Kapitel 16: Zwiespalt (1.287)
Taehyung:
„Wieso tust du mir das an, Jaehyun?" sagt Jungkook verzweifelt, ehe er sich unter meinen Berührungen wieder beruhigt und sich seine Gesichtszüge und seine Atmung wieder entspannen. Er wirkt wieder so friedlich, wie vorhin, als ich ihn zugedeckt habe. Eine Weile streiche ich ihm noch durch seine Haare, ehe ich mich erhebe und die Decke, die Jungkook während seines Albtraums von sich gestrampelt hat, wieder über ihn lege.
Dann setze ich mich wieder auf den Boden und lehne mich an den Wohnzimmertisch, während ich Jungkook beobachte.
Wer ist dieser Jaehyun, den er erwähnt hat?
Ich krame mein Handy wieder aus meiner Hosentasche und wähle die Nummer meines Bruders.
„Hast du was herausgefunden, Tae?" fragt mich der Ältere direkt, als er den Anruf angenommen hat. „Nein. In seiner Wohnung habe ich nichts gefunden. Aber er hat im Schlaf gerade den Namen Jaehyun erwähnt. Könntest du für mich mal herausfinden, ob es irgendwelche Jaehyuns gab, die mit Jungkook in Kontakt hätten stehen können?" „Kann ich machen, aber warum kannst du das nicht recherchieren?" „Ich kann Jungkook nicht alleine lassen und mein Laptop ist noch im Hotel."
„Aah, hier." sagt Minho dann nach einer ganzen Weile, in der nur das Geräusch der Tastatur seines Laptops am anderen Ende der Leitung zu hören war. „Hier steht, dass auf Jungkook's ehemalige Schule um die fünfzehn Jaehyuns gingen, während Jungkook selbst dort hinging. Zwei davon waren in seiner Klassenstufe vor seiner Entführung und ein weiterer Jaehyun danach. Hat er auch irgendeinen Nachnamen erwähnt? Sonst wird das ziemlich schwer." fährt er fort. „Nein, hat er nicht. Aber ich werde das schon noch herausfinden. Ich denke, wer auch immer dieser Jaehyun ist, dass er irgendwas mit Jungkook's Entführung zu tun hatte."
„Was genau veranlasst dich zu einer solchen Vermutung, Tae?" „Ich habe eins und eins zusammengezählt. Jungkook hat mir unter seiner Betrunkenheit gesagt, dass ihn jede Nacht Bilder von der Entführung erscheinen und Jungkook hat diesen Namen erwähnt, während er einen Albtraum hatte. Dieser Jaehyun hat Jungkook wohl irgendwas angetan, während seiner Gefangenschaft." beantworte ich die Frage meines Bruders, während mein Blick noch immer auf Jungkook's Gesicht haftet.
Als ich sehe, dass sein Gesicht nicht mehr diese entspannten Züge hat, läuten meine Alarmglocken.
Nur kurz darauf beginnt Jungkook wieder zu reden: „Bitte nicht." während sich wieder einige Tränen aus seinen Augen lösen und er erneut langsam beginnt sich zu krümmen und zu winden und dabei die Decke wieder von sich strampelt.
Ich lege mein Handy beiseite, nachdem ich aufgelegt habe, und beuge mich nach vorne um ihm wieder über seinen Handrücken und durch seine Haare zu streichen, während ich ruhig sage: „Hey, hey. Es ist alles gut, Jungkook. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Ich beschütze dich."
Ich streiche ihm weiter durch seine Haare und tatsächlich beruhigt er sich wieder etwas. Alles an ihm entspannt sich erneut. Ohne es eigentlich geplant zu haben, drücke ich Jungkook einen kurzen Kuss auf seine Stirn und wiederhole danach: „Ich beschütze dich. Versprochen."
Dieses Mal lehne ich mich nicht wieder zurück und auch Jungkook's Hand lasse ich nicht gehen. Ich streiche noch immer sachte über seinen Handrücken, während ich mich dann so hinsetze, dass ich meinen Kopf auf meinen Armen ablegen kann.
Auch wenn meine Augen immer wieder zufallen wollen, kann ich einfach nicht schlafen. Zu viel geht mir durch den Kopf.
Zum Beispiel die Frage, was mit mir los ist.
Warum kann ich meine Finger einfach nicht von Jungkook lassen?
Warum habe ich mir eben vorgestellt, wie es wohl wäre, seine Lippen auf meinen zu spüren?
Warum habe ich ihm eben tatsächlich einen Kuss auf seine Stirn gegeben?
Wenn er das erfahren würde, würde er mich sicherlich köpfen.
Als es bereits hell draußen wird, habe ich immer noch kein Auge zu bekommen. Jungkook und ich müssten an sich so langsam ins Hotel, aber vorher muss der Jüngere seinen Rausch ausschlafen.
Gerade als ich mich bequemer hinsetzen will, spüre ich, wie sich Jungkook's Hand unter meiner ein bisschen bewegt und nur kurz darauf höre ich seine verschlafene Stimme fragen: „Tae?"
Ich sehe dann in die Richtung seines Gesichtes und stelle dabei fest, dass er seine Augen augenblicklich weitet, ehe er sich etwas zu schnell aufsetzt. Denn direkt als er sitzt gibt er ein Stöhnen von sich und fasst sich an seinen Kopf. „Was ist denn passiert?" fragt er, während er sich seinen Kopf ein wenig reibt.
„Du hast dich gestern auf dem Event ganz schön betrunken. Aber so viel, dass du einen Kater davon tragen könntest, eigentlich auch wieder nicht." beantworte ich seine Frage, während ich aufstehe. „Ja, ich vertrag Alkohol nicht so gut, deshalb habe ich selbst nach nur einem Glas Sekt am nächsten Morgen Kopfschmerzen." „Wenn du es nicht verträgst, warum hast du dann so viel getrunken?" frage ich weiter, obwohl ich die Antwort ja eigentlich weiß.
„Wegen...Oh nein! Ich habe doch gestern keinen Mist gebaut, oder?" fragt er plötzlich mit großen Augen und fast schon panisch. Ich kann nicht anders, als kurz zu lachen. „Nein. Bevor es soweit kommen konnte, habe ich dich zu dir nachhause gebracht." beantworte ich schließlich seine Frage. „Oh, Ähm, danke. Und du warst die ganze Nacht hier?" „Natürlich. Wer weiß, ob du vielleicht irgendeinen Schwachsinn angestellt hättest, wenn ich dich aus den Augen gelassen hätte." beantworte ich seine Frage. „Ähm...Ich habe dir gegenüber doch nichts gesagt, oder?" fragt er weiter und kratzt sich dabei verlegen am Hinterkopf. „Wenn ich betrunken bin, habe ich immer Gefühlsschwankungen und werde emotional. Dabei sage ich manchmal Dinge, die ich besser hätte für mich behalten sollen. Dir gegenüber habe ich doch nichts dergleichen gemacht, oder?"
Uff, da hat er mich jetzt aber getroffen.
Sollte ich ihm sagen, was er gesagt hat oder sollte ich es lieber lassen?
Ich sitze jetzt echt zwischen zwei Stühlen.
Wenn ich ihm sage, dass er diesen Namen erwähnt hat und ich ihn frage, wer dieser Jaehyun ist, würde ich zwar an Informationen kommen, die wir brauchen, jedoch würde ich weiterhin sein Vertrauen missbrauchen.
Ich denke nicht, dass ich das länger kann.
Ich weiß nicht genau, was das ist, aber wenn ich bei ihm bin, durchströmt mich ein unerklärliches Glücksgefühl und wenn ich ihn berühre, fährt so ein eigenartiges, aber angenehmes Kribbeln durch meinen ganzen Körper.
Wenn ich meine Arbeit als Agent jetzt weiter mache, dann werde ich sein Vertrauen weiterhin missbrauchen müssen, doch sollte ich diesen Auftrag aufgeben, werde ich nicht mehr bei ihm sein können. Minho würde mich direkt abziehen und einen anderen Agenten einsetzen.
Jungkook braucht andere Menschen in seinem Leben und sollte ich abgezogen werden, müsste er sich wieder an einen neuen Assistenten gewöhnen. Doch ich denke auch an mich. Sollte ich von diesem Fall abgezogen werden, dürfte ich nicht mehr bei ihm sein, doch eben das ist es, was ich will. Ich weiß nicht warum, aber ich will ihn nicht alleine lassen. Ich will bei ihm bleiben.
Allerdings kommt auch jede Lüge irgendwann ans Licht und wenn Jungkook von meiner Arbeit erfährt — davon erfährt, dass ich mich ursprünglich eigentlich nur mit ihm angefreundet habe, um meinem Job nachzugehen — dann würde ihn das ungeheuerlich verletzen, aber das will ich nicht.
Also was soll ich bloß tun?
„Taehyung?" fragt Jungkook dann, als ich nach drei Minuten immer noch nicht auf seine Frage geantwortet habe. „Hm? Ähm, nein. Nein, du hast nichts gesagt." beantworte ich schließlich und habe die Entscheidung somit spontan getroffen, diesen Fall abzugeben.
Ich kann sein Vertrauen einfach nicht länger missbrauchen.
„Puh. Da bin ich aber beruhigt. Danke, Tae. Danke für alles. Ich bin froh, dass ich dich getroffen habe." lächelt er dann und sorgt mit diesen Worten nun doch wieder dafür, dass ich nun im Zwiespalt mit mir selbst stehe.
Egal, wie ich mich entscheide. Ich werde ihn bei beiden Entscheidungsmöglichkeiten verletzen.
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