Der letzte Sonnenuntergang

Dies war sein letzter Sonnenuntergang. Wer wusste, ob es danach einen neuen Morgen kam?
In ein paar Stunden war es so weit. Stunden, die sein Leben oder auch seinen Tod verlängerten.

Denn, wer wusste schon, was die Morgenröte für ihn bereithielt? Seiner und das Schicksal vieler anderer stand am Abgrund. Der nächste Tag würde über alles entscheiden. Lebendig oder tot.
Auch er würde, könnte, sterben. Die Chancen standen hoch. Und da war es schon wieder. Diese melancholische Stimmung.

Fühlte sich jeder so, der wusste, dass man morgen in den sicheren Tod lief? Er hing an seinen Leben. Er mochte es lebendig zu sein. Zu spüren. Zu fühlen. Aber dem Schicksal entkam man nicht. Er hatte es schon früh gelernt. Es würde kein Wiederkommen geben. Er musste sich verabschieden, bevor es zu spät war.

Ein womöglich letztes mal mit Freunden in der Halle der Ceremona speisen. Ein letztes mal am See der Tränen spazieren gehen. Und wie jetzt, ein letztes mal am höchsten Balkon des Schlosses stehen und den Sonnenuntergang betrachten.

Wehmütig seufzte er. Ach wie schön er doch war! Dieses unvergleichbares Schauspiel.

Der See der Tränen war wunderschön. Er leuchtete und glitzerte in der untergehenden Sonne in den schönsten Rot- und Orangetönen die er je gesehen hatte. Er sah die Flammen des Himmelsfeuers in den See spiegeln, als hätte der Gott des Feuers, Nuskus höchstpersönlich das Feuer entfacht. Es war ein brennender See. Wie in Feuer getaucht.

Eine warme Brise kam auf, und er konnte den Duft der Fliederbäume im Garten riechen. Das Summen der Insekten war zu hören. Die Apfelbäume waren über und über mit Blüten bedeckt. Würde er es überhaupt erleben, wie daraus die saftigsten Äpfeln wurden? Würde er überhaupt jemals wieder auf der knorrige Königseiche herum klettern können? Seine Hände fuhren über den kalten Marmor, der kunstvoll gearbeitet war. Der Tag schwand langsam hin. Die ersten Sterne leuchteten am Himmel. Er konnte den Sternzeichen Marius sehen. Nach einem der grössten Helden. Sein Vater hatte sie ihm gezeigt. Die Schönheit der Sterne erklärt, bevor er gestorben war.

Eine Art von Entschlossenheit kam in ihm auf. Mut erfasste ihn! Er war bereit! Er würde seinen Namen und seinem Vater Ehre machen. Er würde beim Versuch sterben, das Land zu retten. Und er realisierte, dass der Tod nur ein weiteres Abenteuer war.

Er wandte den Blick ab, und verließ den Balkon. Auch ein letzter Sonnenuntergang hinderte ihn nicht daran. Die Zeit war gekommen.

Ob es doch eine neue Morgenröte gab, war die Frage des Schicksals.

Und doch würden wir alle in einem solchen Moment den ganzen irdischen Besitz abgeben, nur um ein letztes mal die Vögel zwitschern zu hören. Wie schön doch das Leben ist!

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Nominiert ist lilyxjamesforever mit dem Stufe 1-Wort Astronomie! Die Regeln kennst du ja bereits ;)


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