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Ich habe das Gefühl, die Welt hat sich gegen mich verschworen. Schon wieder. Darauf bedacht in keine Pfütze zu steigen, gehe ich mit gesenktem Kopf und schnellen Schritten die Straße von Boston entlang. Es ist schon spät. Viel zu spät, um als Frau noch alleine draußen zu sein. Vor allem in diesem Stadtviertel, aber ich hatte einfach keine Lust mehr, noch eine Stunde länger auf meinen Bus zu warten. Meine Füße schmer­zen, ich bin müde und hoffe einfach nur, dass dieser Tag bald zu Ende geht.

Heute hat mich mein Arbeitgeber Nummer Zwei gebeten, noch drei Stunden länger zu bleiben, um mein­en Kollegen auszuhelfen, da im Inside wieder einmal hoher Betrieb herrschte. Was aber nicht allzu verwunderlich ist, da heute Samstag ist und am Wochene­nde immer viele Gäste kommen. Das Inside ist eines der bestbesuchtesten Restaurants der Stadt, das der obersten Gehaltsklasse dient. Natürlich ist das auch meinem Boss bewusst, aber er weigert sich, noch eine Kellneranzeige aufzugeben. Schließlich hatte dieser alte Fettsack ja mich. Weil ich aber meinen Job als Kellnerin behalten möchte und es echt schwer war hier hereinzukommen, habe ich wieder einmal zugestimmt länger zu bleiben. Und das, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon seit elf Stunden auf den Beinen war, da ich bis zum Nachmittag in meinem Erstjob noch putzen war. Da es mir mit der Miete vorne und hinten nicht reicht, habe ich vor kurzem beschlossen, den Job als Kellnerin zusätzlich zu meinem Job als Reinigungskraft in einer Marketingfirma zu machen. Natürlich ist es mit diesen zwei Jobs nicht getan. Ich habe nämlich noch einen dritten Job. Ganz genau! Zwei Tage die Woche arbeite ich in einem Club. Manchmal frage ich mich, wie ich bei meinem Tagesablauf auch nur Energie haben kann, um in der Früh aus dem Bett zu steigen.

Gegen Ende meiner heutigen Schicht habe ich nämlich wahnsinnige Fußschmerzen und bin wie üblich übermüdet. Nichts Neues, nur hat es dieses Mal dazu geführt, dass ich einen teuren Rotwein auf eine Frau verschüttet habe, die mit ihrem Ehemann ihren Hochzeitstag feierte. Und natürlich hat diese Frau, die nebenbei bemerkt, viel zu jung für diesen Mann ist, einen Riesenaufstand erzeugt.

Mein Chef hat es bei einer Ermahnung belassen und das Gratisessen von meinem Gehalt abgezogen. Somit habe ich diese drei Stunden um sonst gearbeitet. Arschloch!

Und weil ich so wütend auf mich selber bin, habe ich nicht bemerkt, dass der Bus schon weggefahren ist. Einen Regenschirm habe ich natürlich auch nicht eingepackt, als ich in der Früh aus dem Haus ging. »Einfach toll!«, murmele ich vor mich her.

Nun gehe ich hier in der Nacht, bis zu meiner Unterhose durchnässt, nach Hause und hole mir wahrscheinlich den Tod, weil es so kalt ist. Ich ziehe mir die Kapuze meiner Jacke noch tiefer ins Gesicht und merke dabei nicht, dass ich direkt in eine Gruppe von Männern hineinlaufe. Erschrocken blicke ich auf und sehe vier Augenpaare auf mich blicken. Schei­ße! »Ohh...­ Entschuldige, ich habe Sie nicht gesehen.«, sage ich mit leiser Stimme und will an ihnen vorbeigehen.

Einer der Männer packt mich am Arm und umklammert ihn wie eine Handschelle. 

»Ganz langsam. Hast du dich verirrt oder was macht so eine schöne Frau wie du hier um diese Uhrzeit? Brauchst du Hilfe? Sollen wir dich nach Hause begleiten?«. 

Ich zucke zusammen und weiche einen Schritt zurück. Als ich seinen Angst einflößenden Ausdruck sehe, schlägt mein Herz schneller. Diese Männer riechen schon von hundert Meter Entfernung nach Ärger. Mit rot geäderten Augen kommt er mir näher und ich kann seinen nach Zigaretten stinkenden Atem riechen.

»Nein, danke. Mir geht es gut, ich brauche keine Hilfe.«, sage ich. Dabei entgeht mir nicht, dass zwei von ihnen mich umkreist haben und nun hinter mir stehen. Schnell blicke ich mich um, aber es ist keine Menschenseele außer uns zu sehen. 

»Hey, nicht so ängstlich. Weißte du, dass hier ist unser Viertel und hier kommt man nicht einfach so ungestraft davon.«

»I-Ich.. Es tut mir leid, ich w-wusste nicht, dass das hier Ihr Viertel ist. Ich wollte nur nach Hause. Mein Freund wartet dort um die Ecke auf mich.«, bluffe ich mit zitternder Stimme.

»Schhhh...«, sagt jetzt der Mann, der direkt hinter mir steht. Sein Atem riecht nach Alkohol. »Nicht so schnell. Lass uns noch etwas Spaß haben.«

Er steht nun so nah bei mir, dass ich seine Brust an meinem Rücken spüre. Anscheinend haben sie den Köder nicht geschluckt. Plötzlich landet seine Hand auf meinem Hintern. Er fängt an mich zu streicheln und zuzudrücken, während die anderen anfangen zu lachen. Grenzenlose Panik überkommt mich. Ich bin wie versteinert und bringe keinen Ton über meine Lippen.

Das Blut in meinen Adern gefriert und plötzlich kann ich nicht mehr atmen. Lauf, lauf, lauf, schreit mein Gehirn. Ich kann mich jedoch nicht bewegen. Wie das Kind von damals erdulde ich die Schikanen. Und wie von selbst versetzt sich mein Gehirn Jahre zurück. Meine Sicht verschwimmt und meine Gedanken vermischen sich. Ich bin nicht mehr auf der Straße, sondern in einem Raum, der mir nur allzu bekannt ist. Keine Sorge, dir wird es auch gefallen, höre ich die Stimme in meinem Kopf.

»Nein, bitte nicht!«, flüstere ich erneut und zwinge mich auf die Geschehnisse hier und jetzt zu konzentrieren. Meine Hände zittern und mein Blick, bleibt an der Träne hängen, die unter dem Auge von dem ersten Mann tätowiert ist. 

»Ich liebe es, wenn sie betteln.«, sagt nun ein anderer. Tränengesicht kommt nun noch einen Schritt näher und streckt seine Hand aus. Er fängt an, meine dünne Jacke aufzumachen und schlüpft mit der Hand unter meine Bluse.

»Scheiße, du fühlst dich so gut an.«

Ich bringe nur ein Wimmern zustande. Und obwohl ich weiß, dass mir gleich Schlimmes zustoßen wird, bringe ich es noch immer nicht über mich zu schreien. Es ist, als würde mein Gehirn sich weigern zu arbeiten und ich als Außenstehende den Geschehnissen zusehen.

Bis vor fünf Minuten dachte ich, der Tag könnte nicht schlimmer verlaufen. Aber anscheinend würde sich dieser Tag für immer in mein Gedächtnis eingravieren. Ich schließe meine Augen und die Tränen, die ich versucht habe, mühsam zurückzuhalten, vermischen sich mit dem Regenwasser, das auf mein Gesicht fällt.

Plötzlich ziehen beide Männer ihre Hände von mir weg. Als ich die Augen öffne, bietet sich mir ein verwirrender Anblick. Tränengesicht und der Pograpscher liegen auf dem Boden, ihre beiden Freunde mit geweiteten Augen hinter ihnen. Wie in Trance sehe ich in die entgegengesetzte Richtung. Zwei Männer in Anzügen stehen vor mir und einer von ihnen richtet eine Waffe auf die Männer, die mich noch vor wenigen Sekunden belästigt haben. Das ist nicht echt. Das ist nicht echt. So etwas passiert mir nicht. Ich muss träumen.

Plötzlich dringt ein Laut durch meine Lippen und ich realisiere, dass ich anfange zu lachen. Beide Männer sehen mich nun aus ihrem Augenwinkel an und ich halte mir schnell mit meiner Hand den Mund zu.

Ich möchte nicht, dass sie ihre Auf­merksam­­­keit auf mich len­ken, denn sie jagen mir mehr Angst ein, als die Übel­­täter die auf dem Boden liegen.

Noch immer kann ich mich nicht rühren. Aus tränengetrübten Augen sehe ich, wie der Mann, der keine Waffe trägt, mich zu sich zieht. Mit einer Hand packt er mich am Kinn und schaut mir in die Augen. »Geht es dir gut? Haben sie dich verletzt?«, fragt er mich. 

Und ich weiß nicht, ob es an den Geschehnissen liegt oder daran, dass ich übermüdet bin, aber momentan geben mir seine Augen und seine tiefe Stimme halt. Langsam schüttele ich meinen Kopf.

Diese Männer sind hier, um mich zu retten. Der fremde Mann blickt mir noch einige Sekunden in die Augen, während meine Peiniger anfangen, mit dem Typen mit der Waffe, zu reden. Was sie sagen, kann ich nicht wahrnehmen. Dafür bin ich zu sehr neben der Spur. Ich habe Angst, auch nur zu blinzeln, weil ich dann befürchte, dass meine Retter verschwunden sein könnten. Also blicke ich starr geradeaus, in die braunen Augen, die mich mustern. Weil er mich ein gutes Stück überragt, muss ich meinen Kopf in den Nacken legen. Moment Mal!

»Ich kenne dich!«, sage ich mit meiner wiedergewonnen Stimme. »Warst du nicht vorhin Gast im Inside

Was hat dieser Mann hier verloren? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es der selber Mann ist. Schon als er ins ­ Inside kam, hatte ich ihn sofort bemerkt. Ich habe einer besagten Frau gerade Rotwein eingeschenkt, als ich ihn im Eingangsbereich sah. Wie die Motte vom Licht angezogen, konnte ich meine Augen nicht von ihm abwenden. Er hatte mich förmlich in seinen Bann gezogen und ich hatte Schwierigkeiten gehabt, mich dagegen zu wehren. Hinzu kam, dass er einfach fantastisch aussah. Er hat eine dunkle Ausstrahlung verströmt, die aber keinen im Restaurant davon abhalten konnte, ihn weiterhin sabbernd anzustarren.

Mit seinem schwarzen Anzug und dem dazugehörigen Körper muss er dies wohl gewohnt sein. Er ist kein Mann, der Aufmerksamkeit sucht. Er ist einfach ein Mann, der Aufmerksamkeit bekommt, sobald er den Raum betritt.

Und natürlich hatte er nicht bemerkt, wie ich den Rotwein seinetwegen verschüttet habe, denn er war schon zielstrebig zu seinem Tisch gegangen. Nur als mein Boss mich zur Seite gezogen hatte, um mich zu ermahnen, hatte ich seinen Blick auf mir gespürt. Er hat mich von seiner Sitzecke aus angestarrt und sein Blick war an meinem hängengeblieben. So als würde er tief in meine Seele blicken.

Nun starren mich dieselben Augen erneut an.

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Hallo, ihr Lieben!

Ich habe beschlossen an einem neuen Buch zu arbeiten. Ich hoffe ihr werdet genau so viel Spaß haben beim Lesen, wie ich beim Schreiben dieser Geschichte. Meinungen sind gerne Erwünscht (auf einer respektvollen Art und Weise)!

Viel Spaß! XOXO

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