Kapitel 6: Lavendel (1.379)

Jungkook:

„Aah, danke, dass du kommen konntest, Jimin. Wir haben echt Probleme. Der..." „Ja, ich weiß schon. Die Sejin Group hat einen eurer Geschäftspartner abgeworben. Hoseok hat es mir vorhin erzählt." „Ja. Du hast doch PR studiert. Fällt dir vielleicht etwas ein, wie wir mehr Geschäftspartner und Kunden beziehungsweise Besucher für das Hotel bekommen können?"

„Was in der Öffentlichkeit immer gut ankommt, sind Wohltätigkeitsveranstaltungen. Das Hotel könnte eventuell eine Spendengala für das Kinderkrankenhaus hier in Seoul veranstalten. Das ist das Beste, was ihr machen könnt. Ihr zieht damit Aufmerksamkeit auf das Hotel und eine solch gute Tat ist immer gut, da es auch andere CEOs auf euch aufmerksam machen könnte. Mit jemandem zusammenzuarbeiten, der eine so gute Tat vollbracht hat, wirft auch ein gutes Licht auf dessen Geschäftspartner."

Ich bin immer wieder begeistert, wie klug mein bester Freund doch sein kann.

„Wow, Jimin. Du bist echt ein Genie. Aber da gibt es dennoch ein Problem: Wir haben Geldprobleme, weil die Sejin Group immer mehr unserer Stammkunden abwirbt. Letztens hat das erst vor kurzem geöffnete Hotel das K-Pop-Idol SUNMI abgeworben. Sie war eine unserer besten Einnahmequellen. So eine Spendengala innerhalb kürzester Zeit aufzubauen, wird teuer. Ich weiß nicht, ob wir so viel Geld haben."

„Wenn du mir mal eure Einnahmen und Ausgaben zeigst, kann ich vielleicht helfen, das irgendwie zu regeln." entgegnet mein bester Freund und ich deute ihm an, sich neben mich zu setzen. Zusammen gehen wir dann das Ganze durch.


„Wow, danke, Jimin. Das ist perfekt." „Ich weiß. So bin ich halt." zwinkert er und schlägt mir dabei kurz und brüderlich beziehungsweise freundschaftlich auf meine Schulter. Sofort zucke ich zusammen. „Aah, entschuldige, Kookie." „Ist schon okay. Eigentlich bin ich derjenige, der sich entschuldigen müsste, Jimin, aber ich kann das einfach nicht ändern. Jede Therapie hat meine Angst vor Berührungen eher verschlimmert, als verbessert." sage ich mit leiser Stimme, während ich etwas von Jimin wegrutsche.

„Aber du solltest es nicht aufgeben. Vielleicht gibt es irgendwann eine Therapie, die dir helfen kann. Du willst mir doch nicht sagen, dass du dein Leben lang auf Berührungen verzichten willst."

„Natürlich will ich das nicht. Seit acht Jahren fehlt es mir, meine Eltern und meinen Bruder wieder zu umarmen. Nicht mal als ich sie wiedergesehen hatte, konnte ich sie umarmen, dabei habe ich fast vierhundert Tage, fast pausenlos an meine Familie gedacht. Daran gedacht, wie gerne ich sie bei mir hätte und wie sehr ich mir wünsche, sie endlich wieder in meine Arme schließen zu können. Ich hatte in den letzten Jahren jetzt schon so oft das Verlangen, auch dich und Hobi zu umarmen, aber ich konnte einfach nicht. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich euch nicht mal umarmen kann, um euch zu zeigen, wie sehr ich mich freue, euch als meine Freunde bezeichnen zu können. Um euch zeigen zu können, wie dankbar ich euch dafür bin, dass ihr trotz meiner Persönlichkeitsveränderung noch immer zu mir haltet." entgegne ich mit gesenktem Kopf auf die Aussage meines Hyungs hin, während ich versuche meine Tränen zurückzuhalten.

Im Augenwinkel sehe ich, wie Jimin mich in seine Arme nehmen will, um mich zu trösten, aber direkt wieder zurückzuckt und seine Hände zu Fäusten ballt. Ich sehe, wie schwer es ihm gerade fällt, mich nicht zu berühren. Selbstverständlich ist es auch für meine Freunde und meine Familie schwer, dass ich keine Berührungen ertragen kann.

Niemals werde ich den Blick meiner Eltern vergessen, als ich einen Monat nach meinem sechzehnten Geburtstag befreit werden konnte. Sie wollten mich in ihre Arme schließen, um mir zu zeigen, wie glücklich sie darüber sind, dass ich wieder bei ihnen bin. Doch ich konnte nicht. Als sie auf mich zu kamen, wich ich zurück. Dieser verletzte Ausdruck in ihren Gesichtern, als ich das tat, werde ich nie vergessen.

Dieser verletzte Gesichtsausdruck verfolgt mich fast genau so oft in meinen Träumen, wie das, was während meiner Gefangenschaft geschah.

„Jungkook, du bist immer noch du. Deine Persönlichkeit hat sich nicht verändert. Du bist gegenüber anderen Menschen nur vorsichtiger geworden und hast deshalb diese arrogante und überhebliche Maske aufgesetzt, aber du bist immer noch du." entgegnet Jimin dann nach meinen Worten und reißt mich somit aus meinen Gedanken.

Ein Lächeln huscht nach diesen Sätzen meines Hyungs über mein Gesicht.

„Danke, Hyung. Du weißt gar nicht, wie glücklich ich darüber bin, dich und Hobi zu haben." „Das wissen wir, Kookie. Und du wirst dich auch immer auf uns verlassen können. Wir werden dich schon nicht im Stich lassen." entgegnet der Blondhaarige, was dafür sorgt, dass mein Lächeln nur noch breiter wird.

„Und wegen der Spendengala: Du kannst die Organisationen ruhig mir überlassen. Ich arbeite zwar nicht für dein Hotel, aber ich bin dein Freund, also werde ich dir helfen. Du weißt ja, was für ein Organisationstalent ich bin." zwinkert er. „Oh Ja, das weiß ich, ChimChim. Aber sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst." „Wird gemacht. Ich mach mich dann mal an die Planung. Du kannst mir vertrauen, Kookie, ich werde das schon machen." Mit diesen Worten verlässt mein bester Freund dann mein Büro.

Also mache ich mich mal wieder an meine Leseübungen.


„Herein." sage ich, als es an meiner Tür klopft. Nur kurz darauf öffnet sich die Tür und mein Assistent betritt mein Büro. „Oh, ich wusste ja gar nicht, dass Sie eine Brille tragen." lächelt er. „Ja, aber nur zum Lesen." erwidere ich sein Lächeln, während ich die Brille abnehme. „Was gibt's?" frage ich dann. „Ich habe hier Ihre Post." beantwortet er meine Frage, während er mir die Umschläge auf meinen Tisch legt.

Kaum liegt diese Post auf meinem Tisch, sticht ein bestimmter Umschlag besonders hervor. Wie auch alle anderen, die ich davor bekommen habe, ist auch dieser Umschlag hier lavendelfarben.

Lavendel bedeutet nichts gutes für mich.

Sofort fühlt es sich so an, als würde mein Herz wieder aussetzen. Mit zitternden Händen nehme ich den Umschlag dann und öffne ihn ebenso zitternd.

Direkt springen mir diese Buchstaben leicht verschwommen entgegen, die folgende Sätze bilden:

Na, Baby? Entschuldige, dass ich mich die letzten Wochen nicht gemeldet habe, aber ich war mal wieder von deiner Schönheit verzaubert und habe es deshalb komplett vergessen. Aber ich will dass du weißt, dass ich noch immer an deiner Seite bin.

Kaum habe ich den Zettel zu Ende gelesen, fange ich an etwas schnapp zu atmen. „Geht es Ihnen nicht gut?" fragt mich Taehyung besorgt, doch ich kann nicht antworten. Mir wird schwindlig und mir geht die Luft aus.

Ich dachte wirklich, dass die Briefe, die ich wöchentlich bekam, nur ein schlechter Scherz waren. Jemand, der sich daran erfreut, mich in Angst und Schrecken zu versetzen. Denn seit knapp sechs Wochen bekam ich keine solche Post mehr.

„In meiner Jacke." bringe ich krächzend hervor. „Bitte geben Sie mir das, aus meiner Jackentasche." füge ich hinzu und versuche dabei nicht vom Stuhl zu fallen. Zwischenzeitlich verschwimmt meine Sicht nicht nur, sondern wird komplett schwarz.

Schnell reagiert mein Assistent und holt mir meine Beruhigungstabletten. Ich mache mir zwei davon auf meine Handfläche und schlucke sie mit einem Schluck meines Wassers runter.

Ich atme tief durch, während ich mir mit meinen Zeige- und Mittelfingern an meinen Schläfen reibe.

„Geht es Ihnen gut? Brauchen Sie einen Arzt? Was war denn los?" fragt Taehyung mich dann mit einem besorgten Ton in seiner Stimme, wie ich heraushören kann. Ich weiß, dass er es eigentlich nur gut meint, doch nach diesem Brief wird mir wieder vor Augen geführt, dass ich eigentlich niemandem trauen kann, außer meiner Familie und meinen Freunden. Mir wird wieder klar, warum ich diese Maske angelegt habe.

Doch innerhalb der letzten fünf Wochen, in denen ich Taehyung bereits kenne, ist diese Maske immer weiter abgebröckelt und ich weiß nicht mal warum.

Irgendwie hatte ich relativ schnell das Gefühl, dass man ihm vielleicht trauen kann, doch das kann man nicht. Man kann niemandem trauen. Man weiß nie, wer einem dann so vollkommen ohne Vorwarnung in den Rücken fallen kann.

Ich kann das nicht nochmal ertragen. Ich kann nicht nochmal so verraten werden. Nur deshalb lasse ich keine weiteren Menschen mehr in mein Leben.

„Mein Privatleben geht Sie nichts an! Gehen Sie einfach wieder und lassen Sie mich in Ruhe!" fahre ich Taehyung deshalb an und stürme aus meinem Büro.

Ich brauch frische Luft und meine Freunde. Ich weiß nicht, wie ich das sonst verarbeiten kann.




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