten doch dann sieht er den Schokoladenkuchen in meiner Hand und ich kann sehen, wie seine Kulleraugen immer größer werden.

»Ist das für mich? Bitte, Adria. Darf ich ein Stück essen?«

»Natürlich, wenn deine Mutter nichts dagegen hat.«, sage ich und blicke zu Marlen. Sie lächelt ihrem Sohn zu, nimmt den Kuchen aus meiner Hand und serviert ihm ein Stück.

Nachdem Riley nun mit dem Essen beschäftigt ist, wird es wieder still zwischen uns. Diese Distanz ist untypisch für unsere Freundschaft und treibt mir Tränen in die Augen. Marlen ist genauso auf sich alleine gestellt, wie ich und wir haben schon viele schwierige Zeiten gemeinsam durchstanden. Ich öffne gerade meinen Mund, um mich nochmals bei ihr zu entschuldigen, als sie mir zuvor kommt und mich plötzlich in eine Umarmung zieht.

»Es tut mir so leid, Adria.«, schluchzt sie in mein Haar. Einen Augenblick lang schockiert mich ihr Schluchzten mehr, als ihre plötzliche Umarmung, denn normalerweise bin ich diejenige, die Nahe am Wasser gebaut ist.

»Ist schon in Ordnung, Marlen. Mir tut es auch unglaublich leid.«

«Nein, ich habe total überreagiert. Schließlich hätte das jedem passieren können.« Sie nimmt mich bei der Hand und führt mich zur Couch.

»Ich habe meine Freundin vermisst.«, kommt es von ihr.

»Ich meine auch. Nach gestern Nacht wollte ich unbedingt mit dir sprechen.«

Marlen sieht mich reumütig an und schweigt.

»Wieso war Marco bei dir zuhause?«, möchte ich von ihr wissen. »Hast du etwas mit ihm am Laufen?«

»Mit Marco? Niemals. Er hat plötzlich mitten in der Nacht bei mir angeklopft und meinte er muss mit mir über meine Arbeitszeiten reden. Zuerst habe ich mir nichts dabei gedacht, doch danach habe ich sofort gemerkt, dass etwas nicht mit ihm stimmt.«

»Dorian meinte, er hat bestimmt Drogen genommen.«

»Wieso kennt sich Dorian so gut mit den Auswirkungen von Drogen aus?«, kommt es plötzlich von ihr und verunsichert mich.

Gute Frage.

»Tut mir leid, Adria. Ich wollte nicht gehässig sein, aber auf ihn bin ich auch wütend. Marco hat mir heute ein Foto von seiner gebrochenen Nase geschickt.«

Ich verziehe das Gesicht, weil ich an das ekelhafte Geräusch denken muss, als Dorian ihm die Faust ins Gesicht rammte.

»Nun, ja-a..«, stammele ich. »Marco hat ein paar unschöne Dinge über mich gesagt und Dorian ist etwas wütend geworden.

»Etwas? Ich weiß nicht, Adria. Er hat mir gestern Nacht sehr dominant und... und dunkel gewirkt.«

Als ich nichts antworte, sagt sie: »Normalerweise bist du doch diejenige, die jegliche Gewalt aus dem Weg geht.«

Sie hat Recht und plötzlich bin ich unsicher. Was ist, wenn ich einen riesigen Fehler begehe? Marlen muss mir meine Traurigkeit ansehen, denn sofort nimmt sie meine Hand.

»Ich möchte einfach nur, dass du aufpasst. Okay?«, fragt sie.

»Wir sind für heute Abend verabredet.«, sage ich und lächle dabei schüchtern. Dies mag für die Meisten nur ein kleiner Schritt sein, doch Marlen weiß, dass es für mich eher ein Weitsprung ist.

»Ach du scheiße... Ach du scheiße. Okay! Ab hier übernehme ich.«

»Du machst mich nur nervöser, Marlen.«, sage ich und streiche mir dabei eine Strähne aus dem Gesicht.

Sie ignoriert mich und plappert weiter. »Hat er gesagt, wo er dich zum Essen ausführt?«

»Nein. Er meinte nur sein Fahrer würde mich abholen.«

»Hmm.. Mein Instinkt sagt mir, er wird dich nicht zum McDrive fahren.«, redet Marlen weiter und tippt sich dabei ernst gegen das Kinn.

«Vielleicht fährt er mich zum Inside.«, sage ich kichernd. »Es wäre witzig von meinem Boss bedient zu werden.«

»Was wirst du anziehen?«, möchte sie plötzlich wissen.

»Ich dachte, ich ziehe mein gelbes Sommerkleid mit den roten Blumen an.«, antworte ich lächelnd.

Wie ein Kind, das schwer von Begriff ist, streichelt Marlen mir langsam über das Kopf. »Süße, hast du jemals im Inside eine Frau gesehen, die zu ihrem Date mit einem gelben Frühlingskleid mit rosaroten Blumen gekommen ist?«

»Nein.«, flüstere ich geschlagen. »Aber ich habe kein anderes Kleid.«

»Dafür sind doch Freundinnen da. Du wirst dir eins von mir leihen.«, sagt sie strahlend.

Ich reiße die Augen auf. »Oh Nein, Marlen. Sowas kann ich doch nicht anziehen.«

Verärgernd gibt sie mir einen Klaps auf den Arm. »Doch nicht meine GoGo-Outfits! Ich habe auch seriöse und elegante Kleider.«

Nicht wirklich überzeugt lächle ich sie an.

*****

Wieder zuhause angekommen, trockne ich mich nach einer blitzschnellen Dusche ab und hole das Kleid heraus, das mir Marlen für heute Abend geliehen hat.

Ich betrachte mich im Ganzkörperspiegel meines Schlafzimmers. Ich habe ein figurbetontes rotes Kleid an, das mir bis kurz übers Knie reicht. Es passt wie angegossen, da meine Freundin und ich dieselben Körpermaße haben. Ich drehe mich und beäuge meine Rückseite. Ein V-Ausschnitt sorgt dafür, dass der Großteil meines Rückens zu sehen ist. Seriös und weiblich, meinte Marlen, als ich ihr meine Bedenken äußerte. Meine schwarzen, gelockten Haare binde ich zu einem Dutt und feine Haarsträhnen legen sich über mein Gesicht. Ich stecke meine Füße in die schwarzen Wildlederpumps mit Zehn-Zentimeter-Absatz, dass ich mir ebenfalls von meiner Freundin ausgeborgt habe und hoffe, für heute Nacht nicht mit einem Beinbruch in einem Krankenhaus zu landen. Letztendlich ziehe ich mir meinen Blazer an, nehme meine Tasche und verlasse meine Wohnung.

Cinderella auf dem Weg zum Ball, schießt es mir durch den Kopf, als ich die Treppen meines heruntergekommenen Wohnkomplexes gehe. Als ich an der Tür meines Vermieters vorbei gehe, achte ich penibel darauf keinen Lärm zu machen. Marlen und mir kam er schon vom ersten Moment an schmierig vor, der gerne von oben auf Leute herabschaut. Ich gehe hinaus und sehe den glänzenden schwarzen SUV vor mir. Wow. Das kleine Mädchen im mir will vor Freude losquietschen.

»Miss Skyes, Mr Carter erwartet Sie.« Dorians Fahrer, der mir mehr als deutlich zu verstehen gegeben hat, mich von Dorian fernzuhalten, hält mir nun die Wagentür auf. Ich gleite auf die weiche Lederbank. Auf der einen Seite erstreckten sich Armaturen aus Kirschholz, mit verschiedenen Gläsern und Kristallkaraffen, die Flüssigkeiten enthalten.

»Bedienen Sie sich ruhig.«

»Nein, Danke.«, antworte ich und blicke aus dem Fenster. Die Innenstadt von Boston zieht an uns vorbei und die Straßen sind hell erleuchtet.

»Wohin fahren wir?«, möchte ich nach einer Zeit von meinem stillen Begleiter wissen.

»Mr Carter möchte Sie in der Sky Bar treffen, einer seiner Bars.«

»Versehe.« Nach kurzem zögern, frage ich ihn: »Wir wurden uns gar nicht vorgestellt. Wie heißen Sie?«

»Caleb.«, kommt es kurz angebunden von ihm. Er scheint nicht gerade freundlich zu sein, doch meine Neugier sorgt dafür, dass ich nicht still sitzen kann.

»Wie lange arbeiten Sie schon für Dorian?«, möchte ich von ihm wissen.

»Seit zwölf Jahren. Allerdings kennen wir uns schon von klein auf.«

»Also sind sie Freunde?«

Ohne viel Mühe weicht er meiner Frage aus. »Wir sind da.«

Er öffnete mir erneut die Wagentür und ich merke, wie meine Aufregung die Oberhand gewinnt. Unauffällig zupfe ich mein Klein zurecht und wische meine feuchte Handfläche daran, während Caleb mich zu den Aufzugtüren führt. Seine kalte und unfreundliche Art und Weise macht es nicht besser.

»Ab hier schaffe ich es alleine. Danke.«

»Mr Carter hat mich gebeten, Sie direkt zu ihm zu bringen.»

»Verstehe.« Was für ein Kontrollfreak.

Wir erreichen unser Ziel im achtundvierzigsten Stock und ich streiche mein Haar zurecht. Alles wird gut, rede ich mir zu und merke, dass mir vor Aufregung ganz übel wird. Toll, es hat nur noch gefehlt mich auf ihn zu übergeben. Reis dich zusammen, Adria.

Caleb führt mich an einigen Leuten vorbei, die an Tischen sitzen, essen und plaudern. In der Mitte des Raumes befindet sich eine Bar, zu der mich Caleb bringt. Dort angekommen, dreht sich Dorian sofort in meine Richtung und mustert mich von oben nach unten.

»Ms Skyes, Sir. Wie gewünscht.« 


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